OGH 4Ob60/09s

OGH4Ob60/09s14.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei AC***** GmbH, *****, vertreten durch Brand Lang Wiederkehr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Wien, wegen Unterlassung, Feststellung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 44.003 EUR), über die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 9. Februar 2009, GZ 2 R 189/08s-13, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21. August 2008, GZ 11 Cg 102/08z-7, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei wird teilweise, jenem der beklagten Partei wird zur Gänze Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der in der Abweisung von Punkt 3 des Sicherungsantrags rechtskräftig geworden ist, wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung über die Punkte 1 und 2 des Sicherungsantrags wie folgt lautet:

„Einstweilige Verfügung:

Zur Sicherung des Anspruchs auf Unterlassung unlauterer Handlungen wird der beklagten Partei bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreits über die Unterlassungsklage verboten, auf Dauer ihrer marktbeherrschenden Stellung im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einzelne ihrer Kunden und/oder potentielle Kunden durch Anwendung unterschiedlicher Vertragsbedingungen, insbesondere durch Vereinbarung unterschiedlicher Preise, bei gleichwertigen Leistungen zu benachteiligen.

Hingegen wird das Mehrbegehren, der beklagten Partei zu verbieten,

auf Dauer ihrer marktbeherrschenden Stellung Lizenzen der Software A***** oder einer vergleichbaren Software unter dem Einstandspreis von netto 2.719 EUR für den ersten Arbeitsplatz und/oder netto 1.020 EUR für jeden weiteren Arbeitsplatz zu vertreiben oder zu verkaufen, und/oder die Nutzung der Konvertierungssoftware und die Konvertierung der Daten von der Software R***** oder einer vergleichbaren Software auf die Software A***** oder eine vergleichbare Software der Beklagten unter dem Einstandspreis von netto 1.426 EUR zu vereinbaren;

hilfsweise

auf Dauer ihrer marktbeherrschenden Stellung beim Vertrieb der Software A***** oder einer vergleichbaren Software ihren Kunden einen objektiv nicht gerechtfertigten Rabatt anzubieten und/oder zu gewähren, wie etwa im Angebot an jene Anwälte, die Software eines dritten Anbieters nutzen,

abgewiesen."

Die klagende Partei hat 45 % ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens erster Instanz vorläufig und 55 % dieser Kosten endgültig selbst zu tragen. Sie ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen einen mit 728,54 EUR (darin 121,42 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Anteil an den Äußerungskosten zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 755,64 EUR (darin 125,94 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Die klagende Partei hat zwei Drittel der Kosten ihrer Rekursbeantwortung vorläufig und ein Drittel dieser Kosten endgültig selbst zu tragen. Sie ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen einen mit 286,38 EUR (darin 47,73 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Anteil an den Kosten des Rekurses zu ersetzen.

Die klagende Partei hat zwei Drittel der Kosten ihres Revisionsrekurses vorläufig und ein Drittel dieser Kosten endgültig selbst zu tragen. Sie ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen einen mit 559,56 EUR (darin 93,26 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Anteil an den Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 695,88 EUR (darin 115,98 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Marktführerin auf dem österreichischen Markt für Rechtsanwaltssoftware, ihr Produkt verwenden derzeit etwa 55 % der Anwaltskanzleien. Die Klägerin vertreibt ebenfalls eine Rechtsanwaltssoftware und hat einen Marktanteil von knapp 12 %. Der dritte (wirtschaftlich relevante) Anbieter ist ein am Verfahren nicht beteiligtes Unternehmen, das auf einen Marktanteil von knapp über 12 % kommt.

Die Beklagte weist für ihre Standardsoftware folgende Listenpreise aus:

1 Arbeitsplatz 6.750 Euro

2 Arbeitsplätze 10.125 Euro

3 Arbeitsplätze 12.375 Euro

4 Arbeitsplätze 14.625 Euro

ab dem 5. Arbeitsplatz je 1.125 Euro

Im Februar 2008 bot die Beklagte ihre Standardsoftware Rechtsanwälten, die Software des dritten am Markt tätigen Unternehmens verwendeten, um 500 EUR pro Arbeitsplatz an. Die Datenübernahme (Konvertierung) sollte gratis erfolgen, die Einschulung um 300 EUR pro Halbtag. Zusatzmodule wurden zum halben Listenpreis angeboten, jenes für den elektronischen Rechtsverkehr gratis.

Als Wartungsentgelt für die Software verrechnet die Beklagte monatlich 0,9 % des Listenpreises. Den „Einstandspreis" der Beklagten konnten die Vorinstanzen nicht feststellen.

Im Anwaltsblatt warb die Beklagte unter der Überschrift „Name bürgt für Qualität" mit einer westösterreichischen Anwaltskanzlei. Diese war Kundin der Beklagten geworden, hatte deren Produkt jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht verwendet.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verpflichten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen,

1. auf Dauer ihrer marktbeherrschenden Stellung Lizenzen der Software A***** oder einer vergleichbaren Software unter dem Einstandspreis von netto 2.719 EUR für den ersten Arbeitsplatz und/oder netto 1.020 EUR für jeden weiteren Arbeitsplatz zu vertreiben oder zu verkaufen, und/oder die Nutzung der Konvertierungssoftware und die Konvertierung der Daten von der Software [des dritten Unternehmens] oder einer vergleichbaren Software auf die Software A***** oder eine vergleichbare Software der Beklagten unter dem Einstandpreis von netto 1.426 EUR zu vereinbaren;

hilfsweise

auf Dauer ihrer marktbeherrschenden Stellung beim Vertrieb der Software A***** oder einer vergleichbaren Software ihren Kunden von ihrem Listenpreis einen objektiv nicht gerechtfertigten Rabatt anzubieten oder zu gewähren, wie etwa im Angebot an jene Anwälte, die die Software des dritten Anbieters nutzen;

2. einzelne ihrer Kunden und/oder potentielle(n) Kunden durch Anwendung unterschiedlicher Vertragsbedingungen, insbesondere durch Vereinbarung unterschiedlicher Preise, bei gleichwertigen Leistungen zu benachteiligen;

3. in Zeitungsannoncen oder anderen Werbemitteilungen zu suggerieren, dass namentlich genannte Rechtsanwälte die Software A***** nutzen, wenn und solange diese Rechtsanwälte die Software nicht nutzen, oder sinngleiche Behauptungen aufzustellen.

Mit diesem Begehren verbindet sie einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Zur Begründung für die in dritter Instanz allein strittigen Punkte 1 und 2 stützt sie sich auf einen Verstoß der Beklagten gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 5 Abs 1 KartG), den sie offenkundig als sonstige unlautere Handlung im Sinne von § 1 Abs 1 Z 1 UWG wertet. Die Beklagte biete ihre Leistungen unter dem Einstandspreis an, der bei vorsichtiger Kalkulation bei den im Begehren genannten Beträgen liege. Sie verstoße damit gegen § 5 Abs 1 Z 5 KartG und Art 82 EG. Damit beabsichtige sie, das dritte Unternehmen vom Markt zu verdrängen. Weiters hindere sie dadurch die Klägerin, unzufriedene Kunden des dritten Unternehmens zu gewinnen. Die Beklagte habe mit „mindestens" einer Rechtsanwaltskanzlei - und zwar jener, die sie dann im Inserat präsentiert habe - einen Vertrag zu den Bedingungen des Angebots abgeschlossen. Durch die Bevorzugung von Kunden des dritten Unternehmens diskriminiere sie andere Rechtsanwälte, die den Listenpreis „mit oder ohne einen bestimmten Nachlass" bezahlt hätten. Davon seien insbesondere neu in die Liste eingetragene Anwälte betroffen, obwohl ein Umsteiger wegen der erforderlichen Konvertierung mehr Aufwand verursache als ein Neueinsteiger. Die Beklagte könne sich diese Ungleichbehandlung nur wegen ihrer überragenden Marktmacht leisten.

Die Beklagte wendet ein, dass die gesamten Entwicklungskosten ihrer Software durch die laufenden Wartungserlöse gedeckt seien. Der „Herstellungspreis" einer weiteren „Lizenz" gehe daher gegen Null. Relevant seien ausschließlich die Vertriebskosten (Werbung, Gehalt, Verkäufer, anteilige Gemeinkosten etc). Die Kunden zahlten für Schulung und Wartung extra. Die von der Klägerin vorgelegte Kalkulation, die die gesamten Personal- und Gemeinkosten als Herstellungspreis ansetze, sei daher falsch. Könne ein Kunde fünf Jahre lang gehalten werden, was in 99 % der Fälle zutreffe, so verdiene die Beklagte allein aus dem Wartungsvertrag mehr als die Hälfte des Listenpreises. Daher wäre sogar eine Reduktion des Anschaffungspreises auf Null kein Verkauf unter dem von der Klägerin errechneten Einstandspreis. Eine unzulässige Diskriminierung liege nicht vor; Preisverhandlungen seien legal. Für die Festlegung des Preises für die in der Werbung genannte Kanzlei sei deren Bereitschaft maßgebend gewesen, die Beklagte beim Vertrieb und beim Aufbau des Markts in Liechtenstein zu unterstützen.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag im Eventualbegehren zu Punkt 1 (Rabattgewährung) und in Punkt 2 (Diskriminierung) Folge; das Hauptbegehren zu Punkt 1 (Verkauf unter dem konkret genannten Einstandspreis) und das Begehren zu Punkt 3 (Irreführung) wies es ab.

Aufgrund des Marktanteils von über 55 % sei mangels gegenteiligen Vorbringens von einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten auszugehen. Weiters sei wegen des Unterschreitens der Listenpreise um rund 90 % prima facie anzunehmen, dass die Beklagte ihre Einstandspreise unterboten und damit gegen ein kartellrechtliches Verbot verstoßen habe. Da die Streitteile miteinander im Wettbewerb stünden, liege darin auch ein Verstoß gegen § 1 UWG. Das Hauptbegehren zu Punkt 1 des Sicherungsantrags sei aber trotzdem abzuweisen, weil die Klägerin den Antrag gestellt habe, der Beklagten den Verkauf unter bestimmten Preisen zu untersagen. Dass es sich dabei um die Einstandspreise handle, habe jedoch im Sicherungsverfahren nicht festgestellt werden können. Einem Unternehmen in marktbeherrschender Stellung sei aber auch ein Handeln in Verdrängungsabsicht verboten. Eine solche Verdrängungsabsicht sei jedenfalls dann zu vermuten, wenn - wie im gegenständlichen Fall - ein marktbeherrschendes Unternehmen wirtschaftlich ungerechtfertigte Rabatte in einer Höhe von rund 90 % der Listenpreise gewähre. Die Beklagte habe lediglich im Fall der namentlich genannten Kanzlei eine Rechtfertigung für einen derartigen Rabatt vorgebracht. Damit sei der Eventualantrag zu Punkt 1 des Sicherungsbegehrens begründet. Gleiches gelte für Punkt 2 des Begehrens. Nach § 5 Abs 1 Z 3 KartG sei einem marktbeherrschenden Unternehmen die Benachteiligung von Kunden im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen verboten. Eine solche unzulässige Ungleichbehandlung liege darin, dass die Beklagte unbestritten Kunden eines Konkurrenzunternehmens einen Rabatt von etwa 90 % zum Listenpreis gewährt habe, wohingegen Neukunden den vollen Listenpreis hätten zahlen müssen. Hingegen sei Punkt 3 des Sicherungsbegehrens aus näher dargestellten Gründen abzuweisen.

Das von beiden Parteien angerufene Rekursgericht erließ eine einstweilige Verfügung im Sinn des Hauptbegehrens zu Punkt 1 des Sicherungsantrags, ohne darin jedoch konkrete Einstandspreise zu nennen, und wies die Punkte 2 und 3 des Sicherungsantrags ab. Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Ein Verstoß gegen § 5 KartG sei in die lauterkeitsrechtliche Fallgruppe Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch einzuordnen. Die Beklagte habe auf dem relevanten Markt einen Anteil von etwa 55 %. Damit werde nach § 4 Abs 1 und Abs 2 Z 1 KartG ihre marktbeherrschende Stellung vermutet. Die dazu im Rekurs der Beklagten erstatteten Ausführungen seien unzulässige Neuerungen. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb diese Beweislastumkehr nur in einem Verfahren nach dem Kartellgesetz, nicht aber in einem lauterkeitsrechtlichen Verfahren gelten solle; der Schutzzweck dieser Verfahren sei ident.

Marktbeherrschende Unternehmen unterlägen zur Sicherung des freien Wettbewerbs besonderen Verhaltensvorschriften. Nach § 5 Abs 1 Z 5 KartG sei ihnen insbesondere ein sachlich nicht gerechtfertigter Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis verboten. Nach § 5 Abs 1 Z 5 KartG treffe den Unternehmer die Beweislast für die Widerlegung des Anscheins eines solchen Verkaufs sowie für dessen sachliche Rechtfertigung. Grund für das Verbot sei die in diesem Fall vermutete Verdrängungsabsicht. Dies gelte jedenfalls dann, wenn ein Unternehmer seine Waren oder Dienstleistungen unter seinen durchschnittlichen variablen Kosten anbiete. Eine missbräuchliche Preisgestaltung sei aber auch dann anzunehmen, wenn die Preise unter den durchschnittlichen Gesamtkosten (variable und anteilige Fixkosten) lägen. Durch das Anbot von rund 90 % unter dem Listenpreis zuzüglich einer kostenlosen Datenkonvertierung sei die Beweislastumkehr nach § 5 Abs 2 KartG eingetreten. Der Beklagten sei es nicht gelungen, die im Sicherungsverfahren erforderliche Bescheinigung zu erbringen, dass ihre durchschnittlichen Gesamtkosten unter dem von ihr gelegten Anbot lägen. Zu Punkt 1 des Sicherungsbegehrens sei der Anspruch der Klägerin daher im Sinn des Hauptbegehrens begründet. Allerdings sei dem Verbot eine klarere, auf den konkreten Verstoß bezogene Fassung zu geben.

Hingegen sei Punkt 2 des Sicherungsantrags abzuweisen. Das Diskriminierungsverbot von § 5 Abs 1 Z 3 KartG beziehe sich auf das Verhältnis zu Unternehmen, die gegenüber dem marktbeherrschenden Unternehmen auf einer vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufe und mit diesem (zumindest potentiell) in geschäftlichem Kontakt stünden. „Endverbraucher" seien keine Handelspartner in diesem Sinne, weil diese im Wettbewerb nicht benachteiligt werden könnten. Die Klägerin als Mitbewerberin der Beklagten könne „somit" nicht geltend machen, dass die Beklagte einen „Endabnehmer" im Verhältnis zu einem anderen diskriminiere. Auch die Abweisung von Punkt 3 des Sicherungsbegehrens sei aus näher dargestellten Gründen zu bestätigen.

Gegen diese Entscheidung richten sich außerordentliche Revisionsrekurse beider Parteien. Die Klägerin strebt eine einstweilige Verfügung mit dem Wortlaut von Punkt 1 ihres Sicherungsantrags (dh mit Nennung konkreter Einstandspreise) sowie die Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung zu Punkt 2 des Sicherungsantrags an; die Beklage beantragt die Abweisung auch von Punkt 1 des Sicherungsantrags.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind zulässig, weil die lauterkeitsrechtliche Beurteilung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung einer Klarstellung bedarf. Jener der Beklagten ist zur Gänze, jener der Klägerin teilweise berechtigt.

1. Die Klägerin macht ausschließlich eine Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften geltend. Damit stützt sie sich in der Sache auf die lauterkeitsrechtliche Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch"; eine unmittelbare Anwendung des UWG - aufgrund unlauteren (früher sittenwidrigen) Behinderungswettbewerbs (vgl etwa 4 Ob 316/99w = ÖBl 2000, 216 - FORMAT-Schecks) - strebt sie nicht an. Es ist daher (nur) zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Verletzung kartellrechtlicher Bestimmungen auch einen Verstoß gegen § 1 UWG begründet; auf das Verhältnis zwischen kartell- und originär lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen (vgl dazu Koppensteiner, Marktbezogene Unlauterkeit und Missbrauch von Marktmacht, WRP 2007, 475, 476 f; Köhler, Zur Konkurrenz lauterkeitsrechtlicher und kartellrechtlicher Normen, WRP 2005, 645; ders in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG27 [2009] Einl UWG Anm 6.11 ff) kommt es nicht an.

1.1. Vor Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 beurteilte der Senat die „schuldhafte" Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften als sittenwidriges Handeln im Sinne von § 1 UWG (4 Ob 62/98s = ÖBl 1998, 256 - Servicegutscheine mwN; RIS-Justiz RS0109519; zuletzt für Verstöße gegen das NahversG als kartellrechtliches Nebengesetz 4 Ob 110/04m = ÖBl 2005, 26 [Barbist] - Großkundenrückvergütung III). Damit fielen Verstöße gegen das Kartellrecht in die Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch"; maßgebend war daher die Unvertretbarkeit der dem beanstandeten Verhalten zugrunde liegenden Rechtsansicht (RIS-Justiz RS0077771).

1.2. Auch nach neuem Recht ist ein Verstoß gegen eine generelle Norm grundsätzlich (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung im Sinne von § 1 Abs 1 Z 1 UWG in der Fassung der UWG-Novelle 2007 zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (4 Ob 225/07b = ÖBl 2008, 237 [Mildner] = MR 2008, 114 [Heidinger 108] = wbl 2008, 290 [Artmann 253] = ecolex 2008, 551 [Tonninger] - Stadtrundfahrten mwN; RIS-Justiz RS0123239; zuletzt etwa 4 Ob 223/08k). Nicht maßgebend ist die Vertretbarkeit der Rechtsansicht jedoch für Verstöße gegen speziellere Normen des UWG, insbesondere durch Anwendung einer nach dessen Anhang jedenfalls unzulässigen Geschäftspraktik (4 Ob 225/07b - Stadtrundfahrten). Ausdrücklich offen ließ der Senat in diesem Zusammenhang die hier interessierende Frage, ob es auch außerhalb des UWG Normen mit spezifisch lauterkeitsrechtlichem Charakter gebe und wie deren Verletzung gegebenenfalls zu behandeln wäre (4 Ob 225/07b - Stadtrundfahrten; 4 Ob 27/08m = ÖBl 2008, 325 [Schultes] - Zigarettenattrappe).

1.3. Diese Frage stellt sich insbesondere bei Verstößen gegen Bestimmungen des Kartellrechts. Dazu wurden zuletzt folgende Auffassungen vertreten:

(a) Heidinger (Die Fallgruppe Rechtsbruch nach der UWG-Novelle 2007, MR 2008, 108, 109) führt aus, dass es bei Verstößen gegen kartellrechtliche Regelungen nicht auf die Vertretbarkeit der zugrunde liegenden Rechtsansicht ankommen sollte. Soweit die übertretene Norm ohnehin durch zivilrechtliche Unterlassungsansprüche sanktioniert werde, sei es angebracht, den Norminhalt auch im Lauterkeitsprozess „bindend festzusetzen". Entscheidend ist daher nach dieser Auffassung der Umstand, dass die lauterkeitsrechtliche Vorfrage, ob der Beklagte gegen Bestimmungen des Kartellrechts verstoßen habe, auch als Hauptfrage nicht den Verwaltungsbehörden, sondern den Gerichten zugewiesen ist.

(b) Damit folgt Heidinger einer Lehrmeinung Gameriths zu § 1 UWG idF vor der UWG-Novelle 2007 (Gamerith, Renaissance des Nahversorgungsgesetzes, in Aktuelle Probleme des Lauterkeitsrechts [2004] 35, 46 f). Dieser hatte angenommen, dass die auf die Vertretbarkeit der Rechtsansicht abstellende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs primär verfahrensrechtlich begründet gewesen sei. Der Oberste Gerichtshof habe bei Verstößen gegen verwaltungsrechtliche Bestimmungen darauf verzichtet, Vorfragen endgültig zu klären, zu deren selbständiger Entscheidung eine andere Behörde berufen sei. Dieser Gedanke sei aber „nicht anwendbar (oder zumindest nicht praktikabel)", wenn der Oberste Gerichtshof - wenngleich in einem anderen Verfahren - über die Vorfrage des Lauterkeitsprozesses auch abschließend als Hauptfrage entscheiden könne. Das gelte insbesondere dann, wenn die übertretene Norm selbst unmittelbar wettbewerbsrechtlichen Charakter habe und durch einen (anderen) Unterlassungsanspruch sanktioniert werde, über den ebenfalls der Oberste Gerichtshof, wenn auch als Kartellobergericht, zu entscheiden habe. Weise der Oberste Gerichtshof in einem solchen Fall eine auf das UWG gestützte Klage wegen einer vertretbaren Rechtsansicht ab, so stünde die Rechtskraft dieser Entscheidung einer weiteren Unterlassungsklage entgegen.

(c) Für eine Berücksichtigung des materiellrechtlichen Regelungszwecks spricht sich demgegenüber Koppensteiner aus (Das UWG nach der Novelle 2007, wbl 2009, 1). Zwar habe eine Norm immer dann spezifisch lauterkeitsrechtlichen Charakter im Sinne der Entscheidung 4 Ob 225/07b, wenn sie denselben Zweck verfolge wie das UWG selbst. Das gelte insbesondere für das Kartellrecht. Damit liege es an sich nahe, die Verletzung solcher Normen ohne Rücksicht auf die Vertretbarkeit der Rechtsauffassung zu sanktionieren. Allerdings sei dies aus systematischen Erwägungen abzulehnen. Denn damit würde die Reichweite des „Basisprinzips" der neueren Rechtsprechung eingeengt, wonach die für einen funktionierenden Leistungswettbewerb charakteristische Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer beeinträchtigt würde, wenn sie ihr Verhalten an der jeweils strengsten Auslegung einer mehrdeutigen Norm orientieren müssten.

1.4. Beide Begründungslinien haben nach Auffassung des Senats einen richtigen Kern. Die verfahrensrechtliche Argumentation Gameriths und Heidingers führt jedoch bei konsequenter Betrachtungsweise zum gleichen Ergebnis wie jene Koppensteiners.

(a) Zwar dient das Kartellrecht ähnlichen Regelungszwecken wie das Lauterkeitsrecht (Koppensteiner, wbl 2009, 9); der Schutz erfasst in beiden Fällen Mitbewerber, Verbraucher und andere Marktteilnehmer auf der Marktgegenseite sowie die Allgemeinheit (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG27 [2009] Einl UWG Anm 6.13). Marktmissbräuchliches und unlauteres Verhalten sind daher am selben Maßstab zu beurteilen, nämlich jenem des sachgerechten Leistungswettbewerbs (4 Ob 23/08y = ÖBl 2008, 339 - Tageszeitung Ö). Damit unterscheidet sich das Kartellrecht von anderen Normen, die nicht unmittelbar der Umsetzung der Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts (iwS) dienen. Zudem hat der Gesetzgeber auch im Kartellgesetz - ebenso wie in den Sondertatbeständen des UWG (vgl 4 Ob 225/07b - Stadtrundfahrten) - die für das spezifisch wettbewerbsrechtliche Unwerturteil erforderliche Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten vorgenommen und auf dieser Grundlage konkrete Verbote erlassen. Das spricht vordergründig dafür, den Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften gleich zu behandeln wie jenen gegen spezielle Regelungen des UWG.

(b) Allerdings hat der Gesetzgeber für die Sanktionierung von Kartellrechtsverstößen ein besonderes Verfahren vorgesehen, das er besonders zusammengesetzten Senaten des Oberlandesgerichts Wien und des Obersten Gerichtshofs zugewiesen hat. Auch das Sanktionensystem ist unterschiedlich: während Unterlassungstitel nach dem UWG nur Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr voraussetzen und sich daher auch auf ein bereits eingestelltes Verhalten beziehen können (vgl nur RIS-Justiz RS0080119), erfordern kartellrechtliche Abstellungsaufträge ein im Entscheidungszeitpunkt noch andauerndes Zuwiderhandeln (RIS-Justiz RS0117115; zuletzt 16 Ok 13/08).

Mit diesem Regelungskonzept wäre es nicht vereinbar, wenn jeder Verstoß gegen kartellrechtliche Bestimmungen zwingend auch als unlautere Handlung im Sinne von § 1 Abs 1 Z 1 UWG angesehen würde. Denn damit stünden zur Beurteilung derselben Rechtsfrage zwei unterschiedliche Verfahren zur Verfügung. Das für die Konkretisierung und Durchsetzung von Unterlassungspflichten geschaffene Rechtsschutzsystem des Kartellverfahrens würde dadurch ohne sachliche Rechtfertigung durchbrochen (vgl BGH KZR 33/04 = GRUR 2006, 773 - Probeabonnement).

(c) Dies gilt jedoch nicht, wenn die Unvertretbarkeit der Rechtsansicht als weiteres die Unlauterkeit begründendes Element hinzutritt (vgl 4 Ob 229/08t). Damit erhält der objektive Gesetzesverstoß ein Gewicht, das Ansprüche rechtfertigt, die über jene des Kartellrechts hinausgehen und in einem anderen Verfahren geltend gemacht werden können. Die Konkretisierung des für alle Mitbewerber geltenden Ordnungsrahmens obliegt zwar in diesem Fall weiterhin den zuständigen Behörden (hier dem Kartell- und dem Kartellobergericht); bei einem (eindeutigen) Überschreiten dieses Ordnungsrahmens greifen jedoch (auch) die Rechtsbehelfe des Lauterkeitsrechts. Das von Gamerith gesehene Rechtskraftproblem liegt nicht vor: Weisen die ordentlichen Gerichte eine Unterlassungsklage wegen einer vertretbarer Rechtsansicht ab, steht dies einem kartellrechtlichen Abstellungsauftrag nicht entgegen. Wegen der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen liegt hier nicht derselbe Anspruch vor (RIS-Justiz RS0041118).

(d) Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der Grundkonzeption des Rechtsbruchtatbestands nach neuem Recht: Die Marktteilnehmer müssen ihr Verhalten nicht von vornherein an der strengsten Auslegung der maßgebenden Regelungen orientieren (Koppensteiner, wbl 2009, 9 f); lauterkeitsrechtliche Unterlassungspflichten entstehen jedenfalls im Anwendungsbereich der großen Generalklausel erst bei einem Verstoß gegen die Erfordernisse der beruflichen Sorgfalt (4 Ob 225/07b - Stadtrundfahrten). Der Vertretbarkeitsstandard ist daher auch aufgrund materieller Erwägungen vorzuziehen.

1.5. Aufgrund dieser Erwägungen ist daran festzuhalten, dass (auch) der Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften, insbesondere gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, nur dann den Tatbestand der sonstigen unlauteren Handlung nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG erfüllt, wenn die angeblich übertretene Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht.

2. Die im vorliegenden Fall strittigen Verhaltenspflichten nach § 5 KartG 2005 treffen nur marktbeherrschende Unternehmer.

2.1. Dieser Begriff ist in § 4 KartG 2005 wie folgt definiert:

(1) Marktbeherrschend im Sinn dieses Bundesgesetzes ist ein Unternehmer, der als Anbieter oder Nachfrager

1. keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder

2. eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat; dabei sind insbesondere die Finanzkraft, die Beziehungen zu anderen Unternehmern, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken.

(2) Wenn ein Unternehmer als Anbieter oder Nachfrager am gesamten inländischen Markt oder einem anderen örtlich relevanten Markt

1. einen Anteil von mindestens 30 % hat oder

2. einen Anteil von mehr als 5 % hat und dem Wettbewerb von höchstens zwei Unternehmern ausgesetzt ist oder

3. einen Anteil von mehr als 5 % hat und zu den vier größten Unternehmern auf diesem Markt gehört, die zusammen einen Anteil von mindestens 80 % haben,

dann trifft ihn die Beweislast, dass die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht vorliegen."

2.2. Absatz 2 dieser Bestimmung ist zwar als Beweislastregel formuliert. Es ist jedoch unstrittig, dass dieser Regelung eine (widerlegbare) gesetzliche Vermutung der Marktbeherrschung zugrunde liegt (Vartian in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz 2005 [2007] § 4 Rz 50; Hoffer, Kartellgesetz [2007] § 4 Anm 2). Es besteht daher kein Anlass, diese Beweislastregel auf das kartellgerichtliche Verfahren zu beschränken. Vielmehr ist sie auch dann heranzuziehen, wenn der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung - wie hier - Vorfrage in einem anderen Verfahren ist.

2.3. Die Beklagte verfügt über einen Marktanteil von 55 %. Damit ist der Tatbestand des § 4 Abs 2 Z 1 KartG 2005 erfüllt. Das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung ist daher zu vermuten. Den Beweis (die Bescheinigung) des Gegenteils hat die Beklagte in der Äußerung zum Sicherungsantrag nicht angeboten. Damit ist für das Sicherungsverfahren vom Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung auszugehen.

3. Zu Punkt 1 des Begehrens (Verkauf unter dem Einstandspreis, unzulässiger Rabatt)

3.1. Die Klägerin strebt in diesem Punkt eine einstweilige Verfügung im Sinn ihres Hauptbegehrens an, wobei konkrete, von der Beklagten nicht zu unterschreitende „Einstandspreise" genannt werden sollen. Die Beklagte bestreitet demgegenüber jeglichen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und beantragt die Abweisung des Haupt- und des Eventualbegehrens.

3.2. Nach dem Einleitungssatz von § 5 Abs 1 KartG 2005 ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten. Dieser Missbrauch kann nach § 5 Abs 1 Z 5 KartG 2005 insbesondere im „sachlich nicht gerechtfertigten Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis" bestehen. Nach § 5 Abs 2 KartG 2005 trifft den marktbeherrschenden Unternehmer die Beweislast für die Widerlegung des Anscheins eines Verkaufs unter dem Einstandspreis sowie für die sachliche Rechtfertigung eines solchen Verkaufs.

(a) Diese Regelungen wurden erst mit der KartG-Novelle 1999 in das KartG 1988 aufgenommen; vorher fiel der Verkauf unter dem Einstandspreis unter die Generalklausel des § 35 Abs 1 KartG 1988 (nun § 5 Abs 1 KartG 2005). Unzulässig war (und ist) danach das sogenannte „predatory pricing" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zu Art 82 EG. Darunter fällt der Verkauf unter den eigenen durchschnittlichen variablen Kosten oder, jedoch nur bei Verdrängungsabsicht, der Verkauf unter den eigenen Vollkosten (EuGH C-62/86 , Slg 1991 I 3359 - AKZO; C-333/94 P , Slg 1996 I 05951 - Tetra Pack II; C-202/07 P , wbl 2009, 203 - France Télécom; Bechtold/Brinker/Bosch/Hirsbrunner, EG-Kartellrecht2 [2009] Art 82 Rz 37 mwN, zuletzt etwa Schuhmacher, Predatory Pricing und Verlustausgleich, wbl 2009, 273; aus der österreichischen Rsp 16 Ok 5/98 = SZ 71/103 - Power Pack II; 16 Ok 6/00 = SZ 73/153; 16 Ok 11/02, 16 Ok 43/05).

(b) Der Verkauf unter dem Einstandspreis ist nach vertretbarer Rechtsansicht ein Sonderfall des nicht kostendeckenden Verkaufs (vgl Gruber, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, OZK 2008, 137).

Dies folgt insbesondere aus einer historischen Auslegung von § 5 Abs 1 Z 5 KartG 2005: Ursprünglich war das Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis in § 3a NahversG enthalten gewesen. Einstandspreis war danach jener Preis, „der sich nach Abzug aller Rabatte oder sonstiger Preisnachlässe ergibt, die vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungsstellung eingeräumt werden". Für den Fall der Bearbeitung einer Ware leitete das KOG aus dieser Formulierung ab, dass ein Verkauf unter dem Einstandspreis grundsätzlich dann vorliege, wenn vom Verkäufer bearbeitete Ware unter dem Wert des Materials verkauft werde; anteilige Fixkosten („Regieanteile") seien nicht hinzuzurechnen (Okt 1/89). Die Entscheidung ließ zwar offen, ob bei industrieller oder gewerblicher Herstellung einer Ware durch den belangten Unternehmer etwas anderes gelten könnte. In den folgenden Entscheidungen Okt 2/89 und Okt 3/89 betonte das KOG jedoch den Unterschied zwischen Handel und Produktion und folgerte daraus die sachliche Rechtfertigung des nur Handelsunternehmen erfassenden § 3a NahversG (vgl dazu zuletzt 16 Ok 3/08).

Aus den Materialien zur KartG-Novelle 1999 ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung im Kartellgesetz an den früheren § 3a NahversG anknüpfen wollte. Denn in der Regierungsvorlage (1775 BlgNR 20. GP, zu Art I Z 11 bis 13) wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass bei der Berechnung des Einstandspreises „tatsächlich gewährte Rabatte und Preisnachlässe" zu berücksichtigen seien. Diese Formulierung übernimmt die Definition des Einstandspreises in § 3a NahversG; sie passt nur auf - allenfalls bearbeitete - Handelsware, nicht aber auf eigene Produktion. Denn ein Einstandspreis setzt schon begrifflich voraus, dass Ware eingekauft und dann weiterveräußert wird. Die in der Lehre gelegentlich vorkommende Gleichsetzung von „predatory pricing" und dem Verkauf unter dem Einstandspreis (zB Borsky, Gutscheine, Preisausschreiben & Co - der doch nicht so schmale Grat des Marktbeherrschers zwischen Zugabenverbot und Predatory Pricing, RdW 2008, 707) ist daher alles andere als zwingend; vielmehr ordnet § 5 Abs 1 Z 5 KartG eine „schematische", sehr hoch angesetzte Grenze an, die zum allgemeinen, in der Rechtsprechung zur Generalklausel begründeten Verbot des predatory pricing hinzutritt (Hoffer aaO § 5 Anm 1.4.6; Gruber, OZK 2008, 137 ff).

(c) Zum gleichen Ergebnis gelangt - bei vergleichbarer gesetzlicher Regelung - auch die deutsche Lehre: das „Regelbeispiel" des Verkaufs unter dem Einstandspreis (§ 20 Abs 4 Z 1 und 2 dGWB) sei auf Handelsunternehmen beschränkt (Westermann in MüKo Wettbewerbsrecht [2008], § 20 GWB Rz 153; ebenso zur früheren Fassung dieser Bestimmung Schultz in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht10 [2006] § 20 GWB Rz 250, und Loewenheim in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht [2006] § 20 GWB Rz 137 f); der Verkauf unter den Selbstkosten könne jedoch unter die Generalklausel des § 20 Abs 4 GWB fallen (Westermann aaO Rz 151).

(d) Folgerichtig wird der Sondertatbestand des Verkaufs unter dem Einstandspreis in der Rechtsprechung des KOG kaum herangezogen. Vielmehr wird auch nach Inkrafttreten dieser Bestimmung regelmäßig auf die oben dargestellte Rechtsprechung des EuGH zum „predatory pricing" Bezug genommen (16 Ok 6/00 = SZ 73/153; 16 Ok 11/02, 16 Ok 43/05). Dabei wird in der Sache die Generalklausel des § 5 Abs 1 Satz 1 KartG angewendet. Maßgebend ist daher nicht der „Einstandspreis", der ein Sonderfall des nicht kostendeckenden Verkaufs ist, sondern (allgemein) das Erbringen einer Leistung mit (mehr oder weniger) Verlust.

3.3. Auf dieser Grundlage ist das am „Einstandspreis" der Beklagten anknüpfende Hauptbegehren der Klägerin jedenfalls verfehlt. Die Auffassung der Beklagten, der Sondertatbestand des § 5 Abs 1 Z 5 KartG sei bei einer Eigenproduktion nicht anwendbar, ist angesichts des Wortlauts der Bestimmung, der Rechtsprechung zu § 3a NahversG und der dargestellten Lehrmeinungen zum deutschen und österreichischen Kartellrecht jedenfalls vertretbar.

3.4. Zu prüfen bleibt daher, ob ein „objektiv nicht gerechtfertigter Rabatt" im Sinn des Eventualbegehrens vorliegt. Dieses Begehren ist im Sinn des Verkaufs unter den eigenen Kosten nach der dargestellten Rechtsprechung des KOG zur Generalklausel des § 5 Abs 1 KartG 2005 zu verstehen.

(a) Die Vorinstanzen stützen sich hier auf die in einzelnen Entscheidungen des KOG (16 Ok 6/00 = SZ 73/153; 16 Ok 11/02) allgemein formulierte und in § 5 Abs 2 KartG für den Verkauf unter dem Einstandspreis ausdrücklich angeordnete Beweislastverteilung: Liege der Anschein des Verkaufs unter dem Einstandspreis bzw unter den eigenen Kosten vor, so müsse der Marktbeherrscher diesen Anschein widerlegen.

(b) Das Problem des vorliegenden Falls liegt allerdings darin, dass die Lieferung der Software im Regelfall nur einen Teil der Leistungen der Beklagten ausmacht. Zu dieser Lieferung treten die Konvertierung, die Einschulung und die laufende Wartung. Während die Konvertierung nach den Feststellungen unentgeltlich erfolgt, ist für die Schulung und die Wartung ein gesondertes Entgelt zu bezahlen. In solchen Fällen ist es zumindest vertretbar, bei der für die Anwendung von § 5 Abs 1 KartG 2005 erforderlichen Kalkulation auf das Gesamtpaket abzustellen und nicht die Lieferung der Software isoliert zu betrachten. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass es in diesem Zusammenhang mehrere denkbare Preisgestaltungen gibt. Es kann einem Unternehmen nicht von vornherein verwehrt werden, die Software selbst sehr günstig - allenfalls auch unentgeltlich - abzugeben und die eigentlichen Erlöse aus der laufenden Wartung zu lukrieren.

(c) Damit ist aber auch die Auffassung der Beklagten vertretbar, dass sich der Anschein einer nicht kostendeckenden Vorgangsweise aus einer Gesamtbetrachtung der Leistungen und Entgelte für Lieferung, Schulung und Wartung ergeben müsste. Eine davon abweichende Rechtsprechung des EuGH oder des KOG, wonach es jeweils auf die Teilleistungen ankäme, zeigt die Klägerin nicht auf.

Auf dieser Grundlage ergibt sich aber aus den (wenngleich beträchtlichen) Rabatten bei der Lieferung noch nicht der Anschein, dass die Beklagte auch insgesamt nicht kostendeckend anbiete. Denn der zunächst hoch scheinende Rabatt wird deutlich geringer, wenn man den Erwerb und die (im Regelfall anzunehmende) mehrjährige Wartung als Einheit betrachtet. Das Entgelt der Wartung beträgt im Jahr etwa 11 % des Listenpreises. Die Beklagte weist daher zutreffend darauf hin, dass sie durch eine nur fünfjährige Wartung mehr als die Hälfte des Listenpreises und damit jedenfalls weit mehr als die von der Klägerin errechneten „Einstandspreise" von 2.719 EUR für den ersten und 1.020 EUR für jeden weiteren Arbeitsplatz erlöst. Bei einer Gesamtbetrachtung fehlt es daher am Anschein einer nicht kostendeckenden Leistung.

3.5. Auf dieser Grundlage muss der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin zu Punkt 1 ihres Sicherungsantrags scheitern. Vielmehr ist die Entscheidung des Rekursgerichts aufgrund des Revisionsrekurses der Beklagten dahin abzuändern, dass sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren abgewiesen werden.

4. Zu Punkt 2 des Begehrens (Diskriminierung)

4.1. Ein nach § 5 Abs 1 KartG 2005 unzulässiger Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung kann nach Z 3 dieser Bestimmung insbesondere in „der Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen" bestehen.

(a) Dass die Beklagte ihre Abnehmer ungleich behandelt, ist nach den Feststellungen nicht zu bestreiten. Während Kunden des dritten Anbieters beträchtliche Rabatte auf die Listenpreise erhalten, gilt das für Neueinsteiger - also für die zweite Zielgruppe der Beklagten - nicht. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass es sich bei den Kunden der Beklagten nicht um „Vertragspartner" im Sinn der genannten Bestimmung handle, ist nur schwer nachvollziehbar. Das Diskriminierungsverbot schützt (primär) die Abnehmer oder Lieferanten des Marktbeherrschers, also die Marktgegenseite. Richtig ist, dass in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass „Vertragspartner" im Sinne von § 5 Abs 1 Z 3 KartG 2005 („Handelspartner" iSv Art 82 lit c EG) nur Unternehmen sein können, die durch unterschiedliche Konditionen des Marktbeherrschers im Wettbewerb untereinander benachteiligt werden (Vartian in Petsche/Urlesberger/Vartian aaO § 5 Rz 49; Bechtold/Brinker/Bosch/Hirsbrunner aaO Art 82 Rz 56). Damit fiele die unterschiedliche Behandlung von Verbrauchern aus dem Missbrauchsverbot heraus. Das gilt jedoch nicht für andere „Endabnehmer", die - wie im vorliegenden Fall verschiedene Gruppen von Rechtsanwälten - miteinander im Wettbewerb stehen. Ein Grund für die Unanwendbarkeit des Diskriminierungsverbots ist daher nicht zu erkennen.

(b) Ein Vorbringen, weshalb die unterschiedliche Behandlung der beiden Zielgruppen sachlich gerechtfertigt sein könnte (vgl zum vergleichbaren Problem des § 2 NahversG zuletzt 16 Ok 2/09 mwN), hat die Beklagte in erster Instanz nicht erstattet. Ihr Hinweis auf einen bestimmten Vertragspartner, der für sie als Werbeträger dienen sollte, deckt nur Sonderkonditionen für diesen Anwalt, nicht jedoch für alle (anderen) Kunden des dritten Anbieters. Die im Rechtsmittelverfahren genannten geringeren Kosten für die Einschulung von Kunden mit EDV-Erfahrung tragen die Verschiedenbehandlung nicht, müssen doch die Kunden der Beklagten die Einschulung gesondert nach dem jeweiligen Zeitaufwand bezahlen. Ein allenfalls höherer Schulungsaufwand bei Neueinsteigern wird daher ohnehin gesondert abgegolten.

(c) Damit liegt schon aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 5 Abs 1 Z 3 KartG ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung vor. Das Verhalten der Beklagten ist daher durch keine vertretbare Rechtsansicht gedeckt.

4.2. Auf dieser Grundlage ist die weitere, nun genuin lauterkeitsrechtliche Frage zu prüfen, ob das Verhalten der Beklagten geeignet ist, den Wettbewerb nicht bloß unerheblich zum Nachteil von Unternehmen zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG). Mit diesen Unternehmen sind Mitbewerber gemeint, die sich an denselben Kundenkreis wenden (RIS-Justiz RS0077680), im Regelfall also Unternehmen derselben Wirtschaftsstufe.

(a) Zwar dürfen solche Mitbewerber, wenn sie nicht selbst marktbeherrschend sind oder unter § 2 NahversG fallen, ihre Leistungen ohne sachliche Rechtfertigung zu unterschiedlichen Konditionen anbieten. Daher kann das im Allgemeinen zutreffende Argument, wonach das Lauterkeitsrecht die gleichen Ausgangsbedingungen der Mitbewerber sicherstellen soll (4 Ob 225/07b - Stadtrundfahrten), hier nicht unmittelbar herangezogen werden: der „rechtstreue Mitbewerber" (RIS-Justiz RS0123239) darf ohnehin diskriminieren.

Diese Sicht greift allerdings zu kurz. Denn das nur den Marktbeherrscher treffende Diskriminierungsverbot führt von vornherein zu einer ungleichen Ausgangslage im Wettbewerb. Zweck dieser Regelung ist nicht nur der Schutz von Abnehmern oder Lieferanten des Marktbeherrschers, sondern auch der Ausgleich des durch die marktbeherrschende Stellung begründeten Machtgefälles. Das Diskriminierungsverbot schützt daher zumindest mittelbar auch die Mitbewerber auf der gleichen Wirtschaftsstufe (Vartian in Petsche/Urlesberger/Vartian aaO § 5 Rz 46; Westermann in MüKo Wettbewerbsrecht § 20 GWB Rz 3; Schultz in Langen/Bunte aaO § 20 GWB Rz 8).

Verstößt ein Marktbeherrscher gegen das Diskriminierungsverbot, so greift er nicht nur in den Wettbewerb auf dem vor- oder nachgelagerten Markt ein, sondern verändert auch die vom Gesetz für den Sonderfall eines „beherrschten" Marktes als angemessen angesehene Ausgangslage für den Wettbewerb auf seiner eigenen Wirtschaftsstufe. Damit beeinträchtigt er den Wettbewerb anderer Unternehmen im Sinne von § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Denn die Freiheit bei der Festlegung von Konditionen ist ein gesetzlich vorgesehener Wettbewerbsvorteil für nicht marktbeherrschende Mitbewerber, der durch das beanstandete Verhalten neutralisiert wird.

(b) Eine Beeinflussung des Wettbewerbs läge im Übrigen auch dann vor, wenn man die Klägerin - aufgrund der Vermutung nach § 4 Abs 2 Z 3 KartG 2005 - ebenfalls als marktbeherrschend ansähe. Denn dann wäre auch sie an das Diskriminierungsverbot gebunden; auf die Problematik der vom Gesetz vorgegebenen ungleichen Wettbewerbsbedingungen käme es daher nicht an.

4.3. Auf dieser Grundlage ist die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass eine einstweilige Verfügung im Sinne von Punkt 2 des Antrags erlassen wird. Allerdings ist das Verbot - wie zu Punkt 1 ausdrücklich begehrt - auf die Dauer der marktbeherrschenden Stellung zu beschränken. Da es sich dabei um eine bloße Klarstellung des von der Klägerin ohnehin Gewollten handelt, ist damit keine Teilabweisung verbunden.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO. Für die Erfolgsquoten ist von der in der Klage vorgenommenen Bewertung der Punkte 1 und 2 des Unterlassungsbegehrens mit je 20.001 EUR und des Punkts 3 mit 4.001 EUR auszugehen.

In erster Instanz hat sich die Klägerin mit etwa 45 % ihres Begehrens durchgesetzt. Sie hat daher der Beklagten 55 % der Äußerungskosten zu ersetzen. Ihre eigenen Kosten hat sie zu 45 % vorläufig und zu 55 % endgültig selbst zu tragen.

In zweiter Instanz ist die Klägerin mit ihrem Rekurs nicht durchgedrungen. Die Beklagte hat daher Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Rekursbeantwortung. Strittig waren im Rekurs das Hauptbegehren zu Punkt 1 sowie Punkt 3 des Sicherungsantrags. Da Haupt- und Eventualbegehren etwa gleich schwer wiegen, beträgt die Bemessungsgrundlage für die Rekursbeantwortung 14.001 EUR.

Die Beklagte ist mit ihrem Rekurs in Bezug auf das Eventualbegehren zu Punkt 1 durchgedrungen, zu Punkt 2 ist sie unterlegen. Sie hat daher bei einer Bemessungsgrundlage von 30.001 EUR mit einem Drittel obsiegt. Die Klägerin hat daher zwei Drittel ihrer Rekursbeantwortungskosten vorläufig und ein Drittel dieser Kosten endgültig selbst zu tragen; der Beklagten hat sie ein Drittel der Rekurskosten zu ersetzen.

In dritter Instanz ist die Beklagte mit ihrem Revisionsrekurs zur Gänze durchgedrungen; strittig war darin allerdings nur ein mit 10.000 EUR zu bewertender Anteil an Punkt 1 des Sicherungsbegehrens. Die Klägerin hat ihr daher die Kosten des Revisionsrekurses auf dieser Bemessungsgrundlage zu ersetzen.

Die Klägerin ist mit ihrem Revisionsrekurs zu Punkt 2 des Sicherungsantrags durchgedrungen, zu Punkt 1 ist sie unterlegen. Strittig war allerdings auch hier nur ein mit 10.000 EUR zu bewertender Anteil an Punkt 1 des Antrags; die Bemessungsgrundlage beträgt daher nur 30.001 EUR. Auf dieser Grundlage hat die Klägerin zwei Drittel ihrer Revisionsrekurskosten vorläufig und ein Drittel dieser Kosten endgültig selbst zu tragen; der Beklagten hat sie ein Drittel der Rechtsmittelbeantwortungskosten zu ersetzen.

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