OGH 9ObA180/07x

OGH9ObA180/07x10.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Elisabeth R*****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler ua, Rechtsanwälte in St. Florian, wegen Feststellung (Streitwert 178.140 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 2007, GZ 11 Ra 82/07v-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Juli 2007, GZ 7 Cga 38/07d-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Teilurteil des Erstgerichts in der Hauptsache wiederhergestellt wird, die Kostenentscheidung jedoch der Endentscheidung vorbehalten bleibt. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin (geboren am ***** 1950) war seit 20. 2. 1984 bei der beklagten Versicherung im Innendienst angestellt. Dieses Dienstverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmen (KVI). Mit Schreiben der Beklagten vom 15. 5. 2007, das der Klägerin am 16. 5. 2007 zuging, wurde das Dienstverhältnis der Klägerin gemäß § 29 Abs 2 lit e KVI unter Hinweis darauf, dass die Klägerin ab 1. 11. 2007 Anspruch auf eine ASVG-Alterspension habe, zum 31. 10. 2007 gekündigt. Der Betriebsrat war von der Beklagten zeitgerecht informiert worden und hatte keine Stellungnahme (zur Kündigungsabsicht) abgegeben. Die Klägerin kann ab 1. 11. 2007 eine vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer in Anspruch nehmen.

Die Klägerin begehrt nach Klageänderung primär die Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis wegen Rechtsunwirksamkeit der im Mai 2007 erklärten Kündigung auch nach dem 31. 10. 2007 und nach dem 30. 11. 2007 aufrecht bestehe; hilfsweise möge die im Mai 2007 erklärte Kündigung für rechtsunwirksam erklärt werden. Die Klägerin stützt ihr Hauptbegehren darauf, dass sie nach § 29 KVI einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz genieße. Gemäß § 29 Abs 5 KVI hätte die Beklagte bei der Kündigung eine sechsmonatige Kündigungsfrist einhalten müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen; die Kündigung sei daher fristwidrig erfolgt. Nach einhelliger Rechtsprechung haben Arbeitnehmer mit besonderem Kündigungs- und Entlassungsschutz ein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Auflösung und finanziellen Ansprüchen. Die Klägerin mache ersteres geltend, weil die Kündigung wegen Fristwidrigkeit unwirksam sei. Die ursprünglich als Hauptbegehren geltend gemachte Kündigungsanfechtung aus den Gründen des § 105 Abs 3 Z 1 lit i (Kündigung wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen) und Z 2 ArbVG (Sozialwidrigkeit) macht die Klägerin seit der Klageänderung nur mehr als Eventualbegehren geltend.

Die Beklagte bestreitet das Klagevorbringen, beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, dass der Klägerin im Fall der bloß fristwidrigen Kündigung kein Wahlrecht zustehe. Die Kündigung der Klägerin wegen der Inanspruchnahme einer Pensionsleistung sei im KVI ausdrücklich vorgesehen. Im Übrigen habe die Klägerin ein allfälliges Wahlrecht durch die zunächst geltend gemachte Kündigungsanfechtung bereits konsumiert.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren der Klägerin mit Teilurteil ab. Unter Zugrundelegung der wiedergegebenen Außerstreit- und Feststellungen gelangte es in rechtlicher Hinsicht zur Beurteilung, dass die Kündigung fristwidrig erfolgt sei, weil die Beklagte die nach dem KVI nach dem vollendeten 10. Dienstjahr geltende Kündigungsfrist von sechs Monaten nicht eingehalten habe. Nach herrschender Rechtsprechung beende aber auch die fristwidrige Kündigung das Arbeitsverhältnis zu dem in der Kündigung genannten Zeitpunkt. Dem gekündigten Arbeitnehmer gebühre diesfalls Schadenersatz. Ein Wahlrecht des Arbeitnehmers sei dem KVI nicht zu entnehmen. Das von der Klägerin primär geltend gemachte Feststellungsbegehren sei daher abzuweisen.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Klägerin das erstgerichtliche Teilurteil in ein dem Hauptbegehren stattgebendes Endurteil (Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses der Klägerin sowohl für die Zeit nach dem 31. 10. 2007 als auch nach dem 30. 11. 2007) ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es sei zwar richtig, dass die zeitwidrige Kündigung das Arbeitsverhältnis zum verfehlten Kündigungstermin auflöse. Der vertragliche Ausschluss der freien Kündbarkeit des Dienstverhältnisses nach § 29 KVI wirke jedoch ähnlich wie ein besonderer gesetzlicher Kündigungs- und Entlassungsschutz. Der Arbeitnehmer habe in diesem Fall ein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Auflösung und der Forderung einer Kündigungsentschädigung. Nach § 29 Abs 2 KVI können Angestellte ab dem vollendeten 24. Lebensjahr, die das 5. Dienstjahr vollendet haben, nur mehr aus bestimmten Gründen gekündigt werden. Die Missachtung des kollektivvertraglichen Kündigungsschutzes bewirke die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung wie im Fall des besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutzes etwa der Belegschaftsvertreter (§§ 120 ff ArbVG), Mütter bzw Väter (§§ 10 ff MuttSchG, § 7 VKG) oder Lehrlinge (§ 15 BAG). Die fristwidrige Kündigung sei daher rechtsunwirksam. Die Klägerin müsse die nichtige Erklärung nicht gegen sich gelten lassen und sei daher nicht auf bloße Beendigungsansprüche beschränkt. Eine Konversion der unwirksamen Beendigung des Dienstverhältnisses in eine später wirksame Beendigung sei abzulehnen. Aufgrund der vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegten oberstgerichtlichen Rechtsprechung sei die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen. Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iSd Wiederherstellung des erstgerichtlichen Teilurteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor. Diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Berechtigt ist jedoch die Rechtsrüge der Revisionswerberin.

In rechtlicher Hinsicht ist vorauszuschicken, dass die Kündigung eine einseitige, empfangsbedürftige, auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Zukunft gerichtete Willenserklärung ist (Grillberger in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 365; RIS-Justiz RS0028555 ua), die grundsätzlich keiner Begründung bedarf (Krejci in Rummel, ABGB³ §§ 1158-1159c Rz 48; 4 Ob 22/54, SZ 27/56; 4 Ob 134/85 ua). Weder Frist noch Termin sind für die Kündigung an sich wesentlich. Tatsächlich ist es aber so, dass für fast alle Arbeitsverhältnisse durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung Fristen und/oder Termine statuiert sind. Die Kündigungsfrist ist jener Mindestzeitraum, der vom Zugehen der Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses verstreichen muss. Der Kündigungstermin ist jener Zeitpunkt, zu dem entweder das Arbeitsverhältnis beendet wird (Endtermin) oder die Kündigung ausgesprochen werden kann (Anfangstermin) (Grillberger aaO 368; 9 ObA 229/93 ua). Die Normierung von Kündigungsterminen und Kündigungsfristen soll den Parteien die Möglichkeit geben, sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtzeitig einzustellen. Wegen der sozialen Schutzfunktion der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins, die den Arbeitnehmer vor einer überraschenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses bewahren und ihm einen zeitlich begrenzten Schutz gewähren soll, haben diese Regelungen überdies zugunsten des Arbeitnehmers meist zwingenden Charakter. Ist für den Ausspruch der Kündigung die Einhaltung einer Kündigungsfrist und eines Kündigungstermins (regelmäßig in Form eines Endtermins) durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Einzelvertrag vorgeschrieben, dann sind beide Beschränkungen unabhängig von einander zu beachten (9 ObA 229/93 mwN ua).

Die bei der Beklagten seit dem 20. 2. 1984 im Innendienst angestellte Klägerin unterlag unstrittig dem persönlichen Geltungsbereich nach § 25 des Kollektivvertrags für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmen (KVI). Demzufolge unterlag die von der Beklagten intendierte Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin - ebenfalls unstrittig - dem Regime des § 29 KVI („Auflösung des Dienstverhältnisses"). Diese Bestimmung lautet im Einzelnen wie folgt:

„(1) Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, gelten hinsichtlich Kündigung und Entlassung die gesetzlichen Bestimmungen.

(2) Angestellte ab dem vollendeten 24. Lebensjahr, die das 5. Dienstjahr (§ 27 Abs 2) vollendet haben, können nur gekündigt werden,

a) wegen mindestens zweimaliger nicht zufrieden stellender Dienstbeschreibung (§ 17), zwischen denen mindestens 3 Monate liegen müssen und die innerhalb von 3 Jahren erfolgt sind,

b) wegen eines dienstlichen oder außerdienstlichen Verhaltens, das die betrieblichen Interessen erheblich nachteilig berührt,

c) wegen Dienstverhinderungen infolge Krankheit oder Unfall, die in einem oder zusammengerechnet innerhalb der letzten 36 Kalendermonate bis zum vollendeten 5. Dienstjahr 4 Monate, vom 6. bis zum vollendeten 10. Dienstjahr 9 Monate, vom 11. bis zum vollendeten 15. Dienstjahr 12 Monate, vom 16. bis zum vollendeten 20. Dienstjahr 14 Monate, vom 21. bis zum vollendeten 25. Dienstjahr 16 Monate, vom vollendeten 25. Dienstjahr angefangen 18 Monate überschreiten. Die im Sinne dieser Bestimmung gekündigten Angestellten haben während der Kündigungsfrist Anspruch auf ihre vollen Bezüge.

d) wegen Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension oder der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit im Sinne der pensionsrechtlichen Bestimmungen des ASVG,

e) wegen Erreichbarkeit eines Anspruchs auf jegliche Alterspension (z.B. vorzeitige oder normale Alterspension, nach den jeweils gültigen pensionsrechtlichen Bestimmungen. Ausgenommen davon ist die Korridorpension nach dem APG, solange das Regelpensionsalter nicht erreicht ist.), oder

f) wenn eine Personalreduktion notwendig ist, sowie eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens trotz Verlangen des Angestellten, auch unter Beachtung des grundsätzlichen Beschäftigungsvorranges jener Angestellten, die bereits dem besonderen Kündigungsschutz unterstehen, betrieblich nicht sinnvoll ist.

(3) In Fällen einer Kündigung gemäß Abs 2 lit e) darf die Kündigung frühestens zum Letzten des Monats ausgesprochen werden, dem ab dem Ersten des Folgemonats bereits ein Anspruch auf eine Pension nach den jeweils gültigen pensionsrechtlichen Bestimmungen folgt.

(4) Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.

(5) Vor dem vollendeten 5. Dienstjahr gelten hinsichtlich der Kündigungsfrist bei Arbeitgeberkündigung die gesetzlichen Bestimmungen. Ab dem vollendeten 5. Dienstjahr beträgt die Kündigungsfrist bei Arbeitgeberkündigung 3 Monate, nach dem vollendeten 10. Dienstjahr 6 Monate. Ab dem vollendeten 5. Dienstjahr ist eine Arbeitgeberkündigung zudem jeweils nur zum Ende eines Kalendervierteljahres möglich. Eine Arbeitgeberkündigung aufgrund Abs 2 lit d) oder e) ist allerdings unabhängig vom Quartalsende - unter Einhaltung der Kündigungsfrist - zum Ende eines jeden Kalendermonats möglich.

(6) Eine nach Abs 2 lit b) beabsichtigte Kündigung ist vor Ausspruch unter Kurzangabe des Grundes dem Angestellten mitzuteilen, der innerhalb von einem Monat hiezu Stellung nehmen kann. Auf Verlangen ist dem Angestellten innerhalb dieser Frist Information über die zur Verfügung stehenden wesentlichen Sachverhaltsannahmen und Beweismittel zu erteilen und ihm, unter Beiziehung des Betriebsrates, in Betrieben, in denen kein Betriebsrat eingerichtet ist, eines Funktionärs der Sektion Versicherung der Gewerkschaft der Privatangestellten, auch Gelegenheit zu einer angemessenen Aussprache über die beabsichtigte Kündigung zu geben. Eine vor Ablauf der Monatsfrist ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam, es sei denn, dass die Aussprache erfolgt ist und der Angestellte seine Stellungnahme bereits abgegeben hat. § 105 Abs 1 und 2 ArbVG bleiben unberührt.

(7) Das nach den gesetzlichen Bestimmungen bestehende Recht zur Entlassung bleibt durch vorstehende Kündigungsschutzbestimmungen unberührt. Soweit auf Angestellte der Abs 2 anzuwenden ist, sind diese bei ungerechtfertigter Entlassung berechtigt, anstelle der gesetzlichen Abfertigung und Kündigungsentschädigung die zweieinhalbfache gesetzliche Abfertigung zu verlangen, sofern sie die Beendigung des Dienstverhältnisses mit dem Tag der ungerechtfertigten Entlassung anerkennen."

Wie bereits ausgeführt, sprach die Beklagte mit Schreiben vom 15. 5. 2007 die Kündigung der am ***** 1950 geborenen Klägerin zum 31. 10. 2007 aus. Diese Kündigung ging der Klägerin am 16. 5. 2007 zu. Sie befand sich damals im 58. Lebens- bzw im 24. Dienstjahr. Nach § 29 Abs 2 KVI können Angestellte ab dem vollendeten 24. Lebensjahr, die das 5. Dienstjahr vollendet haben, nur aus bestimmten Gründen gekündigt werden. Dass die Beschränkung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers infolge Bindung an bestimmte Gründe im Rahmen eines Kollektivvertrags vom Ermächtigungstatbestand des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG erfasst ist, ist nicht weiter strittig (vgl Reissner in ZellKomm, § 2 ArbVG Rz 48 und § 20 AngG Rz 76; Weiß, Der besondere Bestandschutz in Arbeitsverhältnissen Rz 448; 4 Ob 121/83, SZ 57/193 ua). Zu den Gründen, an die der KVI den Dienstgeber bei der Kündigung bindet, zählt nun unter anderem laut § 29 Abs 2 lit e die „Erreichbarkeit eines Anspruchs auf jegliche Alterspension". In diesem Fall darf die Kündigung gemäß § 29 Abs 3 KVI frühestens zum Letzten des Monats ausgesprochen werden, dem ab dem Ersten des Folgemonats ein Anspruch auf eine Pension nach den jeweils gültigen pensionsrechtlichen Bestimmungen folgt. Gemäß § 29 Abs 5 KVI ist im Fall einer Arbeitgeberkündigung aufgrund des § 29 Abs 2 lit e KVI die Kündigung zum Ende jeden Kalendermonats - und nicht nur wie sonst (ab dem vollendeten 5. Dienstjahr) zum Ende eines Kalendervierteljahrs - möglich. Bei der Klägerin sind ab 1. 11. 2007 die Voraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer unstrittig erfüllt. Es ist daher auch nicht weiter strittig, dass bei der Klägerin zum 31. 10. 2007 die Voraussetzungen für eine Kündigung aus dem Grund des § 29 Abs 2 lit e KVI vorlagen und dass der 31. 10. 2007 grundsätzlich ein geeigneter Kündigungstermin war. Die Beklagte hielt jedoch bei ihrer schriftlichen Kündigung nur eine Kündigungsfrist von fünfeinhalb Monaten und nicht wie in § 29 Abs 5 KVI vorgesehen eine Kündigungsfrist von sechs Monaten ein, die für Dienstnehmer nach dem vollendeten 10. Dienstjahr - wie die Klägerin - gilt. Die gegenständliche Kündigung war daher wegen Nichteinhaltung der kollektivvertraglichen Kündigungsfrist zeitwidrig. Es geht daher hinsichtlich des Hauptbegehrens der Klägerin um die Frage, ob die zwar aus einem zulässigen Grund, aber wegen Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zeitwidrig erfolgte Kündigung rechtswirksam ist. Dies wurde vom Erstgericht, dem Standpunkt der Beklagten folgend, bejaht, hingegen vom Berufungsgericht, dem Standpunkt der Klägerin folgend, verneint.

Zutreffend wies das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung zunächst darauf hin, dass nach herrschender Auffassung auch die zeitwidrige Kündigung das Dienstverhältnis zum angegebenen Zeitpunkt auflöst (Grillberger aaO 372 f; Karl in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 20 Rz 121 ff; Trost in Löschnigg, AngG8 § 20 Rz 118 ff, jeweils mwN auch zu abweichenden Lehrmeinungen; RIS-Justiz RS0028223 ua). § 29 AngG ist in diesem Fall analog anzuwenden („Schadenersatzprinzip"; RIS-Justiz RS0028175 ua). Richtig ist auch, dass der einzel- oder kollektivvertragliche Ausschluss der freien Kündbarkeit ähnlich wie ein besonderer gesetzlicher Kündigungs- und Entlassungsschutz wirkt (RIS-Justiz RS0028484 ua). Eine trotz vereinbarten Ausschlusses der freien Kündbarkeit erfolgte Kündigung ist daher nicht wirksam; sie löst das Dienstverhältnis nicht auf (4 Ob 47/64, SZ 37/70; 4 Ob 135/77, Arb 9663 ua). Ist die Kündigung ohnehin ausgeschlossen, stellt sich die Frage der Einhaltung des Kündigungstermins und der Kündigungsfrist gar nicht. Richtig ist auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf die herrschende Rechtsprechung, wonach der Dienstnehmer im Fall einer unwirksamen Auflösung bei bestehendem besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz ein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Auflösung und der Forderung einer Kündigungsentschädigung bei rechtswidriger Beendigung hat (RIS-Justiz R0101989 ua).

Nicht gefolgt werden kann jedoch dem Berufungsgericht in seiner weiteren Annahme, der hier anzuwendende § 29 KVI bewirke die Unwirksamkeit der zwar aus einem zulässigen Grund, jedoch zeitwidrig erfolgten Kündigung. Zutreffend ist zwar die Auffassung, dass auch § 29 KVI einen besonderen Kündigungsschutz der vom persönlichen Geltungsbereich des § 25 KVI erfassten Versicherungsangestellten im Innendienst bewirkt. Dieser Kündigungsschutz ist jedoch, was das Berufungsgericht übergeht, kein totaler, der die Kündigung völlig ausschließt, sondern - worauf die Revisionswerberin richtig hinweist - lediglich ein partieller (vgl Karl aaO § 20 Rz 79). Wie bereits ausgeführt, ist hier die Kündigung nur aus jenen Gründen ausgeschlossen, die nicht im § 29 KVI genannt sind; ausdrücklich zulässig ist sie hingegen aus solchen Gründen, die in § 29 Abs 2 lit a bis e KVI aufgezählt sind. Insoweit besteht daher bei Vorliegen eines zulässigen Grunds kein besonderer Kündigungsschutz. Dass im Fall der Kündigung eines Dienstnehmers wegen Erreichbarkeit eines Anspruchs auf Alterspension (§ 29 Abs 2 lit e KVI) gemäß § 29 Abs 3 KVI eine Kündigung frühestens zum Letzten des Monats ausgesprochen werden darf, dem ab dem Ersten des Folgemonats ein Anspruch auf eine Pension nach den jeweils gültigen pensionsrechtlichen Bestimmungen folgt, wurde im vorliegenden Fall von der Dienstgeberin beachtet. Der Senat verkennt nicht, dass auch der Zeitbindung durch Kündigungsfrist und Kündigungstermin ein gewisser „Bestandschutz" (besser „Zeitschutz"; vgl Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung 172 f) innewohnt, als Frist und Termin den Arbeitnehmer zwar nicht vor der Kündigung an sich, aber bei der Kündigung vor einer überraschenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses schützen sollen. Die Bestandfestigkeit des Arbeitsverhältnisses wird insoweit - freilich nur zeitlich begrenzt - erhöht (8 ObA 50/05v ua).

Die konkrete Gestaltung des Falls bringt es mit sich, dass trotz Zeitwidrigkeit der Kündigung infolge Einhaltung einer immerhin fünfeinhalbmonatigen Kündigungsfrist von einer „überraschenden" Auflösung des Dienstverhältnisses keine Rede sein kann. Davon abgesehen, vermag die Klägerin aber auch keinen Grund aufzuzeigen, wonach die wegen Vorliegen eines Grunds zulässige, aber zeitwidrige Kündigung ihres dem § 29 KVI unterliegenden Dienstverhältnisses anders zu beurteilen sei als die zeitwidrige Kündigung eines frei kündbaren Dienstverhältnisses. Der von der Klägerin angestellte Vergleich mit einer ungerechtfertigten Entlassung ist verfehlt, mangelt es doch bei dieser an einem zulässigen Grund. Für den Standpunkt der Klägerin ist daher auch nichts aus dem Verweis auf § 29 Abs 7 KVI zu gewinnen, der für bestimmte Fälle einer ungerechtfertigten Entlassung eine erhöhte Abfertigung vorsieht. Der Fall der nach § 29 KVI zulässigen, aber fristwidrigen Kündigung ist auch nicht mit jenen Fällen vergleichbar, in denen die Kündigung zB der Zustimmung des Gerichts (§ 120 ArbVG) oder des Behindertenausschusses bedarf (§ 8 BEinstG). Im Fall der ausschließlich zeitwidrigen Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin kommt daher die herrschende Auffassung zum Tragen, nach der auch zeitwidrige Kündigungen das Dienstverhältnis zum angegebenen Zeitpunkt auflösen (so bereits im Ergebnis 9 ObA 106/97x im Fall der fristwidrigen Ruhestandsversetzung eines Sparkasseangestellten; vgl zum VBG, das in § 32 die Kündigung ebenfalls nur aus bestimmten Gründen zulässt, Ziehensack, VBG § 33 Rz 8). Für das vom Berufungsgericht angenommene Wahlrecht der Klägerin zwischen der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Auflösung und der Forderung von Schadenersatzansprüchen im Fall der ausschließlich zeitwidrigen Kündigung findet sich in § 29 KVI keine tragfähige Grundlage. Das Dienstverhältnis der Klägerin wurde sohin auf Grund der Kündigung der Beklagten vom 15. 5. 2007 zum 31. 10. 2007 aufgelöst. Auf die während des Verfahrens erfolgte zweite Dienstgeberkündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin zum 30. 11. 2007 braucht daher nicht eingegangen werden.

Zusammenfassend ist somit der Revision der Beklagten Folge zu geben und in Abänderung der klagestattgebenden Berufungsentscheidung das das Hauptbegehren der Klägerin abweisende Teilurteil des Erstgerichts in der Hauptsache wiederherzustellen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht über das für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens gestellte Eventualbegehren der Klägerin zu verhandeln und entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Kosten erster Instanz ist gemäß § 52 Abs 2 ZPO der Endentscheidung vorzubehalten. Auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf dieser Bestimmung (vgl 8 Ob 609/87; 10 Ob 47/07w ua).

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