OGH 6Ob193/05h

OGH6Ob193/05h12.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dagmar I*****, vertreten durch Dr. Gert Kleinschuster, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach dem am 9. Mai 2002 verstorbenen Dr. Anton C*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Robert Wiesler, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 2. Juni 2005, GZ 3 R 60/05y-47, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Zulassungsbeschwerde vermag keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen:

Im Revisionsverfahren ist nur noch der Kündigungsgrund der gänzlichen Weitergabe des Bestandgegenstands gegen unverhältnismäßig hohe Gegenleistung (§ 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG) strittig, dessen Vorliegen die Vorinstanzen bejahten.

Ein konkludenter Verzicht des Vermieters auf die Geltendmachung dieses Kündigungsgrunds kann jedenfalls solange nicht angenommen werden, als der Vermieter von der Höhe des tatsächlich geleisteten Untermietzinses nicht erfahren hat. Eine Erkundungspflicht hinsichtlich der zur Verwirklichung der kündigungstatbestandstauglichen Fakten trifft den Vermieter nicht (RIS-Justiz RS0070551). Der Verzicht auf einen Kündigungsgrund unter dem Gesichtspunkt des § 863 ABGB hat zur Voraussetzung, dass das Zuwarten des Vermieters mit der Aufkündigung unter Umständen erfolgt, aus denen mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibt, dass der Vermieter den ihm bekannten Sachverhalt nicht mehr als Kündigungsgrund geltend machen will. Dabei kommt es immer auf die Umstände des einzelnen Falls und nicht allein darauf an, dass der Vermieter mit der Kündigung längere Zeit zugewartet hat (RIS-Justiz RS0014423 [T2 und T7]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein konkludenter Verzicht auf den Kündigungsgrund hier nicht gegeben ist, stellt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Einzelfalls dar.

Hat der Vermieter gegen Entgelt der Untervermietung zugestimmt und konnte diese Zustimmung mangels entsprechender Einschränkung als von der Höhe des Untermietzinses unabhängig erteilt aufgefasst werden, so schließt eine solche rechtsgeschäftliche Erklärung auch eine spätere Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG aus (RIS-Justiz RS0070472). Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0070583) gewährt der Vermieter dem Mieter mit der Gestattung der Untervermietung allein noch nicht auch die Befugnis, aus dieser einen unverhältnismäßig hohen Vorteil zu ziehen, es sei denn, die Vertragsteile haben weitergehende Abmachungen getroffen, die - wie jede Vereinbarung - auch schlüssig (§ 863 ABGB) zustandekommen können (10 Ob 31/03m mwN). Liegt eine schlüssige Zustimmung des Vermieters zur Untervermietung des Bestandobjekts auch gegen unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vor, so kann die Kündigung nicht auf § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG gegründet werden. Für das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten lassen sich allgemein gültige Aussagen nicht treffen, die als Lösungsschablone für eine Vielzahl von Einzelfällen tauglich wären, beruht doch die Lösung jedes Falls auf singulären Sachverhaltselementen (1 Ob 142/97g; Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 89). Die Beantwortung der Frage nach einem schlüssigen rechtsgeschäftlichen Verhalten entbehrt daher regelmäßig einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung (1 Ob 6/03v; Zechner aaO § 502 ZPO Rz 89 mwN). Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass eine schlüssige Zustimmung des Vermieters zur Untervermietung des Bestandobjekts auch gegen unverhältnismäßig hohe Gegenleistung nach den Umständen des Falls zu verneinen ist, stellt keine krasse Fehlbeurteilung der konkreten Umstände des Einzelfalls dar.

Ob der Mieter den Mietgegenstand (oder Teile davon) einem Dritten iSd § 30 Abs 2 Z 4 MRG gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung überlassen hat, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen (RIS-Justiz RS0106983). Bei der Beurteilung dieser Frage ist nach ständiger Rechtsprechung der Untermietzins den auf die untervermieteten Räume entfallenden Leistungen des Hauptmieters an den Hauseigentümer gegenüberzustellen; maßgebend hiefür ist der Zeitpunkt der Aufkündigung (RIS-Justiz RS0070593 und RS0068242). Als Wert, mit dem die dem Untermieter zugutekommende Investitionen des Hauptmieters zu berücksichtigen sind, ist der tatsächliche Gebrauchswert im Zeitpunkt der Untervermietung maßgebend (RIS-Justiz RS0070688). Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen ausgegangen. Die im Rechtsmittel als erheblich aufgeworfene Frage, ob dann, wenn der Hauptmieter (Untervermieter) Investitionen getätigt hat und die voraussichtliche Dauer des Mietverhältnisses und Untermietverhältnisses von Vornherein befristet ist, der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG überhaupt noch gegeben sein kann, stellt sich schon deshalb nicht, weil nach den Feststellungen die Mietverhältnisse auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurden und nicht von Vornherein befristet waren. Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung, dass - unter Berücksichtigung der dem Untermieter noch zugutekommenden Investitionen des Hauptmieters - eine unangemessen hohe Gegenleistung vorliege, von den in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gebildeten Grundsätzen nicht abgewichen. Ein den Hauptmietzins (einschließlich des zu berücksichtigenden Gebrauchswerts der Investitionen zuzüglich Verzinsung) um mehr als 100 % übersteigender Untermietzins wurde regelmäßig als übermäßig qualifiziert (9 Ob 97/97y; 10 Ob 327/97d mwN).

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