OGH 6Ob25/01x

OGH6Ob25/01x29.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der im Firmenbuch des Landesgerichtes Eisenstadt zu FN 125519m eingetragenen A***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in N*****, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Geschäftsführers Ing. Richard T*****, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 29. Dezember 2000, GZ 28 R 318/00s-9, womit über den Rekurs des Geschäftsführers der Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 27. September 2000, GZ 19 Fr 1308/00y-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos behoben.

Text

Begründung

Am 1. 3. 1999 wurde über das Vermögen der Gesellschaft mbH der Ausgleich, am 22. 3. 1999 der Anschlusskonkurs eröffnet. Es wurde ein Rechtsanwalt zum Masseverwalter bestellt. Das Firmenbuchgericht forderte am 1. 12. 1999 die Geschäftsführer auf, die Unterlagen gemäß §§ 277 ff HGB samt Beilagen für das am 31. 12. 1998 beendete Geschäftsjahr binnen drei Wochen zur Offenlegung einzureichen, widrigenfalls ein Zwangsstrafenverfahren gemäß § 283 HGB eingeleitet werde. Der Geschäftsführer äußerte sich dazu, dass er beim Jahresabschluss für das Jahr 1998 nicht mitgewirkt habe. Geschäftsführer der Gesellschaft sei nunmehr der Masseverwalter. Am 31. 3. 2000 wurde der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1998 eingereicht. Dem Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes, den Jahresabschluss zu fertigen, das Datum beizusetzen und ein Formblatt zur Bekanntgabe der Größenmerkmale vorzulegen, wurde entsprochen. Mit dem an die Gesellschaft gerichteten Beschluss vom 25. 4. 2000 erteilte das Erstgericht unter Hinweis darauf, dass die Gesellschaft mbH eine mittelgroße Kapitalgesellschaft sei, den Auftrag zur Vorlage eines Lageberichts, des Vorschlages über die Verwendung des Ergebnisses und des Beschlusses über dessen Verwendung, eines Bestätigungsvermerkes und dreier weiterer Ausfertigungen des Jahresabschlusses. Dieser Beschluss wurde dem Masseverwalter zugestellt. Mit Beschluss vom 25. 7. 2000 wiederholte das Erstgericht den nunmehr an den Geschäftsführer der Gesellschaft gerichteten Verbesserungsauftrag. Er wurde unter Androhung einer Zwangsstrafe von 5.000 S aufgefordert, binnen drei Wochen die genannten Urkunden nachzureichen oder darzutun, dass die Verpflichtung nicht bestehe. Der Verbesserungsauftrag wurde am 27. 7. 2000 dem Geschäftsführer durch Hinterlegung zugestellt. Die Aufforderung des Firmenbuchgerichtes blieb unbeantwortet.

Das Firmenbuchgericht verhängte über den Geschäftsführer die angedrohte Zwangsstrafe von 5.000 S und forderte ihn unter Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von 10.000 S sowie der Veröffentlichung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung auf Kosten der Gesellschaft auf, innerhalb von zwei Monaten dem Auftrag zur Urkundenvorlage zu entsprechen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Geschäftsführers nicht Folge.

Gemäß § 277 Abs 1 HGB hätten die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften den Jahresabschluss und den Lagebericht nach seiner Behandlung in der Hauptversammlung spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag, versehen mit dem Bestätigungsvermerk beim Firmenbuchgericht einzureichen. In dieser Frist seien auch der Vorschlag für die Verwendung des Ergebnisses und der Beschluss über dessen Verwendung einzureichen. Gemäß § 277 Abs 5 HGB seien die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft überdies verpflichtet, drei weitere Ausfertigungen des Jahresabschlusses vorzulegen. Die Behauptung des Rekurswerbers, der Lagebericht für das Geschäftsjahr 1998 liege dem Gericht schon vor, sei aktenwidrig. Dem Einwand des Rekurswerbers, er sei seit der Konkurseröffnung nicht mehr Geschäftsführer, sei entgegenzuhalten, dass die Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH durch die Konkurseröffnung ihre Geschäftsführereigenschaft nicht verlören, sofern sie nicht abberufen worden seien. Die Organisation der durch die Konkurseröffnung aufgelösten Gesellschaft mbH bleibe auch im Konkurs gewahrt. Die Organe nähmen weiterhin ihre Funktionen wahr, soweit diese nicht vom Masseverwalter verdrängt werden oder deren Ausübung dem Zweck des Konkurses zuwiderliefe. Der Rekurswerber sei nach wie vor als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen. Zu den Rechnungspflichten des Masseverwalters gehöre nicht die Verpflichtung zur Einreichung der im § 277 HGB angeführten Unterlagen für ein vor der Konkurseröffnung beendetes Geschäftsjahr. Der Masseverwalter sei gemäß 81 Abs 1 KO nur zur genauen Rechnungslegung über seine Verwaltung verpflichtet. Dabei seien die konkursrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften der §§ 121 ff KO anzuwenden, welche die handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften verdrängten. Eine Bilanz nach handelsrechtlichen Grundsätzen habe der Masseverwalter nur nach Maßgabe des § 100 Abs 3 KO über Auftrag des Konkursgerichtes zu erstellen. Die Rechnungslegung des Masseverwalters habe nur den Zeitraum ab der Konkurseröffnung zum Gegenstand. Wenn der Masseverwalter - wie hier - die Erstellung und Einreichung eines Jahresabschlusses für einen Zeitraum vor der Konkurseröffnung veranlasst habe, könne dies den verantwortlichen Geschäftsführer bei Unvollständigkeit der eingereichten Urkunden nicht entlasten. Dem Geschäftsführer sei durch die Konkurseröffnung die Erfüllung seiner Rechnungslegungspflicht nicht unmöglich gemacht worden. Nur in einem solchen Fall wäre von der Verhängung einer Zwangsstrafe abzusehen. Der Rekurswerber habe nicht einmal behauptet, dass ihm vom Masseverwalter die Ausfolgung von Unterlagen verwehrt worden wäre. Die Einreichung der abverlangten Unterlagen sei nicht von vorneherein als zwecklos anzusehen. Schon im Hinblick auf eine mögliche Fortsetzung der durch die Konkurseröffnung aufgelösten Gesellschaft mbH sei das Interesse Dritter an der Offenlegung zu bejahen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob die gesetzliche Verpflichtung des Geschäftsführers einer Gesellschaft mbH zur Offenlegung von Jahresabschlüssen durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft eingeschränkt oder aufgehoben werde.

Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Geschäftsführer die ersatzlose Behebung der Beschlüsse der Vorinstanzen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Die mit dem EU-Gesellschaftsrechtsänderungs- gesetz 1996 eingeführten Offenlegungsvorschriften der §§ 277 ff HGB und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen (§ 283 HGB) ergingen in Umsetzung der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 - Bilanzrichtlinie), die ihrerseits auf Art 44 Abs 2 lit g EG beruhen. Die Offenlegung der Gesellschaftsdaten eines Unternehmens dient nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Slg 1997 I - 6843 "Daihatsu") nicht nur dem Informationsinteresse von Gläubigern, sondern ganz allgemein dem Schutz der Interessen Dritter, welche die buchhalterische und finanzielle Situation des Unternehmens nicht ausreichend kennen, also auch solcher Personen, die mit dem Unternehmen noch nicht kontrahiert haben (6 Ob 77/00t). Kapitalgesellschaften haben den Jahresabschluss und den Lagebericht beim Firmenbuchgericht einzureichen. Die mit Zwangsstrafen durchsetzbare Offenlegungspflicht trifft den Geschäftsführer der Gesellschaft mbH. Hier ist der Einfluss der Konkurseröffnung über das Vermögen der Gesellschaft auf die handelsrechtliche Offenlegungsverpflichtung des Organs zu untersuchen. Folgende Lösungen sind denkbar:

1. Die Auflösung der Gesellschaft wegen Konkurseröffnung (§ 84 Abs 1 Z 4 GmbHG) beendet die Offenlegungspflicht. Den Masseverwalter trifft nur eine konkursrechtliche bzw steuerrechtliche Bilanzierungspflicht.

2. Die Offenlegungspflicht erlischt erst mit der Vollbeendigung der Gesellschaft. Bis dahin ist

a) der Masseverwalter bei Fortführung des Unternehmens im Konkurs zur handelsrechtlichen Offenlegung einschließlich der Nachholung der Offenlegung für Zeiten vor der Konkurseröffnung verpflichtet;

b) diese Pflicht des Masseverwalters besteht auch bei Nichtfortführung des Unternehmens;

c) die Nachholpflicht trifft noch den Geschäftsführer der Gesellschaft, dessen Organstellung durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft unberührt bleibt (SZ 67/168; SZ 71/176).

Die Rechnungslegung des Masseverwalters ist in den §§ 121 ff KO geregelt. Die Aufstellung einer Handelsbilanz nach den im HGB normierten Grundsätzen gehört nicht zu den in der KO angeführten Pflichten des Masseverwalters. Gemäß § 100 Abs 1 KO hat der Gemeinschuldner dem Konkursgericht ein Vermögensverzeichnis vorzulegen. Wenn er eine Bilanz vorlegt, so ist diese vom Masseverwalter zu prüfen und zu berichtigen. Andernfalls kann das Konkursgericht dem Masseverwalter auftragen, unter Beobachtung der Vorschriften des § 96 Abs 2 KO selbst eine Bilanz aufzustellen (§ 100 Abs 3 KO).

Zur handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht des Masseverwalters werden in der österreichischen Lehre unterschiedliche Meinungen vertreten. Hierzenberger/Riel bezeichnen es (in Konecny/Schubert Kommentar zu den Insolvenzgesetzen Rz 7 und 8 zu §§ 80, 81a KO) als herrschende Auffassung, dass den Masseverwalter keine handelsrechtliche Buchführungspflicht treffe. Die konkursrechtliche Rechnungslegung der §§ 121 ff KO verdränge die handelsrechtliche Rechnungslegung. Zu den zitierten Lehrmeinungen (beispielsweise Riel, SWK 1997 W 21; Hopf, SWK 1997 W 35; Chalupsky/Ennöckl, RdW 1988, 442; weiters auch Feil KO3 Rz 5 zu § 81) gibt es Gegenstimmen, von denen zunächst Schilling/Keppert, Zur Frage der abgabenverfahrens- und ertragssteuerrechtlichen Behandlung der Kommanditgesellschaft im Konkurs, GesRZ 1985, 182 zu erwähnen sind. Nach diesen Autoren obliegen die handelsrechtlichen Buchführungspflichten nach den §§ 38 ff HGB im Konkurs einer KG grundsätzlich dem Masseverwalter. Dies erscheine für den Fall der Unternehmensfortführung durch den Masseverwalter selbstverständlich. Im Falle der Betriebseinstellung erlösche die werbende Gesellschaft und die KG trete in das Stadium der Liquidation. Auch in dieser Phase bestehe die handelsrechtliche Buchführungspflicht, die aufgrund der Verfügung über die Bücher nur vom Masseverwalter erfüllt werden könne. In der Folge wird das Problem aus steuerrechtlicher Sicht behandelt und darauf verwiesen, dass der Masseverwalter nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs als Vertreter der Masse gegenüber dem Finanzamt Steuererklärungen abzugeben und die buchhalterischen Grundlagen hiefür zu schaffen habe.

Fraberger vertritt in Bertl/Mandl/Mandl/Ruppe, Insolvenz - Sanierung - Liquidation 185) die Ansicht, dass die handelsrechtliche Rechnungslegungspflicht auf den Masseverwalter übergehe, der das Handelsgeschäft des Gemeinschuldners im eigenen Namen kraft Amtes mit Wirkung für und gegen die Konkursmasse ausübe. Der Masseverwalter müsse Mängel aus der Zeit vor der Konkurseröffnung korrigieren. Die handelsrechtliche Verpflichtung zur Aufstellung von Jahresabschlüssen ergebe sich aus der Pflicht zur Massevervollständigung nach § 81 Abs 1 KO zumindest soweit, als eine Erstellung noch möglich und tunlich sei (aaO 188).

H. Torggler/U. Torggler verweisen (in Straube, HGB Rechnungslegung2) darauf, dass die Auflösung wegen Konkurses die Buchführungspflicht des Masseverwalter unberührt lasse (Rz 5 und 7a zu § 189).

Der oberstgerichtlichen (nicht veröffentlichten) Entscheidung 7 Ob 537/88, auf welche sich manche der zitierten Lehrmeinungen stützen, lag eine Schadenersatzklage des Gemeinschuldners gegen den Masseverwalter zugrunde. Dadurch, dass der Masseverwalter keine ordentliche Buchhaltung, sondern nur eine Ein- und Ausgabenrechnung geführt habe, seien Verlustvorträge des Klägers (des Gemeinschuldners) vom Finanzamt nicht anerkannt worden. Der Oberste Gerichtshof verneinte eine Verletzung der Sorgfaltspflicht des Masseverwalters. Dieser sei zur Erstellung der Bilanz nur nach konkursrechtlichen Bestimmungen (§ 100 Abs 3 KO) verpflichtet. Diese Entscheidung und ein Teil der schon zitierten Lehrmeinungen konnten allerdings die erst später in Kraft getretenen zwingenden Offenlegungsvorschriften noch nicht berücksichtigen.

In Deutschland erfolgte durch die am 1. 1. 1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung (InsO) eine Klärung der Rechtslage durch den Gesetzgeber. Nach § 155 Abs 1 InsO bleiben die handels- und steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungslegung unberührt. In Bezug auf die Insolvenzmasse hat der Insolvenzverwalter diese Pflichten zu erfüllen. Die handelsrechtliche Bilanzierungspflicht ist im § 71 Abs 1 bis 3 dGmbHG geregelt. Das ist in Deutschland die maßgebliche handelsrechtliche Rechnungslegung der werbenden Gesellschaft (Hess, Kommentar zur Insolvenzordnung Rz 38 zu § 155 InsO). Bis zu dieser gesetzlichen Klarstellung war in Deutschland bei ähnlicher Rechtslage nach Konkursrecht (vgl die ähnlichen Verfügungsbeschränkungen im § 3 öKO und § 6 dKO) zwar anerkannt, dass den Konkursverwalter die steuerliche Buchführungspflicht trifft (BGHZ 74, 316; ZIP 1980, 25), die handelsrechtliche Bilanzierungspflicht aber gleichfalls strittig. Kilger/Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze17 vertreten eine zur konkursrechtlichen Bilanzierungspflicht hinzutretende handelsrechtliche Rechnungslegungspflicht des Konkursverwalters (Rz 5e zu § 6 KO; Rz 1b zu § 124 KO). Kuhn/Uhlenbruck, KO11 verweisen auf die Buchführungspflicht des Konkursverwalters und seine Verpflichtung, den Jahresabschluss zu erstellen. Der Verwalter könne seinen konkursrechtlichen Rechnungslegungspflichten nur durch Beachtung der einschlägigen handelsrechtlichen Vorschriften nachkommen (Rz 46m zu § 6). In der deutschen Lehre war bis zur Klarstellung durch die InsO vor allem die Art der Rechnungslegung des Konkursverwalters strittig, ob also nach handelsrechtlichen Fortführungswerten oder nach Zerschlagungswerten zu bilanzieren sei oder aber mit einem koordinierten Einheitskonzept (dazu Karsten Schmidt, Liquidationsbilanzen und Konkursbilanzen). Allen zitierten Lehrmeinungen lässt sich jedenfalls die übereinstimmende Ansicht entnehmen, dass eine handelsrechtliche Buchführung zumindest dann nur den Masseverwalter treffen kann, wenn er das Unternehmen fortführt.

Die österreichischen Offenlegungsvorschriften regeln die Rechnungslegungspflicht im Konkurs nicht ausdrücklich. Im vorliegenden Fall geht es um den Jahresabschluss und den Lagebericht einer mittelgroßen Gesellschaft mbH für ein Geschäftsjahr vor der Konkurseröffnung. Die Unternehmensfortführung steht nicht fest. Diese Frage ist dann nicht entscheidungswesentlich, wenn auch im Fall der Stilllegung des Unternehmens nur der Masseverwalter Adressat der gesetzlichen Offenlegungspflicht sein kann. Die Offenlegung hat die Gesellschaft durch ihr Organ vorzunehmen. Durch die Eröffnung des Konkurses wird das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen der freien Verfügung des Gemeinschuldners entzogen (§ 1 Abs 1 KO). Nach § 3 Abs 1 KO sind Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, welche die Konkursmasse betreffen, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Entscheidungswesentlich ist daher, ob die Erstellung des Jahresabschlusses durch den Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH eine Rechtshandlung ist, die die Konkursmasse betrifft. Das Rekursgericht hat diese Frage unter Hinweis darauf verneint, dass die Konkurseröffnung die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers unberührt lasse. Es trifft zu, dass die Organe der Gesellschaft zwar weiterhin ihre Funktionen wahrnehmen, dies aber nur soweit, als sie nicht vom Masseverwalter verdrängt werden oder die Ausübung der Funktion dem Zweck des Konkurses zuwiderläuft (SZ 67/168). Die Konkurseröffnung führt zu einer tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsbeschränkung des Gemeinschuldners. Der Masseverwalter übernimmt die Verwaltung der Masse. Unter Rechtshandlungen, die die Masse betreffen, sind nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern alle Handlungen, die rechtlichen Wirkungen hervorbringen, zu verstehen (Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen Rz 3 zu § 3 KO). Dem Gemeinschuldner bleibt nur die Verfügungsgewalt über das konkursfreie Vermögen (vgl § 6 Abs 3 KO; § 119 Abs 5 KO; Schubert aaO Rz 11). Die gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungspflicht einer Kapitalgesellschaft ist nach Auffassung des Senates aus folgenden Gründen massebezogen im Sinne des § 3 Abs 1 KO:

Nach der in Österreich vorherrschenden Organtheorie wird der Masseverwalter als Organ bzw als gesetzlicher Vertreter der Konkursmasse, die als juristische Person angesehen wird, verstanden (Hierzenberger/Riel aaO Rz 41 zu § 80 KO). Zur Konkursmasse gehört das von der Gesellschaft mbH betriebene Unternehmen. Wenn der Masseverwalter als Vertreter der Masse diese gegenüber der Steuerbehörde zu vertreten (§§ 80 f BAO), die Bücher des Unternehmens zu führen und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs die Steuererklärungen abzugeben hat (ÖJZ 1959, 640), geht schon daraus klar hervor, dass diese Rechtshandlungen solche sind, die die Masse betreffen. Zur Erfüllung der angeführten Pflichten kann die Aufstellung einer Handelsbilanz notwendig sein, damit die Steuerpflicht aus Perioden vor der Konkurseröffnung berechnet werden kann (Chalupsky/Ennöckl aaO 443). Der Masseverwalter hat im Interesse der Konkursmasse Mängel der Buchführung des Gemeinschuldners zu beheben, beispielsweise eine zur Beschönigung der Lage des Unternehmens vom Geschäftsführer veranlasste Überbewertung der Aktiven in der Bilanz durch Berichtigung abgegebener Steuererklärungen zu korrigieren (Schilling/Keppert aaO 188; Fraberger aaO 188). Wenn für die steuerlichen Belange eine Handelsbilanz aus einer Vorperiode vom Masseverwalter zu erstellen ist (vgl die Judikatur des deutschen Bundesfinanzhofs, zitiert von Kilger/Nitze in ZIP 1988, 957 und des BGH in ZIP 1980, 25), bedeutete es einen Wertungswiderspruch, die Erstellung des Jahresabschlusses und seine Offenlegung nach den Vorschriften des HGB als nicht massebezogen anzusehen und vom Geschäftsführer der Gesellschaft besorgen zu lassen, dessen Tätigkeit andererseits vom Masseverwalter auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen und zu korrigieren wäre, weil die Rechnungslegung des Gemeinschuldners (hier des Geschäftsführers der im Konkurs befindlichen Gesellschaft) der steuerrechtlichen Rechnungslegung zuwiderläuft. Eine solche doppelte Rechnungslegung (der Masseverwalter müsste dem Gemeinschuldner die Bücher auch wieder zur Verfügung stellen) verbietet sich schon wegen des Vertretungsmonopols des Masseverwalters in allen die Masse betreffenden Angelegenheiten. Kilger/Karsten Schmidt unterscheiden zutreffend zwischen der konkursrechtlichen Rechnungslegung des Konkursverwalters (Masseverwalters) gegenüber den Beteiligten des Konkursverfahrens und der handelsrechtlichen Rechnungslegung des fortzuführenden oder zu liquidierenden Unternehmens, das der Masseverwalter vertritt (aaO Rz 1b zu § 124 KO). Wenn man eine handelsrechtliche Offenlegungspflicht des Unternehmens trotz der Konkurseröffnung unterstellt - diese Frage braucht hier nicht abschließend beantwortet zu werden - hat nicht zuletzt auch aus Kostengründen das im Konkurs allein vertretungsbefugte Organ, also der buchführende Masseverwalter, für die Offenlegung zu sorgen. Der Geschäftsführer wäre nicht in der Lage, die Konkursmasse zur Tragung der Kosten der Erstellung des Jahresabschlusses zu verpflichten und er ist grundsätzlich auch nicht verpflichtet, diese Kosten selbst zu tragen. Auch daraus ergibt sich der Konnex, der zur Qualifikation führt, dass die Rechnungslegung eine Rechtshandlung ist, die die Masse betrifft.

Der Senat gelangt aus den dargelegten Gründen zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass während des Konkurses einer Gesellschaft mbH die Buchführungs- und Bilanzierungspflichten der Gesellschaft nicht den Geschäftsführer, sondern den Masseverwalter auch für den Zeitraum vor der Konkurseröffnung unabhängig davon treffen, ob das Unternehmen fortgeführt wird. Ein Zwangsstrafverfahren nach § 283 HGB gegen den Geschäftsführer wegen Verletzung der handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften nach den §§ 277 ff HGB ist unzulässig (ebenso KG ZIP 1997, 1511).

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