OGH 6Ob34/08f

OGH6Ob34/08f13.3.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu FN ***** eingetragenen L***** Holding Aktiengesellschaft mit dem Sitz in G*****, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch die Vorstände Dr. Gottfried M*****, und Dr. Alexander L*****, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 19. Dezember 2007, GZ 4 R 193/07w-12, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Oktober 2007, GZ 47 Fr 2518/07m-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Im Firmenbuch des Erstgerichts ist seit 15. 2. 2005 die L***** Holding AG eingetragen. Diese Gesellschaft ist Alleinaktionär der L***** International AG, die ihrerseits Alleinaktionär der L***** AG ist.

Peter M***** und Leopold M***** waren seit der Gründung der Muttergesellschaft Mitglieder ihres Aufsichtsrats. Beide sind auch Angestellte der Tochtergesellschaft und Prokuristen sowohl der Tochtergesellschaft als auch der Enkelgesellschaft. Peter M***** ist Leiter des Controllings in der Tochter- und Enkelgesellschaft, Leopold M***** ist Leiter der Qualitätssicherung in diesen beiden Gesellschaften.

In der außerordentlichen Hauptversammlung der Muttergesellschaft vom 27. 6. 2007 wurden sie nach Ablauf ihrer Funktionsperiode neuerlich zu Mitgliedern des Aufsichtsrats wieder gewählt.

Die Muttergesellschaft wies auf die Möglichkeit einer Unvereinbarkeit im Sinne des § 90 Abs 1 AktG idF GesRÄG 2005 hin. Gleichwohl trug das Erstgericht mit Beschluss vom 13. 7. 2007 die Genannten als Mitglieder des Aufsichtsrats der Muttergesellschaft im Firmenbuch ein.

Mit Eingabe vom 1. 8. 2007 regte der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Muttergesellschaft die amtswegige Löschung dieser Eintragung gemäß § 10 FBG mit der Begründung an, dass die Bestellung von Angestellten und Prokuristen der Tochtergesellschaft in den Aufsichtsrat der Muttergesellschaft gegen das Verbot der zwingenden Bestimmung des § 90 AktG verstoße, was die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses zur Folge habe.

In ihrer Äußerung entgegnete die Muttergesellschaft, dass § 90 Abs 1 AktG nur auf Angestellte der Gesellschaft, nicht aber auf Angestellte einer Tochtergesellschaft zutreffe.

Das Erstgericht löschte gemäß § 10 Abs 2 FBG die beiden Genannten als Aufsichtsräte. Gemäß § 86 Abs 2 Z 2 AktG könne ein gesetzlicher Vertreter eines Tochterunternehmens (§ 228 Abs 3 UGB) nicht Aufsichtsrat der Muttergesellschaft sein. § 90 AktG bestimme entsprechend, dass Aufsichtsratsmitglieder nicht zugleich Vorstandsmitglieder oder dauernd Vertreter von Vorstandsmitgliedern der Gesellschaft oder ihrer Tochterunternehmen (§ 228 Abs 3 UGB) sein könnten. Sie könnten auch nicht als Angestellte die Geschäfte der Gesellschaft führen. Der Vorstand eines Tochterunternehmens solle nicht Aufsichtsrat der Muttergesellschaft sein, weil seine Unabhängigkeit und Unbefangenheit nicht gegeben seien. Außerdem solle durch dieses Verbot der Vorstandstätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern in Tochtergesellschaften eine dem natürlichen Organisationsgefälle im Konzern widersprechende Konstellation verhindert werden. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung 6 Ob 174/97z klar zum Ausdruck gebracht, dass der Sinn des Verbots in der Vermeidung von Interessenkonflikten und der Verhinderung von Selbstprüfung liege und so eindeutig die Aufsichtsratsmitgliedschaft in der Obergesellschaft bei gleichzeitigem Anstellungsverhältnis im Konzern verbiete. Es liege daher im öffentlichen Interesse, dass die Aufsichtsratsfunktion nicht durch mit anderen Funktionen im Konzern vorweg angelegten Interessenkonflikten und Hierarchieproblemen unterlaufen werde. Das treffe im vorliegenden Fall auf die beiden genannten Aufsichtsratsmitglieder zu, weil diese Aufsichtsräte der Muttergesellschaft und zugleich nicht nur einfache Angestellte der Tochtergesellschaft sowie der Enkelgesellschaft seien, sondern als solche in leitender Funktion tätig seien und überdies Prokura hätten. Der Inhalt des Hauptversammlungsbeschlusses, mit dem sie zu Aufsichtsräten der Muttergesellschaft wieder gewählt worden seien, verstoße daher gegen die zwingende Bestimmung des § 90 AktG und sei nichtig, sodass die Eintragung gemäß § 10 Abs 2 FBG zu löschen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das GesRÄG 2005 habe ua die §§ 86 und 90 Abs 1 AktG neu gefasst. Nach § 86 Abs 2 Z 2 AktG könne ein gesetzlicher Vertreter eines Tochterunternehmens der Gesellschaft nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein. Gemäß § 90 Abs 1 Satz 1 AktG könnten nunmehr die Aufsichtsratsmitglieder nicht zugleich Vorstandsmitglieder oder dauernd Vertreter von Vorstandsmitgliedern der Gesellschaft oder ihrer Tochterunternehmen (§ 228 Abs 3 UGB) sein. Der zweite Satz des § 90 Abs 1 AktG sei durch das GesRÄG 2005 in seinem Wortlaut unberührt geblieben. Zweck dieser Regelung sei allerdings die Vermeidung von Gefahren, die aus einer derartigen Organisationsstruktur für eine unbefangene Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der Obergesellschaft resultieren könnten. Im Anschluss an Koppensteiner/Rüffler (GmbHG3 § 30a Rz 5 und § 30e Rz 9) sowie Ch. Nowotny (RdW 2005, 658) sei § 90 Abs 1 Satz 2 AktG erweiternd auf Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften anzuwenden.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Anwendungsumfang des § 90 Abs 1 zweiter Satz AktG fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG).

1. § 10 Abs 2 FBG regelt - im Zusammenhalt mit § 18 FBG - die amtswegige Löschung unzulässiger Eintragungen. Die Bestimmung dient der Wahrung der materiellen Richtigkeit und Aktualität des Firmenbuchs (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 10 Rz 8). Unter nach dieser Bestimmung zu löschenden „unzulässigen" Eintragungen sind nicht nur solche zu verstehen, die nachträglich unrichtig geworden sind. Vielmehr können nach dieser Gesetzesstelle auch von Anfang an unzulässige bzw unrichtige Eintragungen gelöscht werden (G. Kodek aaO Rz 20 ff; 6 Ob 156/06v). Dabei setzt die Löschung eines Beschlusses einer AG oder GmbH voraus, dass dieser durch seinen Inhalt und nicht bloß durch die Art seines Zustandekommens zwingende Vorschriften des Gesetzes verletzt (G. Kodek aaO Rz 24). § 10 Abs 3 FBG bezieht sich demgegenüber nur auf die Eintragung der Nichtigkeit der Gesellschaft. Andere eine Gesellschaft betreffenden Eintragungen können nach § 10 Abs 2 FBG gelöscht werden, wenn die Gesellschaft selbst erhalten bleibt (vgl dazu G. Kodek, GesRZ 2008, 6 [8 ff]; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, § 10 FBG Rz 77).

2.1. Gemäß § 90 Abs 1 AktG idF vor dem GesRÄG 2005 konnten Aufsichtsratsmitglieder nicht zugleich Vorstandsmitglieder oder dauernd Vertreter von Vorstandsmitgliedern (im Sinne des § 85 AktG) sein. Sie konnten auch nicht als Angestellte die Geschäfte der Gesellschaft führen. Damit sah bereits § 90 AktG aF ein Bestellungsverbot vor, dessen Übertretung die Unwirksamkeit der Bestellung nach sich zog (Strasser in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 90 Rz 1 und 19).

2.2. Diese Regelung ist Ausdruck des zweistufigen Organisationssystems der Verwaltung der Aktiengesellschaft und stellt die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in beiden Organen durch eine Person sicher (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 90 Rz 1 mwN); sie verbietet die gleichzeitige Mitgliedschaft in Aufsichtsrat und Vorstand in ein und derselben Gesellschaft (Kalss aaO § 90 Rz 3 mwN; 9 Ob 64/03g = SZ 2003/74) und ist zwingend (Kalss aaO § 90 Rz 1; ebenso zur vergleichbaren Bestimmung des § 30e GmbHG Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 30e Rz 1 mwN; SZ 70/189).

2.3. § 90 Abs 1 Satz 2 AktG sowie die gleichlautende Bestimmung des § 30e Abs 1 Satz 2 GmbHG wurden von der herrschenden Auffassung erweiternd dahin interpretiert, dass die Unvereinbarkeit nicht nur für „geschäftsführende" Angestellte, sondern für alle Arbeitnehmer gelte, mögen diese leitende Angestellte, Angestellte oder Arbeiter der Gesellschaft sein (6 Ob 174/97z = SZ 70/189; Kalss aaO § 90 Rz 10 mwN).

2.4. Zweck der Unvereinbarkeitsregelung des § 90 Abs 1 AktG ist die strikte Trennung zwischen Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgan (Unzulässigkeit des „Board-Systems"), weil Geschäftsführung und Vertretung einerseits sowie deren Kontrolle andererseits nicht in einer Hand vereint sein dürfen und kein Organmitglied sich selbst überwachen soll, würde doch andernfalls der Aufsichtsrat seine eigene Verwaltung (Geschäftsführung) kontrollieren, wodurch eine echte Kontrolle de facto entfiele (SZ 70/189 mwN; 6 Ob 97/02m = SZ 2002/131).

2.5. Ratio für die Regelung des § 90 Abs 1 Satz 2 AktG war die Erwägung, dass Angestellte - abgesehen von den gemäß § 110 Abs 3 ArbVG zu entsendenden Arbeitnehmervertretern - deshalb nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein können, weil sie der Geschäftsführung gegebenenfalls weisungsgebunden und in persönlicher Abhängigkeit vom Vorstand für die Gesellschaft tätig sind und eben diesen bei der Erfüllung seiner Geschäftsführungsaufgaben kontrollieren sollen (SZ 70/189 mwN; Kalss aaO § 90 Rz 10 mwN).

2.6. Weil die Inkompatibilität nach § 90 Abs 1 AktG idF vor dem GesRÄG 2005 nur innerhalb einer Gesellschaft galt, war die gleichzeitige Einnahme von Vorstands- und Aufsichtsratsmandaten in verschiedenen Konzerngesellschaften grundsätzlich zulässig (vgl Strasser in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 90 Rz 2). Das Gesetz verbat nicht zwingend eine Mandatsbesetzung „gegen das Organisationsgefälle", sodass ein Organmitglied eines beherrschten Unternehmens auch ein Aufsichtsratsmandat im herrschenden Unternehmen einnehmen durfte (Kalss aaO § 90 Rz 6; vgl auch SZ 2003/74). Auch die Bestellung eines Arbeitnehmers einer beherrschten Gesellschaft zum Aufsichtsratsmitglied der Muttergesellschaft wurde als zulässig angesehen (Kalss aaO § 90 Rz 10).

3.1. Das GesRÄG 2005 hat ua die §§ 86 und 90 Abs 1 AktG neu gefasst. Nach § 86 Abs 2 Z 2 AktG kann ein gesetzlicher Vertreter eines Tochterunternehmens (§ 228 Abs 3 UGB) der Gesellschaft nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein. Gemäß § 90 Abs 1 Satz 1 AktG können nunmehr die Aufsichtsratsmitglieder nicht zugleich Vorstandsmitglieder oder dauernd Vertreter von Vorstandsmitgliedern der Gesellschaft oder ihrer Tochterunternehmen (§ 228 Abs 3 UGB) sein. Der zweite Satz des § 90 Abs 1 AktG blieb demgegenüber durch das GesRÄG 2005 in seinem Wortlaut unverändert.

3.2. Die Gesetzesmaterialien begründen die Änderung damit, dass dadurch eine „dem natürlichen Organisationsgefälle im Konzern" widersprechende Konstellation verhindert werden sollte (ErlRV 927 BlgNR 22. GP 7 f; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 30a Rz 5).

3.3. Zweck dieser Regelung ist - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - die Vermeidung von Gefahren, die aus einer derartigen Organisationsstruktur für eine unbefangene Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der Obergesellschaft resultieren können. Dabei geht es um zwei verschiedene Gefahrenpotentiale: Einerseits ist das Aufsichtsratsmitglied, das seinen „Vorstand" kontrollieren soll, diesem in seiner zweiten Funktion in der Tochtergesellschaft gewissermaßen „untergeordnet", was Interessenkonflikte nach sich ziehen kann. Andererseits übt das Aufsichtsratsmitglied aufgrund der auch „konzerndimensionalen" Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats letztlich eine unerwünschte mittelbare Selbstkontrolle der eigenen Tätigkeit im Tochterunternehmen aus (Karollus/Huemer, Offene Fragen zum Verbot der Organbestellung gegen das Organisationsgefälle, GeS 2006, 153 ff mwN; vgl auch Ch. Nowotny, Neues zum Aufsichtsrat, RdW 2005, 658; zur inhaltsgleichen Regelung des § 30a GmbHG, vgl Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 30a Rz 5).

3.4. Die Frage, ob im Hinblick auf die Änderung des § 90 Abs 1 AktG durch das GesRÄG 2005 das Verbot der Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied der Muttergesellschaft nunmehr auch für Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft gelte, wurde in der Lehre unterschiedlich beantwortet. Soweit ersichtlich vertrat lediglich Egermann (RdW 2005, 66 f [68]) die Auffassung, das nach § 90 Abs 1 Satz 2 AktG bereits bestehende Verbot, dass Aufsichtsratsmitglieder nicht Angestellte der Gesellschaft sein dürften, werde nicht auf deren Tochtergesellschaften ausgedehnt. Die überwiegende Meinung vertritt jedoch den gegenteiligen Standpunkt. In diesem Sinne bejahen Koppensteiner/Rüffler (GmbHG3 § 30a Rz 5 und § 30e Rz 9) die Erweiterung des Verbots des § 90 Abs 1 Satz 2 AktG auf Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft mit der Begründung, dass die Abhängigkeit eines Arbeitnehmers mindestens ebenso gegeben sei wie die des ihm übergeordneten Leitungsorgans. Auch nach Ch. Nowotny (RdW 2005, 658) ist das Verbot der Bestellung gegen das Konzerngefälle im Sinn des § 90 Abs 1 AktG auch auf „Mitarbeiter" von Tochterunternehmen anzuwenden.

3.5. Schon nach der Rechtslage vor dem GesRÄG 2005 wurden der zweite Satz des § 90 Abs 1 AktG sowie § 30e Abs 1 Satz 2 GmbHG von der herrschenden Meinung über ihren Wortlaut hinaus auf sämtliche Arbeitnehmer der Gesellschaft angewendet. Dies wurde damit begründet, dass diese Regelung den Zweck verfolge, den Interessenkonflikt zu verhindern, der sich aus der persönlichen dienstrechtlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Vorstand einerseits unter gleichzeitiger Kontrolle eben dieses Vorstands andererseits ergeben würde (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 90 Rz 10 mwN; Koppensteiner, GmbHG2 § 30e Rz 6 mwN; SZ 70/189).

3.6. Die Novellierung der zitierten Bestimmungen des AktG bzw GmbHG durch das GesRÄG 2005 sollte sicherstellen, dass die Unabhängigkeit der Mandatsträger gewahrt bleibt (Ch. Nowotny aaO). Diese Unabhängigkeit wäre aber nicht gewährleistet, wenn ein Arbeitnehmer einer Tochtergesellschaft, der dem Vorstand (bzw der Geschäftsführung) der Tochtergesellschaft weisungsgebunden ist und in persönlicher Abhängigkeit des ihm übergeordneten Leitungsorgans dieser Gesellschaft tätig wird, im Aufsichtsrat der Muttergesellschaft ein Mandat übernimmt und in dieser Funktion nunmehr den Vorstand der Muttergesellschaft, der die gesamte Verantwortung für den Konzern trägt, überwachen soll. Wenn nach der Absicht des Gesetzgebers ein gesetzlicher Vertreter der Tochtergesellschaft die gesetzlichen Vertreter der Muttergesellschaft als deren Aufsichtsrat nicht kontrollieren können soll, weil damit Interessenkonflikte verbunden sind und die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats unterlaufen wird, so muss dieses Verbot - wie Koppensteiner/Rüffler (GmbHG3 § 30e Rz 9) überzeugend dargelegt haben - auch für einen Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft gelten, weil seine Abhängigkeit mindestens ebenso gegeben ist wie die des ihm übergeordneten Leitungsorgans der Tochtergesellschaft von der Geschäftsführung der Muttergesellschaft und er als Aufsichtsratsmitglied der Muttergesellschaft auch seinen den Gesamtkonzern betreffenden Überwachungsaufgaben nicht unabhängig nachkommen könnte.

3.7. Damit ist aber § 90 Abs 1 AktG idF GesRÄG 2005 gemessen an der dargelegten Absicht des Gesetzgebers und seiner immanenten Teleologie insoweit unvollständig, als darin nur von den Arbeitnehmern „der Gesellschaft", nicht aber - wie im ersten Satz dieser Bestimmung - auch von „ihrer Tochtergesellschaft" die Rede ist. Dafür, dass der Gesetzgeber Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft ungeachtet des der Novelle zugrundeliegenden Gesetzeszwecks vom Verbot der Besetzung gegen das Konzerngefälle bewusst ausnehmen wollte, besteht nach den Gesetzesmaterialien nicht der geringste Anhaltspunkt. Die dargelegte Gesetzeslücke ist sohin durch ausdehnende Auslegung des Wortes „Gesellschaft" im § 90 Abs 1 Satz 2 AktG dahin zu schließen, dass von dem in dieser Bestimmung ausgesprochenen Verbot auch Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften der Gesellschaft erfasst sind. Dies gilt umso mehr dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - den Aufsichtsratsmitgliedern der Muttergesellschaft als Angestellten der Tochtergesellschaft überdies im Wege der Gesamtvertretung zusammen mit Vorstandsmitgliedern der Tochtergesellschaft auch Geschäftsführungsbefugnisse zukommen.

4. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Verbot der Aufsichtsratsmitgliedschaft entgegen dem „natürlichen Organisationsgefälle im Konzern" bei oder nach Aufnahme der Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied ist die Nichtigkeit der gleichwohl vorgenommenen Bestellung gemäß § 879 Abs 1 ABGB, zumal der Zweck der Verbotsnorm die Ungültigkeit des Mitgliedschaftsverhältnisses verlangt (6 Ob 70/07w mwN; Strasser in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 90 Rz 1 und 19).

Damit hat das Erstgericht aber zu Recht die Eintragung der von Beginn an unwirksamen Bestellung der betreffenden Aufsichtsratsmitglieder nach § 10 Abs 2 FBG von Amts wegen gelöscht.

Der angefochtene Beschluss erweist sich somit als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte