OGH 8ObA50/05v

OGH8ObA50/05v16.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Thomas Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Berta S*****, vertreten durch Stampfer, Orgler & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei P*****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 28.514,65 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Mai 2005, GZ 7 Ra 17/05g-22, womit über Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Oktober 2004, GZ 30 Cga 77/04h-16, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 1.440,72 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 240,12 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 21. 5. 1984 bis 31. 3. 2004 als Diplomkrankenschwester beschäftigt.

Da der am 27. 6. 1951 geborenen Klägerin die Erbringung der erforderlichen Arbeitsleistungen zunehmend schwerer fiel, stellte sie am 17. 11. 2003 bei der Beklagten einen Antrag auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension. Im Jänner 2004 unterzog sie sich den angeordneten anstaltsärztlichen Untersuchungen. In Unkenntnis der Pflicht, ihre Dienstgeberin sowohl von der Stellung des Pensionsantrages als auch vom Ausgang des Pensionsfeststellungsverfahrens zu verständigen, informierte die Klägerin lediglich eine ihr vertraute Stationsschwester und Pflegedienstleiterin über die Antragstellung mit der Bitte um Stillschweigen. Die Verständigung hatte den Zweck, für den Fall der positiven Erledigung des Antrages rechtzeitig die erforderlichen personellen Maßnahmen treffen zu können.

Bis Mitte Februar 2004 verrichtete die Klägerin ihren Dienst in vollem Umfang und zur Zufriedenheit ihrer Dienstgeberin. Sie begab sich danach auf Urlaub. Sie hatte die Absicht, ihre Arbeitstätigkeit Mitte März 2004 fortzusetzen.

Mit Schreiben vom 5. 3. 2004 teilte die Beklagte der Klägerin „als ihre Sozialversicherungsträgerin" mit, dass sie ab 1. 12. 2003 berufsunfähig im Sinne des § 273 ASVG sei und ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitspension in Höhe von 1.570 EUR brutto monatlich habe. Die Auszahlung der Leistung könne jedoch erst mit dem Tag nach der formalen Beendigung ihrer derzeitigen Tätigkeit erfolgen. Damit die nach dem 1. 12. 2003 erworbenen Beitragsmonate für das Leistungsausmaß berücksichtigt werden könnten, ersuchte die Beklagte die Klägerin, ihr bis spätestens 19. 4. 2004 mitzuteilen, ob sie innerhalb der nächsten sieben Kalendermonate ihre Tätigkeit aufgeben werde, weil in diesem Fall der Stichtag auf einen für sie günstigeren Zeitpunkt verschoben werden könne. Sollte bis 19. 4. 2004 keine Stellungnahme einlangen, werde angenommen, dass die Klägerin keine „Antragsverschiebung" wünsche.

Der Betriebsrat des Rehabilitationszentrums, in dem die Klägerin tätig war, riet ihr, den Stichtag so zu wählen, dass sie 20 vollendete Beschäftigungsjahre vorweisen könne und damit Anspruch auf eine höhere Abfertigung habe. Da sie ihr 20. Beschäftigungsjahr am 21. 5. 2004 vollendet hätte, beschloss die Klägerin die Fortsetzung ihrer Arbeitstätigkeit bis zu diesem Zeitpunkt.

Mit Schreiben vom 18. 3. 2004 gab die Beklagte der Klägerin bekannt, dass ihre Versetzung in den Ruhestand gemäß Art XXXV Z 10 der Übergangsbestimmung zur DO.A (§ 32 Abs 2 DO.A) zum 1. 4. 2004 unter Wahrung des Abfertigungsanspruches genehmigt worden sei und die Abfertigung das Sechsfache des im letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts betrage. Der Klägerin war mit Erhalt dieses Schreibens klar, dass ihr Dienstverhältnis zum 31. 3. 2004 beendet wird.

Die Klägerin begehrt der rechnerischen Höhe nach unstrittige 28.514,65 EUR brutto (drei weitere Monatsentgelte Abfertigung in Höhe von 8.794,23 EUR zuzüglich 19.720,42 EUR an Kündigungsentschädigung für sechs Monate einschließlich Sonderzahlungsanteilen und Urlaubsersatzleistung). Sie sei von der Beklagten einseitig mit 31. 3. 2004 in den Ruhestand versetzt worden. Dieser Vorgang sei arbeitsrechtlich als Kündigung zu qualifizieren. Auch wenn die DO.A allenfalls eine andere Regelung vorsehe, könne diese als Kollektivvertrag zwingende gesetzliche Bestimmungen des Angestelltengesetzes nicht abdingen. Die sozialversicherungsrechtliche Dienstunfähigkeit, die mit 1. 12. 2003 eingetreten sei, könne mit einer arbeitsrechtlichen Dienstunfähigkeit nicht gleichgesetzt werden. Das ergebe sich schon daraus, dass die Klägerin uneingeschränkt bis Mitte Februar 2004 ihren Dienst verrichtet habe. Überdies habe die Beklagte der Klägerin ausdrücklich angeboten, noch weitere sieben Monate bei ihr tätig zu sein. Die Beklagte habe ihre in ihrer Stellung als Sozialversichererin erlangte Kenntnis von dem von der Klägerin gestellten Pensionsantrag sittenwidrig dazu benützt, die Ruhestandsversetzung zu erklären: Das Klagebegehren stehe daher auch aus dem Titel des Schadenersatzes zu.

Die Beklagte wendet ein, eine Kündigung der Klägerin als unkündbare Angestellte sei schon begrifflich nicht möglich gewesen. Die DO.A verpflichte die Beklagte bei Vorliegen der Dienstunfähigkeit zur Versetzung in den Ruhestand mit jenem Monatsersten, der auf den Zeitpunkt folge, zu dem die Beklagte Kenntnis vom Eintritt der Dienstunfähigkeit erlangt habe oder bei rechtzeitiger Verständigung durch die Klägerin erlangen hätte müssen. Die in der DO.A vorgesehene Versetzung in den Ruhestand sei zwingend angeordnet. Es habe daher nicht im Ermessen der Beklagten gestanden, die Klägerin zu einem anderen Zeitpunkt in den Ruhestand zu versetzen. Überdies rechtfertige eine dauernde Arbeitsunfähigkeit nach § 27 Z 2 AngG den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung. Der Beklagten wäre nun eine Entlassung der Klägerin aufgrund der Bestimmungen der DO.A nicht möglich gewesen. Sie sei aber verpflichtet und berechtigt gewesen, die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand zu erklären. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch bestehe schon deshalb nicht zu Recht, weil die Klägerin verpflichtet gewesen sei, die Beklagte von allen Entscheidungen in einem Pensionsfeststellungsverfahren zu verständigen.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 19.720,42 EUR brutto sA und wies das Begehren auf Zahlung weiterer 9.860,21 EUR (für weitere drei Monatsentgelte an Abfertigung) ab.

Rechtlich erachtete das Erstgericht, dass gemäß § 32 Abs 2 der DO.A für Verwaltungsangestellte, Pflegepersonal und zahntechnische Angestellte bei den Sozialversicherungsanstalten Österreichs iVm Art XXXV Z 10 der Übergangsbestimmungen zur DO.A unkündbare Angestellte in den Ruhestand zu versetzen seien, wenn die Dienstunfähigkeit gemäß § 33 DO.A eingetreten sei. Nach § 33 Abs 2 DO.A gelte ein Angestellter als dienstunfähig, wenn ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension bestehe.

Die DO.A als Kollektivvertrag weiche von der relativ zwingenden Gesetzesbestimmung des § 27 Z 2 AngG insofern ab, als sie die Möglichkeit einer Entlassung aufgrund von Dienstunfähigkeit nur für Angestellte, die nicht dem erhöhten Kündigungsschutz unterlägen, vorsehe. Ein Angestellter mit erhöhtem Kündigungsschutz könne nur aus einem der im § 31 Abs 1 DO.A taxativ aufgezählten Gründe entlassen werden. Das gelte gemäß Art XXXV Z 9 der Übergangsbestimmungen auch für unkündbare Angestellte. Die Dienstunfähigkeit eines solchen unkündbaren Angestellten habe stattdessen nach dem eindeutigen Wortlaut der DO.A die Versetzung in den Ruhestand nach § 33 Abs 2 DO.A zur Folge.

Nach ständiger Rechtsprechung sei die in einem Kollektivvertrag festgelegte einseitige Ruhestandsversetzung arbeitsrechtlich als Kündigung zu qualifizieren. Es seien daher die relativ zwingenden Regeln über die Kündigung (§ 40 AngG) heranzuziehen. Demnach bringe auch eine fristwidrige Kündigung das Arbeitsverhältnis grundsätzlich zur Auflösung. Auf eine solche rechtswidrige Kündigung und deren Rechtsfolgen sei § 29 AngG analog anzuwenden. Daraus folge, dass die Klägerin Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung gemäß § 29 Abs 1 AngG habe. Eine Kündigung hätte das Dienstverhältnis gemäß § 20 Abs 2 AngG nur zum 30. 9. 2004 lösen können. Die Klageforderung bestehe daher in Ansehung der geltend gemachten Kündigungsentschädigung im Ausmaß von sechs Monatsgehältern zu Recht.

Da die Klägerin jedoch 20 Dienstjahre nicht vollendet habe, gebühre ihr nur die - ohnedies bezahlte - Abfertigung im Ausmaß von sechs Monatsentgelten. Die zum 1. 4. 2004 ausgesprochene Ruhestandsversetzung sei in Anwendung der zwingenden Regelung des § 32 Abs 2 DO.A erfolgt. Der Beklagten könne daher nicht angelastet werden, dass die Klägerin das 20. Dienstjahr nicht habe vollenden können.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin in Ansehung der Abweisung des Mehrbegehrens erhobenen Berufung nicht Folge. Der Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab, wobei es aussprach, dass die Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht ging zusammengefasst davon aus, dass überhaupt zweifelhaft sei, ob eine einseitige Ruhestandsversetzung vorliege, zumal die Klägerin am 17. 11. 2003 einen Antrag auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension gestellt habe. Selbst wenn eine einseitige Ruhestandsversetzung vorliege, habe für die Beklagte jedenfalls keine Verpflichtung zur Einhaltung einer Kündigungsfrist nach dem AngG bestanden. Die Beklagte habe vielmehr zwingend nach § 32 Abs 2 DO.A vorgehen müssen. Bei einer unkündbaren Angestellten komme die Vornahme einer fristwidrigen Kündigung schon begrifflich nicht in Frage. Die in § 27 Z 2 AngG vorgesehene Möglichkeit, einen Angestellten wegen Dienstunfähigkeit zu entlassen, sei in der DO.A nicht eingeräumt. Im Hinblick auf die Unkündbarkeit von der DO.A unterliegenden Angestellten könne kein Vergleich mit den dem sachlichen Geltungsbereich des AngG unterworfenen kündbaren Angestellten angestellt werden. Die „pensionsrechtliche" Anfrage der Beklagten in ihrer Stellung als zuständige Sozialversicherungsträgerin (Ersuchen um Bekanntgabe, ob die Klägerin eine Stichtagsverschiebung wünsche) könne nicht als „arbeitsrechtliche" Erklärung der Beklagten gedeutet werden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu fehlt, ob die in Übereinstimmung mit § 32 Abs 2 der DO.A erklärte einseitige Ruhestandsversetzung als fristwidrige Arbeitgeberkündigung anzusehen ist. Die Revision ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Unstrittig ist hier, dass das Dienstverhältnis der Klägerin der DO.A, die ein Kollektivvertrag ist (RIS-Justiz RS0054394), unterlag und dass es sich bei der Klägerin um eine Angestellte mit erhöhtem Kündigungsschutz handelte.

Angestellte mit erhöhtem Kündigungsschutz, die ihrereseits das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendermonates kündigen können (§ 29 Abs 1 DO.A), dürfen nur aus den in § 31 Abs 1 Z 1-3 DO.A genannten Gründen entlassen werden (Erschleichung der Aufnahme in das Dienstverhältnis; schwere Dienstpflichtverletzung; Vertrauensunwürdigkeit; erhebliche Vernachlässigung oder Unterlassung der Dienstleistung).

Gemäß § 32 Abs 2 DO.A iVm Art XXXV Z 10 der Übergangsbestimmungen zur DO.A sind Angestellte, für die ein erhöhter Kündigungsschutz besteht, in den Ruhestand zu versetzen, wenn die Dienstunfähigkeit gemäß § 33 eingetreten ist. Die Versetzung in den Ruhestand hat in diesen Fällen mit dem Monatsersten zu erfolgen, der unmittelbar auf den Zeitpunkt folgt, zu dem der Versicherungsträger Kenntnis vom Eintritt der Dienstunfähigkeit erlangt hat oder bei rechtzeitiger Verständigung durch den Angestellten (§ 33 Abs 3) erlangen hätte müssen.

Gemäß § 33 Abs 1 DO.A liegt Dienstunfähigkeit im Sinne des § 32 vor, wenn der Angestellte infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes unfähig ist, den bisherigen oder einen anderen Dienst zu versehen, der von ihm mit Rücksicht auf die bisherige Verwendung und seine Vorbildung billigerweise verlangt werden kann. Gemäß § 33 Abs 2 DO.A Z 1 gilt der Angestellte dann als dienstunfähig, wenn er Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension hat. Gemäß § 2 DO.A finden auf die in § 1 Abs 1 angeführten Angestellten die Bestimmungen des Angestelltengesetzes Anwendung, soweit in dieser Dienstordnung nichts Günstigeres bestimmt ist.

Es entspricht der Lehre (Martinek/Schwarz7, Angestelltengesetz, § 20 Erl 26; Floretta in Floretta/Strasser, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [Ergänzungsheft 1990] 626; Grillberger in Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht I4 375; Marhold, Die Versetzung in den Ruhestand, RdW 1986, 275) und der ständigen Rechtsprechung (9 ObA 112/95; 9 ObA 106/97x; DRdA 2002 28 [Massl]; 9 ObA 19/03i; RIS-Justiz RS0030344), dass die in einem Kollektivvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Einzelvertrag festgelegte einseitige Ruhestandsversetzung (Pensionierung) in der Regel als Arbeitgeberkündigung zu qualifizieren ist. Die von der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme von diesem Grundsatz für öffentlich-rechtliche bzw diesen angeglichene Dienstverhältnisse, die mit dem Wesen des grundsätzlich auf Lebenszeit begründeten Dienstverhältnisses begründet wird (9 ObA 19/03i), ist hier nicht verwirklicht.

Die Auffassung des Berufungsgerichtes und der Revisionsbeantwortung, weil das Dienstverhältnis zur Klägerin nach der DO.A unkündbar gestaltet gewesen sei, komme auch eine Qualifikation der einseitigen Ruhestandsversetzung als Kündigung nicht in Betracht, lässt außer Acht, dass die Versetzung in den Ruhestand, soferne mit ihr die Beendigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt ist, eben als Ausnahme von der grundsätzlich vereinbarten Unkündbarkeit zu betrachten ist (Marhold aaO). Die Versetzung eines unkündbaren Angestellten in den Ruhestand, die materiell und formell den kollektivvertraglichen Voraussetzungen entspricht, stellt den Übergang vom Status der Unkündbarkeit in den der Kündbarkeit dar (Martinek/Schwarz aaO). Die im Falle einer einseitig durch den Dienstgeber ausgesprochenen Pensionierung eines definitiv angestellten Arbeitnehmers anzuwendenden, relativ zwingenden Kündigungsbestimmungen des AngG bedingen demzufolge grundsätzlich auch die Notwendigkeit der Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfristen und Termine (9 ObA 106/97x; Marhold aaO). Ebensowenig wie durch Einzelarbeitsvertrag können zwingende Bestimmungen durch Kollektivvertrag abbedungen werden, sofern das Gesetz hiezu nicht eine ausdrückliche Ermächtigung erteilt (RIS-Justiz RS0050828; zuletzt 8 ObA 107/02g). An dieser Beurteilung ändert sich entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Auffassung nichts dadurch, dass die Klägerin der DO.A unterlag: So wurde bereits ausgesprochen (8 ObA 279/94 = JBl 1995, 603), dass die Versetzung in den Ruhestand gemäß § 32 Abs 2 DO.A durch den Dienstgeber einer Kündigung zumindest so nahe kommt, dass vom Vorliegen eines „eigenen" Rechtsinstituts nicht ausgegangen werden kann.

Allerdings ist die Zulässigkeit der in Frage stehenden kollektivvertraglichen Regelung einem Günstigkeitsvergleich zu unterziehen: Ausgehend vom Grundsatz, dass die jeweils nachrangigen Rechtsquellen die Stellung des Arbeitnehmers nicht verschlechtern, sondern nur verbessern können (Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I 4 101 ff; Cerny, Arbeitsverfassungsrecht II3, 70 ff) ist - unter sinngemäßer Anwendung der Kriterien des § 3 Abs 2 ArbVG - auch im Verhältnis einer einseitig zwingenden gesetzlichen Regelung zu einer abweichenden Bestimmung in einem Kollektivvertrag (oder einer Betriebsvereinbarung bzw einem Arbeitsvertrag) ein Günstigkeitsvergleich anzustellen (Resch, Grenzen privatautonomer Dispositionen über das Auflösungsrecht des Arbeitnehmers, ZAS 1991,4 mwN; 9 ObA 224/00g; 9 ObA 224/97z). Insoweit kann der in 8 ObA 279/94 vertretene Standpunkt, wegen Nichtanwendbarkeit des § 3 ArbVG auf das Verhältnis Gesetz/Kollektivvertrag könnten zwingende gesetzliche Bestimmungen des AngG aufgrund eines anzustellenden Günstigkeitsvergleiches nicht umgangen werden, nicht geteilt werden.

Beim Günstigkeitsvergleich sind einander jene Bestimmungen gegenüberzustellen, die in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehen (ZAS 1989/13 [Holzer]; wbl 1998,101; ZAS 2003/16 [Rauch] uva). Bestimmungen stehen dann in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang, wenn sie den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, wobei bei kollektivrechtlichen Regelungen der sozialpolitische Zweck zu beachten ist (ZAS 2003/16; Cerny aaO 73f mwN). Es ist weder ein Gesamtvergleich noch ein punktueller Vergleich der Bestimmungen anzustellen, sondern - sinngemäß wie bei der Prüfung des Verhältnisses von Kollektiv- und Einzelarbeitsvertrag - ein Gruppenvergleich rechtlich und sachlich zusammenhängender Normen vorzunehmen (9 ObA 224/00g; RIS-Justiz RS0051060). Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen (9 ObA 178/88; 9 ObA 224/97z ua).

Es ist daher der Gesamtkomplex der kollektivvertraglichen Regelungen der Kündigungs- und Entlassungsbeschränkungen dem gesetzlichen Kündigungs- und Entlassungsrecht (zum maßgeblichen Zeitpunkt siehe DRdA 2003/5 [Eypeltauer]) gegenüber zu stellen.

Die Festsetzung von Kündigungsterminen und Kündigungsfristen soll den Parteien die Möglichkeit geben, sich auf die Beendigung des Dienstverhältnisses rechtzeitig einzustellen. Die soziale Schutzfunktion der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins bewahrt den Arbeitnehmer vor einer überraschenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses und gewährt ihm einen zeitlich begrenzten Schutz. Die Bestandfestigkeit des Arbeitsverhältnisses wird erhöht. Der Arbeitnehmer hat mehr Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen und einen neuen Arbeitsplatz zu suchen (9 ObA 224/97z).

Hier stand der Klägerin ein umfassender Kündigungsschutz zu. Darüber hinaus berechtigt die nach § 27 Z 2 AngG einen Entlassungsgrund darstellende Dienstunfähigkeit die Beklagte gemäß § 33 Abs 1 DO.A nur zur Kündigung des Dienstverhältnisses. Bezieht man nun diesen der Klägerin eingeräumten umfassenden Bestandschutz ein, hält die kollektivvertragliche Regelung in § 32 Abs 2 DO.A der Günstigkeitsprüfung statt: Soweit die Berufsunfähigkeit im Sinne des ASVG gleichzeitig auch die Dienstunfähigkeit im Sinne des § 27 Z 2 AngG verwirklicht, ergibt sich das bereits daraus, dass die Beklagte diesen Fall nach der DO.A nicht zum Anlass für eine Entlassung, sondern nur zum Anlass des gelinderen Mittels der Kündigung, wenngleich unter Verkürzung der gesetzlichen Fristen, nehmen darf. Aber auch, wenn - wovon hier auszugehen ist, weil die Klägerin nach den Feststellungen ihren Dienst bis zuletzt in vollem Umfang und zufriedenstellend verrichtete - die Berufsunfähigkeit nicht gleichzeitig Dienstunfähigkeit bewirkt (vgl dazu 8 ObA 157/02z) sind die kollektivrechtlichen Regelungen insgesamt als günstiger für die Klägerin zu betrachten: Bei bloßer Geltung des AngG stünde der Klägerin kein besonderer Kündigungsschutz zu. Der umfassende kollektivvertragliche Kündigungsschutz bewahrte die Klägerin vor einer für sie nicht beeinflussbaren Dienstgeberkündigung. Der bereits angesprochene Zweck von Kündigungstermin und Kündigungsfrist wird durch die Möglichkeit, Dienstnehmer, denen eine Berufsunfähigkeitspension zuerkannt wurde, mit dem auf die Kenntnis von der Zuerkennung folgenden Monatsersten in den Ruhestand zu versetzen, gerade nicht vereitelt: Die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension setzte einen entsprechenden Antrag der Klägerin voraus. Sie hatte daher eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Dienstgeberkündigung ohnedies nur bei ihrem Mitwirken und nur bei entsprechender sozialer Absicherung (tatsächliche Gewährung der Pension) zu gewärtigen. Insgesamt ergibt sich daher, dass die in den Vergleich einzubeziehenden Regeln der DO.A über die Kündigungsmöglichkeiten des Dienstgebers insgesamt günstiger sind als das gesetzliche Kündigungsrecht des AngG. Die als Dienstgeberkündigung zu wertende Versetzung der Klägerin in den Ruhestand erfolgte somit nicht fristwidrig.

Der behauptete Schadenersatzanspruch scheitert schon daran, dass die Klägerin gemäß § 33 Abs 3 DO.A verpflichtet war, die Beklagte unverzüglich von dem im Pensionsfeststellungsverfahren ergangenen Bescheid zu verständigen. Von einer „sittenwidrigen" Verwertung der im Pensionsfeststellungsverfahren erlangten Kenntnis durch die Beklagte kann daher keine Rede sein. Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, die im Rahmen des Pensionsfeststellungsverfahrens ergangene Anfrage der Beklagten, ob die Klägerin eine Stichtagsverschiebung wünsche, entfalte keine arbeitsvertraglichen Konsequenzen, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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