OGH 3Ob194/07m

OGH3Ob194/07m23.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der wiederaufnahmsklagenden und verpflichteten Partei Wilhelm H*****, vertreten durch Dr. Karl Ulrich Janovsky, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die wiederaufnahmsbeklagte Partei und den Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren Richard F*****, vertreten durch Dr. Burghard Seyr und Dr. Roman Schobesberger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens über die Erteilung eines Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren AZ 4 E 1739/02v des Bezirksgerichts Rattenberg, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Oberste Gerichtshof ist zur Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage nicht zuständig.

Die Wiederaufnahmsklage wird im Sinne des § 474 Abs 1 ZPO dem Bezirksgericht Rattenberg überwiesen.

Text

Begründung

Am 20. Oktober 2003 wurde die Liegenschaft des Verpflichteten dem Ersteher um das Meistbot von 720.000 EUR unter dem Vorbehalt einer Entscheidung der Grundverkehrsbehörde zugeschlagen. Das Verwaltungsverfahren wurde nach einer Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens mit dem Bescheid der Landesgrundverkehrskommission vom 25. Oktober 2005, LGv 1875/6-04, beendet. Mit diesem Bescheid wurden 1. der Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission (Grundverkehrsbehörde zweiter Instanz) vom 7. Juli 2004 zur Gänze aufgehoben; 2. der Bescheid der Bezirks-Grundverkehrskommission (erste Instanz) vom 14. Jänner 2004 wegen Unzuständigkeit ersatzlos behoben und 3. gemäß § 66 Abs 4 AVG die Berufung des Erstehers gegen den erstinstanzlichen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung der Landes-Grundverkehrskommission wurde im Wesentlichen damit begründet, dass nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten der Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren zur Umgehung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes (TGVG) den Zuschlag erschlichen habe, um die Liegenschaft für eine polnische Staatsangehörige zu erwerben. Es sei festzustellen, „dass mangels eines tatsächlichen Erwerbswillens des ... [Erstehers] an der vorgenannten Liegenschaft der genannte Scheinerwerb des Eigentumsrechtes an dieser Liegenschaft nicht den Geltungserfordernissen des § 1 Abs 1 TGVG entspricht. Da festzustellendermaßen somit kein Rechtserwerb vorliegt, war das Grundverkehrsgesetz auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anzuwenden und musste daher in Folge der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gegen den grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsbescheid wegen Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde mangels Anwendbarkeit des TGVG auf den angezeigten Sachverhalt deren Bescheid ersatzlos behoben werden."

Das Erstgericht erklärte im zweiten Rechtsgang den Zuschlag für rechtswirksam. Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Verpflichteten diesen Beschluss ab und sprach aus, dass der am 20. Oktober 2003 erteilte Zuschlag rechtsunwirksam sei. Der Oberste Gerichtshof gab mit seinem Beschluss vom 29. März 2007, AZ 3 Ob 56/07t, dem Revisionsrekurs des Erstehers Folge und stellte den erstinstanzlichen Beschluss mit der wesentlichen Begründung wieder her, dass innerhalb der Viermonatsfrist des § 19 Abs 4 TGVG 1996 keine Sachentscheidung der Grundverkehrsbehörde erster Instanz ergangen sei, sodass deshalb das Exekutionsgericht den Zuschlag für rechtswirksam zu erklären habe.

Am 4. September 2007 langte beim Obersten Gerichtshof die gegen den Ersteher gerichtete Wiederaufnahmsklage (verbunden mit einem Verfahrenshilfeantrag) des anwaltlich vertretenen Verpflichteten mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Exekutionsverfahrens und Wiederherstellung des Beschlusses des Rekursgerichts, womit der Zuschlag für rechtsunwirksam erklärt worden war, ein. Nach dem Klagevorbringen und dem in Fotokopie vorgelegten Erkenntnis des VfGH vom 27. Juni 2007, B 3563/05-17, hat der VfGH über Beschwerde des Verpflichteten den Berufungsbescheid der Landes-Grundverkehrskommission vom 25. Oktober 2005 in Ansehung der Unzuständigkeitserklärung (Spruchpunkt 2.) und der Abweisung der Berufung des Erstehers wegen Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verpflichtete begründet seine Wiederaufnahmsklage im Wesentlichen damit, dass aufgrund der Entscheidung des VfGH die Genehmigungsfiktion des § 19 Abs 4 TGVG 1996 weggefallen sei und die gesetzliche Viermonatsfrist neu zu laufen begonnen habe. Die nachträgliche Änderung des Bescheids der Landes-Grundverkehrskommission durch den VfGH stelle in analoger Anwendung des § 530 Abs 1 Z 5 und 7 ZPO einen Wiederaufnahmsgrund dar.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist für Wiederaufnahmsklagen grundsätzlich funktionell unzuständig (RIS-Justiz RS0044576):

Dies gilt hier insbesondere, weil der der rechtlichen Beurteilung zugrundeliegende Sachverhalt in allen Instanzen derselbe ist und der Oberste Gerichtshof den Sachverhalt rechtlich nur anders als das Rekursgericht beurteilt hat (RIS-Justiz RS0044574). Eine Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs iSd § 532 Abs 2 ZPO wäre nur dann gegeben, wenn allein seine Entscheidung vom relevierten Wiederaufnahmsgrund betroffen wäre (Kodek in Rechberger3, § 532 ZPO Rz 2). Die Wiederaufnahmsklage ist daher von Amts wegen an das zuständige Erstgericht zu überweisen (stRsp seit E SZ 66/10; 8 Ob 240/00b), ohne dass auf die Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage im Exekutionsverfahren eingegangen werden müsste.

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