Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002 und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung
Der Antragsteller und die Antragsgegner (ausgenommen die 20. Antragsgegnerin, bei der es sich um die Verwalterin handelt) sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft, auf der 1960 das verfahrensgegenständliche Haus errichtet wurde. Der Antragsteller nimmt in seiner Wohnung Top 14 Trittgeräusche (teilweise bis 2.00 Uhr), Rollgeräusche, sowie Musikgeräusche und Vibrationen aus der darüber liegenden Wohnung der Siebentantragsgegnerin Top 16 wahr. Im Zuge einer Trittschallmessung wurde ein starker Anstieg des Frequenzverlaufs im Bereich tiefer Frequenzen gemessen. Die Trittschalldämmung in der Wohnung Top 16 entspricht den zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes im Jahr 1960 geltenden technischen Mindestbestimmungen, jedoch nicht mehr dem heutigen Stand der Technik. Eine Mangelhaftigkeit der Unterbodenkonstruktion im Sinn der im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden technischen Bestimmungen liegt nicht vor. Ein davon unabhängiges Reparaturerfordernis der Unterbodenkonstruktion in Top 16 wurde nicht festgestellt. Eine besondere Dringlichkeit der Fußbodensanierung im Hinblick auf die Trittschallbelastung besteht nicht. Es ist auch nach dem derzeitigen Stand der Technik nicht möglich, niederfrequente Immissionen (Trittschallgeräusche) zu eliminieren. Es kann nicht gesagt werden, ob bauliche Verbesserungsmaßnahmen in Top 14 und ein Rückbau der bestehenden Fußbodenkonstruktion und Verlegung eines schwimmenden Zementestrichs auf einer Trittschalldämmplatte in Top 16 eine Verbesserung betreffend die dumpfen Geräusche und Vibrationen (insbesondere Gehgeräusche und Basstöne von Musik) brächten. Eine signifikante Verbesserung (wenngleich keine Elimination) im tiefen Frequenzbereich wäre nur durch das - unwirtschaftliche - Einbringen schwerer Masse, etwa durch Errichtung einer 20 cm dicken Stahlbetondecke mit heute üblichem Fußbodenaufbau, wofür der gänzliche Abriss und Neubau einer Decke mit weitreichenden statischen Konsequenzen erforderlich wäre, möglich.
Der Antragsteller strebt einen Auftrag gemäß § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 an, der notwendige Erhaltungsarbeiten an der Unterbodenkonstruktion der Wohnung Top 16 zum Gegenstand haben soll.
In beiden Vorinstanzen blieb der Antrag erfolglos.
Im außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Antragsteller geltend, das Rekursgericht habe es - ungeachtet seiner Behauptung, es komme zu einer ortsunüblichen und unzumutbaren Beeinträchtigung - unterlassen, im Rahmen des dynamischen Erhaltungsbegriffs auch den nachbarrechtlichen Schutz iSd § 364 Abs 2 ABGB zu prüfen, obwohl dessen Wertung auch Niederschlag im Erhaltungsbegriff des § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 finden müsse. Dazu existiere keine oberstgerichtliche Rechtsprechung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig, weil das Rekursgericht nicht von der zu § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 (und seiner Vorgängerbestimmung) sowie zu § 364 Abs 2 ABGB ergangenen Judikatur des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist.
1.1. Der anpassungsfähige („dynamische") Erhaltungsbegriff des § 3 Abs 1 MRG (der sich auch in § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 findet) bedeutet, dass zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung gehören, auch wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt, es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt, oder dabei sogar Veränderungen vorgenommen werden (RIS-Justiz RS0114109). Dazu wurde aber auch ausgesprochen, dass als Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit, auch im Rahmen dynamischer Erhaltung, ein Mangel im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder zumindest einer Schadensgeneigtheit feststehen muss (RIS-Justiz RS0116998, RS0069944 [T8], 5 Ob 256/07v = wobl 2008/35 [Call]).
1.2. § 30 WEG 2002 beinhaltet einen Katalog von Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung, bei denen die Minderheit gegen den im Allgemeinen maßgeblichen Mehrheitswillen oder die Untätigkeit der Mehrheit oder des Verwalters opponieren und die auch die Mehrheit bindende gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen kann. Dazu enthält § 30 Abs 1 WEG 2002 einen grundsätzlich taxativen Katalog von Minderheitsrechten. Gemäß § 30 Abs 1 WEG 2002 kann jeder Wohnungseigentümer über die Rechte zur Anfechtung von Beschlüssen hinaus mit einem gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richtenden Antrag die Entscheidung des Gerichts unter anderem darüber verlangen, dass Arbeiten iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 binnen einer angemessenen Frist durchgeführt werden. Die Rechtsprechung nimmt in diesem Zusammenhang eine restriktive Haltung ein, weil durch die Minderheitsrechte lediglich ganz bestimmte, für den Einzelnen unzumutbare Ergebnisse der Verwaltungsführung oder eine geradezu unzumutbare Untätigkeit der Mehrheit im Hinblick auf die Erhaltung des Hauses vermieden werden sollen; der Minderheit soll aber nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, die Führung der ordentlichen Verwaltung von der Mehrheit bzw vom Verwalter auf die Gerichte zu verlagern. Will man überschießende Konsequenzen des dynamischen Erhaltungsbegriffs beim Individualrecht des einzelnen Wohnungseigentümers und der ihm sonst eingeräumten Möglichkeit, den anderen Wohnungseigentümern eine „permanente Modernisierung" der Liegenschaft aufzuzwingen, vermeiden, ist dem Erhaltungsbegriff im Kontext des § 3 Abs 1 MRG und des § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 ein restriktives Verständnis zu unterlegen (5 Ob 116/07f mwN = immolex 2008/67 [Prader]; A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht § 30 WEG 2002 Rz 9 und 14). Ein wesentliches Kriterium für die Durchsetzbarkeit der von einem Wohnungseigentümer nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 begehrten Erhaltungsmaßnahmen ist deren Dringlichkeit, ebenso ist auf wirtschaftliche Aspekte wie den Kostenaufwand und die Finanzierbarkeit der Erhaltungsmaßnahmen Bedacht zu nehmen (5 Ob 116/07f = RIS-Justiz RS0123169). Bei Beurteilung der Frage, ob eine Erhaltungsarbeit der Mehrheit über Antrag eines Wohnungseigentümers aufzutragen ist, wird dem Gericht daher ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (RIS-Justiz RS0083121 [T9]).
2. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt an, scheitert die Bejahung von notwendigen Erhaltungsarbeiten gemäß § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 an der Fußbodenkonstruktion zwischen Top 14 und 16 zunächst schon daran, dass dazu ein Mangel im oben dargestellten Sinn nicht erwiesen ist. Unabhängig davon steht zum einen fest, dass eine besondere Dringlichkeit der Fußbodensanierung im Hinblick auf die Trittschallbelastung nicht besteht, und zum anderen, dass eine Verbesserung betreffend die dumpfen Geräusche und Vibrationen (insbesondere Gehgeräusche und Basstöne von Musik) nicht gesichert ist, wenn - wie im Eventualbegehren ausdrücklich verlangt - ein schwimmender Zementestrich auf einer Trittschalldämmplatte eingebaut werden sollte. Damit ist dem Antragsteller der Nachweis weder der Dringlichkeit der von ihm gewünschten Maßnahme noch deren Zweckmäßigkeit gelungen, weshalb die Begehren des Antragstellers in den Vorinstanzen aus rechtlich durchaus vertretbaren Gründen erfolglos blieben.
3. Soweit der Antragsteller die Prüfung des nachbarrechtlichen Schutzes iSd § 364 Abs 2 ABGB wegen Ortsunüblichkeit und Unzumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung reklamiert, ist im Folgenden zu entgegnen: Da eine besondere Dringlichkeit der Fußbodensanierung im Hinblick auf die Trittschallbelastung nicht gegeben ist, ist Unzumutbarkeit der Geräuschbelastung (als rechtliche Beurteilung) nicht anzunehmen. Fehlende Ortsüblichkeit allein, gemeint ohne gleichzeitig bestehende Mangelhaftigkeit, rechtfertigt es aber nicht, den anderen Wohnungseigentümern eine Erhaltungsarbeit aufzutragen, weil ihnen so eine auch von § 3 MRG nicht umfasste „permanente Modernisierung" der Liegenschaft aufgezwungen würde (vgl 5 Ob 106/08m = immolex 2009/2 [Prader], betreffend einen funktionsfähigen Aufzug, der nur ein Hinauffahren von Personen ermöglicht).
Im Übrigen ist der Wunsch nach Prüfung des nachbarrechtlichen Schutzes iSd § 364 Abs 2 ABGB im vorliegenden Verfahren nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 nicht nachvollziehbar, weil dieser gesetzliche Abwehranspruch bei Wohnungseigentum einen anderen Anwendungsbereich hat: Er steht dem Wohnungseigentümer (unter den bei § 364 Abs 2 ABGB genannten Voraussetzungen) nur bei Immissionen zu, die durch eine nicht verkehrsübliche oder nicht der vertraglichen Sonderbeziehung entsprechende Nutzung des Nachbarobjekts hervorgerufen werden; es wird daher ein Unterlassungsanspruch nur bei unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen gewährt, die nicht mehr mit der widmungsgemäßen Benützung von Wohnungseigentumsobjekten im Einklang stehen, während die mit dem bestimmungsgemäßen (vertragsgemäßen) Gebrauch einer Wohnung verbundenen üblichen Geräusche eine Unterlassungsklage nicht rechtfertigen, und zwar selbst dann nicht, wenn sie durch die mangelhafte Isolierung der Trennwände in der Wohnungseigentumsanlage stärker hörbar sind (RIS-Justiz RS0110784 [T1, T2 und T3]). Auf einen widmungswidrigen Gebrauch der Wohnung Top 16 hat sich der Antragsteller - im vorliegenden Verfahren zutreffend - nicht berufen, weil eine so verursachte Geräuschbelästigung Erhaltungsarbeiten keinesfalls rechtzufertigen vermag. Die vom Antragsteller reklamierte Prüfung des nachbarrechtlichen Schutzes iSd § 364 Abs 2 ABGB wurde daher von den Vorinstanzen ebenfalls ohne aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlassen.
4. Mangels erheblicher Rechtsfragen war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.
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