Spruch:
Das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 19. April 2006, AZ 17 Bs 51/06h (GZ 93 Hv 50/05m-18 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien), verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 15 Abs 5 MedienG.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird dieses Urteil aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Die Berufung des Antragstellers wird als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschwerde des Antragstellers gegen die Kostenentscheidung des Erstgerichts wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO iVm §§ 14 Abs 3, 19 Abs 3 MedienG fallen dem Antragsteller auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last. Gemäß § 19 Abs 6 und 7 MedienG werden die vom Antragsteller der Antragsgegnerin zu ersetzenden Kosten des Berufungsverfahrens mit 1.252,22 Euro (darin enthalten 208,70 Euro USt) bestimmt. Zur Entscheidung über ein allfälliges Vorgehen analog § 16 Abs 2 und Abs 3 MedienG werden die Akten dem Landesgericht für Strafsachen Wien übermittelt.
Text
Gründe:
In der Ausgabe Nr 18 des Wochenmagazins „p*****" vom 2. Mai 2005 wurde ein Lichtbild des vor einem Rednerpult stehenden Antragstellers Siegfried K***** mit dem Begleittext „Wehrmachtsdeserteure sind Kameradenmörder" veröffentlicht. Dieses Foto ist Teil eines die Seiten 16 bis 20 umfassenden Artikels, der sich unter dem Titel „Gespenster der Gegenwart" und der Subunterschrift „NS Revisionismus. Mitten in die Jubiläumsfeier der Republik platzen verhamlosende Äußerungen über die Zeit des Nationalsozialismus. Das ist peinlich, aber der Preis für eine Koalition mit den Freiheitlichen." mit dem Verhältnis einiger FPÖ- und BZÖ-Mitglieder zur Vergangenheitsbewältigung, insbesondere zur Thematik Judenvernichtung in KZs und SS-Veteranen bzw Wehrmachtsdeserteure beschäftigt. Den Antragsteller betreffend befindet sich im Fließtext auf Seite 16 folgende Textpassage:
„Über den zu diesem Zeitpunkt noch designierten - und in der Hofburg anwesenden - Bundesratspräsidenten Siegfried K*****, der knapp 10 Tage zuvor Wehrmachtsdeserteure als „zum Teil Kameradenmörder" bezeichnet und über die „brutale Naziverfolgung" nach 1945 geklagt hatte, verlor Wolfgang S***** kein Wort."
Siegfried K***** begehrte hierauf von der V***** GmbH als Medieninhaberin die Veröffentlichung folgender Gegendarstellung:
„Sie geben in ihrem Druckwerk „p*****" vom 2. Mai 2005 auf Seite 20 die Behauptung wieder, Ing. Siegfried K***** hätte die Äußerung „Wehrmachtsdeserteure sind Kameradenmörder" von sich gegeben.
Diese Behauptung ist unrichtig: Ing. Siegfried K***** hat eine solche pauschale Äußerung niemals abgegeben. Er hat lediglich am 14. April 2005 im Bundesrat gesagt, dass Deserteure zum Teil Kameradenmörder waren und dies an Hand eines Vorfalles an der „Eismeer-Front", bei welchem sein Cousin und auch weitere Kameraden von Überläufern erschossen worden waren, dahingehend erläutert, dass man bei Deserteuren unterscheiden müsse und jene Deserteure Kameradenmörder seien, die zum Feind übergelaufen waren und die eigenen Kameraden erschossen hatten."
Als diesem Veröffentlichungsbegehren nicht entsprochen wurde, stellte Siegfried K***** beim Landesgericht für Strafsachen Wien die Anträge auf Veröffentlichung der Gegendarstellung gemäß § 14 Abs 1 MedienG und auf Zahlung einer Geldbuße gemäß § 18 Abs 1 MedienG (ON 1). Die Antragsgegnerin V***** GmbH wendete dagegen im Wesentlichen ein, dass die begehrte Gegendarstellung unwahr bzw irreführend/unvollständig sei, weil der Antragsteller tatsächlich in seiner im Bundesrat gehaltenen Rede zum Ausdruck gebracht habe, Wehrmachtsdeserteure seien grausame Mörder gewesen, während ordentliche Parteigänger nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben worden und rechts- und heimatlos gewesen seien, um deren Rehabilitation zu verhindern (ON 2).
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. August 2005, GZ 93 Hv 50/05m-10, wurden die Anträge gemäß § 17 Abs 1 letzter Satz MedienG abgewiesen.
In seiner Begründung bezog sich das Erstgericht insbesondere darauf, dass das verkürzte Zitat des Antragstellers unter seinem Lichtbild auf S 20 in der Ausgabe des „p*****" vom 2. Mai 2005 dem Leser nicht den Eindruck vermittelte, der Antragsteller habe alle Wehrmachtsdeserteure als Kameradenmörder bezeichnet. Der Leser sei sowohl aus dem Gesamtkonzept des Artikels als auch aufgrund der damaligen massiven medialen Berichterstattung in der Lage gewesen, dies als Verkürzung der Äußerung des Antragstellers im Bundesrat, wonach Deserteure „zum Teil Kameradenmörder" gewesen seien, zu erkennen. Die begehrte Gegendarstellung erweise sich schon aus diesem Grunde als nicht kontradiktorisch.
Das Erstgericht erachtete aber auch den von der Antragsgegnerin erhobenen Einwand der Unwahrheit der Gegendarstellung (§ 11 Abs 1 Z 4 MedienG) mit der Begründung als berechtigt, dass diese den Eindruck erwecke, es wäre dem Antragsteller bei seiner Äußerung im Bundesrat um eine - aufgrund einer signifikanten Anzahl von Mordverurteilungen - sachlich begründete differenzierte Wertung über Deserteure gegangen, während aus dem Kontext der Äußerungen des Antragstellers im Bundesrat eine rein emotionale Wiedergabe von Vorurteilen erschließbar war. In Anbetracht der verschwindend geringen Zahl von Gewaltverbrechen durch Deserteure (weniger als 1 %) habe sich die Forderung des Antragstellers nach einer Einzelfallprüfung und Differenzierung aus wissenschaftlicher Sicht als völlig unhaltbar erwiesen.
In seiner dagegen erhobenen Berufung erklärte der Antragsteller mit Rücksicht auf den Anfechtungsausschluss gemäß § 15 Abs 5 MedienG, dass sich das Rechtsmittel nur gegen die erstgerichtliche Annahme der fehlenden Kontradiktion der Gegendarstellung wende, und beantragte demzufolge das angefochtene Urteil nur insoweit aufzuheben, als es nicht die Entscheidung über die Einwendung der Unwahrheit der Gegendarstellung betrifft, und auszusprechen, dass die nachträgliche Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 16 MedienG zulässig sei sowie die Entscheidung über die Geldbuße dem allenfalls fortgesetzten Verfahren vorbehalten werde (ON 13).
Nach Wiederholung des Beweisverfahrens zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Textstelle und der Rede des Antragstellers vom 14. April 2005 hob das Rechtsmittelgericht in Stattgebung der Berufung mit Entscheidung vom 19. April 2006, AZ 17 Bs 51/06h (ON 18), das angefochtene Urteil auf und ordnete die beantragte Veröffentlichung der Gegendarstellung an. Die Entscheidung über die Verhängung einer Geldbuße wurde gemäß § 18 Abs 2 MedienG dem allenfalls fortgesetzten Verfahren vorbehalten. Gemäß §§ 14 Abs 3, 19 Abs 1 MedienG iVm § 390a Abs 1 StPO wurden der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz auferlegt. Mit seiner Kostenbeschwerde wurde Siegfried K***** auf diese Entscheidung verwiesen. In seiner Begründung bejahte das Berufungsgericht die Kontradiktion der Gegendarstellung.
Als These iSd § 9 MedienG sei nach Ansicht des Oberlandesgerichtes Wien lediglich der vom Antragsteller genannte Ausschnitt des Artikels in der Ausgabe Nr 18 des Wochenmagazins „p*****" vom 2. Mai 2005, Seite 20, nicht aber der gesamte Text dieses Beitrags, also insbesondere nicht die in diesem Bericht auf Seite 16 dargestellte Einschränkung des Antragstellers heranzuziehen, wonach Deserteure „zum Teil Kameradenmörder" seien. Vielmehr erwecke die Aufmachung der inkriminierten Darstellung (Bild des Antragstellers am Rednerpult mit dem unter Anführungszeichen gesetzten - und solcherart nach der Auffassung des Rechtsmittelgerichtes ein korrektes und vollständiges Zitat suggerierenden - Begleittext „Wehrmachtsdeserteure sind Kameradenmörder") für einen nicht unerheblichen Teil der Konsumenten des belangten Mediums, welcher sich darauf beschränkt, Überschriften, Subtitel und Bildbegleittexte zu lesen, den Eindruck, Siegfried K***** habe ohne jegliche Einschränkung Wehrmachtsdeserteure in einem Pauschalurteil als Kameradenmörder bezeichnet. Ergänzend hielt das Rechtsmittelgericht dazu noch fest, dass ein Leser überdies nicht damit rechne, vier Seiten zuvor eine weitere Information über den Antragsteller zu diesem Thema zu finden (US 6 f in ON 18). Mit der begehrten Antithese werde daher laut Begründung des Berufungsurteils dem Konsumenten zur Kenntnis gebracht, in welchem Zusammenhang die Äußerung gefallen sei, insbesondere dass Deserteure keineswegs pauschal als Kameradenmörder bezeichnet wurden, sondern Siegfried K***** an Hand eines konkreten Vorfalles an der „Eismeer-Front" darstellte, dass im Zuge der Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren im Gedenkjahr 2005 eine Differenzierung vorzunehmen sei, weil es auch Deserteure gegeben habe, die zum Feind übergelaufen seien und eigene Kameraden erschossen hätten. Was die Einwendung der Unwahrheit der Gegendarstellung betreffe, habe das bisherige Beweisverfahren - ausgehend vom nunmehr festgestellten Bedeutungsinhalt - keine Hinweise darauf ergeben, dass die Antithese nicht wahr sei, sodass die begehrte Gegendarstellung den gesetzlichen Formalvoraussetzungen entspreche.
Rechtliche Beurteilung
Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 19. April 2006 mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach dem Wortlaut des § 15 Abs 5 MedienG kann ein Urteil, welches das nach Erhebung von Einwendungen durchzuführende befristete Hauptverfahren abschließt, nur insoweit mit Berufung angefochten werden, als es nicht die Entscheidung über die Einwendung der Unwahrheit der Gegendarstellung betrifft. Durch diese Regelung soll im Hinblick auf § 15 Abs 4 MedienG jede Überschneidung mit dem keiner Befristung unterliegenden und auch neue Beweise zulassenden fortgesetzten Verfahren nach § 16 MedienG vermieden werden, wobei es - lege non distinguente - keinen Unterschied macht, ob schon im befristeten Hauptverfahren die Unwahrheit der Gegendarstellung bewiesen werden konnte, ob der Einwand der Unwahrheit als widerlegt angesehen wurde und ob die hiezu aufgenommenen Beweise im fortgesetzten Verfahren überhaupt noch ergänzungsfähig sind (vgl Litzka/Strebinger MedienG5 § 15 Rz 7 mwN), stellt doch das Gesetz keineswegs zwingend auf das Kriterium einer noch denkbaren zusätzlichen Beweisführung ab. Im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 15 Abs 5 MedienG ist auch jede Veränderung und Ergänzung der Entscheidungsgrundlage durch das Berufungsgericht, etwa durch neuerliche Verlesung von Aktenstücken oder Vernehmung von Zeugen zum Thema der Wahrheit oder Unwahrheit der Gegendarstellung, unzulässig (vgl Rami in WK2 § 15 MedienG Rz 33; 12 Os 34/90, MR 1993, 219 m Anm Weis; OLG Wien 27 Bs 276/93, MR 1993, 218).
Maßgeblich für das Rechtsinstitut des fortgesetzten Verfahrens ist, dass der bisweilen komplexen Frage der Unwahrheit der Gegendarstellung im befristeten Verfahren unter Umständen nicht jener Argumentations- und Entscheidungsaufwand gewidmet werden kann, der ihr bedeutungsgemäß zu garantieren ist. Eine Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Einwendung der Unwahrheit der Gegendarstellung wird daher durch § 15 Abs 5 MedienG generell ausgeschlossen (vgl 12 Os 34/90, MR 1993, 219 m Anm Weis). Die meritorische Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien, in der es über die vom Erstgericht angenommene Unwahrheit der Gegendarstellung gegenteilig absprach (US 10), verletzt demnach das Gesetz in der Bestimmung des § 15 Abs 5 MedienG.
Darüber hinaus liegt - vom Generalprokurator ungerügt geblieben, gleichwohl iSd § 290 Abs 1 StPO iVm §§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, 468 Abs 1 Z 4, 489 Abs 1 StPO von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl Ratz, MR 1994, 222; 14 Os 51/04, EvBl 2005/18, 72) - die vom Berufungsgericht angenommene Kontradiktion der Gegendarstellung nicht vor:
Vor Beantwortung der Frage, welchen Bedeutungsinhalt die vom Antragsteller mittels Kontradiktion bekämpfte Erklärung aufweist, sind zunächst die (rechtlichen) Kriterien des heranzuziehenden Empfängerhorizonts zu bestimmen, um sodann zu ermitteln, ob die im Antrag genannte Textpassage als selbstständige und damit einer Gegendarstellung gemäß § 9 Abs 1 MedienG zugängliche (vgl 14 Os 51/04, EvBl 2005/18, 72) Tatsachenmitteilung anzusehen ist, auf deren Veröffentlichung ein Anspruch besteht.
Was als Tatsachenmitteilung iSd § 9 Abs 1 MedienG anzusehen ist, löste das Oberlandesgericht Wien nach einer lediglich in der Verlesung des Aktes bestehenden Beweiswiederholung, obgleich das Gesetz bei Abweichungen gegenüber tatsächlichen Feststellungen der ersten Instanz nur dann eine Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht zulässt, wenn die als bedenklich eingestuften Feststellungen auf der Aussage von Zeugen oder Sachverständigen beruhen, während „außer diesem Falle der Gerichtshof die in erster Instanz aufgenommenen Protokolle seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat" (§ 473 Abs 2 StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 473 Rz 8). Die im vorliegenden Fall durch die Beweiswiederholung inhaltlich geänderten Feststellungen zum Bedeutungsinhalt erschöpfen sich in einer im Vergleich zum Ersturteil vorgenommenen Beschränkung zum Umfang der These, der die beantragte Gegendarstellung widersprechen soll. Zugleich ging aber auch das Berufungsgericht - wie das Erstgericht - davon aus, dass sich die vom Antragsteller hervorgehobene Einschränkung in seiner Rede („... zum Teil Kameradenmörder") im Fließtext des dem Verfahren zugrunde liegenden Artikels wiederfindet (US 3 f und US 6 f in ON 18).
Der inkriminierte Bericht betrifft nach übereinstimmendem Vorbringen und der Konstatierung des Berufungsgerichts eine Äußerung des Antragstellers in einer Sitzung des Bundesrates (US 7 in ON 18), bei dem daher die Sonderbestimmung des § 11 Abs 1 Z 1 MedienG zum Tragen kommt. Dies bedeutet, dass eine Gegendarstellung nur dann in Frage kommt, wenn die Parlamentsberichterstattung als nicht wahrheitsgetreu zu beurteilen ist. Nach hM ist ein Bericht über eine solche parlamentarische Äußerung nur dann von der sachlichen Immunisierung ausgeschlossen, wenn die zitierten Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen und solcherart verfälscht werden (vgl Rami in WK2 § 30 MedienG Rz 5 mwN; Brandstetter/Schmid MedienG2 § 11 Rz 4 und § 30 Rz 2).
Wird in einem Artikel über Äußerungen eines politischen Mandatars, insbesondere über eine solche in einer öffentlichen Sitzung einer parlamentarischen Institution iSd § 11 Abs 1 Z 1 MedienG berichtet, so ist grundsätzlich die in diesem Medium durch den inkriminierten Bericht insgesamt vermittelte Information darüber heranzuziehen, um feststellen zu können, ob die vorgebrachte Gegenthese tatsächlich eine Kontradiktion enthält. Wer sich im politischen Diskurs an die Öffentlichkeit wendet, muss damit rechnen, dass diese Aussagen journalistisch vor allem in Form von Hervorhebungen und Überschriften gekürzt und in plakativer Weise aufbereitet werden. Es ist ein Faktum der heutigen Lebensrealität, dass Medien sich vielfach knapper, zugespitzter Zusammenfassungen bedienen, um das Publikum in Zeiten der Informationsüberfrachtung leichter zu erreichen. Der isolierten Beurteilung einer Schlagzeile oder einer ähnlichen Hervorhebung steht allerdings der Grundsatz entgegen, dass jede Äußerung nach dem Gesamtzusammenhang, in dem sie fiel, zu beurteilen ist (vgl 11 Os 18/07t mwN; zu zivilrechtlichen E vgl RIS-Justiz RS0031883; zuletzt 6 Ob 250/06t). Dass sich die Unrichtigkeit einer Äußerung auch aus ihrer (irreführenden) Unvollständigkeit (iSd § 9 Abs 3 MedienG - vgl Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG2 § 9 Rz 25 f; Brandstetter/Schmid MedienG2 § 9 Rz 24; zu zivilrechtlichen E vgl RIS-Justiz RS0031963; RS0111212) ergeben kann, steht mit der grundsätzlich gebotenen Beurteilung nach dem Gesamtzusammenhang nicht in Widerspruch. Wenn sich aus dem gesamten Text ergibt, was mit der Überschrift gemeint war, ist der Titel eben nicht unklar (vgl Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG2 § 9 Rz 24).
Würde man hingegen die Auffassung vertreten, dass Überschriften in allen Fällen isoliert zu beurteilen seien, wäre es den Medien de facto verwehrt, plakative Titel zu einem Bericht oder Bilduntertitelungen innerhalb eines Artikels zu verwenden, wenn damit der vom Mediuminhalt Betroffene kritisch angegriffen würde. Es liegt auf der Hand, dass mit Gegendarstellungen zu besonders pointierten Überschriften, losgelöst vom übrigen Text, ein unverhältnismäßiger, auch durch die verfassungsgesetzlichen Gesetzesvorbehalte nicht mehr gedeckter Eingriff in die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art 10 Abs 1 MRK und Art 13 StGG vorgenommen würde.
Die aus dem bei einem Teil der Konsumenten üblichen bloßen „Schlagzeilenlesen" abgeleitete (vom Oberlandesgericht Wien fallbezogen geteilte) Forderung (vgl Brandstetter/Schmid MedienG2 § 9 Rz 10 mwN) nach einer isolierten Beurteilung von Schlagzeilen und Überschriften steht daher im Konflikt mit den Ansprüchen der Medien und dem Grundsatz, dass jede Äußerung nach dem Verständnis des angesprochenen Publikums zu beurteilen ist. Maßstab ist der unbefangene „Durchschnittsleser", also das Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten (§ 1297 ABGB) Erklärungsempfängers (vgl dazu RIS-Justiz RS0115084 für den Bereich der zivilrechtlichen Entscheidungen). Wenn schon jede Schlagzeile selbständig und nach der Unklarheitenregel zu Lasten des Äußernden zu beurteilen wäre, so setzte dies nach dem eben erläuterten Grundsatz voraus, dass ein so genannter „Schlagzeilenleser" der maßstabgetreue Durchschnittsleser wäre. Dies ließe sich nicht mit dem auch in der Rechtsprechung des EuG und des EuGH zu gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen vertretenen Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Konsumenten (vgl dazu zB EuG und EuGH zu T-256/04 RN 42; T-172/05 RN 32; C-299/99 RN 65; C-220/98 RN 27; C-210/96 RN 31) vereinbaren. Ein so definierter Erklärungsempfänger wird einem unvollständigen, aufklärungsbedürftigen Text in einer Überschrift entweder durch Lesen des Artikels nachgehen oder aber bewusst im Unklaren über den Sinn des Titels verbleiben, dies dann aber auf seine Unterlassung zurückführen, den gesamten Text zu lesen (vgl 6 Ob 92/04d, MR 2004, 396 = RdW 2005, 163).
Zur verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit nach Art 10 Abs 1 MRK und Art 13 StGG gehört es auch, wirksame Überschriften, Schlagzeilen, Artikelankündigungen oder eben Bilduntertitelungen zu bilden, die orientieren und das Interesse am Lesen wecken sollen (vgl Berka, Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz, 260; 6 Ob 92/04d, MR 2004, 396 = RdW 2005, 163). Deshalb kann nicht jede präzisierungsbedürftige Aussage isoliert betrachtet werden, sondern nur eine selbständige Aussage. Unter dem insoweit maßgeblichen Gesichtspunkt des verständigen Erklärungsadressaten gilt für (im medialen Schlagzeilen- und Hervorhebungsbereich in der Regel) unvollständige Tatsachenbehauptungen, dass derartig ergänzungsbedürftige Titel oder Bildunterlegungen nicht selbständig und isoliert in Richtung der Zulässigkeit einer Gegendarstellung zu betrachten sind. Solche Textstellen können vielmehr durch den nachfolgenden Bericht vervollständigt werden (vgl dazu aus der Sicht des § 1330 ABGB: 6 Ob 92/04d, MR 2004, 396 = RdW 2005, 163; 6 Ob 296/02a, MR 2003, 27 m Anm Korn). Grundsätzlich sind daher verkürzende - solcherart regelmäßig ergänzungsbedürftige - Schlagzeilen und andere Hervorhebungen am Gesamtinhalt des Textes zu prüfen (vgl Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG2 § 9 Rz 8; siehe dazu auch 6 Ob 92/04d, MR 2004, 396 = RdW 2005, 163). Wenn allerdings eigenen Erklärungswert aufweisende Tatsachenbehauptungen in einer Überschrift mit denjenigen im Folgetext in keiner Weise in Einklang zu bringen sind, liegt es auf der Hand, dass zwei selbständig zu beurteilende Äußerungen vorliegen (vgl Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG2 Vor §§ 28 - 42 Rz 44), sodass dann der Schutz des Betroffenen nach § 9 MedienG auch den Titel allein erfasst. Nur ausnahmsweise können daher auch Überschriften oder sonstige plakativ-mediale Gestaltungselemente mittels einer Gegendarstellung bekämpft werden, sofern sie nämlich einen eigenen Erklärungswert besitzen und infolge sinnentstellender Verkürzung die im Artikel an anderer Stelle richtig - im Sinne von umfassend - wiedergegebenen Äußerungen geradezu ins Gegenteil verkehren, also den Inhalt der Botschaft konterkarieren. Nach diesen Grundsätzen beruht der vom Oberlandesgericht Wien angenommene Bedeutungsinhalt, wonach die hier strittige Untertitelung des Fotos des Antragstellers mit den Worten „Deserteure sind Kameradenmörder" eine vom Gesamttext losgelöst zu beurteilende, vollständige und damit einer Gegendarstellung zugängliche Tatsachenbehauptung wäre, auf einer rechtirrigen Prämisse. In Bezug darauf liegt der von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO iVm §§ 468 Abs 1 Z 4, 489 Abs 1 StPO vor. Eine Neudurchführung des Verfahrens konnte aus prozessökonomischen Gründen unterbleiben, weil bei Zugrundelegung des nach den bisherigen Ausführungen heranzuziehenden Empfängerhorizonts eine Verneinung der Tatfrage, ob aus dem Begleittext zur Bilduntertitelung eine ergänzende vollständige Information zu entnehmen wäre, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erwartet werden kann (vgl Ratz, WK-StPO § 288 Rz 24). Dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Leser vermittelt diese „Schlagzeile" gerade keine vollständige Information über den Inhalt der Wortmeldung des Antragstellers im Bundesrat, zumal ein solcher Erklärungsempfänger nicht davon ausgehen kann, dass sich diese Rede auf die in der Bilduntertitelung unter Anführungszeichen gesetzten drei Worte beschränkt habe. Im zu dieser Bildunterlegung gedruckten Beitrag selbst ist aber die vom Antragsteller als Kontradiktion begehrte Einschränkung seiner wertenden Äußerung („... zum Teil Kameradenmörder ...") ausdrücklich festgehalten. Dass sich diese umfassendere Darstellung der Wortmeldung des Antragstellers im Bundesrat im Bericht seitenbezogen vor dem Bild Siegfried K*****s samt kritisierter Untertitelung findet, vermag daran nichts zu ändern, denn dieses Foto ist jedenfalls Teil des Artikels. Die Abweisung des Begehrens auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien erfolgte daher - der Auffassung des Berufungsgerichts zuwider - zu Recht.
Der Antragsgegnerin, welcher die Rechte des Beschuldigten zustehen (§ 14 Abs 3 MedienG), wurde schon durch die vom Generalprokurator aufgezeigte Verletzung des Gesetzes im § 15 Abs 5 MedienG ein Nachteil zugefügt (§ 292 letzter Satz StPO). Darüber hinaus war nach amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO iVm §§ 468 Abs 1 Z 4, 489 Abs 1 StPO in entsprechender Anwendung des § 290 Abs 1 StPO das die unentgeltliche Veröffentlichung der Gegendarstellung auftragende Urteil des Gerichtshofes II. Instanz zur Gänze zu kassieren.
Einer förmlichen Aufhebung der auf dem verfehlten Berufungsurteil beruhenden Beschlüsse und Verfügungen bedurfte es nicht, weil es sich dabei um eine rechtslogische Folge der Kassierung der Entscheidung selbst handelt (vgl RIS-Justiz RS0100444).
Auf Grund der Bestimmung des § 14 Abs 3 MedienG hat der Antragsteller die Rechte des Privatanklägers, wobei auch im Übrigen für das Verfahren über einen Antrag nach § 14 Abs 1 MedienG (soweit nichts anderes bestimmt ist) die Bestimmungen der Strafprozessordnung für das Verfahren auf Grund einer Privatanklage dem Sinne nach gelten. Soweit ein Strafverfahren auf Begehren eines Privatanklägers stattgefunden hat, welches auf andere Weise als durch ein verurteilendes Erkenntnis beendigt wurde, ist dem Privatankläger der Ersatz aller infolge seines Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die Instanz erledigenden Entscheidung aufzutragen (vgl RIS-Justiz RS0105882).
Demzufolge waren in Ausübung des durch § 292 StPO eingeräumten Ermessens gemäß § 390a Abs 1 StPO iVm §§ 14 Abs 3, 19 Abs 3 MedienG dem Antragsteller auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen (vgl 12 Os 34/90, MR 1993, 219 m Anm Weis; RIS-Justiz RS0105882). Einen damit verbundenen Nachteil für Dritte (hier: für den Privatanklägerposition einnehmenden Antragsteller) nimmt das Gesetz notwendigerweise in Kauf (vgl Ratz, WK-StPO § 292 Rz 29, 33; 13 Os 39/06v, ÖBl 2007/16, 73 mit Anm Gamerith und Anm Reinisch = RZ 2007/7, 101). Der Umfang der Kosten war nach den von der Berufungsgegnerin korrekt angesprochenen Ansätzen des RATG zu bestimmen.
Damit war auch über die mit der Berufung verbundene Kostenbeschwerde des Antragstellers zu entscheiden, der die Honorierung von Eingaben des Antragsgegners nach Erstattung einer Gegenäußerung zu dessen Einwendungen als nicht mehr statthaft reklamiert. Diesem Rechtsmittel war keine Folge zu geben, weil § 14 Abs 4 MedienG keine Eventualmaxime statuiert. Vielmehr können verfahrensbezogene Schriftsätze bis zur Hauptverhandlung eingebracht werden (vgl Rami in WK2 § 14 MedienG Rz 29; Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG2 § 14 Rz 16; Hanusch Komm zum MedienG § 14 Rz 12). Deren konkrete Entlohnung bestimmt sich im Hinblick auf die Verweisungsnorm des § 14 Abs 3 MedienG nach den Kriterien des § 395 Abs 2 StPO. Ein Kostenersatz ist daher zu gewähren, wenn die Vertretungshandlung - gemessen am objektiven Maßstab einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung - notwendig war (vgl Lendl, WK-StPO § 395 Rz 15; Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG2 § 14 Rz 16). Aus welchem Grund die vom Erstgericht honorierten Beweisanträge der Antragsgegnerin, welche zu einer entsprechenden Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vom 16. August 2005 führten (vgl S 47 ff) und solcherart evidentermaßen zweckorientiert waren, keine ersatzfähigen Vertretungshandlungen darstellen sollten, wird übrigens im Rechtsmittel des Antragstellers nicht dargetan.
Für eine allfällige - von einem darauf abzielenden Begehren abhängige - gerichtliche Ermächtigung der Antragsgegnerin zur Veröffentlichung dieses Urteils bzw bestimmter Teile daraus und zur Entscheidung über die Zahlung eines angemessenen Einschaltungsentgelts für diese Urteilsveröffentlichung, eines Entgelts für die aufgrund der angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien erfolgte Veröffentlichung sowie über einen Rückersatzes der Verfahrenskosten an die Antragsgegnerin waren die Akten dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu übersenden, welches im Fall entsprechender Anträge darüber nach Durchführung einer Hauptverhandlung mit Urteil (analog § 16 Abs 2 MedienG) bzw mit Beschluss (analog § 16 Abs 3 MedienG) zu entscheiden haben wird.
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