OGH 9ObA85/06z

OGH9ObA85/06z11.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Helmut Szongott und Herbert Bernold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Olaf H*****, Kraftfahrer, *****, vertreten durch Dr. Martin Wuelz, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei L***** - ***** GmbH & Co KG, Gewerbepark Süd 6, 6330 Kufstein, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Böhler, Rechtsanwalt in Wörgl, wegen EUR 3.936,67 brutto und EUR

1.510 netto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Juni 2006, GZ 15 Ra 46/06m-64, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Zwischen den Streitteilen ist die Anwendbarkeit der in Art XI Z 5 iVm Art XV Z 3 des KollV für das Güterbeförderungsgewerbe geregelten Verfallsbestimmung (d.i. der Verfall von Ansprüchen, die nicht binnen 3 Monaten nach ordnungsgemäßer Lohnabrechnung schriftlich geltend gemacht werden) strittig. Die Vorinstanzen bejahten einen Verfall der Ansprüche des Klägers und gelangten somit zu einer Abweisung des Klagebegehrens.

Rechtliche Beurteilung

Zum begehrten Überstundenentgelt:

Der Revisionswerber bezweifelt die „Ordnungsgemäßheit" der Lohnabrechnung und damit den Beginn von Verfallsfristen, weil in den Lohnabrechnungen der Monate Feber bis April 2003 für Überstunden jeweils nur als „Überstundenpauschale" ausgewiesen sind. Richtig ist zwar, dass zwischen den Streitteilen keine Pauschalierung der Überstunden vereinbart war und entsprechend Art XV Z 3 KollV im Normalfall in den Lohnabrechnungen auch die Überstundenzuschläge auszuweisen gewesen wären. Der Kläger übersieht dabei jedoch, dass das Berufungsgericht - unbestritten - angenommen hat, dass der Beklagten eine Überprüfung und Detailabrechnung der Überstunden gar nicht möglich war, weil der Kläger - entgegen seiner Verpflichtung nach Art VI A Z 24 lit h KollV - die Schaublätter nicht der Arbeitgeberin ausgefolgt hatte. Damit war es aber nicht die Beklagte, die die Überprüfung vereitelte, sondern der Kläger, der eine ordnungsgemäße Abrechnung verhinderte. Damit ist aber die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die Verfallsfristen jeweils mit der Übergabe der Lohnabrechnungen zu laufen begonnen haben, unbedenklich (vgl [T4] in RIS-Justiz RS0034487). Zu den Tages- und Nächtigungsgeldern („Diäten") nach Punkt C der Lohn- und Zulagenordnung des KollV:

Dabei handelt es sich nach dem klaren Text der zitierten KollV-Bestimmung um Abgeltungen für den erhöhten Lebensaufwand bei Dienstleistungen außerhalb des Dienstortes (im Inland) bzw um Reisekostenentschädigungen und Nächtigungsgebühren (im Ausland). Der Revisionswerber meint nun, dass sich aus der Entscheidung 9 ObA 157/98y zwingend ergebe, dass nur „echte" Entgeltansprüche dem Verfall nach Art XI Z 5 KollV unterliegen, nicht aber andere Ansprüche, wie die verfahrensgegenständlichen Aufwandersätze. Dieser Argumentation ist nicht zu folgen. In der zitierten Entscheidung ging es um den Ersatz nicht eingehaltener Ersatzruhezeiten, deren Konsumation infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich war. Die Ersatzfähigkeit in Geld wurde damit begründet, dass dem Arbeitgeber sonst ein unberechtigter Vorteil entstünde, welcher daher auszugleichen sei (§ 1447 ABGB). Festgehalten wurde weiters, dass sich ein solcher Anspruch von dem in der Verfallsbestimmung geregelten Entgeltanspruch wesentlich unterscheide. Die Frage einer Abgeltung von Tages- und Nächtigungsgeldern bzw eines Verfalls solcher Ansprüche stellte sich daher in der Vorentscheidung gar nicht.

Der Text des Art XI Z 5 KollV ist weitergehend, indem er auf „Ansprüche" des Dienstnehmers abstellt. Lediglich die Bezugnahme auf eine „ordnungsgemäße Lohnabrechnung" bedingt eine Eingrenzung. Da aber auch die „Diäten" regelmäßig abgerechnet werden, liegt es nahe, diese hinsichtlich des Verfalls dem „Entgelt" gleichzuhalten: Während eine ordnungsgemäße Abrechnung dem Arbeitnehmer die Kenntnis davon verschaffen soll, welche seiner Ansprüche der Arbeitgeber berücksichtigt hat (RIS-Justiz RS0064548), liegt der Zweck von Verfallsklauseln darin, dem Beweisnotstand zu begegnen, in welchem sich der Arbeitgeber bei späterer Geltendmachung befinden würde. Sie zwingen den Arbeitnehmer, allfällige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis möglichst bald und damit zu einer Zeit geltend zu machen, in der nicht nur ihm selbst, sondern auch dem Arbeitgeber die zur Klarstellung des rechtserheblichen Sachverhalts notwendigen Beweismittel in aller Regel noch zur Verfügung stehen (9 ObA 4/03h, RIS-Justiz RS0034417). Entgegen den vorzitierten Ersatzruhezeiten, die nicht „gehortet" werden dürfen, sondern laufend in natura zu verbrauchen sind (9 ObA 157/98y) und daher üblicherweise auch nicht „abgerechnet" werden, liegt bei „Diäten" dieselbe Interessenlage vor, die für das eigentliche Entgelt (insbesondere die Erfassung von Überstunden) gilt. Auch diesbezüglich gibt daher die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, wonach ein Verfall auch der Ansprüche auf Tages- und Nächtigungsgelder eingetreten ist, keinen Anlass zu Bedenken.

Zusammenfassend gelingt es dem Revisionswerber nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

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