OGH 6Ob255/07d

OGH6Ob255/07d12.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut M*****, Bürgermeister, ***** vertreten durch Dr. Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Stefan P*****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte KEG in Klagenfurt, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung des Widerrufs (Streitwert im Sicherungsverfahren 17.620,- EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 10. August 2007, GZ 6 R 135/07f-12, womit die einstweilige Verfügung des Landesgerichts Klagenfurt vom 11. Juni 2007, GZ 24 Cg 63/07g-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsmittelwerber weist zutreffend darauf hin, dass die beanstandeten Äußerungen nach Inhalt und Gesamtzusammenhang als Werturteile betrachtet werden können. Auch Werturteile sind aber nur dann durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt, wenn sie auf ein im Kern wahres Tatsachensubstrat zurückgeführt werden können, und die Äußerung nicht exzessiv gebraucht wird (RIS-Justiz RS0032201 [T11, T15, T16]).

Der EGMR räumt der Meinungsäußerungsfreiheit im Zusammenhang mit einer politischen Auseinandersetzung und in Fragen des öffentlichen Interesses breiten Raum ein. Seine Rechtsprechung hat Eingang in die österreichische Judikatur gefunden (siehe RIS-Justiz RS0115541; 6 Ob 296/02a; 6 Ob 159/06k = MR 2006, 363; die letztgenannte Entscheidung ist in der Literatur auf Widerstand gestoßen, vgl die Glosse von Korn MR 2006, 364).

Der EGMR hat aber jüngst auch ausgesprochen (Urteil vom 15. 11. 2007, Pfeifer gegen Österreich, Beschwerde-Nr 12.556/03), dass ein Werturteil, das weit über das hinausgeht, was vernünftigerweise auf den Tatsachenkern zurückgeführt werden kann, exzessiv ist und die Grenzen der nach Art 10 MRK zulässigen Kritik überschreitet. Er hat in diesem Fall Österreich deshalb verurteilt, weil das österreichische (Straf-)Gericht den Beschwerdeführer nicht gegen eine derart exzessive Kritik geschützt hatte.

Unter diesem Gesichtspunkt ist in der Auffassung der Vorinstanzen, die Bezeichnung eines demokratisch gewählten Organs als Teil einer verbrecherischen Organisation („rote Mietenmafia"), ohne dass dem auch nur ansatzweise ein entspechendes Tatsachensubstrat zugrundeläge, stelle einen Wertungsexzess dar, keine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung zu erblicken (vgl auch 4 Ob 131/93; 2 Ob 664/87).

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