OGH 11Os134/08b

OGH11Os134/08b21.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Harald R***** wegen Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Mai 2008, GZ 16 Hv 23/08t-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Harald R***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in U***** seine Ehefrau Manuela R*****

„I. in der Nacht zum 20. Jänner 2008 mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an den Haaren zurück ins Bett zerrte, ihr Schläge ins Gesicht und auf den Hinterkopf versetzte, trotz ihrer Gegenwehr ihr das T-Shirt, die Unterhose und den BH auszog, ihre Beine auseinanderdrückte und mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang, in der Folge an ihrem Handgelenk eine Handschelle anlegte und sie mit einer Sisalschnur an der oberen Bettstange festband, wobei er ihr rechtes Handgelenk mit der anderen Hand festhielt, und so den Geschlechtsverkehr weiter durchführte;

II. vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1. zu nicht genau bekannten Zeitpunkten ab Winter 2003/2004 bis 2007 in mehreren Angriffen durch Versetzen von Schlägen und Tritten gegen den Körper und durch Stöße (Hämatome und Schürfwunden),

2. vermutlich im Jahr 2005 dadurch, dass er ihr eine Nagelschere nachwarf (Stichwunde an einem Oberschenkel) und

3. im Mai 2006 dadurch, dass er sie zu Boden stieß (Kieferprellung samt Hautabschürfungen im Bereich des Kinns),

III. ab Herbst 2006 bis 2007 durch die mehrmaligen Ankündigungen, ihr den Schädel abzureißen bzw ihren Verwandten etwas anzutun, gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen,

IV. zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt im Winter 2005/2006 widerrechtlich die persönliche Freiheit entzogen, indem er die Haustüre von innen absperrte, den Schlüssel abzog, die von ihr versperrte Badezimmertür eintrat und sie zurückzerrte, als sie durch das Badezimmerfenster flüchten wollte."

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Schuldspruch zu Punkt I. richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Ihr kommt keine Berechtigung zu.

Die Verfahrensrüge (Z 4) stützt sich - unter Bezugnahme auf ein gleichzeitig vorgelegtes Attest der Dr. Gabriele W***** vom 9. Mai 2008 (Beilage ./1) - auf den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf „Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Aussagepsychologie oder Psychiatrie und Neurologie zum Beweis dafür, dass die belastenden Angaben der Zeugin Manuela R***** ohne realen Hintergrund dadurch erklärbar sind, dass die Zeugin Manuela R*****, insbesondere aufgrund der massiven Probleme in der Beziehung, der gewaltsamen Auseinandersetzungen in einem erheblichen Zeitraum vor dem 20. Jänner 2008 unter insgesamt für sie äußerst belastenden psychischen Situationen erklärbar sind" (S 43, 44 in ON 33).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers verfiel dieser Antrag zurecht der Abweisung, weil darin nicht dargetan wurde, dass die Zeugin die erforderliche Zustimmung zu einer Exploration erteilt hätte oder erteilen würde (RIS-Justiz RS0097584, RS0118956, RS0108614; Birklbauer, WK-StPO Nach § 149 [aF] Rz 85, 100; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350).

Welche der letztlich divergierenden Aussagen des Opfers aber den Tatsachen entsprach, hatte das Schöffengericht im Übrigen im Rahmen der ihm zukommenden freien Beweiswürdigung zu lösen. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen(-aussagen) bedarf es nur ausnahmsweise der Hilfestellung eines Sachverständigen, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen (Hinterhofer, WK-StPO § 118 [aF], Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350, RIS-Justiz RS0120634). Aus dem Schreiben der Psychotherapeutin Dr. W*****, bei der die Zeugin seit April 2008 (nicht wie in der Rechtsmittelschrift behauptet seit April 2004) in Behandlung sein soll, ergeben sich überdies in Bezug auf den Vergewaltigungsvorwurf inhaltlich keine Hinweise auf eine angebliche Falschaussage, sondern lediglich darauf, dass sie „teilweise die Übergriffe durch den Ehemann übertrieben dargestellt" habe. Darüber hinaus wird eine - wie in dem Schreiben angeführte - „starke Beeinflussung durch an sich wohl meinende Angehörige und Freunde" weder von der Zeugin selbst, die unmittelbar am Morgen nach der Tat das Erlebte vor der Polizei und im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung vor dem Einzelrichter im Ermittlungsverfahren gleichlautend schilderte, noch im Antrag behauptet, sodass diesem auch nicht entnommen werden kann, weshalb durch die beantragte Beweisführung das behauptete Beweisziel erreicht werden könnte. Die in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragenen umfänglichen Argumente als Versuch einer Antragsfundierung sind prozessual verspätet und somit unzulässig (RIS-Justiz RS0099117 und RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Entgegen der Behauptung der Mängelrüge, im Urteil verwertete Vernehmungsprotokolle der Zeugin Manuela R***** seien im Beweisverfahren nicht verlesen worden, wurde das Protokoll der kontradiktorischen Vernehmung, das seinerseits auf die identen Angaben vor der Polizei Bezug nimmt, im Rahmen der Vernehmung wörtlich verlesen (S 24 in ON 33), sodass der geltend gemachte Mangel nicht vorliegt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 459).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers (§ 24 StPO) - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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