OGH 10Ob15/08s

OGH10Ob15/08s17.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Notburga L*****, vertreten durch Mag. Friedrich Kühleitner und Mag. Franz Lochbichler, Rechtsanwälte OG in Schwarzach, gegen die beklagte Partei Krampusverein T*****, vertreten durch Dr. Friedrich Oedl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 8.280 EUR sA und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. November 2007, GZ 1 R 67/07i-12, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 30. Jänner 2007, GZ 3 Cg 171/06p-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts in Ansehung der Abweisung des Zahlungsbegehrens wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der beklagte Krampusverein veranstaltete am 6. 12. 2005 im Ortszentrum von T***** einen Krampuslauf, an dem sich mehrere Krampusgruppen („Passen") aus verschiedenen Orten beteiligten. Die Klägerin nahm an dieser Veranstaltung als Zuschauerin teil.

Für diesen Krampuslauf hatte der Bürgermeister der Marktgemeinde T***** mit Bescheid vom 21. 11. 2005 die Veranstaltungsstättengenehmigung unter Einhaltung von „Bedingungen und Auflagen" erteilt. Punkt 5. des Bescheidspruchs lautet:

„Für Sach- und sonstige Schäden im Rahmen der Veranstaltung, die durch Besucher oder Mitwirkende der Veranstaltung verursacht werden, hat, soweit nicht der Verursacher herangezogen werden kann, der Veranstalter zu haften."

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zahlung von 8.280 EUR sA Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche derzeit nicht bekannten Folgen aus dem Vorfall vom 6. 12. 2005. Sie sei gegen 21 Uhr dieses Tages vor dem Gemeindeamt gestanden, als ein Krampus in die Zuschauermenge gestürmt sei und ein neben ihr stehendes Mädchen an den Haaren gepackt habe, wodurch die Klägerin vom Griff der Rute des Krampusses massiv am linken Auge verletzt worden sei. Den beklagten Verein treffe ein Organisationsverschulden (keine Absperrungen, kein ausreichender Ordnungsdienst, keine Kennzeichnung und Registrierung der Krampusse) und eine Haftung aufgrund Verletzung vertraglicher Neben- und Schutzpflichten. Der Krampuslauf sei keine Brauchtumsveranstaltung im „klassischen Sinn" gewesen, sondern eine beworbene Schaustellung von 15 Krampus-Passen mit insgesamt 250 Krampussen. Es liege ein Werkvertrag mit mietrechtlichem Einschlag vor. Darüber hinaus hafte er bereits aufgrund des Bescheids, der in Punkt 5. eine verschuldensunabhängige Haftung zugunsten Dritter vorsehe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Sie habe sämtliche notwendigen und zumutbaren Sicherungsmaßnahmen ergriffen. Die Klägerin „dürfte" durch das Herumblödeln des Krampusses mit dem Mädchen vom losen Stiel der Krampusrute am Auge getroffen worden sein. Die Verletzung sei daher nicht zu verhindern gewesen. Da Eintrittsgeld nicht bezahlt worden sei, liege ein Werkvertrag nicht vor, sodass vertragliche Neben- und Schutzpflichten nicht bestünden. Die Klägerin treffe eine Einlassungsfahrlässigkeit, weil sie im Zug des allgemein wahrnehmbaren Freilaufs dem Krampuslauf erhöhte Aufmerksamkeit schenken und Abwehrhandlungen setzen hätte müssen.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es traf im Wesentlichen noch folgende Feststellungen:

An den Umzug der Passen durch die Marktstraße schloss der sogenannte „Freilauf" an, bei dem sich die teilnehmenden Krampusse unter die Zuschauer mischten. Zentrum der Menschenanhäufung beim Freilauf waren der Platz und die Straße vor dem Gemeindeamt. Die Ordner hatten den Auftrag, Exzesse zu verhindern, wobei leichtes Rutenschlagen gegen Mädchenbeine und Körperkontakte etwa durch scheinbar bedrohliches Herumfuchteln oder „Mädchen-in-die-Haare-Greifen" nicht unter zu verhindernde Exzesse fielen. Eine Anordnung, die einzelnen Krampusse zu kennzeichnen, um sie identifizierbar zu machen, erteilte die beklagte Partei nicht. Sie sah Absperrungen nicht vor. Den Ordnerdienst übertrug sie der Feuerwehr, die für diese Dienste etwa 13 Mann abstellte. Sie selbst stellte vier bis fünf Mann für Ordnerdienste bei.

Die Klägerin und ihre Schwägerin waren etwa einen Meter von einer Mädchengruppe entfernt, als ein Krampus in diese hineinstürmte und zwischen den Mädchen herumtanzte und herumfuchtelte, wobei er seine Krampusrute mit einem Band am Handgelenk befestigt hatte und nicht mit ihr zuschlug. Die Klägerin verspürte plötzlich einen Schlag gegen ihr linkes Auge. Ihr war zunächst nicht klar, woher dieser Schlag gekommen war. Ihre Schwägerin erinnerte sich später daran, dass sie beim Krampus die am Handgelenk baumelnden Rute gesehen hatte. Es schien naheliegend, dass der Griff der Rute bei einer Handbewegung des Krampus zufällig gegen das Auge der Klägerin geschlagen haben könnte. Ob die Klägerin von einem Teil der Krampusrute oder von einem anderen Gegenstand getroffen wurde, steht nicht fest.

Die Klägerin und ihre Schwägerin wandten sich an Feuerwehrleute, die Hilfe organisierten. Sie gaben dabei noch nicht den Hinweis auf einen Krampus als Verursacher. Die beklagte Partei wurde vom Vorfall unterrichtet, sie forschte aber nicht nach und versuchte auch nicht herauszufinden, wie der Vorfall geschehen und wer der Schädiger war.

In der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts führte das Erstgericht aus, es hätte auch der Einsatz von mehr Ordnern nichts genutzt, weil nach Auffassung des Ordnerdienstes, des Feuerwehrhauptmanns und des damaligen Obmanns der beklagten Partei das Verhalten des Krampusses in der Mädchengruppe zur „Sache" gehöre, sodass auch ein unmittelbar dabei stehender Ordner nicht eingegriffen hätte. Es falle in die Eigenverantwortung des Publikums, ob es an der „Vermischung" von Publikum und Krampussen beim Freilauf teilhaben wolle. Eine Haftung der Beklagten scheide aus, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Verletzung der Klägerin durch eine am Handgelenk des Krampusses baumelnde Rute verursacht worden sei.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es mit Teilzwischenurteil das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zur Gänze zu Recht erkannte. Im Ausspruch über das Feststellungsbegehren hob es das Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Der Rüge der erstgerichtlichen Feststellung, wonach nicht feststehe, ob die Klägerin von der Rute des Krampusses oder von einem anderen Gegenstand getroffen worden sei, hielt es entgegen, dass die bekämpfte Feststellung nicht zu verwerten sei, weil sie vom übereinstimmenden Parteienvorbringen in erster Instanz abweiche. Danach seien beide Parteien von einer Augenverletzung der Klägerin durch die Rute des Krampusses ausgegangen, wobei die beklagte Partei andere, allenfalls auch mögliche Schadensursachen gar nicht behauptet habe. Für die rechtliche Beurteilung sei daher von diesem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien und nicht von der davon abweichenden, bekämpften Feststellung des Erstgerichts auszugehen. Die Bindung an dieses (schlüssige) Geständnis der Parteien sei bestehen geblieben, weil - angesichts der negativen Urteilsfeststellung - das Gegenteil dem Gericht nicht bekannt geworden sei. Die beklagte Partei habe aufgrund der bescheidmäßigen Anordnung die Haftung für die Schäden der Klägerin zu übernehmen. Diese Bescheidauflage entfalte Schutzwirkung zugunsten Dritter. Sie enthalte nach ihrem eindeutigen Wortlaut eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung, soweit nicht der Verursacher - etwa mangels Identifizierung oder mangels Verschuldens - herangezogen werden könne. Mit dem Bescheid sei im Sinne des § 17 Sbg VeranstaltungsG die Genehmigung der Veranstaltung von der Übernahme der subsidiären Haftung der beklagten Partei für den Fall, dass der Verursacher nicht herangezogen werden könne, abhängig gemacht worden. Die beklagte Partei habe auch nicht eingewendet, dass sie diese Bescheidauflage bekämpft habe oder eine derartige Haftungsübernahme unzulässig sei. Auch dem ABGB sei eine reine Erfolgshaftung für den Fall eines Beweisnotstands des Verletzten nicht fremd. Eine mit Bescheid erlassene Rechtsvorschrift, die inhaltlich einen Schutzzweck verfolge, sei auch als Schutzgesetz anzusehen. Der Freilauf sei Teil der Veranstaltung gewesen. Die Teilnahme an dem Freilauf falle daher nicht in den eigenen Verantwortungsbereich der Klägerin. Davon abgesehen nehme man mit der bloßen Anwesenheit während des Freilaufs nicht schon Schadenszufügungen und Verletzungen in Kauf.

Nachträglich (§ 508 Abs 3 ZPO) ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision gegen das Teilzwischenurteil zur Klärung der Rechtsfrage zu, ob eine Verwaltungsbehörde im Rahmen einer Bescheidauflage eine zivilrechtliche verschuldensunabhängige Haftung des Veranstalters für Teilnehmer oder Zuseher der Veranstaltung bindend anordnen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision der beklagten Partei ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

Der Beklagte strebt mit seinem Rechtsmittel die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts an. Er macht geltend, die im Bescheid des Bürgermeisters als Nebenbestimmung angeordnete verschuldensunabhängige Haftung des Veranstalters sei nicht verbindlich und auch kein Schutzgesetz. Ihn treffe auch kein (Organistations-)Verschulden.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

1. Die in einer Nebenbestimmung des Bescheids, mit dem der Bürgermeister die Veranstaltung des beklagten Vereins nach dem Salzburger Veranstaltungsgesetz 1997 genehmigte, angeordnete Erfolgshaftung der beklagten Partei ist keine taugliche Anspruchsgrundlage, weil die Nebenbestimmung nicht verbindlich ist:

1.1. Ein absolut nichtiger, die Gerichte nicht bindender Verwaltungsakt liegt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, wenn er jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrt (1 Ob 320/71 = SZ 45/17), wenn die Verwaltungsbehörde bei ihrer Entscheidung offenkundig unzuständig war, ihren Wirkungsbereich überschritten hat oder einen (wegen Fehlens behördlicher Funktionen oder fehlender verwaltungsbehördlicher Kompetenz an sich) offenkundig und zweifellos unzulässigen Verwaltungsakt vorgenommen hat (4 Ob 54/89 mwN; RIS-Justiz RS0037053).

1.2. Die im Bescheid angeordnete schadenersatzrechtliche Haftung des Bescheidadressaten durfte schon ihrem Typus nach (vgl dazu VwGH 23. 12. 1993, 92/17/0056) nicht in einem Veranstaltungsstättengenehmigungsbescheid nach dem Salzburger Veranstaltungsgesetz 1997 vorgesehen werden:

1.2.2. Nach § 17 Abs 1 Sbg VeranstaltungG 1997 dürfen Veranstaltungsstätten nur genehmigt werden, wenn sie im Hinblick auf die Art der beabsichtigten Veranstaltungen und die voraussichtliche Besucherzahl nach ihrer Lage, Gestaltung und Ausstattung in bau-, feuer-, sicherheits- und gesundheitspolizeilicher Hinsicht so beschaffen sind, dass sie die Hintanhaltung von Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Menschen, insbesondere der Besucher der Veranstaltungen, sowie einer Gefährdung und unzumutbarer Beeinträchtigung, insbesondere durch Lärm, Staub, Abgase oder Abwässer, gewährleisten. § 17 Abs 7 dieses Gesetzes idF LGBl 2005/52 sieht vor, dass im Genehmigungsbescheid die Auflagen und Bedingungen vorzuschreiben sind, bei deren Einhaltung die im Absatz 1 dieser Gesetzesstelle angeführten Interessen gewahrt erscheinen.

1.2.3. Auflagen im Bescheid sind Verpflichtungen der davon betroffenen Partei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen, die begünstigenden Bescheiden akzessorisch beigefügt werden und zu erfüllen sind, wenn der Bescheidadressat die Begünstigung in Anspruch nimmt (vgl nur Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht³ 256 mwN; Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, § 58 Rz 28 ff; Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8 212 mwN; Duschanek, Nebenbestimmungen im Bescheid, ÖZW 1985, 7 [10 ff]).

Bedingungen machen entweder den Eintritt oder das Erlöschen des im Bescheid Angeordneten (der Berechtigung oder Verpflichtung) davon abhängig, dass ein bestimmtes ungewisses Ereignis passiert. Im Gegensatz zur Auflage sind die Bescheidwirkungen von ihrem Eintritt abhängig (vgl Hengstschläger aaO 256 mwN; Hengstschläger/Leeb aaO § 58 Rz 43 f mwN; Walter/Mayer aaO 212 mwN; Duschanek aaO 9 f).

Gesetzlose Nebenbestimmungen (insbesondere Auflagen) sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vom Hauptinhalt des Bescheidspruchs (im Anlassfall: die Erteilung der Veranstaltungsstättengenehmigung) trennbar (VwGH 23. 12. 1993, 92/17/0056).

Punkt 5. des Bescheidspruchs enthält keine Bedingung im genannten Sinn. Er schreibt dem Bescheidadressaten auch keine Verhaltenspflichten vor, sondern normiert dessen (verschuldensunabhängige) Schadenersatzhaftung. Hiefür fehlt jegliche Grundlage im hier maßgebenden Salzburger Veranstaltungsgesetz 1997 idF LGBl 2005/52.

2. Im Übrigen ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts unzutreffend, die im Genehmigungsbescheid dem Beklagten vorgeschriebene Haftung des Veranstalters sei ein Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB. Schutzgesetze im Sinn dieser Vorschrift sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RIS-Justiz RS0027710); sie sind konkrete Verhaltensvorschriften (Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 1311 Rz 3; Karollus, Schutzgesetzverletzung 92 f; vgl Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1311 Rz 4a). Die Anordnung der Haftung des Veranstalters im Bescheid ist aber keine Verhaltensvorschrift.

Der Beklagte haftet daher nicht aufgrund des Genehmigungsbescheids.

3. Der Beklagte haftet auch nicht aus der Unterlassung von Sicherungsmaßnahmen:

3.1. Das Bestehen von Verkehrssicherungspflichten, deren schuldhafte Verletzung Ersatzpflichten auslöst, wird heute allgemein anerkannt (4 Ob 609/87 = SZ 60/256; RIS-Justiz RS0023801; RS0023955; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1294 Rz 64 und 78 mwN aus der Rsp; Koziol, Haftpflichtrecht² II, 57). Verkehrssicherungspflichten treffen jeden, der einen Verkehr eröffnet. Wer eine Gefahrenquelle schafft, muss dafür sorgen, dass niemand Schaden erleidet (RIS-Justiz RS0022778). Nach diesem Grundsatz hatte der Beklagte als Veranstalter des Krampuslaufs für die im Interesse der Sicherheit von Beteiligten und Zuschauern erforderlichen Vorkehrungen zu sorgen (RIS-Justiz RS0023955; vgl RS0038132). Die Verkehrssicherungspflicht darf nicht überspannt werden, soll sie keine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folgen haben (RIS-Justiz RS0023950). Sie findet ihre Grenze daher immer in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RIS-Justiz RS0023397). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS-Justiz RS0023726). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht kann immer nur von Fall zu Fall bestimmt werden; entscheidend ist vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (7 Ob 28/04z mwN). Zumutbar ist es dabei grundsätzlich, eine die Erfüllung der Sicherungspflicht gewährleistende Organisation zu schaffen und zu unterhalten, deren Fehlen ein Eigenverschulden darstellen würde (8 Ob 132/83 = ZVR 1984/139, 146 mwN; RIS-Justiz RS0038132 [T3]).

3.2. Dem Beklagten ist eine schuldhafte Verletzung der ihn treffenden Verkehrssicherungspflicht (oder einer allenfalls vertraglichen Sicherungspflicht) nicht anzulasten: Er hat Ordner in ausreichender Anzahl eingesetzt. Um Vorfälle wie den streitgegenständlichen zu verhindern, müsste jedem Krampusläufer ein eigener Ordner beigegeben werden. Dies würde das Maß des Zumutbaren weit übersteigen. Darüber hinaus liefe dies ebenso wie die Errichtung von Absperrungen dem auch dem Publikum bekannten Sinn und Zweck des „Freilaufs" zuwider, dass sich die Krampusse unter das Publikum mischen und es zum Kontakt zwischen Besuchern und Krampussen kommen soll.

4. Der Beklagte haftet auch nicht für das Verhalten des Krampusses, der nach Annahme des Berufungsgerichts die Klägerin schädigte:

4.1. Nach ständiger Rechtsprechung sind Handlungen oder Unterlassungen im Zug sportlicher Betätigung, durch die ein anderer Teilnehmer in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet oder am Körper verletzt wird, insoweit nicht rechtswidrig, als sie nicht das in der Natur der betreffenden Sportart gelegene Risiko vergrößern. Dies gilt nicht nur für Sportkampfarten, sondern auch für sonstige Sportarten, bei denen es wegen des notwendigen Naheverhältnisses der Teilnehmer zueinander oder zu den dabei verwendeten Sportgeräten zu Gefährdungen oder zu Verletzungen der Teilnehmer kommen kann. Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken des Handelns auf eigene Gefahr. Wer sich einer ihm bekannten oder erkennbaren Gefahr aussetzt, dem wird eine Selbstsicherung zugemutet. Ihm gegenüber wird die dem Gefährdenden sonst obliegende Sorgfaltspflicht aufgehoben oder eingeschränkt. In den Fällen echten Handelns auf eigene Gefahr kann aufgrund einer Interessenabwägung die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Gefährdenden verneint werden. Es ist stets zu prüfen, wie weit durch das echte Handeln auf eigene Gefahr die Sorgfaltspflichten anderer aufgehoben werden (6 Ob 220/04b mwN; Koziol, Haftpflichtrecht³ I Rz 4/39). Bei gegeneinander ausgeübter sportlicher Betätigung ist eine Verhaltensweise, die sonst als leichter Verstoß gegen die objektiven Sorgfaltspflichten aufzufassen wäre, nicht rechtswidrig (6 Ob 220/04b mwN; vgl Koziol aaO I Rz 4/39).

4.2. Diese für die Sportausübung entwickelten Grundsätze wenden Rechtsprechung und Lehre grundsätzlich ganz allgemein auf die Teilnehmer an einer gefährlichen Veranstaltung an (6 Ob 220/04b mwN; Koziol aaO I Rz 4/38 mwN; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1297 Rz 8 mwN). Ferner hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass das für den Sport Geltende sinngemäß auch für Spiele gilt, deren Natur ein Gefährdungs- und Verletzungsrisiko innewohnt (6 Ob 220/04b mwN; Reischauer aaO § 1297 Rz 8 mwN). Immer aber muss es um sport- bzw spieltypische Risken gehen (Reischauer aaO § 1297 Rz 8 mwN). Die für die Sportausübung geltenden Grundsätze lassen sich auch auf die Teilnahme des Publikums am Freilauf der Krampusse in der Art, wie er im Anlassfall zu beurteilen ist, übertragen:

4.3. Die Besucher des Krampuslaufs sind während des Freilaufs, der an den Umzug anschließt, nicht bloß Zuschauer, sondern Mitwirkende - zur eigenen Unterhaltung und des „Nervenkitzels" wegen - an einem Schauspiel zumindest folkloristischer Art. Ihre Teilnahme am „Spiel" ist notwendig, wenn dieses gelingen soll. Ihnen fällt nach der Natur - ungefragt - die Rolle der „Opfer" der Krampusse zu, die - wie es zum „Spiel" gehört - den Kontakt suchen und die Besucher auch - insbesondere mit der Rute - „attackieren" wollen und sollen. Die „Opfer" fügen oder sträuben sich, werden selbst aktiv oder „fliehen". Dem Treiben der Krampusse während des Freilaufs wohnt ein Gefährdungs- bzw Verletzungsrisiko inne.

Die Klägerin war nicht zufällig beim Freilauf anwesend. Für die Annahme, dass sie erkennbar dem Treiben nur aus der Ferne zuschauen wollte, fehlt ein Anhaltspunkt in ihrem Vorbringen und in den Feststellungen. Sie war mitten im Geschehen, als sie verletzt wurde. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass ihr Wille zur Teilnahme am Freilauf als Mitwirkende im aufgezeigten Sinn nicht gegeben war (vgl 6 Ob 220/04b; Reischauer aaO § 1297 Rz 8). Daraus, dass der Krampus nicht auf die Klägerin losgegangen war, als es zur Verletzung kam, kann nicht geschlossen werden, sie sei bloß unbeteiligte Dritte gewesen.

Ein Mindestmaß an Regeln kann zwanglos als schlüssig vereinbart dahin unterstellt werden, dass die Mitwirkenden über typische Verletzungen (Rötungen an den Beinen durch Rutenschläge) hinaus einander nicht verletzen wollen (etwa durch Rutenschläge).

Die Verletzung der Klägerin wurde nach der Annahme des Berufungsgerichts von der am Handgelenk des Krampusses baumelnden Rute verursacht, als dieser zwischen Mädchen „herumtanzte und herumfuchtelte". Der Umstand, dass ein Krampus nicht zu jeder Zeit seines Treibens die Rute unter Kontrolle hat, ist für jeden Teilnehmer erkennbar und einschätzbar. „Herumtanzen und Herumfuchteln" des Krampusses in einer Gruppe von „Besuchern" sind typische, in der Natur des einfachst strukturierten „Spiels" des Freilaufs gelegene Handlungen, auf die sich die Teilnehmer einstellen können. Würden diese Handlungen als sorgfaltswidrig angesehen werden, würden der Freilauf und damit die Pflege örtlicher, der Klägerin als Ortsansässige ja bekannter Tradition unmöglich gemacht werden. Der Klägerin konnte die Gefahr, die von Krampussen ausging, die in Besuchergruppen mit am Handgelenk baumelnder Rute tanzten und „herumfuchtelten", erkennen. Ihr war daher eine Selbstsicherung gegen das typische Risiko einer Gefährdung durch eine sich in einem eingeschränkten Bereich unkontrolliert bewegende Rute zumutbar.

Da der Krampus mit seiner zur Schädigung der Klägerin führenden Verhaltensweise nicht gegen objektive Sorgfaltspflichten verstieß, haften weder er noch die Beklagte für das Verhalten.

4.4. Ob der Beklagte verpflichtet war, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen und/oder die Krampusse zu registrieren und zu nummerieren, muss nicht erörtert werden. Für den Eintritt der Verletzung der Klägerin waren sie nicht kausal. Eine Haftpflicht der Beklagten oder des Krampusses gegenüber der Klägerin besteht nicht. Aus diesem Grund musste auf die Frage des vom Berufungsgericht angenommenen schlüssigen Geständnisses des Beklagten zum Unfallshergang nicht eingegangen werden.

5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Über das vom - nicht bekämpfbaren (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO) - Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts betroffene Feststellungsbegehren kann der Oberste Gerichtshof nicht entscheiden.

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