OGH 10Ob37/06y

OGH10Ob37/06y17.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Christian W*****, Unternehmer, *****, vertreten durch Dr. Lothar Hofmann LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien (Wiener Wohnen), Doblhoffgasse 6, 1082 Wien, vertreten durch Mag. DI Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 40.000,-- s. A., infolge Revision der klagenden Partei und Rekurses der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2006, GZ 14 R 149/05t-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Mai 2005, GZ 6 Cg 205/04t-12, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der (sich auf ein Teilbegehren von EUR 35.000,-- s.A. beziehenden) Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Das angefochtene Teilurteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass es zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von EUR 35.000,-- zuzüglich 8 % Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz aus EUR 35.000,-- ab Klagseinbringung zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.754,82 (darin EUR 292,47 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

2. Sowohl dem hinsichtlich eines Teilbegehrens von EUR 5.000,-- s.A. als Rekurs anzusehenden Rechtsmittel der klagenden Partei als auch dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über das Teilbegehren von EUR 5.000,-- s.A. aufgetragen. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei führte im Herbst 2001 ein offenes Vergabeverfahren für diverse Bodenmarkierungsarbeiten in mehreren Wiener Gemeindebezirken durch. Der Auftragswert lag (insgesamt) unter EUR 200.000,--. Das den fünf Ausschreibungen zugrunde gelegte Leistungsverzeichnis sah unter anderem vor, dass Preisaufschläge über 30 % und Preisnachlässe über 12 % bei der Angebotslegung plausibel zu begründen und durch Vorlage von Kalkulationsformblättern laut Ö-NORM B2061 (Ausgabe 01. 09. 1999) zu belegen seien; fehlende oder unvollständige Unterlagen könnten nicht mehr nachgereicht werden und würden aus dem Titel „unvollständiges Angebot - nicht behebbarer Mangel" zum Ausscheiden des Angebotes führen. Der Kläger legte entsprechende Angebote, die allerdings Nachlässe bis zu 31 % vorsahen, ohne dass die geforderten Kalkulationsformblätter angeschlossen waren, weshalb sie ohne Durchführung eines Verbesserungsverfahrens ausgeschieden wurden.

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei den Ersatz seines Verdienstentgangs in Höhe von EUR 40.000,--, weil ihm bei allen Ausschreibungen als Billigstbieter die Aufträge zu erteilen gewesen wären. Seitens der beklagten Partei sei ihm mitgeteilt worden, dass seine Angebote in Ordnung seien. Jedenfalls hätte die beklagte Partei nach der Ö-NORM A 2050 ein Verbesserungsverfahren einleiten müssen. Die Auftragssumme hätte nach vorsichtiger Schätzung EUR 100.000,-- betragen, was unter Zugrundelegung seiner Kalkulation einen Verdienstentgang von EUR 51.269,27 bedeute.

In eventu stützte die klagende Partei einen „Teilbetrag bis zur Höhe von EUR 5.000,-- auch auf Ersatz für Angebotsbearbeitungskosten". Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wandte ein, dass die Angebote des Klägers (auch deshalb) auszuscheiden gewesen seien, weil sie nicht preisangemessen, nicht formrichtig und nicht vollständig gewesen seien und keine plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises aufgewiesen hätten. Ein Verbesserungsverfahren wäre aus verschiedenen Gründen unzumutbar gewesen und hätte außerdem dem Grundsatz der Bietergleichbehandlung widersprochen; selbst bei Durchführung eines solchen Verfahrens hätten die Angebote des Klägers ausgeschieden werden müssen. Dem Kläger könne kein Gewinn entgangen sein, da bei den von ihm angebotenen Preisen ein solcher gar nicht möglich gewesen wäre. Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen. Über den eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalt hinaus traf es noch die Feststellung, dem Kläger sei von Mitarbeitern der beklagten Partei nicht mitgeteilt worden, dass bei der Angebotslegung keine Kalkulationsformblätter beizubringen seien.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass aufgrund des geringen Auftragswertes das Wiener Landesvergabegesetz nicht anzuwenden sei. Wohl sei die beklagte Partei zur Einhaltung der Ö-NORM A 2050 verpflichtet gewesen, weil diese den für alle öffentlichen Auftraggeber verbindlichen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz konkretisiere. Es widerspreche aber nicht dem Gleichheitssatz, wenn das Leistungsverzeichnis vorsehe, dass fehlende Kalkulationsformblätter als nicht behebbarer Mangel zu behandeln seien und zum Ausscheiden des Angebotes führten. Auch der öffentlichen Hand sei nämlich im „klaren Unterschwellbereich" die Möglichkeit eines kurzen, ökonomisch effizienten Vergabeverfahrens einzuräumen. Die von der beklagten Partei in das Leistungsverzeichnis aufgenommene Bestimmung sei daher rechtsverbindlich und die Ausscheidung des Angebotes des Klägers zu Recht erfolgt. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil „im Umfang der Abweisung des Hauptbegehrens von EUR 40.000,-- s.A. als Teilurteil" und hob das Ersturteil „im Umfang der Abweisung des Eventualbegehrens von EUR 5.000,-- s.A." zur Verfahrensergänzung auf. Es verneinte eine auf eine Verletzung der Anleitungspflicht („Überraschungsentscheidung") gegründete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, befasste sich aus rechtlichen Gründen nicht mit der Tatsachenrüge und führte in der rechtlichen Beurteilung aus, dass eine gesetzliche Grundlage für die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens seitens der beklagten Partei angesichts des unter EUR 200.000,-- gelegenen Auftragswertes nicht bestanden habe. Allerdings verpflichte Punkt 7.3.5. der Ö-NORM A 2050, die nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch in gesetzlich nicht näher determinierten Vergabeverfahren einzuhalten sei, dazu, bei Unklarheiten oder Mängeln eines Angebotes vom Bieter schriftliche Aufklärung binnen angemessener Frist zu verlangen (7.3.5.1.). Weise dagegen ein Angebot solche Mängel auf, dass dem Auftraggeber eine Bearbeitung nicht zugemutet werden könne, so sei es nicht weiter zu behandeln (7.3.5.2.). Die durch die erteilten Aufklärungen allenfalls veranlasste weitere Vorgangsweise dürfe die Grundsätze des Vergabeverfahrens (4.1.1.: freier und lauterer Wettbewerb sowie Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter; 7.4.: Verbot von Verhandlungen mit den Bietern) nicht verletzen (7.3.5.3.). Die beklagte Partei berufe sich offensichtlich auf Punkt 7.3.5.2., wenn sie vorbringe, dass es ihr aufgrund des geringen Auftragswertes und der administrativen Kosten eines oder mehrerer Verbesserungsverfahren nicht zumutbar gewesen sei, die erforderlichen und in den Ausschreibungsbedingungen eindeutig geforderten Informationen erst durch zeit- und kostenaufwändige Verbesserungsverfahren zu erlangen, zumal dies dem Gebot einer ordnungsgemäßen, sparsamen und effektiven Verwaltung widersprochen hätte. Aus diesem Vorbringen könne jedoch die Unzumutbarkeit eines Verbesserungsverfahrens nicht abgeleitet werden. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit die geringfügigen Kosten eines (schriftlichen, telefonischen oder elektronischen) Verbesserungsauftrages dem Sparsamkeitsgebot bzw die Einräumung einer angemessenen kurzen Verbesserungsfrist dem Effizienzgebot der Verwaltung zuwider laufen sollten.

Mangels Unzumutbarkeit eines Verbesserungsverfahrens habe das Fehlen der Kalkulationsformblätter nicht als unbehebbarer Mangel angesehen werden können, der die beklagte Partei gemäß Punkt 7.5.1. Abs 9 der Ö-NORM A 2050 zum sofortigen Ausscheiden des Angebotes des Klägers berechtigt hätte. An der zwingenden Notwendigkeit eines Verbesserungsverfahrens könne auch der Umstand nichts ändern, dass die Ausschreibungsbedingungen das Gegenteil vorgesehen hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesvergabeamtes zu der - mit Punkt 7.5.1. Abs 9 der Ö-NORM A 2050 wörtlich übereinstimmenden - Bestimmung des § 98 Z 8 Bundesvergabegesetz 2002 sei die Nichtabgabe von Kalkulationsformblättern jedenfalls als behebbarer Mangel zu qualifizieren, der grundsätzlich auch nicht vom Auftraggeber durch Festlegungen in den Ausschreibungsbedingungen zu einem unbehebbaren Mangel umgedeutet werden könne.

Die Ausschreibungsbedingungen, auf die sich die beklagte Partei gestützt habe, seien somit als vergaberechtswidrig zu qualifizieren. Die dadurch bewirkte Ungleichbehandlung der Bieter ergebe sich schon daraus, dass durch die rechtswidrige Ausscheidung des Angebotes des Klägers ein Bieter den Zuschlag erlangen habe können, der möglicherweise gar nicht Bestbieter gewesen wäre, „wenn man den Kläger sein Anbot verbessern lassen hätte".

Daraus könne jedoch entgegen der Ansicht des Klägers nicht die „Nichtigkeit" der entsprechenden Bestimmungen in den Ausschreibungsunterlagen und noch weniger ein Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens abgeleitet werden. Vielmehr wäre ein Grund vorgelegen, die Ausschreibung inhaltlich anders zu gestalten. Dies hätte gemäß Punkt 5.7. der Ö-NORM A 2050 zum Widerruf der Ausschreibung während der Angebotsfrist führen müssen. Liege aber ein zwingender Widerrufsgrund vor, dürfe kein Zuschlag erteilt werden. Der Kläger hätte daher gar nicht mit einem Zuschlag rechnen dürfen, sodass ihm allein durch die fehlerhafte Ausschreibung nicht der Gewinn entgangen sein könne, den er im Falle eines Zuschlags erzielt hätte.

Ein Zuspruch des Erfüllungsinteresses komme bei dieser Konstellation höchstens dann in Frage, wenn der Kläger behauptet und bewiesen hätte, dass er bei von vornherein korrekter Ausschreibung oder bei Neuausschreibung Bestbieter gewesen wäre und daher nur ihm und keinem sonstigen Mitbewerber der Zuschlag erteilt werden hätte dürfen. Derartiges habe er aber nicht vorgebracht, weshalb ihm nicht der Ersatz des Erfüllungsinteresses, sondern nur jener des Vertrauensschadens zustehe. Die Abweisung des auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens gerichteten Hauptbegehrens sei deshalb zu bestätigen.

Der mit dem „Eventualbegehren" geltend gemachte Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens leite sich schon aus der rechtswidrigen Gestaltung des Leistungsverzeichnisses und der darauf beruhenden Unterlassung eines Verbesserungsverfahrens ab. Es müsse demnach nicht geklärt werden, ob der Kläger sein unvollständiges Angebot aus freien Stücken oder aufgrund der behaupteten falschen Auskunft gelegt habe. Auf die Beweisrüge, die sich nur mit dieser Frage auseinandersetze, sei deshalb nicht weiter einzugehen.

Zur Höhe des Vertrauensschadens habe das Erstgericht infolge seiner vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsansicht, die Ausschreibung sei korrekt gewesen, keine Feststellungen getroffen. Insoweit sei das Verfahren noch zu ergänzen. Es sei erforderlich, den Kläger zur Präzisierung seines rudimentär gebliebenen Vorbringens zu den entstandenen „Angebotsbearbeitungskosten" aufzufordern und die von ihm anzubietenden Beweise zur Höhe dieser Kosten aufzunehmen. Somit sei hinsichtlich des Eventualbegehrens auf Ersatz des Vertrauensschadens die angefochtene Entscheidung aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mangels einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage, welche Rechtsfolgen der Ausschluss einer Verbesserungsmöglichkeit in den Ausschreibungsunterlagen bei einem Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich nach der Ö-NORM A 2050 habe, sei gegen den bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung die ordentliche Revision und gegen den aufhebenden Teil der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Rekurs der beklagten Partei aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die klagende Partei beantragt eine Abänderung im klagsstattgebenden Sinn, die beklagte Partei eine Entscheidung in der Sache im Sinne einer Wiederherstellung des gänzlich klagsabweisenden Ersturteils. Hilfsweise werden beiderseits Aufhebungs- und Zurückverweisungsanträge gestellt.

In der Revisionsbeantwortung beantragt die beklagte Partei, die Revision der klagenden Partei als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben. Die klagende Partei stellt in der Rekursbeantwortung den Antrag, dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittel sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; nur das Rechtsmittel der beklagten Partei ist auch berechtigt.

1. Zum Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof:

1.1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes hat der Kläger kein Haupt- und Eventualbegehren gestellt. Er begehrte im Verfahren erster Instanz als Verdienstentgang einen „Betrag von jedenfalls EUR 40.000,--" und stützte in eventu einen „Teilbetrag bis zur Höhe von EUR 5.000,-- auch auf Ersatz für Angebotsbearbeitungskosten". Da die klagende somit höchstens den Betrag von EUR 40.000,-- erlangen will (und davon den Teilbetrag von EUR 5.000,-- auf zwei sachverhaltsmäßig alternative Anspruchsgrundlagen stützt), kann sich das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes nicht auf den Betrag von EUR 40.000,-- s. A., sondern nur auf einen Betrag von EUR 35.000,-- s.A. beziehen.

1.2. Der Umstand, dass der Kläger nur eine „Revision" gegen die „Abweisung des Hauptbegehrens von EUR 40.000,--" erhoben (und nicht eine Revision gegen die Abweisung von EUR 35.000,-- s.A. mit einem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss betreffend EUR 5.000,-- s.A. kombiniert) hat, schadet nicht, weil sich die Anfechtbarkeit einer Entscheidung nach der gesetzlich vorgeschriebenen Entscheidungsform richtet (RIS-Justiz RS0041880) und der Kläger in seinem Rechtsmittel insgesamt den Nichtzuspruch von EUR 40.000,-- s.A. anficht; davon sind EUR 35.000,-- s.A. vom Berufungsurteil umfasst (und daher mit Revision anzufechten) und EUR 5.000,-- s.A. vom Aufhebungsbeschluss (und daher mit Rekurs anzufechten).

1.3. Hinsichtlich der Anfechtung durch den Beklagten ist klar, dass dieser allein die Aufhebung betreffend den Teilbetrag von EUR 5.000,-- s.A. bekämpft und auch diesbezüglich eine Klagsabweisung entsprechend dem Ersturteil erreichen will.

2. Zur Revision des Klägers:

2.1. In der Revision gegen die Abweisung seines auf Zuerkennung eines Verdienstentganges von EUR 40.000,-- (in eventu eines Teilbetrages von EUR 5.000,-- als Ersatz für Angebotsbearbeitungskosten) gerichteten Begehrens stellt der Kläger in den Vordergrund, dass ihm bei korrekter Vorgangsweise der beklagten Partei (Berichtigung der Ausschreibung bzw Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zur Vorlage der Kalkulationsblätter) der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre. Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt er weiters, das Berufungsgericht habe ihn mit der Rechtsansicht überrascht, dass die rechtswidrige Ausschreibung zwingend zu widerrufen gewesen wäre.

2.2. In erster Instanz hat der Kläger vorgebracht, dass er bei den fünf dem nunmehrigen Verfahren zugrunde liegenden Ausschreibungen Billigstbieter gewesen wäre und dass ihm die Aufträge (dreijährige Rahmenverträge mit einem Auftragsvolumen von je etwa EUR 20.000,--) zu erteilen gewesen wären. Als Verdienstentgang ergebe sich ein Betrag von jedenfalls EUR 40.000,--.

2.3. Die Ausschreibung der dem nunmehrigen Verfahren zugrunde liegenden Bodenmarkierungsarbeiten erfolgte im offenen Verfahren im Unterschwellenbereich; weder bundes- noch landesgesetzliche Vergabevorschriften sind auf den Vergabevorgang unmittelbar anwendbar. Den Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die ÖNorm A 2050 Bestandteil der Ausschreibung geworden ist (in den Angeboten ./K - ./N findet sich lediglich in Bezug auf die Veränderlichkeit der Preise ein Hinweis auf die ÖNorm A 2050). Der Oberste Gerichtshof hat zuletzt seiner Entscheidung 7 Ob 259/04w vorangestellt, dass ein Vergabeverfahren durchaus ohne Zugrundelegung einer ÖNorm durchgeführt werden kann und die Vergabe dann ausschließlich aufgrund des Inhalts der Angebote - wenn auch unter Rücksichtnahme auf die Grundsätze der Bietergleichbehandlung und eines fairen Bieterwettbewerbs - zu erfolgen hat (eingehend bereits 1 Ob 201/99m = SZ 73/55). Eine zwingende Heranziehung aller Regeln der ÖNorm A 2050 in allen Vergabeverfahren als Maßstab für die Gültigkeit von Ausschreibungsbedingungen ist schon allein aus Gründen der fehlenden Gesetzeskraft der ÖNorm A 2050 abzulehnen (vgl RIS-Justiz RS0038622; ebenso Reischauer in Rummel3 Vor §§ 918 - 933 Rz 17a). Die ausschreibende Stelle hat im konkreten Fall einen nach herrschender Ansicht (Fink/Schiefer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht2 [2005] 405 mwN) an sich behebbaren Mangel, nämlich die Nichtvorlage von Kalkulationsblättern mit dem Angebot, durch entsprechende Festlegung in den Ausschreibungsbedingungen in einen unbehebbaren umgedeutet. Aus welchem Grund dies im Unterschwellenbereich (also außerhalb des Anwendungsbereiches von Vergabegesetzen wie dem Bundesvergabegesetz) unter Gesichtspunkten der Bietergleichbehandlung rechtswidrig sein soll ist nicht erkennbar, wird doch dadurch weder die Wettbewerbsstellung der Anbieter zueinander noch das Verhältnis zwischen der ausschreibenden Stelle und den Anbietern verändert. Es ist zwar richtig, dass auch ein Verbesserungsverfahren für sich allein zu keiner Umreihung der Angebote führen kann, weil nur die Informationsgrundlagen für die vergebende Stelle verbessert werden, doch kann durchaus ein Interesse dieser Stelle bestehen, etwa im Hinblick auf einen geringen Auftragswert ein komplikationsloses Vergabeverfahren zu ermöglichen und daher kein Verbesserungsverfahren einleiten zu müssen. So wie sich Bieter bei der Erstellung ihrer Angebote an die Ausschreibungsbedingungen zu halten haben, widrigenfalls ein Angebot ausgeschieden werden kann, so verbietet es das bei der Vergabe durch die öffentliche Hand zu beachtende (und auch dem Schutz der Bieter dienende) Gleichheitsgebot, dass Bewerber unterschiedlich behandelt werden, etwa auch indem einem Bewerber ohne sachliche Notwendigkeit die Möglichkeit zum Verbessern seines Angebotes eingeräumt wird (Heid, Vergabeverstoß: Ersatz des Erfüllungsinteresses, ecolex 1995, 93). In diesem Sinn war die beklagte Partei nicht gehalten, im Verhältnis zur beklagten Partei ein Verbesserungsverfahren einzuleiten.

2.4. Geht man entsprechend dem Vorbringen des Klägers von einer der beklagten Partei zuzurechnenden Zusage aus, dass entgegen den Ausschreibungsbedingungen eine Vorlage von Kalkulationsblättern gleichzeitig mit dem Angebot nicht notwendig wäre, wäre der beklagten Partei ein Verstoß gegen vorvertragliche Schutzpflichten anzulasten, wenn sie dadurch den auf die Zusage vertrauenden Kläger um seine Chance gebracht hätte, den Zuschlag zu erhalten. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach (auch außerhalb des Anwendungsbereiches des BVergG, beispielsweise wegen Nichterreichens des Schwellenwertes) unter Heranziehung verschiedener Rechtsgrundlagen, etwa des bei öffentlichen Ausschreibungen

einzuhaltenden Gleichbehandlungsgebotes (1 Ob 201/99m = SZ 73/55) und

gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben (7 Ob 92/99a = SZ 73/62 = ecolex

2000, 502 [Wilhelm 493]), ausgesprochen, dass einem übergangenen Bieter der Ersatz des Erfüllungsinteresses zustehen kann, dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass ihm bei rechtmäßiger Vergabe der Zuschlag erteilt werden hätte müssen (RIS-Justiz RS0030354 [T5] und [T6]; eingehend etwa Reinbacher, Schadenersatz im Vergaberecht [2002] 102 ff). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben, weil der Kläger mangels Vorlage der in der Ausschreibung geforderten Kalkulationsblätter den ihm (zuletzt 6 Ob 8/06d = RIS-Justiz RS0013936 [T4] mwN) obliegenden Beweis dafür nicht erbringen kann: Gerade im Gegenteil hätte ihm der Zuschlag nur bei unrechtmäßiger Vorgangsweise erteilt werden können. Die von ihm behauptete Unrechtmäßigkeit des Verhaltens der beklagten Partei liegt schon „in der Wurzel des Vergabeverfahrens" und hat nutzlose Aufwendungen produziert, die (nur) als Vertrauensinteresse ersatzfähig sind (Arztmann, Schadenersatz im Vergaberecht in Deutschland und Österreich [2005] 196 f).

Aus diesem Grund kann dem Kläger das Erfüllungsinteresse nicht zustehen, weshalb das entsprechende Begehren (im Umfang von EUR 35.000,-- s.A.) von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen wurde. Dem Rechtsmittel des Klägers ist daher insoweit ein Erfolg zu versagen, ohne dass es eines Eingehens auf die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bedürfte.

3. Zum Rekurs der klagenden und der beklagten Partei:

3.1. Betreffend das auf Ersatz des Vertrauensschadens (Angebotsbearbeitungskosten) gerichtete Teilbegehren (EUR 5.000,-- s. A.) hat das Berufungsgericht einen Ersatzanspruch des Klägers dem Grunde nach bejaht und dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung zur Klärung der Schadenshöhe aufgetragen. Die Begründung liegt zusammengefasst darin, dass die Ausschreibung infolge Rechtswidrigkeit der letztlich kein Verbesserungsverfahren zulassenden Ausschreibungsbedingungen zu widerrufen gewesen wäre.

3.2. In ihrem Rekurs weist die beklagte Partei darauf hin, dass im konkreten Fall die (gesamte) ÖNorm A 2050 eben gerade nicht Bestandteil der Ausschreibung gewesen sei und dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht von einer generellen Verbindlichkeit dieser ÖNorm in Vergabeverfahren ausgehe, sondern diese in Bezug auf Bietergleichbehandlung und Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs als Maßstab für allgemeine Sorgfaltspflichten ansehe, an die sich der Ausschreibende im Rahmen seiner vorvertraglichen Pflichten zu halten habe.

Diese Ansicht ist - wie schon unter Punkt 2.3. ausgeführt wurde - zu teilen, weil ein Vergabeverfahren auch ohne Zugrundelegung einer ÖNorm durchgeführt werden kann.

3.3. Dennoch erweist sich die Sache nicht als spruchreif. Der Kläger hat sein Begehren auf Ersatz des Vertrauensschadens im Umfang von EUR 5.000,-- s.A. darauf gestützt, dass ihm noch vor Angebotslegung „seitens der beklagten Partei, insbesondere der zuständigen Sachbearbeiterin ... mitgeteilt" worden sei, „dass das Ausfüllen von Kalkulationsformblättern nicht notwendig sei".

Diese Behauptung, sollte sie sich beweisen lassen, ist zwar nicht geeignet, eine Grundlage für einen Anspruch des Klägers auf Ersatz des Erfüllungsinteresses zu bilden, weil sein Angebot mangels Vorlage der Kalkulationsblätter ausgeschieden werden konnte und er daher keinesfalls als Bestbieter in Betracht kam (siehe oben 2.4.). Sie kann aber, wie ebenfalls schon dargestellt, zu einem Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens führen, zumal nach ständiger Rechtsprechung auch im Vergabeverfahren vorvertragliche Sorgfaltspflichten im Verhältnis zwischen Ausschreibendem und Bietern bestehen (siehe etwa RIS-Justiz RS0013934 [T2]). Nach diesen können unrichtige Auskünfte über die Bedingungen, unter denen der Zuschlag erteilt werden würde, zu Ansprüchen auf Ersatz des Vertrauensschadens führen.

Die dem Prozessvorbringen des Klägers entgegen stehende Negativfeststellung des Erstgerichtes wurde vom Kläger in der Berufung bekämpft. Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht, dass der Vertrauensschaden bereits aufgrund der Rechtswidrigkeit der Ausschreibungsbedingungen zustehe, hat sich das Berufungsgericht mit der Tatsachenrüge nicht auseinandergesetzt; dies ist in dem zu ergänzenden Verfahren nachzuholen.

3.4. Die beklagte Partei hat in ihrem Schriftsatz ON 6 vorgebracht, dass die Angebote des Klägers - unabhängig von der Vorlage der Kalkulationsblätter - jedenfalls nicht zu einem Zuschlag an ihn geführt hätten. Damit tritt die beklagte Partei offensichtlich dem Vertrauensschadenersatzanspruch (auch) mit der Begründung entgegen, dass der Kläger auch aus anderen Gründen als den konkret herangezogenen gar keine Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte. Spezialregeln wie § 122 Abs 2 BVergG 1997 und § 181 Abs 2 BVergG 2002 stellen in diesem Zusammenhang jeweils auf die Vereitelung einer „echten Chance" ab, sind aber im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Nun hat zwar die (mögliche) Fehlvergabe den Vertrauensschaden in Form frustrierter Aufwendungen für die Angebotserstellung nicht verursacht, weil dieser Aufwand in jedem Fall, also auch bei ordnungsgemäßer Vergabe entstanden wäre (Rummel, Zivilrechtliche Probleme des Vergaberechts, ÖZW 1999, 1 [10, 12]; zustimmend auch Reischauer in Rummel3 Vor §§ 918 - 933 Rz 17b). Allerdings kann der Geschädigte den Nachweis erbringen, dass er Aufwendungen (hier: die Verfassung eines Angebots ohne Kalkulationsblätter) im Vertrauen auf eine bestimmte zusagte Vorgehensweise des Auftraggebers getätigt hat und sich diese Aufwendungen im Nachhinein als frustriert herausstellen, weil die Zusage doch nicht eingehalten wird, weshalb er um seine Bestbietereigenschaft kommt (vgl Reinbacher, Schadenersatz im Vergaberecht [2002] 67; Elsner, Vergaberecht [1999] 90).

3.5. Zutreffenderweise ist das Berufungsgericht im Übrigen davon ausgegangen, dass im Fall der Bejahung des Anspruchs dem Grunde nach das Verfahren auch hinsichtlich der Höhe eines möglichen Vertrauensschadens noch zu ergänzen ist.

4. Zur Kostenentscheidung:

Der Kläger blieb mit seiner Revision endgültig ohne Erfolg, weshalb er der beklagten Partei die Kosten der Revisionsbeantwortung (auf einer Bemessungsgrundlage von EUR 35.000,--) zu ersetzen hat. Der Kostenvorbehalt hinsichtlich der Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO, der Kostenvorbehalt hinsichtlich der Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz auf § 52 Abs 2 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte