Spruch:
Beiden Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten werden gegenseitig aufgehoben.
Text
Begründung
Mit der am 26. 8. 1997 bei dem das Schuldenregulierungsverfahren führenden Bezirksgericht eingelangten, ausdrücklich als solche "gemäß § 110 Abs 2 KO und § 529 Abs 1 Z 2 ZPO" bezeichneten Klage begehrte die Klägerin, 1. das Verfahren 23 Cg 390/93h des Landesgerichtes Wiener Neustadt ab Klagszustellung für nichtig zu erklären und das Versäumungsurteil vom 12. 10. 1993 aufzuheben, 2. das in diesem Verfahren aufgehobene Klagebegehren zurück -, in eventu abzuweisen, und 3. festzustellen, dass die von der beklagten Partei im Schuldenregulierungsverfahren (S 12/97x des Bezirksgerichts Mödling) - mit insgesamt S 96.498,33 - angemeldete Konkursforderung der beklagten Partei nicht zu Recht bestehe. Die Klägerin brachte dazu im Wesentlichen vor, sie sei seit Februar 1991 wegen einer Geisteskrankheit prozess- und geschäftsunfähig gewesen. Die am 22. 7. 1993 erfolgte Hinterlegung der im Verfahren 23 Cg 293/93h des Landesgerichtes Wiener Neustadt (von der nunmehrigen beklagten Partei) eingebrachten Klage über S 105.954,93 sA, welche die Klägerin nicht habe beheben können, und das darauf folgende Verfahren seien daher nichtig. Die im Schuldenregulierungsverfahren der Klägerin von der beklagten Partei angemeldete Forderung - in Höhe von S 96.498,33 (wovon nach dem Beklagtenvorbringen S 91.388,81 auf die titulierte Forderung der beklagten Partei auf Grund des Versäumungsurteils entfielen) - sei von der Klägerin in der Prüfungstagsatzung bestritten worden, weil sie sich auf eine Forderung gegen eine KG beziehe, deren Insolvenzverfahren mit einem Zwangsausgleich geendet habe, der die Klägerin als Komplementärin der KG ebenfalls von den Schulden befreit habe.
Die beklagte Partei bestritt die Zuständigkeit des Erstgerichts hinsichtlich der Nichtigkeitsklage und beantragte im Übrigen die Klagsabweisung, weil die Klägerin als Bürgin durch den Zwangsausgleich der KG nicht von ihrer Verpflichtung befreit werde.
Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf die Frage der Unzuständigkeit ein und erklärte sich zur Führung des Verfahrens hinsichtlich der Punkte 1 und 2 des Klagebegehrens für unzuständig (Punkt 1) und wies die Klage insoweit zurück (Punkt 2); zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage sei gemäß § 532 ZPO das Landesgericht Wiener Neustadt, welches das Versäumungsurteil erlassen habe, zuständig. Nur für die Prüfungsklage sei das angerufene Gericht als dasjenige, das das Schuldenregulierungsverfahren führe, gemäß § 111 KO zuständig.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin teilweise Folge, bestätigte zwar die Entscheidung hinsichtlich der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts (Punkt 1), änderte sie aber im Übrigen insoweit ab, als es die Nichtigkeitsklage an das gemäß § 132 Abs 2 ZPO zuständige Landesgericht Wiener Neustadt überwies. Soweit die Klägerin in ihrem Rekurs geltend mache, die Kumulierung der Klagebegehren bei dem nach § 111 KO zuständigen Gericht sei zweckmäßig, meinte das Rekursgericht, dass das Klagebegehren in einem Prüfungsprozess gemäß § 110 KO nur auf die Feststellung des zu-Recht bzw nicht-zu-Recht-Bestehens der behaupteten Forderung im Konkurs zu lauten hätte, die Klägerin aber ausdrücklich die Nichtigerklärung eines bestimmten Verfahrens sowie die neuerliche Entscheidung in diesem Verfahren im Sinne einer Klagszurück- bzw Abweisung beantragt habe. Eine solche Klage sei eine Nichtigkeitsklage, für die eine individuelle, der Parteienvereinbarung nicht zugängliche Zuständigkeit gegeben sei. Zweckmäßigkeitsüberlegungen kämen nicht in Betracht. Der Oberste Gerichtshof vertrete nunmehr in Abkehr von der früheren Rechtsprechung die Auffassung, dass auch für die Nichtigkeitsklage der allgemeine Grundsatz des § 474 Abs 1 ZPO gelte, dass das angerufene unzuständige (Rechtsmittel-) Gericht die Klage nicht zurückweisen, sondern von Amts wegen an das für die Sache zuständige Gericht überweisen müsse. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil zur Zuständigkeitsfrage bei der Kumulierung eines Nichtigkeitsklagebegehrens iSd § 529 Abs 1 Z 2 ZPO mit jenem in einem Prüfungsprozess nach § 110 Abs 2 KO keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 263/97p von der oben dargelegten nunmehrigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung abweiche.
Gegen diesen Beschluss richten sich die Revisionsrekurse beider Teile.
Die Klägerin beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Einrede der Unzuständigkeit abgewiesen werde, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und dem Erstgericht das Verfahren über die Klage bei Abstandnahme vom gebrauchtem Zurückweisungsgrund aufgetragen werde. Sollte auch der Oberste Gerichtshof das angerufene Erstgericht für unzuständig halten, erachte sich die Klägerin durch die (amtswegige) Überweisung der Klage an das Landesgericht Wiener Neustadt nicht für beschwert.
Die beklagte Partei beantragt die völlige Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Die Gleichstellung von Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage mit der Berufung und somit die amtswegige Überweisung iSd § 474 Abs 1 ZPO halte sie für völlig verfehlt; überdies weiche die Entscheidung von der Entscheidung 6 Ob 263/97p ab.
Beide Teile beantragen jeweils dem Revisionsrekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rekurse sind gerade noch als zulässig zu beurteilen, aber nicht berechtigt.
Auch wenn eine Prüfungsklage nach § 110 Abs 2 KO vorliegt, für die gemäß § 111 KO das Konkursgericht (vorliegendenfalls das Bezirksgericht, welches das Schuldenregulierungsverfahren führt) zuständig ist, kann mit dieser Klage nicht eine - in ihren Wirkungen über eine Prüfungsklage hinausgehende - Nichtigkeitsklage iSd § 529 Abs 1 Z 2 ZPO verbunden werden, wenn der Vorprozess bei einem anderen Gericht geführt wurde. Für die Nichtigkeitsklage ist gemäß § 532 Abs 1 ZPO das Gericht zuständig, von welchem die durch die Klage angefochtene Entscheidung gefällt wurde, wenn aber in der Klage mehrere in dem selben Rechtsstreit von Gerichten verschiedener Instanzen gefällte Entscheidungen angefochten werden, ist das höchste unter diesen Gerichten ausschließlich zuständig. Hiemit wird für die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage eine individuelle, dh zwingende sachliche und örtliche und funktionelle Zuständigkeit begründet, die der Parteienvereinbarung nicht zugänglich ist (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 1 zu § 532 ZPO). Diese inprorogable Zuständigkeit schlägt durch und kann weder durch ein Argument mit der jüngeren und angeblich spezielleren Norm des § 111 KO noch mit Zweckmäßigkeitserwägungen entkräftet werden. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass gemäß § 7 KO anhängige Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die der Anmeldung im Konkurs unterliegen, lediglich zu unterbrechen und nach Bestreitung wieder aufzunehmen sind, sodass diesbezüglich die Zuständigkeit des Konkursgerichtes gemäß § 111 Abs 1 KO nicht gegeben ist; dies gilt auch im Stadium des Rechtsmittelverfahrens. Da mit der wegen des ähnlichen Rechtsschutzzieles auch als Rechtsmittelklage bezeichneten Nichtigkeitsklage (siehe Fasching ZPR2 Rz 2032; Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 1 vor § 529) die Beseitigung der in einem anhängig gewesenen Verfahren ergangenen Entscheidung und deren Ersetzung durch eine neue Entscheidung in diesem sodann wieder anhängig gewordenen Verfahren angestrebt wird, ist § 111 Abs 1 KO auf eine derartige Klage ebensowenig anwendbar wie auf ein noch anhängiges Verfahren.
Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist infolge dessen unberechtigt.
Wird die Klage bei einem unzuständigen Gericht eingebracht, dann wird sie entgegen der früheren Rechtsprechung - der Lehre Faschings (Lb2 Rz 2076) folgend - seit der Entscheidung 8 Ob 599/92 = SZ 66/10 in nunmehr ständiger und nahezu einhelliger oberstgerichtlicher Rechtsprechung (3 Ob 136/98s ua; zuletzt 9 Ob 184/00z) von Amts wegen an das zuständige Gericht überwiesen. Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 6 Ob 263/97b ist völlig vereinzelt geblieben und hat offensichtlich die Judikaturwende übersehen, weil sie sich mit der gegenteiligen neueren Rechtsprechung mit keinem Wort auseinandergesetzt hat.
Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist daher ebenfalls unberechtigt.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass sich die geltend gemachte Nichtigkeit gemäß § 529 Abs 1 Z 2 ZPO nur auf einen Teil der von der beklagten Partei im Schuldenregulierungsverfahren der Klägerin angemeldeten Forderung von S 96.498,33 - und zwar S 91.388,91 - bezieht. Die Klage war daher nur bezüglich dieses Anspruches wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes an das Landesgericht Wiener Neustadt zu überweisen. Bezüglich des Restbetrages von S 5.109,52 hat sich die beklagte Partei nicht auf einen Titel, sondern nur auf die Bürgschaft der Klägerin gestützt, sodass diesbezüglich die Zuständigkeit des Erstgerichtes gemäß § 111 Abs 1 KO gegeben ist.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind gemäß § 43 Abs 1 iVm § 50 ZPO gegenseitig aufzuheben, weil beide Seiten im vorliegenden Rechtsstreit mit ungefähr den gleichen Teilen erfolglos geblieben sind und sich somit die Kosten der Revisionsrekursbeantwortungen gegenseitig aufheben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)