OGH 9ObA68/08b

OGH9ObA68/08b9.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pernt und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Norbert L*****, Rechtsanwalt, *****, gegen die beklagte Partei Petra H*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in Gloggnitz, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO; Streitwert 4.257 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. März 2008, GZ 9 Ra 20/08i-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. November 2007, GZ 5 Cga 122/07y-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt, auch den Bruttolohn einzuklagen (9 ObA 2010/96w; 8 ObA 217/97p; RIS-Justiz RS0000636 ua). Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis von Arbeitnehmern regelmäßig Gebrauch gemacht, um nicht selbst die Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge ermitteln zu müssen, zumal die Arbeitsverträge regelmäßig auf eine bestimmte Bruttosumme lauten bzw auf eine solche Bezug nehmen (vgl Klicka, Bestimmtheit des Begehens bei Leistungsklagen 83 FN 7 ua). Auch die Beklagte beschritt diesen Weg als Klägerin im Vorprozess der Parteien. Das auf den Bruttolohn gerichtete Klagebegehren ist nach der Rechtsprechung bestimmt und exequierbar. Im Fall des Zuspruchs eines Bruttobetrags wird die von der Rechtskraftwirkung des Urteils nicht berührte Einbehaltungs- und Abführungspflicht des Arbeitgebers erst bei Zahlung des geschuldeten Betrags existent (4 Ob 115/81, SZ 54/169; 4 Ob 141/81, Arb 10.091 ua).

Die Exekution aufgrund eines auf einen Bruttobetrag lautenden Titels ist auf Antrag hinsichtlich des ganzen Betrags zu bewilligen, wenn es auch klar ist, dass Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge einzubehalten sind. Der Verpflichtete kann jedoch, wie im vorliegenden Fall, sein Abzugsrecht mit Oppositionsklage nach § 35 EO geltend machen (Jakusch in Angst, EO² § 7 Rz 50; Meinhart in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 7 Rz 44; 4 Ob 151/77; 9 ObA 18/00p; 8 ObA 64/04a ua). Der Kläger steht auf dem Standpunkt, das dem Bruttobetrag laut Titel entsprechende Nettoäquivalent bereits vor der Exekutionsbewilligung an die Beklagte bezahlt zu haben. Dass diese Nettozahlung des Klägers den steuerlichen Vorschriften im Zeitpunkt der Zahlung (14. 7. 2006) entsprach (§ 67 EStG 1988; siehe Näheres Doralt/Knörzer, EStG10 § 67 Rz 1 ff, 76 ff, 82 ff ua), steht außer Streit. Auf theoretische Überlegungen der Revisionswerberin, ob und unter welchen Voraussetzungen es für die Beklagte günstiger gewesen wäre, wenn sie im Vorprozess gegen den Kläger als ihren ehemaligen Arbeitgeber anstelle eines Bruttobetrags den Nettobetrag ihrer Ansprüche eingeklagt und welchen Einfluss dies auf einen allenfalls nachfolgenden Oppositionsprozess gehabt hätte, braucht hier nicht eingegangen zu werden; dieser Weg wurde nämlich im vorliegenden Fall nicht beschritten. Die auf eine Nettoeinklagung abstellenden Überlegungen der Revisionswerberin können mangels Relevanz für den Verfahrensausgang keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen. Das Berufungsgericht überging im Übrigen bei seiner Beurteilung weder die einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs noch haftet der Berufungsentscheidung eine „juristische Denkgesetzwidrigkeit" an.

Gegenstand der Oppositionsklage nach § 35 EO ist die Frage, ob der im Exekutionstitel verbriefte Anspruch nach Entstehung des Titels ganz oder teilweise erloschen oder gehemmt ist (Jakusch aaO § 35 Rz 2 ua). Im Oppositionsprozess geht es um die Einwendungen des Verpflichteten gegen den Anspruch, der im Exekutionstitel festgelegt und zu dessen Gunsten die Exekution bewilligt wurde (RIS-Justiz RS0001454 ua). Der Beklagten ist es verwehrt, den Einwendungen des Verpflichteten gegen den Anspruch nach § 35 EO mit der Behauptung entgegenzutreten, der Exekutionstitel könne auch auf anderer Grundlage als im Vorprozess erwirkt werden (vgl 3 Ob 184/94 ua). Ein allfälliger Schadenersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger aus dem Titel des „Lohnsteuerschadens", der aus der verspäteten Zahlung des Klägers resultieren soll (vgl dazu 8 ObS 4/03a; 9 ObA 106/04k ua), ist nicht Gegenstand dieses Oppositionsprozesses. Der Verweis der Revisionswerberin auf Berechnungen in einem anderen Schriftsatz als der Revision ist unzulässig und unbeachtlich (RIS-Justiz RS0043579 ua).

Mangels Aufzeigens einer für den Ausgang des Verfahrens relevanten erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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