Normen
B-VG Art83 Abs2
AVG §69 Abs1 Z1
Tir GVG 1996 §1 Abs1, §4 Abs1 lita, §19
VfGG §88
B-VG Art83 Abs2
AVG §69 Abs1 Z1
Tir GVG 1996 §1 Abs1, §4 Abs1 lita, §19
VfGG §88
Spruch:
1. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides wendet, abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird im Umfang der Spruchpunkte 2 und 3 aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 1.440,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
3. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Im Zuge eines gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahrens wurde eine im Eigentum des Beschwerdeführers als verpflichtete Partei stehende näher bezeichnete Liegenschaft dem im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beteiligten R.F. zugeschlagen. Die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde I. Instanz erteilte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom 14. Jänner 2004 unter Vorschreibung von Auflagen die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Infolge der dagegen von R.F. erhobenen Berufung wurden die im erstinstanzlichen Genehmigungsbescheid enthaltenen Auflagen mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (LGVK) vom 7. Juli 2004 ersatzlos behoben. Gleichzeitig wies die LGVK die Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten als unbegründet ab.
Mit Bescheid der LGVK vom 25. Oktober 2005 wurde das grundverkehrsbehördliche Berufungsverfahren - zum Teil auf Antrag des Landesgrundverkehrsreferenten, zum Teil von Amts wegen - wieder aufgenommen, der Bescheid vom 7. Juli 2004 zur Gänze aufgehoben (Spruchpunkt 1) und ausgesprochen, dass der erstinstanzliche Bescheid, mit welchem dem Rechtserwerb im Sinne der Zuschlagserteilung die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt worden war, infolge der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten wegen Unzuständigkeit ersatzlos behoben wird (Spruchpunkt 2), sowie die Berufung des R.F. gegen den erstinstanzlichen Genehmigungsbescheid als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt 3).
Begründend führte die LGVK im Wesentlichen aus, dass - wie sich aus zwischenzeitlich erstatteten Erklärungen unzweifelhaft ergebe - "R.F. zum Zweck der Umgehung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes als Erwerber im Zwangsversteigerungsverfahren für die polnische Staatsangehörige E.J. aufgetreten ist und sich daher unter der Behauptung, er würde die Erwerbsliegenschaft selbst bewirtschaften und dort seinen Hauptwohnsitz nehmen wollen, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung durch unwahre Angaben erschlichen hat." Es sei "festzustellen, dass mangels eines tatsächlichen Erwerbswillens des R.F. an der vorgenannten Liegenschaft der genannte Scheinerwerb des Eigentumsrechtes an dieser Liegenschaft nicht den Geltungserfordernissen des §1 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz(es) entspricht. Da festzustellendermaßen somit kein Rechtserwerb vorliegt, war das Grundverkehrsgesetz auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anzuwenden und musste daher in Folge der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gegen den grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsbescheid wegen Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde mangels Anwendbarkeit des TGVG auf den angezeigten Sachverhalt deren Bescheid ersatzlos behoben werden." Aus diesem Grund erübrige sich auch ein weiteres Eingehen auf die Berufung des R.F., die sich ausschließlich gegen die im erstinstanzlichen Genehmigungsbescheid enthaltenen Auflagen für den Fall des Rechtserwerbes wende.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
3. Die LGVK hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegen tritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 (TGVG 1996), LGBl. 61 idF LGBl. 75/1999, lauten:
"1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
§1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für den Erwerb von Rechten
- a) an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken,
- b) an Baugrundstücken und
- c) an sonstigen Grundstücken, wenn der Rechtserwerber Ausländer ist.
[...]"
"2. Abschnitt
Rechtserwerbe an land- oder
forstwirtschaftlichen Grundstücken
§4
Genehmigungspflicht
(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:
a) den Erwerb des Eigentums;
[...]"
"§19
Verfahren bei der Zuschlagserteilung
(1) Das Exekutionsgericht hat den Zuschlag unter dem Vorbehalt zu erteilen, dass er erst nach Vorliegen des entsprechenden Bescheides nach §24 Abs1 oder §25 Abs1 oder der entsprechenden Bestätigung nach §25a Abs1 oder 2 rechtswirksam wird. Der Meistbietende ist sodann aufzufordern, binnen einer angemessen festzusetzenden Frist den Rechtserwerb nach §23 der Grundverkehrsbehörde anzuzeigen.
(2) Liegt der entsprechende Bescheid oder die entsprechende Bestätigung vor oder kommt dem Exekutionsgericht binnen vier Monaten nach dem Einlangen der Anzeige nach §23 bei der Grundverkehrsbehörde keine Erledigung dieser Behörde zu, so ist der Beschluss über die Erteilung des Zuschlages für wirksam zu erklären, auszufertigen und zu verlautbaren.
(3) Wird der Rechtserwerb nicht fristgerecht nach §23 angezeigt oder kommt dem Exekutionsgericht innerhalb der im Abs2 genannten Frist der Bescheid über die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung oder Bestätigung zu und wird dieser rechtskräftig, so hat das Exekutionsgericht auf Antrag eine erneute Versteigerung anzuordnen.
(4) Die Grundverkehrsbehörde hat dem Exekutionsgericht das Einlangen der Anzeige nach §23 unverzüglich mitzuteilen. Nach dem Ablauf von vier Monaten nach dem Einlangen der Anzeige nach §23 ist die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung oder Bestätigung durch die Grundverkehrsbehörde erster Instanz nicht mehr zulässig."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (zur Beschwerdelegitimation des Verpflichteten im Zwangsversteigerungsverfahren vgl. etwa VfSlg. 12.983/1992) - Beschwerde erwogen:
1. Die vom Beschwerdeführer mit allgemeinen Ausführungen vorgebrachten Bedenken, wonach die Genehmigungspflicht beim Erwerb land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke dem Gemeinschaftsrecht widerspreche und infolge dessen auch ein Fall der Inländerdiskriminierung vorliege, gehen schon mangels Präjudizialität der als gemeinschaftsrechtswidrig bzw. verfassungswidrig erachteten Regelungen des TGVG 1996, die eine solche Genehmigungspflicht statuieren, ins Leere. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist nämlich nicht die Versagung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, sondern die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens und Aufhebung des Berufungsbescheides wegen Erschleichung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung sowie die ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Genehmigungsbescheides wegen Unzuständigkeit mangels Anwendbarkeit des TGVG 1996 und die darauf gegründete Abweisung der Berufung des R.F.
2. Der Beschwerdeführer begründet die behaupteten Grundrechtsverletzungen im Kern damit, dass die LGVK eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert habe, da die von ihr vertretene Auffassung, es liege kein gültiger Rechtserwerb iSd §1 Abs1 TGVG 1996 vor, nicht zutreffe. Vielmehr habe der Eigentumserwerb an der in Rede stehenden Liegenschaft im Zuge des Zwangsversteigerungsverfahrens bereits mit Zuschlagserteilung stattgefunden, sodass ein - auch iSd TGVG 1996 - gültiger Rechtserwerb vorliege.
3. Die belangte Behörde gelangte aufgrund der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, der E.J. und des R.F. zur Auffassung, dass eine Erschleichung des von ihr am 7. Juli 2004 erlassenen Genehmigungsbescheides vorliege, weshalb - mit Spruchpunkt 1 des nunmehr angefochtenen Bescheides - das Berufungsverfahren gem. §68 Abs1 Z1 (gemeint wohl: §69 Abs1 Z1) iVm Abs3 AVG wiederaufgenommen und der Bescheid vom 7. Juli 2004 aufgehoben wurde. Dem ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht entgegen zu treten (vgl. zB VfSlg. 13.759/1994, 16.429/2002).
Die Beschwerde war daher, soweit sie den Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides betrifft, abzuweisen.
4. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
4.1. Vorweg ist festzuhalten, dass ein gemäß §19 Abs1 TGVG 1996 zunächst unter Vorbehalt zu erteilender Zuschlag im Rahmen des - hier maßgeblichen - ersten Versteigerungstermins (unter anderem) erst nach Vorliegen eines grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsbescheides iSd §25 Abs1 TGVG 1996 rechtswirksam wird. Im Hinblick darauf kann aber entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht angenommen werden, dass ein bereits mit Zuschlagserteilung wirksam erfolgter Eigentumserwerb vorliege, der unter der "auflösenden Bedingung" der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung stehe.
4.2. Die behauptete Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ist jedoch im Ergebnis begründet: Soweit die belangte Behörde aus der von ihr getroffenen Feststellung, dass R.F. als Ersteher beim exekutionsweisen Erwerb der Liegenschaft lediglich zum Zwecke der Umgehung des Grundverkehrsrechts aufgetreten ist, um diese Liegenschaft für E.J. zu erwerben, den Schluss zieht, dass der zu beurteilende Rechtserwerb nicht den "Geltungserfordernissen" des §1 Abs1 TGVG 1996 entspricht und daher das Grundverkehrsgesetz gegenständlich nicht anzuwenden sei, verkennt sie den rechtlichen Charakter des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren. Für einen für das grundverkehrsbehördliche Verfahren maßgeblichen Rechtserwerb im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens kann es nämlich nur auf die - mittels gerichtlichem Beschluss erfolgende - Erteilung des Zuschlags ankommen und nicht (auch oder gar ausschließlich) auf die Motive des Meistbietenden. Die Zuschlagserteilung konnte daher nicht - wie von der LGVK angenommen - nur einen "Scheinerwerb" bewirken oder, wie in der Gegenschrift ausgeführt, ein "Scheingeschäft" darstellen.
Da die belangte Behörde dies verkannte und den erstinstanzlichen grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsbescheid mit Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit ersatzlos behob, anstatt über die Genehmigung des Rechtserwerbes in der Sache zu entscheiden, hat sie zu Unrecht die Sachentscheidung verweigert.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch Spruchpunkt 2 des bekämpften Bescheides in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Der Bescheid war insoweit aufzuheben.
5. Aufzuheben war aber auch der mit Spruchpunkt 2 in untrennbarem Zusammenhang stehende Spruchpunkt 3 des angefochtenen Bescheides, mit dem die Berufung des R.F. gegen den erstinstanzlichen grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsbescheid aufgrund der mit Spruchpunkt 2 ausgesprochenen Aufhebung dieses Bescheides als unbegründet abgewiesen wurde.
6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Da der Beschwerdeführer in zwei Punkten durchgedrungen ist (Aufhebung von zwei der drei Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides, im Übrigen Abweisung der Beschwerde), waren nur zwei Drittel der Kosten zuzusprechen. Der zugesprochene Kostenbetrag enthält Umsatzsteuer in Höhe von € 240,-.
7. Die vom Beschwerdeführer für den Fall der Abweisung oder Ablehnung seiner Beschwerde beantragte Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof kommt nicht in Betracht. Die LGVK ist gemäß §28 Abs7 TGVG 1996 als Kollegialbehörde gemäß Art133 Z4 B-VG eingerichtet; die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der Abtretungsantrag war daher abzuweisen (vgl. VfSlg. 16.769/2002).
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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