OGH 14Os51/04

OGH14Os51/0425.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin, in der Medienrechtssache des Antragstellers Mag. Herbert H***** wider die Antragsgegnerin D***** GmbH wegen §§ 14 ff MedienG über die vom Generalprokurator gegen die Urteile der Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. April 2003, GZ 094 Hv 14/03x-7, und vom 4. September 2003, GZ 094 Hv 49/03v-6, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, des Vertreters des Antragstellers, Dr. Rami, und des Vertreters der Antragsgegnerin, Dr. Tonninger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. April 2003, GZ 094 Hv 14/03x-7, verletzt durch den Ausspruch, dass die Entscheidung über die begehrte Geldbuße dem allenfalls fortgesetzten Verfahren vorbehalten bleibt, § 18 Abs 1 und 2 MedienG und durch seine Begründung § 9 Abs 3 MedienG. Dieses Urteil, welches sonst unberührt bleibt, wird im Ausspruch, dass die Entscheidung über die begehrte Geldbuße gemäß § 18 Abs 2 zweiter Satz MedienG dem allenfalls fortgesetzten Verfahren vorbehalten bleibt, aufgehoben. Der Antrag auf Verhängung einer Geldbuße wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Schriftsatz vom 4. März 2003 beantragte der damalige Vizekanzler und Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert H***** wider die Antragsgegnerin "D***** GmbH" beim Landesgericht für Strafsachen Wien die gerichtliche Anordnung folgender

Gegendarstellung:

Sie geben in Ihrem Druckwerk "D*****" Nr 5 vom 29. 1. 2003, Seite 15 in einem mit "Ausreichend Pocken-Impfstoff? Eine Falschmeldung!" betitelten Artikel die Behauptung wieder, Herr Mag. Herbert H***** hätte in seiner Eigenschaft als Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen entgegen seiner Ankündigung keinen Pockenimpfstoff vor Weihnachten 2002 gekauft, und es gäbe im ganzen Land "bis heute keinen Pockenimpfstoff in entsprechender Menge".

Diese Behauptungen sind unrichtig: Herr Mag. Herbert H***** hatte in seiner Eigenschaft als Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen bereits im November 2001 mit einem Pharmahersteller Verhandlungen über den Kauf von Pockenimpfstoff durch die Republik Österreich aufgenommen. Im Oktober 2002 wurde eine Million Dosen dieses Impfstoffes bestellt, die am 27. 12. 2002 geliefert wurden und seitdem in Österreich lagern. Im Jänner 2003 wurden weitere zwei Millionen Dosen dieses Impfstoffes bestellt, die bis Juni 2003 zu liefern sind. Die Anzahl der bestellten Dosen beruht auf wissenschaftlichen Empfehlungen, da bereits viele Österreicher durch frühere Impfungen vor der Pockenkrankheit geschützt sind. Weiters stellte Mag. Herbert H***** den Antrag, der Antragsgegnerin eine an ihn zu leistende Geldbuße aufzuerlegen.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 9. April 2003, GZ 094 Hv 14/03x-7, trug der Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien der Antragsgegnerin auf, in der dem § 13 MedienG entsprechenden Frist und Form im periodischen Druckwerk "D*****" folgende Teile der Gegendarstellung zu veröffentlichen:

"Sie geben in Ihrem Druckwerk 'D*****' Nr 5 vom 29. 1. 2003, Seite 15 in einem mit 'Ausreichend Pocken-Impfstoff? Eine Falschmeldung!' betitelten Artikel die Behauptung wieder, Herr Mag. Herbert H***** hätte in seiner Eigenschaft als Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen entgegen seiner Ankündigung keinen Pockenimpfstoff vor Weihnachen 2002 gekauft.'

Diese Behauptung ist unrichtig: Im Oktober 2002 wurde eine Million Dosen dieses Impfstoffes bestellt, die am 27. 12. 2002 geliefert wurden und seitdem in Österreich lagern."

Gemäß § 18 Abs 2 zweiter Satz MedienG behielt das Gericht die Entscheidung über die begehrte Geldbuße dem allenfalls fortgesetzten Verfahren vor.

Hingegen wies es den Antrag auf Veröffentlichung folgender Teile der weiteren Gegendarstellung ab:

"Herr Mag. Herbert H***** hatte in seiner Eigenschaft als Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen bereits im November 2001 mit einem Pharmahersteller Verhandlungen über den Kauf von Pockenimpfstoff durch die Republik Österreich aufgenommen" und

"Im Jänner 2003 wurden weitere zwei Millionen Dosen dieses Impfstoffes bestellt, die bis Juni 2003 zu liefern sind. Die Anzahl der bestellten Dosen beruht auf wissenschaftlichen Empfehlungen, da bereits viele Österreicher durch frühere Impfungen vor der Pockenkrankheit geschützt sind."

Die Teilabweisung begründete das Gericht damit, dass hinsichtlich der behaupteten Verhandlungen mit einem Pharmahersteller bereits im November 2001 und der Lagerung einer entsprechenden Menge Pockenimpfstoff zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels der Beweis der Unwahrheit gelungen sei.

Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2003 beantragte Mag. Herbert H***** gemäß § 16 Abs 1 MedienG die nachträgliche Fortsetzung des Verfahrens.

Mit (nicht rechtskräftigem) Urteil vom 4. September 2003, GZ 094 Hv 49/03v-6, wies die Einzelrichterin des Landesgericht für Strafsachen Wien den Antrag auf Anordnung der Veröffentlichung der mit Urteil dieses Gerichtes vom 9. April 2003, GZ 094 Hv 14/03x-7, abgewiesenen Teile der Gegendarstellung sowie auf Verhängung einer Geldbuße ab. Über die vom Antragsteller eingebrachte Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld hat das Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden (Verfahren 17 Bs 21/04).

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. April 2003, GZ 094 Hv 14/03x-7, in der Begründung des abweislichen Teils und im Ausspruch des Vorbehalts der Entscheidung über die begehrte Geldbuße mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach § 9 Abs 3 erster Satz MedienG ist in der Gegendarstellung in knapper Weise auszuführen, dass und inwieweit die Tatsachenmitteilung unrichtig oder unvollständig sei und woraus sich dies ergebe. Nach dem dritten Satz leg cit muss die Gegendarstellung entweder die Tatsachen anführen, die im Gegensatz zur Tatsachenmitteilung richtig seien oder letztere in einem erheblichen Punkt ergänzen, oder sich sonst unmittelbar auf die Tatsachenmitteilung und deren Unrichtigkeit oder irreführende Unvollständigkeit beziehen.

Wesentlicher Inhalt einer Gegendarstellung ist somit der Gegensatz zwischen Erstmitteilung ("These") und deren Richtigstellung ("Antithese"; vgl Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz, § 9 Rz 28; Weis, Handbuch der Gegendarstellung2, 44).

Diesem Erfordernis wird die von Mag. Herbert H***** beantragte Gegendarstellung in dem vom Gericht abgewiesenen Umfang nicht gerecht. Denn die Behauptung, im November 2001 mit einem Pharmahersteller Verhandlungen über den Kauf von Pockenimpfstoff durch die Republik Österreich geführt zu haben, steht nicht im kontradiktorischen Gegensatz zur Zeitungsmeldung, dass der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen vor Weihnachten 2002 keinen Pockenimpfstoff gekauft habe. Gleiches gilt für die begehrte Veröffentlichung, dass im Jänner 2003 weitere zwei Millionen Dosen dieses Impfstoffes bestellt wurden, die bis Juni 2003 zu liefern seien, weil dies keine Antithese zur Erstmitteilung darstellt, dass es im ganzen Land bis heute (dem Tag der Zeitungsmeldung) keinen Pockenimpfstoff in entsprechender Menge gäbe, sondern die These geradezu bestätigt.

Das Gericht hätte die mangelnde Kontradiktion von Amts wegen wahrnehmen und das Veröffentlichungsbegehren schon aus diesem Grund im erwähnten Umfang abweisen müssen (vgl Ratz, MR 1994, 222; Hager/Zöchbauer, Persönlichkeitsschutz im Straf- und Medienrecht4, 79 und E 471), ohne auf die Einwendung der Unwahrheit der Gegendarstellung (§ 11 Abs 1 Z 4 MedienG) einzugehen. Die gebotene (teilweise) Abweisung hindert (im Fall der Rechtskraft) ein fortgesetztes Verfahren gemäß § 16 Abs 1 MedienG; denn dieses ist nur zulässig, soweit das Gericht im Urteil nach § 15 Abs 3 MedienG auch über die Einwendung der Unwahrheit der Gegendarstellung entschieden hat (vgl Hager/Zöchbauer aaO 89 f).

Die gebotene endgültige Teilabweisung stünde aber auch der Verhängung einer Geldbuße nach § 18 Abs 1 MedienG entgegen. Denn eine Geldbuße darf nur dann auferlegt werden, wenn der Antragsteller mit seinem Gegendarstellungsbegehren zur Gänze durchdringt, nicht aber, wenn nur auf Teilveröffentlichung erkannt wird (SSt 55/18 = EvBl 1985/9, Hager/Zöchbauer aaO 92). Das Gericht hätte daher den Antrag auf Verhängung einer Geldbuße abweisen und nicht die Entscheidung über diesen Antrag gemäß § 18 Abs 2 zweiter Satz MedienG dem allenfalls fortzusetzenden Verfahren vorbehalten dürfen.

Diese Gesetzesverletzungen waren festzustellen. Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes war auch konkrete Wirkung zuzuerkennen und das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. April 2003 in dem im Spruch angeführten Umfang aufzuheben. Damit entfällt der Rechtsgrund für das Folgeverfahren, womit rechtslogisch auch das Folgeurteil als beseitigt gilt (Ratz, WK-StPO § 292 Rz 28).

Der Stellungnahme des Vertreters des Antragstellers zur Nichtigkeitsbeschwerde ist zu erwidern:

Zwar ist es richtig, dass der Bedeutungsinhalt der Tatsachenmitteilung, auf welche sich die Gegendarstellung bezieht, eine Tatfrage darstellt. Ob die Gegendarstellung dem Gebot der sogenannten Kontradiktorietät entspricht, ist demgegenüber eine Rechtsfrage, deren Bezugspunkt somit die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Publikation bilden, der erwidert werden soll. Ebenso wie ohne Zwischenschaltung eigener Tatsachenfeststellungen zum Sinngehalt der Gegendarstellung die Rechtsfrage einer Änderung des Sinngehaltes nach § 17 Abs 1 dritter Satz MedienG zu beurteilen ist, kann dies auch in Hinsicht auf die Kontradiktorietät der Gegendarstellung geschehen.

Da sich der Bedeutungsinhalt der Gegendarstellung dem angesprochenen Leser noch nicht enthüllt hat, kann er definitionsgemäß nicht - als Tatfrage - aufgeklärt, sondern nur mit Bezug auf den Sinngehalt der Publikation, der erwidert werden soll, rechtlich beurteilt werden. Als Tatfrage in Erwägung käme zwar die prognostische Einschätzung des Bedeutungsinhalts für den angesprochenen Leser im Fall der Veröffentlichung der Gegendarstellung. Anders als etwa die Gefährlichkeitsprognose in den Fällen der §§ 21 ff StGB gehört aber die Gegendarstellung nicht zu den Rechtsfolgebedingungen, stellt vielmehr die Rechtsfolge selbst dar - mit anderen Worten: die Sanktion. Ob die Sanktion (Rechtsfolge) den gesetzlichen Kriterien entspricht, kann aber nur Gegenstand einer rechtlichen Beurteilung und nicht bloß einer tatsächlichen Feststellung sein. Entspricht die Gegendarstellung nur zum Teil den Kriterien der §§ 9, 11 MedienG, sieht das Gesetz zwar eine gerichtliche Veröffentlichungsanordnung, nicht aber - darüber hinausgehend - auch eine Geldbuße vor. Eine solche ist nach § 18 Abs 1 erster Satz MedienG vielmehr nur aufzuerlegen, wenn "die" Gegendarstellung nicht oder nicht gehörig oder verspätet veröffentlicht worden ist. Bestand also keine Rechtspflicht, "die" (gesamte) Gegendarstellung zu veröffentlichen, ist auch keine Geldbuße aufzuerlegen (vgl insoweit auch SSt 55/18). Für die Gültigkeit der Schlussfolgerung der Äußerung des Antragstellers zur Wahrungsbeschwerde wäre die - indes unbewiesene - Prämisse erforderlich, dass jedes rechtswidrige Verhalten im Zusammenhang mit der Nichtveröffentlichung der Gegendarstellung mit Geldbuße sanktioniert werden muss.

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