OGH 7Ob259/04w

OGH7Ob259/04w17.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Hon. Prof. Dr. Neumayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karin G*****, vertreten durch Dr. Otto Holter und andere, Rechtsanwälte in Grieskirchen, gegen die beklagte Partei Gemeinde K*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, wegen EUR 15.590,08 sA und Feststellung (Streitinteresse EUR 13.600,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 3. Juni 2004, GZ 4 R 94/04b-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teil-Zwischenurteil des Landesgerichtes Wels vom 23. Februar 2004, GZ 6 Cg 267/03a-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt ein Müllabfuhrunternehmen mit Sitz in G*****. Auf Grund eines Vertrages vom 4. 12. 1987 führte sie die Entsorgung des im Gemeindegebiet der beklagten Partei anfallenden Haus- und Sperrmülls bis Ende 2000 durch. Mit Schreiben vom 2. 11. 2000 kündigte die Klägerin eine Erhöhung der im Vertrag festgelegten Gebühren entsprechend dem Verbraucherpreisindex 1966 ab 1. 1. 2001 an. Mit Schreiben vom 6. 11. 2000 antwortete hierauf die beklagte Partei, den Vertrag mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2001 aufzukündigen, wobei jedoch beabsichtigt sei, die Hausabfall- und Sperrmüllsammlung auf die Dauer von fünf Jahren beschränkt auszuschreiben; die entsprechenden Angebotsunterlagen würden der Klägerin in den nächsten Tagen zugehen.

Mit Schreiben vom 8. 11. 2000 verständigte die beklagte Partei die Klägerin, weiters die Firma A***** (im Folgenden kurz: Firma A*****) und die V*****, dass sie eine beschränkte Ausschreibung für die Abfuhr der Hausabfälle und der sperrigen Abfälle per 1. 1. 2001 durchführe und lud die drei Unternehmen ein, die beigelegten Angebotsunterlagen auszufüllen und bis spätestens 24. 11. 2000 im Gemeindeamt abzugeben. Das Schreiben enthielt darüber hinaus den Hinweis, dass der beklagten Partei "durch die Entgegennahme der Angebote keine wie immer gearteten Verpflichtungen entstehen. Sie ist auch nicht an das billigste Angebot gebunden und kann alle Angebote ohne Angabe von Gründen ablehnen." Hinsichtlich der sonstigen Bestimmungen im Ausschreibe-Schreiben wird auf die Wiedergabe in Seite 3 des Berufungsurteiles (AS 115) verwiesen (§ 510 Abs 3 erster Satz ZPO).

Sämtliche drei angeschriebene Unternehmen legten fristgerecht Angebote, wobei es sowohl im Angebot der Klägerin als auch jenem der Firma A***** unter Punkt 1.16 (Preiserstellung) heißt, dass die Abrechnung der Sperrmüllabfuhr nach Regiestunde(n) erfolgt.

Das Angebot der Firma A***** enthielt überdies folgenden Zusatz:

"Weiters erhält die Gemeinde für Veranstaltungen jährlich einen Unterstützungsbeitrag von ATS 15.000,--. Dafür verpflichtet sie sich ein Werbetransparent der A***** an gut sichtbarer Stelle anzubringen." Tatsächlich war die Gegenleistung für diesen Unterstützungsbeitrag, nämlich die Anbringung eines Werbetransparentes, bloß mit ca ATS 1.000,-- zu bewerten. Die beklagte Partei errechnete nach Eingang der Anbote - hinsichtlich deren weiterer Einzelheiten ebenfalls gemäß § 510 Abs 3 erster Satz ZPO auf die Wiedergaben im Berufungsurteil verwiesen werden kann - die Gesamtsummen der Angebote und stellte sie einander gegenüber. Dabei ergaben sich jährliche Gesamtnettokosten von ATS 247.102,80 für das Angebot der Klägerin und solche von ATS 253.032,40 für das Angebot der Firma A*****, wobei der Unterstützungsbeitrag von S 15.000,-- für Veranstaltungen berücksichtigt worden war. Bei den Sperrmüllkosten allein reihte die Beklagte die Firma A***** wegen des nur von ihr angebotenen Pauschales an erster Stelle. Zusätzlich berechnete die Beklagte die Gesamtsummen der Angebote auch noch nach dem von der Ausschreibung abweichenden sog "Ist-Zustand", in dem sie bei der Position 4.1.3 statt von 715 nur von 500 Stück 4-wö 90 l Behältern ausging. Bei dieser Berechnung war die A***** (nur) unter Berücksichtigung des Unterstützungsbeitrages von ATS 15.000,-- für Veranstaltungen Billigstbieter. Ansonsten hätte dies auf die klagende Partei zugetroffen.

Mit der am 29. 9. 2003 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin unter Hinweis darauf, als Billigstbieter unrechtmäßig übergangen worden zu sein, den Ersatz ihres Verdienstentganges vom 1. 1. 2001 bis 31. 8. 2003 in Höhe von EUR 15.590,08 sA sowie (hinsichtlich des künftig entgehenden Verdienstes) die Feststellung der Haftung der beklagten Partei. Der Auftrag sei zu Unrecht an die Firma A***** auf Grund eines in der Ausschreibung nicht vorgesehenen Kriteriums, nämlich deren Unterstützungsbeitrages für Veranstaltungen, erteilt worden. Die beklagte Partei habe so das Gleichbehandlungsgebot verletzt.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Sie habe unter den Anbietern frei wählen dürfen und sei nicht verpflichtet gewesen, den Auftrag an den Billigstbieter zu erteilen. Durch die Vorgangsweise der Klägerin vor und während der Ausschreibung sei ihre Vertrauensbasis zu dieser erschüttert worden. Das Erstgericht sprach mit Teil-Zwischenurteil aus, dass das (Zahlungs-)Begehren der Klägerin dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es beurteilte den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass die klagende Partei das wirtschaftlich günstigste Angebot gelegt habe und ihr daher der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre. Die beklagte Partei hätte auch nicht eine von den Ausschreibungsunterlagen abweichende Anzahl von zu entsorgenden Behältern zugrundelegen dürfen sowie weiters den von der Firma A***** angebotenen Unterstützungsbeitrag unberücksichtigt lassen müssen, weil es sich hiebei nicht um einen Sondernachlass, sondern um eine ausschreibungsfremde Gegenleistung gehandelt habe.

Das von der beklagten Partei lediglich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens angerufene Berufungsgericht gab deren Rechtsmittel keine Folge; es sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht zweiter Instanz (zusammengefasst) aus, dass (was auch unstrittig sei) weder die Ö-Norm A 2050 (mangels entsprechender Vereinbarung) noch das oö Vergabegesetz (zufolge Erreichens des erforderlichen Schwellenwertes) anzuwenden seien, jedoch der verfassungsrechtlich anerkannte Gleichheitssatz und die Grundsätze eines fairen Vergabeverfahrens zu beachten gewesen seien, worauf alle drei Anbieter wechselseitig hätten vertrauen dürfen. Die zwischen Preiserhöhungsankündigung einerseits und Ausschreibungsbeteiligung andererseits liegenden Preisabweichungen der Klägerin rechtfertigten keinen Rückschluss auf Vertrauensunwürdigkeit der Klägerin schlechthin; insoweit lägen bloße Unterstellungen der Berufungswerberin vor. Ausgehend von der Gesamtsummengegenüberstellung sei die Klägerin tatsächlich Billigstbieterin gewesen. Durch die Veranschlagung von nur 500 Stück Behältern statt 715 laut Ausschreibung habe die Beklagte die das Vergabeverfahren beherrschenden Grundsätze missachtet. Auch das Fehlen eines Pauschalpreises habe die beklagte Partei nicht berechtigt, das Angebot der Klägerin auszuscheiden. Beim Unterstützungsbeitrag der Firma A***** habe es sich um einen vergabefremden Aspekt gehandelt, der unberücksichtigt bleiben hätte müssen. Die beklagte Partei sei daher der Klägerin gegenüber dem Grunde nach (für deren erlittenen Verdienstentgang) schadenersatzpflichtig, wobei auf ein Mitverschulden schon mangels entsprechender Einwendung in erster Instanz nicht einzugehen sei. Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil die Frage, wie sich die Berücksichtigung des Angebotes eines Bieters, dem öffentlichen Auftraggeber für Veranstaltungen jährlich einen Unterstützungsbeitrag zu zahlen, mit dem Grundsatz des Gleichbehandlungsgebotes im Ausschreibungsverfahren verträgt, von allgemeiner Bedeutung sei, hiezu jedoch eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, in Stattgebung des Rechtsmittels das Klagebegehren vollinhaltlich abzuweisen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär der Antrag gestellt wird, das gegnerische Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem keine Folge zu geben. Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig, weil sich die Rechtssache bereits nach den bisher vom Obersten Gerichtshof zu Fragen des Vergaberechtes ergangenen zahlreichen Entscheidungen lösen lässt und das Berufungsgericht diese Grundsätze auch zutreffend beachtet und seiner Entscheidung ausführlich zugrundelegt hat (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof dabei auf die Wiedergabe der Zurückweisungsgründe beschränken.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist hiebei zunächst, dass zufolge des Umstandes, dass das Erstgericht vorerst bloß ein Teil-Zwischenurteil gefällt hat, in dessen Entscheidungsgründen auch ausdrücklich ausgesprochen wurde, dass "die Höhe des tatsächlichen Schadens noch zu klären sein wird", vorgreifende Ausführungen des Obersten Gerichtshofes hiezu grundsätzlich (um nicht den Charakter eines obiter dictum zu erlangen) zu unterbleiben und sich demgemäß auf den (auch nur den erstinstanzlichen Urteilsgegenstand bildenden) Grund des Anspruches zu beschränken haben.

Dass das gegenständliche Vergabeverfahren nicht unter Zugrundelegung einer Ö-Norm durchzuführen war (vgl etwa RIS-Justiz RS0013934), ergibt sich bereits aus der diesbezüglichen im Berufungsverfahren unbekämpft gebliebenen Tatsachenfeststellung einer fehlenden diesbezüglichen Vereinbarung der Streitteile (ebenso wie auch im Verhältnis zu den übrigen Mietbietern). Soweit in der Revision hievon Abweichendes ausgeführt wird, wird die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig zur Darstellung gebracht und muss damit insoweit unbeachtlich bleiben. Unstrittig ist weiters die Nichtanwendung des oö Vergabegesetzes LGBl 1994/59 (welches zwischenzeitlich per 1. 1. 2003 mit Inkrafttreten des oö Vergabenachprüfungsgesetzes LGBl 2002/153 gemäß § 20 Abs 1 außer Kraft gesetzt wurde, jedoch nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle für Vergabeverfahren vor Inkrafttreten des neuen Landesgesetzes noch grundsätzlich anwendbar wäre; vgl hiezu auch Brinker/Roniger/Punz/Vock, Österr. Vergaberecht, Rz 588 ff [Landesteil Oberösterreich]) zufolge Nichterreichens des für dessen sachlichen Anwendungsbereich erforderlichen Schwellenwertes. Auch im vergabegesetzlich nicht geregelten Bereich unterhalb der Schwellenwerte entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass einem übergangenen (Best-)Bieter bei Verletzung des im Rahmen einer Ausschreibung zwingend einzuhaltenden (RIS-Justiz RS0030349) Gleichheitsgebotes Schadenersatzansprüche zustehen (RIS-Justiz RS0030354, RS0013936). In diesem Sinne wurde etwa ausgesprochen, dass - zumal die Vergabe ausschließlich auf Grund des Inhaltes der Anbote zu erfolgen hat - durch einen Ausschreibenden (wie hier) der öffentlichen Hand, der nach Herausnahme eines Teiles von Arbeiten eine Neubewertung vorgenommen hat, hiedurch einseitig in die Angebotsinhalte eingegriffen wird und so unter Umständen durch gezielte Streichungen (Veränderungen) die Reihung der Anbotssummen verändert wird, was den auf Gleichbehandlung ausgerichteten Vergabegrundsätzen sohin zuwiderläuft und damit unzulässig ist (RIS-Justiz RS0110586).

Diese Einhaltung der Vergabebestimmungen samt Verhaltenspflichten dient vor allem dem Schutz der Bieter vor unlauterer Vorgangsweise bei der Vergabe (SZ 73/55). Wie der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung (1 Ob 201/99m mwN) weiter betont hat, kann sich diesen Verpflichtungen ein Rechtsträger auch nicht einfach dadurch entledigen, dass die vergebende Stelle in der Ausschreibung darauf hinweist, sie gehe damit "keinerlei Verpflichtung" ein, wie dies die hier die beklagte Partei ebenfalls durch den in ihrem Verständigungsschreiben vom 8. 11. 2000 aufgenommenen sinngleichen Passus getan hat. Ein Vergabeverfahren kann demgemäß nur dann als fair beurteilt und qualifiziert werden, wenn die Bieter darauf vertrauen dürfen (und können), dass sie untereinander gleichbehandelt werden (nochmals SZ 73/55).

Schon aus der Anwendung dieser Rechtsgrundsätze folgt, dass es jedenfalls unzulässig war, zur Ausschaltung eines (feststellungskonform) billigeren Bieters einen (angebotsfremd angebotenen) "Unterstützungsbeitrag" eines anderen Bieters, der sich überdies (wiederum feststellungskonform) wirtschaftlich nur mit einem vielfach Wenigeren bewertungsmäßig niederschlagen hätte dürfen, in Ansatz zu bringen. Die hiegegen in der Revision vorgetragenen Argumente erschöpfen sich diesbezüglich im Versuch, diesen als "pauschalen Nachlass" zu rechtfertigen, als welcher er jedoch weder bezeichnet noch wirtschaftlich zu deuten, sondern vielmehr als Versuch eines Bieters zu werten ist, durch eine solche (wie bereits betont ausschreibungsfremde!) Gegenleistung den Ausschreibenden zu einer unsachlichen, weil gleichbehandlungswidrigen Bevorzugung zu motivieren, was ja auch im vorliegenden Fall letztlich im Ergebnis geschehen ist. Auf die übrigen Ausführungen im Revisionsschriftsatz zu den sonstigen sehr ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des Berufungsgerichtes braucht schon deshalb nicht mehr zurückgegriffen zu werden. Auch der behauptete Verfahrensmangel liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor, was gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO ebenfalls keiner weiteren Begründung bedarf.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 2 ZPO (im Zusammenhang mit der Zurückweisung einer ordentlichen Revision bei einem Zwischenurteil des Erstgerichtes ausführlich 8 Ob 67/03s = EvBl 2004/5; ebenso 8 Ob 8/04s).

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