OGH 4Ob53/09m

OGH4Ob53/09m8.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Hon.-Prof. Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V***** GmbH (vormals V*****), *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert 21.000 EUR) und Zahlung nach Rechnungslegung (Streitwert 21.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. Jänner 2009, GZ 5 R 121/08p-18, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. April 2008, GZ 41 Cg 98/06d-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird in „V***** GmbH" berichtigt.

II. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.291,27 EUR (darin 548,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

zu I.

1. Die beklagte Verwertungsgesellschaft hat ihre Tätigkeit in Übereinstimmung mit der vor dem 1. 7. 2006 geltenden Rechtslage, wonach die Betriebsgenehmigung inländischen Körperschaften erteilt werden konnte (§ 3 Abs 1 VerwGesG 1936), zunächst in der Rechtsform eines Vereins ausgeübt.

2. § 3 Abs 1 VerwGesG 2006 hat die zulässigen Rechtsformen für Verwertungsgesellschaften auf Genossenschaften und Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland beschränkt. § 42 Abs 3 VerwertGesG idF BGBl I Nr 82/2006 bestimmt, dass dann, wenn im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes einer Verwertungsgesellschaft in der Rechtsform des Vereins eine Betriebsgenehmigung erteilt ist, sie innerhalb von drei Jahren ab In-Kraft-Treten dieses Gesetzes ihren Betrieb auf eine Genossenschaft oder Kapitalgesellschaft zu übertragen hat; auf die Übertragung sind §§ 6 und 39 sinngemäß anzuwenden. Bis zu diesem Zeitpunkt kann sie in der Rechtsform des Vereins weitergeführt werden.

3. In Entsprechung dieses gesetzlichen Auftrags hat der geklagte Verein mit Einbringungsvertrag vom 14. 12. 2007 den Betrieb als Verwertungsgesellschaft auf die neu gegründete V***** GmbH (FN *****) übertragen. Der Verein und die GmbH haben am 3. 12. 2007 die beabsichtigte Übertragung der Kommunikationsbehörde Austria als zuständige Aufsichtsbehörde (§ 28 VerwGesG 2006) gemäß § 42 Abs 3 iVm § 6 Abs 1 Satz 1 VerwGesG 2006 angezeigt. Die Aufsichtsbehörde sah sich nicht dazu veranlasst, die Übertragung des Betriebs zu untersagen. Die Betriebsübertragung wurde mit Wirkung vom 4. 1. 2008 im Firmenbuch eingetragen, was der Aufsichtsbehörde gemäß § 42 Abs 3 iVm § 6 Abs 1 Satz 3 VerwGesG 2006 mitgeteilt wurde (www.rtr.at/de/vwg/Uebertragung_VAM) . Es liegt ein Fall gesetzlich angeordneter (partieller) Gesamtrechtsnachfolge vor.

4. Auch die Verfahrensstellung in einem anhängigen Gerichtsverfahren unterliegt der (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge (RIS-Justiz RS0052718, RS0036825; vgl auch RS0039517 und RS0039762). Auch (partielle) Gesamtrechtsnachfolge wirkt ipso iure; die Parteienbezeichnung ist richtigzustellen (RIS-Justiz RS0053149, RS0036825). Die Richtigstellung hat in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen zu erfolgen (RIS-Justiz RS0039530 [T8]).

zu II.

Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung der Rechte, Beteiligungs- und Vergütungsansprüche in- und ausländischer Filmurheber und Filmdarsteller. Sie schließt mit den Rechtsinhabern Wahrnehmungsverträge, mit ausländischen Schwestergesellschaften Gegenseitigkeits- und Vertretungsverträge ab. Zu den von ihr wahrgenommenen Rechten zählen auch gesetzliche Vergütungsansprüche, wie etwa Ansprüche aus der Leerkasettenvergütung (§ 42b UrhG) und aus der integralen Kabelweiterleitung von Rundfunksendungen (§ 59a Abs 1 UrhG).

Die Beklagte ist eine Verwertungsgesellschaft, die Rechte an Filmwerken und Filmlaufbildern wahrnimmt, soweit diese Rechte einem Filmhersteller zustehen und der Berechtigte kein Sendeunternehmen ist. Auch die Beklagte nimmt gesetzliche Vergütungsansprüche wahr.

Vor dem Urheberrechtssenat (§ 30 VerwGesG 2006) war über Antrag der Klägerin ein Verfahren anhängig, dessen Gegenstand die Aufteilung der den Streitteilen jeweils der Höhe nach zustehenden Ansprüche gemäß § 42b UrhG und § 59a UrhG unter Ausklammerung der Ansprüche aus Schutzfristverlängerungen war (UrhRs 3/06); der Gegenantrag schloss die Berücksichtigung der Ansprüche aus Schutzfristverlängerungen mit ein.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr über die von der Beklagten erzielten Erlöse aus der Geltendmachung (Verwertung/Wahrnehmung) der ihr von ihren Bezugsberechtigten und/oder ausländischen Gesellschaften und/oder Institutionen eines vergleichbaren Geschäftszwecks eingeräumten Werknutzungsrechte und/oder Vergütungsansprüche (mit Ausnahme solcher aus dem Vermiet- und Aufführungsrecht sowie aus der schulischen Nutzung) für die Zeit vom 1. 1. 1996 bis zum 31. 12. 2005, wobei der Zahlungseingang bei der Beklagten maßgebend ist, richtig und vollständig Rechnung zu legen bzw Auskunft zu erteilen, soweit diese Erlöse aus Zeiträumen einer gesetzlichen Verlängerung der urheber- oder leistungsschutzrechtlichen Schutzfrist mit UrhGNov 1953, UrhGNov 1972 und/oder UrhGNov 1996 stammen; dieser Rechnungslegungsanspruch bezieht sich auf Filme (Filmwerke iSd § 4 UrhG), welche in der Zeit zwischen 1945 und 1971 gedreht bzw veröffentlicht wurden, sowie auf vor dem Jahr 1945 gedrehte bzw veröffentlichte Filme, die zum Stichtag 1. 7. 1995 in einem Mitgliedsstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR geschützt waren. Die Klägerin begehrt weiters, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr die Hälfte der sich aus der Abrechnung ergebenden Erlöse zu zahlen.

Die Klägerin nehme die den Filmurhebern an Werken der Filmkunst zustehenden Rechte, Beteiligungs- und Vergütungsansprüche im eigenen Namen, aber im Interesse ihrer Bezugsberechtigten aufgrund unmittelbarer Rechteeinräumung im Weg des Abschlusses von Wahrnehmungsverträgen wahr. Die urheberrechtliche Schutzfrist für Filmwerke von 30 Jahren sei 1953 um 7 Jahre und 1972 auf 50 Jahre verlängert worden; 1996 sei das System der Schutzfristenberechnung neu gestaltet und an die Regelschutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers angeglichen worden. Nach den Übergangsvorschriften der UrhGNov 1953, 1972 und 1996 erstreckten sich vor Inkrafttreten der Schutzfristenverlängerungen erfolgte (vertragliche) Verfügungen im Zweifel nicht auf den Zeitraum der Schutzfristenverlängerung; wer jedoch ein Werknutzungsrecht oder eine Werknutzungsbewilligung gegen Entgelt erworben habe, bleibe gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung auch während der Zeit der Verlängerung zur Werknutzung berechtigt. Die Rechte an Filmwerken stünden gemäß § 38 Abs 1 UrhG dem Filmproduzenten zu. Diese Sonderregel beziehe sich auch auf den Zeitraum von Schutzfristenverlängerungen. Fraglich sei, ob sich die Vergütungsregelung der für vertragliche Rechtseinräumungen vorgesehenen Übergangsvorschriften auch auf Filmwerke beziehe, weil § 38 Abs 1 UrhG als cessio legis eine vertragliche Rechteeinräumung erübrige. Es sei jedenfalls eine analoge Vergütungspflicht anzunehmen, weil die Sonderregel nur als Surrogat vertraglicher Rechteeinräumungen anzusehen sei. In diesem Sinne habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 235/02s - „Das Kind der Donau" die Übergangsvorschriften analog angewendet. Unerheblich sei, dass der Gesetzgeber mit Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 diesen Vergütungsanspruch ohne sachliche Begründung zum 1. 1. 2006 wieder abgeschafft habe, was gleichheits- und verfassungswidrig sei. Dessen ungeachtet werde das Begehren vorerst auf Ansprüche aus Nutzungen bis zum 31. 12. 2005 beschränkt. Die hier von den Filmurhebern geltend gemachten selbständigen Ansprüche aus Schutzfristenverlängerungen stünden in keinem Zusammenhang mit den ihnen ab 1. 4. 1996 eingeräumten gesetzlichen Vergütungs- bzw Beteiligungsansprüchen an Kabelerlösen, gehe es doch hier darum, dass die den Filmproduzenten durch Schutzfristenverlängerungen „in den Schoß fallenden" zusätzlichen Erträge („windfall-profits") mit den Filmschaffenden unabhängig davon zu teilen seien, ob letzteren in einem bestimmten Teilbereich selbständige Ansprüche zustünden. Der den von der Klägerin vertretenen Rechtsinhabern zustehende Vergütungsanspruch nach den Übergangsvorschriften der UrhGNov 1953, 1972 und 1996 richte sich gegen den jeweiligen Werknutzungsberechtigten und damit auch gegen Verwertungsgesellschaften und umfasse den gesamten Rechtebestand der Beklagten und die sich daraus ergebenden Erlöse. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf angemessene Vergütung seien keine gesetzlichen Ansprüche, sondern „quasivertragliche" Ansprüche bzw Bereicherungsansprüche und unterlägen deshalb nicht der kurzen Verjährungsfrist. Für die gesetzlichen Vergütungsansprüche bestehe im Hinblick auf die gesetzlich verankerte Verwertungsgesellschaftenpflicht eine gesetzliche Treuhandstellung der Klägerin. Im Gesetz seien auch in Bezug auf Ausschließlichkeitsrechte mehrfach Ausnahmen vorgesehen, wie etwa in § 59a Abs 2 UrhG und in § 59c UrhG. Erst nach Erfüllung der Rechnungslegungspflicht durch die Beklagte könne festgestellt werden, um welche Filmschaffenden, die unmittelbar oder über einen Gegenseitigkeitsvertrag mit ausländischen Verwertungsgesellschaften Bezugsberechtigte der Klägerin seien, es gehe. Die Frage, für welche Rechteinhaber die Klägerin Rechte wahrnehme, spiele erst für den Zahlungsanspruch eine Rolle.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Im Hinblick auf das vor dem Urheberrechtssenat laufende Verfahren bestehe Streitanhängigkeit. Ansprüche von Filmdarstellern im Zusammenhang mit Schutzfristenverlängerungen bestünden in keinem Fall. Im Übrigen bestehe eine allfällige zusätzliche Zahlungspflicht bei für die Dauer von Schutzfristenverlängerungen fortgesetzter Nutzung eines Filmwerks ausschließlich für den Fall der (Weiter-)Nutzung eines Werknutzungsrechts oder einer Werknutzungsbewilligung, nicht auch im Fall gesetzlicher Vergütungsansprüche. Insofern habe der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung getroffen, und es bestehe keine durch Analogieschluss zu füllende Gesetzeslücke. Die Beurteilung des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 4 Ob 235/02s, dass die cessio legis des § 38 Abs 1 UrhG dem Filmhersteller nicht nur sämtliche Verwertungsrechte, sondern auch sämtliche wirtschaftlichen Ergebnisse zuordne, die aus der Verwertung dieser Rechte erzielt würden, widerspreche der Absicht des Gesetzgebers, der dieser Auslegung mit Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 den Boden entzogen habe. Ansprüche auf Zahlung eines angemessenen Entgelts könnten sich nicht gegen die Beklagte als Verwertungsgesellschaft, sondern nur gegen unmittelbare Nutzer eingeräumter Werknutzungsrechte bzw erteilter Werknutzungsbewilligungen richten. Die Klägerin könne nur Ansprüche geltend machen, zu deren Wahrnehmung sie durch Wahrnehmungsverträge mit Bezugsberechtigten beauftragt worden sei; nur hinsichtlich dieser Berechtigten wäre die Beklagte allenfalls rechnungslegungs- und zahlungspflichtig. Ansprüche nach § 59c UrhG nehme die Beklagte überhaupt nicht wahr. Die von der Klägerin behauptete gesetzliche Treuhandstellung bestehe nicht. Ansprüche für den Zeitraum 1. 1. 1995 bis 31. 3. 1996 seien verjährt, weil die Klägerin Ansprüche auf Zahlung einer angemessenen Vergütung namens der von ihr vertretenen Rechtsinhaber zumindest seit 1. 4. 1996 direkt geltend mache. In der mündlichen Verhandlung vom 18. 4. 2007 erklärte die Beklagte, die aktive Klagslegitimation der Klägerin für den aktuellen Verfahrensstand, nämlich den Verfahrensabschnitt über die Rechnungslegung, außer Streit zu stellen, ohne dass damit jedoch eine Anerkennung der geltend gemachten Ansprüche verbunden sei (Protokoll ON 10 S 2).

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Streitanhängigkeit und wies das Klagebegehren ab. Die Übergangsbestimmung des Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 sei zwar nicht rückwirkend anzuwenden, sie sei aber für die Auslegung der bisherigen Gesetzeslage heranzuziehen. Mit dieser Bestimmung habe der Gesetzgeber, wie sich aus den Materialien ergebe, unter Beibehaltung der cessio legis des § 38 Abs 1 UrhG die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 235/02s angenommene Gesetzeslücke derart geschlossen, dass der Filmhersteller auch für eine Nutzung des Filmwerks in Zeiten von Schutzfristenverlängerungen keine Vergütung zahlen müsse. Damit fehle es an einer rechtlichen Grundlage für einen bereicherungsrechtlichen Anspruch der Klägerin, weshalb das Begehren auf Rechnungslegung unbegründet sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Gemäß § 267 Abs 1 ZPO könnten nur Tatsachenbehauptungen, nicht jedoch Rechtsausführungen oder rechtliche Qualifikationen (wie hier die aktive Klagslegitimation) zugestanden und damit außer Streit gestellt werden. Das Außerstreitstellen eines Rechtsverhältnisses könne zwar unter Umständen als Zugeständnis der diesem Rechtsverhältnis zugrundeliegenden Tatsachen interpretiert werden, doch müssten diese Tatsachen vom Gegner zumindest behauptet worden sein. Die Klägerin habe im erstinstanzlichen Verfahren aber gar nicht behauptet, die ihr durch Wahrnehmungsverträge übertragenen Ansprüche konkreter Bezugsberechtigter wahrzunehmen, sondern die Rechtsansicht vertreten, dass ihr schon allein wegen ihrer Funktion als Verwertungsgesellschaft für Filmurheber der geltend gemachte Rechnungslegungsanspruch zustehe. Diese Rechtsansicht könne nicht außer Streit gestellt werden, die „Außerstreitstellung" der Beklagten sei daher unbeachtlich. Der geltend gemachte Rechnungslegungsanspruch stehe der Klägerin aber auch nicht schon allein aufgrund ihrer Funktion als Verwertungsgesellschaft zu. Die der Klägerin erteilte Betriebsgenehmigung sei nur eine Voraussetzung zum Betrieb der Verwertungsgesellschaft; mit dieser würden der Verwertungsgesellschaft aber keine Rechte oder Ansprüche der Bezugsberechtigten übertragen. Solche Rechte und Ansprüche stünden der Klägerin nur dann zu, wenn sie ihr von den Bezugsberechtigten durch Wahrnehmungsvertrag eingeräumt worden seien (§§ 11 und 12 VerwGesG). Gemäß § 87a UrhG habe nur der Anspruchsberechtigte, also derjenige, dem nach dem UrhG unter anderem ein angemessenes Entgelt oder eine angemessene Vergütung zu leisten sei, einen Anspruch darauf, dass ihm Rechnung gelegt werde. Die Klägerin sei dann, wenn sie nicht ihr durch Wahrnehmungsvertrag eingeräumte Rechte konkreter Bezugsberechtigter an konkreten Filmwerken wahrnehme, keine Anspruchsberechtigte gemäß § 87a UrhG; Gegenteiliges ergäbe sich auch nicht aus der nach Ansicht der Klägerin analog anzuwendenden Bestimmung des Art VIII Abs 3 UrhGNov 1996. Gegen die von der Klägerin behauptete allgemein geltende gesetzliche Treuhandstellung von Verwertungsgesellschaften spreche, dass der Gesetzgeber nicht ganz allgemein, sondern nur in zwei besonderen Bestimmungen [gemeint offenbar: § 59a UrhG und § 59c UrhG] eine gesetzliche Treuhandstellung angeordnet habe; Ansprüche nach diesen beiden Bestimmungen mache die Klägerin jedoch nicht geltend. Die Übertragung von Rechten ohne Zustimmung und Wissen des Rechtsinhabers auf einen Dritten (die Verwertungsgesellschaften) bedürfe einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Die Klägerin sei daher schon nach ihrem eigenen Vorbringen zur Verfolgung der in der Klage erhobenen Ansprüche nicht aktiv legitimiert.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht der Klägerin mit aktenwidriger Begründung die Klagelegitimation abgesprochen hat; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

1. Zur Klagelegitimation

1.1. Richtig ist, dass die Frage der aktiven Klagelegitimation (die an Hand von Tatsachen zu beurteilen ist) die rechtliche Qualifikation eines Sachverhalts betrifft und daher als solche nicht außer Streit gestellt werden kann. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin aber sehr wohl behauptet, die ihr durch Wahrnehmungsverträge übertragenen Ansprüche konkreter Bezugsberechtigter wahrzunehmen.

1.2. Wie die Revision zutreffend aufzeigt, wird in Punkt 1.2. der Klage die Tatsachenbehauptung aufgestellt, dass die Klägerin „die ihr zur Wahrnehmung überlassenen (eingeräumten) Rechte, Beteiligungs- und Vergütungsansprüche [...] inländischer und ausländischer Filmurheber und Filmdarsteller aufgrund unmittelbarer Rechtseinräumung" wahrnimmt. In der Folge führt die Klägerin aus, weshalb nach ihrer Auffassung dem von ihr vertretenen Personenkreis (vgl Schriftsatz vom 6. 3. 2007, S 5 unten: „Filmschaffende ..., die unmittelbar Bezugsberechtigte unserer Gesellschaft sind") Vergütungsansprüche aufgrund der Schutzfristenverlängerungen für Filmwerke durch die UrhGNov 1953, 1972 und 1996 zustehen sollen und behauptet - aus dem Zusammenhang jedenfalls erkennbar -, die aus diesem Rechtszuwachs entstandenen Ansprüche für die von ihr vertretenen Rechtsinhaber in Form einer Stufenklage geltend zu machen. Damit besteht kein Zweifel daran, dass die Klägerin schlüssige und auch ausreichende Behauptungen betreffend jene Tatsachen vorgebracht und dazu Beweise angeboten hat, die - unterstellt man die Richtigkeit dieser Tatsachen - ihre Aktivlegitimation begründen.

1.3. Ein Beweisverfahren über diese Tatsachen war mangels Bestreitung durch die Beklagte entbehrlich. Einer namentlichen Nennung bezugsberechtigter Personen bedarf es im Verfahren über den Rechnungslegungsanspruch noch nicht, weil die Beklagte nicht bestritten hat, dass die Klägerin nicht einmal einen einzigen Filmschaffenden oder Filmdarsteller vertritt, dem durch den behaupteten Rechtszuwachs abgeltungsfähige Ansprüche entstanden sein können. Davon abgesehen hat die Klägerin ohnehin Urkunden vorgelegt, aus der der von ihr vertretene Personenkreis auch namentlich ersichtlich ist (Beil ./J, ./K).

1.4. Unter diesen Umständen ist die Aktivlegitimation der Klägerin zu bejahen, ohne dass es auf die Klärung der (vom Berufungsgericht verneinten) Frage ankäme, ob eine - von der Klägerin hilfsweise angenommene - „gesetzliche Treuhand" der Klägerin für die Rechteinhaber im Umfang der hier verfolgten Ansprüche bestehe.

2. Gesetzliche Grundlagen

Art III UrhGNov 1953 (abgedruckt bei Dittrich, Urheberrecht5 524) lautet auszugsweise:

„(1) Die im Urheberrechtsgesetz vorgesehenen Schutzfristen a) an Werken der Literatur, der Tonkunst und der bildenden Künste und an Filmwerken (§§ 60 bis 63) [...] werden um einen Zeitraum von sieben Jahren verlängert, wenn das geschützte Recht vor dem 1. Jänner 1949 entstanden und die Schutzfrist bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen ist.

[...]

(3) Hat der Urheber (§ 10 Abs 2 UrhG) vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes ein Werknutzungsrecht begründet oder eine Werknutzungsbewilligung erteilt, so erstreckt sich diese Verfügung im Zweifel nicht auf den Zeitraum der durch Abs l bewirkten Verlängerung der Schutzfristen; wer jedoch ein Werknutzungsrecht oder eine Werknutzungsbewilligung gegen Entgelt erworben hat, bleibt gegen Bezahlung einer angemessenen Vergütung zur Werknutzung auch während dieser Verlängerung berechtigt. Dies gilt entsprechend für Verfügungen über die geschützten Rechte an den im Abs l lit. b bis d genannten Vorträgen und Aufführungen, Lichtbildern und Schallträgern."

Mit der UrhGNov 1972 wurde die Schutzfrist auf 50 Jahre nach Veröffentlichung verlängert. Art II Abs 3 erster Satz UrhGNov 1972 (abgedruckt bei Dittrich aaO 526) ist gleichlautend mit Art III Abs 3 erster Satz UrhGNov 1953.

Mit der UrhGNov 1996 wurde in Umsetzung der Schutzfristenrichtlinie die Schutzfrist auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers verlängert (§ 60 UrhG); § 38 Abs l UrhG wurde durch Hinzufügung eines zweiten Satzes abgeändert und lautet nunmehr:

„Die Verwertungsrechte an gewerbsmäßig hergestellten Filmwerken stehen mit der im § 39 Abs 4 enthaltenen Beschränkung dem Inhaber des Unternehmens (Filmhersteller) zu. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche des Urhebers stehen dem Filmhersteller und dem Urheber je zur Hälfte zu, soweit sie nicht unverzichtbar sind und der Filmhersteller mit dem Urheber nichts anderes vereinbart hat. Durch diese Vorschrift werden Urheberrechte, die an den bei der Schaffung des Filmwerkes benutzten Werken bestehen, nicht berührt."

In der ErlRV 1996 (abgedruckt bei Dittrich aaO 213) heißt es dazu:

„Der Entwurf regelt nunmehr das Schicksal der gesetzlichen Vergütungsansprüche ausdrücklich: Für sie gilt die Vermutung, dass sie dem Filmhersteller und dem Urheber je zur Hälfte zustehen, wenn nichts anderes vereinbart wurde."

Der mit „Filmwerke" überschriebene Art VI UrhGNov 1996 (abgedruckt bei Dittrich aaO 534 f) lautet:

„(1) Die §§ 38 und 39 UrhG in der Fassung dieses Bundesgesetzes gelten für gewerbsmäßig hergestellte Filmwerke, mit deren Aufnahme nach dem 31. März 1996 begonnen worden ist.

(2) Für andere gewerbsmäßig hergestellte Filmwerke, die nach dem 31. Dezember 1969 veröffentlicht worden sind, gelten die §§ 38 und 39 UrhG in der Fassung dieses Bundesgesetzes mit der Maßgabe, dass dem Urheber der folgende Anteil an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen zusteht: Für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1996 beträgt der Anteil 3,3 %, für das Jahr 1997 und die folgenden Jahre bis zum Jahr 2004 vergrößert sich der Anteil jährlich um 3,3 % und beträgt ab dem Jahr 2005 33 %."

Der mit „Schutzfristen" überschriebene Art VIII UrhGNov 1996 (abgedruckt bei Dittrich aaO 537 f) lautet auszugsweise:

„(3) Hat der Urheber (§ 10 Abs 2 UrhG) vor dem 1. April 1996 ein Werknutzungsrecht begründet, eine Werknutzungsbewilligung erteilt oder über einen gesetzlichen Vergütungsanspruch verfügt, so erstreckt sich diese Verfügung im Zweifel nicht auf den Zeitraum der durch dieses Bundesgesetz bewirkten Verlängerung der Schutzfristen; wer jedoch ein Werknutzungsrecht oder eine Werknutzungsbewilligung gegen Entgelt erworben hat, bleibt gegen Bezahlung einer angemessenen Vergütung zur Werknutzung auch während dieser Verlängerung berechtigt. Dies gilt entsprechend für Verfügungen über die Schutzrechte an Vorträgen und Aufführungen von Werken der Literatur und der Tonkunst, an Lichtbildern und an Rundfunksendungen."

In der ErlRV 1996 (abgedruckt bei Dittrich aaO 540) heißt es dazu:

„Für den Fall der Verlängerung der Schutzfrist enthält Art XIII Abs 3 [richtig: Art VIII Abs 3] überdies ergänzende urhebervertragsrechtliche Bestimmungen nach dem Vorbild des Art II Abs 3 UrhGNov 1972, wobei auch auf die in der Zwischenzeit eingeführten gesetzlichen Vergütungsansprüche Bedacht zu nehmen war."

Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 (abgedruckt bei Dittrich aaO 545), in Kraft getreten am 1. 1. 2006, lautet:

„§ 38 Abs l 1. Satz UrhG und § 69 Abs l 1. Satz UrhG in der Fassung dieses Bundesgesetzes gelten auch für den Zeitraum der durch die [UrhGNov 1972 und UrhGNov 1996] bewirkte Verlängerung der Schutzfrist; dem Urheber und den in § 69 Abs l UrhG genannten Personen steht hiefür kein Vergütungsanspruch im Sinn des Art II Abs 3 UrhGNov 1972 beziehungsweise Art VIII Abs 3 UrhGNov 1996 zu."

Im Ausschussbericht 2005 zu dieser Bestimmung (abgedruckt bei Dittrich aaO 546 f) heißt es:

„Die UrhGNov 1972 und 1996 haben die Schutzfrist mit Beziehung auf das Urheberrecht und bestimmte verwandte Schutzrechte verlängert. Art II UrhGNov 1972 und Art VIII UrhGNov 1996 enthalten dazu Übergangsbestimmungen; beide sehen jeweils im Abs 3 eine wörtlich gleich lautende Regelung für den Fall vor, dass der Rechtsinhaber über sein Verwertungsrecht vor dem In-Kraft-Treten der Schutzfristenverlängerung rechtlich verfügt hat: Ob die Verfügung auch für die Zeit der verlängerten Schutzfrist gilt, richtet sich nach dem Parteiwillen, wobei im Zweifelsfall vermutet wird, dass die Verfügung nur für die ursprüngliche Schutzfrist gilt. Wer jedoch ein Werknutzungsrecht oder eine Werknutzungsbewilligung gegen Entgelt erworben hat, bleibt gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung zur Werknutzung auch während der verlängerten Schutzfrist berechtigt. - Für den Filmhersteller gilt diese Regelung nicht. Er erwirbt die Verwertungsrechte am Filmwerk nicht durch Vertrag vom Urheber; er ist vielmehr kraft Gesetzes von vornherein anstelle des Urhebers Inhaber dieser Rechte (sog cessio legis, § 38 UrhG). Der OGH hat im Jahr 2003 jedoch entschieden, dass die gegenständliche Regelung in der UrhGNov 1996 auf den Filmhersteller analog anzuwenden ist, und dass er daher für die Verwertung des Filmwerks in der verlängerten Schutzfrist dem Urheber eine angemessene Vergütung zahlen muss (OGH 18. 2. 2003 - 'Das Kind der Donau'). - Das hiefür erforderliche Vorhandensein einer Gesetzeslücke hat der OGH in dem Umstand erblickt, dass in der UrhGNov 1996 eine ausdrückliche Regelung für die Fälle der cessio legis fehle. Ebenso wie die Rechtsprechung des OGH zur analogen Anwendung des Art VI Abs 3 UrhGNov 1996, die durch diese Novelle allerdings bestätigt wird, ist auch diese Entscheidung von den Interessenvertretern der Filmhersteller als krasse Fehlentscheidung kritisiert worden. - Der Ausschuss hält es in dieser Situation für zweckmäßig, die vom OGH angenommene Gesetzeslücke durch eine ausdrückliche Regelung zu schließen. Unter Abwägung der jeweiligen Interessen hält es der Ausschuss jedoch für sachgerecht, dass die cessio legis nach § 38 Abs l und § 69 Abs l dem Filmhersteller auch in der Zeit der Schutzfristenverlängerung zugute kommen soll, ohne dass er dafür eine Vergütung zahlen muss."

3. Rechtsprechung

In der Entscheidung 4 Ob 235/02s = MR 2003, 112 (Walter, MR 2003, 159) = wbl 2004, 244 (Dittrich) = Schuhmacher, wbl 2005, 1 - „Das Kind der Donau" hatte der Senat Art VIII Abs 3 UrhGNov 1996 auszulegen. Er ging dabei von folgenden Überlegungen aus:

Der Gesetzgeber hat mit § 38 Abs 1 UrhG im Interesse der Rechtssicherheit den Weg beschritten, das Verwertungsrecht an Filmwerken von Anfang an unmittelbar beim Filmhersteller entstehen zu lassen, weshalb in Wahrheit nicht von „cessio legis" gesprochen werden kann, da auch eine Abtretung von Gesetzes wegen zunächst der Rechteinhaberschaft durch den Urheber bedarf. Die sogenannte „cessio legis" erspart die Prüfung, ob und inwieweit im Einzelfall die an der Schaffung des Filmwerks schöpferisch Tätigen dem Filmhersteller entsprechende Rechte eingeräumt haben. Unabhängig von dieser rechtlichen Konstruktion bleibt aber die Tatsache bestehen, dass die einzelnen Filmurheber vom Filmhersteller ein Entgelt dafür bekommen, dass sie ihre (schöpferischen) Leistungen zugunsten des Filmwerks einbringen. Wenn auch - rein begriffsjuristisch gesehen - in einem solchen Fall der Filmhersteller nicht das Werknutzungsrecht vom Urheber entgeltlich erwirbt, sondern dieses Werknutzungsrecht (aufgrund einer entgeltlichen Vereinbarung mit dem Filmurheber) bei ihm unmittelbar entsteht, so ist dennoch eine gleiche Behandlung beider Fälle geboten. Erachtet es der Gesetzgeber für gerechtfertigt, Urhebern und ihren Erben im Falle einer Schutzfristverlängerung eine angemessene Vergütung aus entgeltlich eingeräumten Werknutzungsrechten zukommen zu lassen, dann ist nicht einzusehen, warum das für Filmurheber nur deshalb nicht gelten sollte, weil das Gesetz für sie der Einfachheit halber eine andere rechtliche Konstruktion vorgesehen hat. Eine ausdrückliche Regelung für die Fälle der „cessio legis" fehlt in der UrhGNov 1996; dass der Gesetzgeber bewusst die Filmurheber von den Begünstigungen anderer Urheber ausschließen wollte, ist weder dem Gesetzeswortlaut noch den Materialien zu entnehmen. Ist aber die Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge für einen bestimmten Sachverhalt von der Gesetzgebungsinstanz nicht bewusst unterlassen worden, liegt eine Gesetzeslücke vor, die durch einen Analogieschluss zu schließen ist. Die ausdrücklich nur für die entgeltliche Einräumung von Werknutzungsrechten durch Urheber vorgesehene Übergangsvorschrift des Art VIII Abs 3 UrhGNov 1996 ist im Hinblick auf die völlige Gleichheit der Interessenlage analog auch auf die Filmurheber anzuwenden, die durch ihre entgeltliche Mitwirkung an Filmwerken Verwertungsrechte beim Filmhersteller entstehen ließen.

4. Argumente der Revisionswerberin

Die Klägerin räumt ein, dass im Filmurheberrecht im Hinblick auf die cessio legis-Regel des § 38 Abs 1 UrhG die Besonderheit bestehe, dass es aufgrund der Rechtezuweisung an den Filmhersteller keiner vertraglichen Einräumung von Werknutzungsrechten bedürfe, weshalb die Übergangsregelungen der UrhGNov 1953, 1972 und 1996 dem Wortlaut nach ins Leere laufen müssten (Revision S 9 f). Der Oberste Gerichtshof habe jedoch klargestellt, dass es sich bei den genannten Regelungen nur um ein Vertragssurrogat handle, weshalb auch Filmurhebern und Filmdarstellern Vergütungsansprüche für Zeiträume einer Schutzfristenverlängerung zustünden. Dabei spiele es keine Rolle, ob die diesbezügliche Rechtslage durch die UrhGNov 2005 geändert worden sei, weil diese Novelle erst ab 1. 1. 2006 wirksam geworden sei und dadurch - entgegen der Auffassung des Erstgerichts - keine rückwirkende Korrektur der bisherigen Rechtsprechung eintreten habe können. Mit der erstmaligen Einführung gesetzlicher Vergütungsansprüche durch die UrhGNov 1980 sei eine planwidrige Gesetzeslücke entstanden, die durch Analogie zu schließen sei; auch dem Filmurheber stehe ein eigener Anspruch auf angemessene Vergütung der Rechtenutzung für Zeiträume von Schutzfristverlängerungen zu, bzw - sollten diese Ansprüche vertraglich oder infolge § 38 Abs 1 UrhG auf den Filmproduzenten übergegangen sein - besitze der Filmurheber einen Anspruch auf angemessene Vergütung iSd § 38 Abs 1 zweiter Satz UrhG. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien Ansprüche der Filmurheber und Filmdarsteller an gesetzlichen Vergütungsansprüchen mit der UrhGNov 1996 auch nicht abschließend geregelt worden, liege doch der allgemeinen Regelung des § 38 Abs 1 und Abs 1a UrhG ein ganz anderer Regelungsgedanke zu Grunde als der Sonderregelung für Zeiträume einer Schutzfristenverlängerung. Auch beziehe sich die Neuregelung durch die UrhGNov im Wesentlichen auf Neufilme (Drehbeginn 1. 4. 1996), bei denen es zu keinen nachträglichen Verlängerungszeiträumen komme.

5. Stellungnahme des Senats

5.1.1. Nach ständiger Rechtsprechung lässt sich auch aus späteren gesetzlichen Regelungen interpretativ erschließen, wie eine bestimmte, zuvor geltende Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers zu verstehen war (4 Ob 157/07b; RIS-Justiz RS0107343). Von einer authentischen Interpretation spricht man dann, wenn das zur Aufstellung oder Änderung der Grundnorm berechtigte Organ bestimmt, in welchem Sinn diese zu verstehen ist. Dies bedeutet die Anordnung einer Rückwirkung (RIS-Justiz RS0008905). Diese authentische Interpretation ist keine Auslegung im eigentlichen Sinn; vielmehr sieht § 8 ABGB die Möglichkeit vor, dass der Gesetzgeber den normativen Sinn eines (unklaren) Gesetzes durch ein neuerliches Gesetz erklärt. Diese Aufklärung hat - sofern keine andere Regelung erfolgt - rückwirkende Kraft, da sie ab dem Inkrafttreten des „erklärten Gesetzes" gilt (5 Ob 98/05f = SZ 2005/132 mwN; 2 Ob 237/07b).

5.1.2. Die Zulässigkeit der „authentischen Interpretation" wird von der herrschenden Lehre anerkannt. Der Verfassungsgerichtshof hat auch schon mehrfach ausgesprochen, dass der Gesetzgeber im Prinzip frei ist, die Rechtslage zu verändern, auch wenn er damit auf höchstrichterliche Rechtsprechung reagiert (Nachweise jeweils in 5 Ob 98/05f = SZ 2005/132). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen hat, sofern die neuen (hier: authentisch interpretierten) Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind (vgl RIS-Justiz RS0031419).

5.2. Der Gesetzgeber hat in Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 ausdrücklich angeordnet, dass § 38 Abs l 1. Satz UrhG auch für den Zeitraum der durch die UrhGNov 1972 und UrhGNov 1996 bewirkten Verlängerung der Schutzfrist gilt und dass dem Urheber hiefür kein Vergütungsanspruch im Sinne der Übergangsbestimmungen der Art II Abs 3 UrhGNov 1972 und Art VIII Abs 3 UrhGNov 1996 zusteht. Zur Begründung dieser Regelung wird in den Gesetzesmaterialien (siehe dazu oben Punkt 2.) auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 235/02s aufgezeigte Regelungslücke - wenn auch mit anderem Ergebnis als dieser - zu schließen.

5.3. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 die zuvor strittige Frage, ob Filmurhebern für Zeiträume von Schutzfristenverlängerungen Vergütungsansprüche zustehen, im verneinenden Sinn klargestellt und geregelt hat. Hat aber der Gesetzgeber auf diese Weise eine zuvor unklare Gesetzeslage durch ein neuerliches Gesetz geklärt, muss der Oberste Gerichtshof auf diese Änderung der Rechtslage auch im Anlassfall bei seiner Auslegung der Übergangsbestimmungen der UrhGNov 1953, 1972 und 1996 Bedacht nehmen. Diese sind im Lichte des Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 somit dahin auszulegen, dass Filmurhebern für Zeiträume von Schutzfristenverlängerungen keine urheberrechtlichen Vergütungsansprüche zustehen. Mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage gilt dies sinngemäß auch für Filmdarsteller in Ansehung deren Leistungsschutzrechte. Damit ist dem geltend gemachten Rechnungslegungsbegehren, das der Vorbereitung der Durchsetzung von Leistungsansprüchen dient (vgl RIS-Justiz RS0106851, RS0117020), der Boden entzogen.

5.4.1. Die Klägerin hält Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 für gleichheitswidrig, weil diese Bestimmung Filmurheber „ohne sachliche Rechtfertigung und ohne nähere Begründung" anders behandle als sonstige Urheber, indem ihnen Vergütungsansprüche für Zeiträume von Schutzfristenverlängerungen verweigert würden. Diese Auffassung vermag der Senat nicht zu teilen.

5.4.2. Die Gesetzesmaterialien verweisen zur Begründung der genannten Bestimmung auf eine „Abwägung der jeweiligen Interessen". Damit wird auf die besondere urheberrechtliche Interessenlage im Verhältnis zwischen Filmurhebern und Filmherstellern Bezug genommen, die der Gesetzgeber bereits in den ErläutRV 1936 (abgedruckt in Dillenz, ÖSGRUM 3, 106) näher erläutert hat: Demnach ist zu berücksichtigen, dass gewerbsmäßig hergestellte Filmwerke den Charakter von mit regelmäßig hohem finanziellen Aufwand hergestellten Industrieerzeugnissen aufweisen. Diese Doppelnatur gewerbsmäßig hergestellter Filmwerke als geistige Schöpfungen und kostspielige Industrieerzeugnisse verlangen eine besondere urheberrechtliche Behandlung dieser Werke. Ihre Eigenschaft als Industrieerzeugnisse, bei denen alle Kosten und Gefahren der Unternehmer trägt, legt (sogar) den Gedanken nahe, den Unternehmer als Urheber zu behandeln.

5.4.3. War demnach schon für den Gesetzgeber des Jahres 1936 maßgeblich, dass der Filmhersteller (im Unterschied zum Filmurheber) ein bedeutendes unternehmerisches Risiko allein zu tragen habe, das bei der urheberrechtlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen sei, hat sich an diesem wirtschaftlichen Hintergrund bis heute nichts Wesentliches geändert. Weiterhin ist es schwierig, den wirtschaftlichen Erfolg eines Filmvorhabens im Vorhinein abzuschätzen, und auch Filmförderungsmittel werden nicht generell als nicht rückzahlbare Zuschüsse gewährt (vgl dazu näher Wallentin in Kucsko, urheber.recht 530). Die Regelung des Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 erscheint vor diesem Hintergrund nicht unsachlich und gleichheitswidrig, wenn sie Filmurheber und Filmhersteller in der Frage der Abgeltung von Verwertungshandlungen in Zeiten nachträglich angeordneter Schutzfristenverlängerungen nicht gleich behandelt. Auch in den genannten Zeiträumen trägt der Filmhersteller das mit der Filmherstellung verbundene wirtschaftliche Risiko weiterhin allein, und die Filmverwertung führt nicht in jedem Fall, sondern nur unter der Voraussetzung zu weiteren Einnahmen des Filmherstellers, dass bereits mit seinen bisherigen Einnahmen sämtliche mit der Herstellung des Films verbundenen Ausgaben abgegolten werden konnten.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte