OGH 2Ob100/06d

OGH2Ob100/06d18.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei P*****, vertreten durch Gloss Pucher Leitner & Schweinzer, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen EUR 35.049,77 sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 28. März 2006, GZ 4 R 70/06a-11, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen den Ausführungen im außerordentlichen Revisionsrekurs (zur Zulässigkeit des Rechtsmittels iSd § 528 Abs 1 ZPO) kann von einem Fehlen oberstgerichtlicher Rechtsprechung keine Rede sein.

§ 104 JN enthält keine Vorschriften über die Gestaltung der Urkunden, die zum Nachweis einer Gerichtsstandsvereinbarung benötigt werden, weshalb nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten beurteilt werden muss, welche Urkundenfassung erforderlich ist und ausreicht (7 Ob 2028/96b). Die Gerichtsstandsvereinbarung kann zwar auch durch getrennte schriftliche Erklärungen und Gegenerklärungen (zB Bestellschein und Bestätigungsschreiben, Offertschreiben und seine Annahme) erfolgen (RIS-Justiz RS0046871; RS0046963); zum urkundlichen Nachweis bedarf es jedoch jedenfalls der Deckung des Urkundeninhaltes durch die Unterschrift des Beklagten (RIS-Justiz RS0046701; RS0046994; RS0046839; RS0046940); eine bloß schlüssige Handlung reicht nicht aus (RIS-Justiz RS0014127; 3 Ob 380/97x, SZ 71/29).

In der Entscheidung 7 Ob 320/00k (RdW 2001, 671) hatte der Oberste Gerichtshof bereits eine fast idente Textgestaltung zu beurteilen (dass es sich dort um die Prüfung der Prozessvoraussetzung der internationalen Zuständigkeit handelte, begründet keinen Unterschied, weil dies im Zusammenhang mit der Prüfung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 17 Abs 1 EuGVÜ stand, welche insoweit § 104 JN entspricht) und ausgesprochen, dass keine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, wenn sich die Wortfolge „Gerichtsstand: Landesgericht ..." nicht im Vertragstext selbst, sondern „in der letzten Fußzeile der ersten Seite, unterhalb des Endes des Vertragstextes auf dieser Seite befindet. In den Fußzeilen selbst befinden sich nur Angaben zur Klägerin wie die abgekürzte Bezeichnung der Klägerin, ihr Geschäftszweck, ihre Adresse, Telefonnummer, Fax, E-Mail, Bankverbindung und HRB-Zahl, die jedenfalls nicht Gegenstand der Willenserklärung der Klägerin sind. Im Umfeld der Fußzeilen ist daher ein Anbot auf Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung versteckt, welches dort nicht zu erwarten ist und das in dieser Form im Geschäftsverkehr unüblich ist".

Von einer solcherart versteckten Klausel ist auch hier auszugehen:

Nach dem Inhalt der diesbezüglichen Korrespondenzurkunden (deren Echtheit und Richtigkeit unbestritten blieb), befindet sich die Klausel am unteren Rand zwar jeder einzelnen Seite des Anbotschreibens der Klägerin, aber so wie in der zitierten Vorentscheidung lediglich in der dritten (letzten) Fußzeile ohne besondere Hervorhebung (weder hinsichtlich Schriftgröße noch Schriftart) zwischen der Firmenbuchnummer und der DVR- bzw der UID-Nummer; in den Zeilen darüber befinden sich nur der Firmenwortlaut sowie (darunter) deren Adresse, Telefon- und Faxnummer sowie E-Mailadresse. Die von der beklagten Partei firmenmäßig gezeichnete Auftragsbestätigung erfolgte auf identem Briefpapier mit sohin auch identer Fußzeilengestaltung. Die Verneinung des wirksamen Zustandekommens einer solchen „Gerichtsstandsvereinbarung" nach § 104 JN mangels Platzierung der diesbezüglichen Klausel im Vertragstext selbst durch das Rekursgericht ist daher nicht zu beanstanden. Der diesbezügliche Hinweis der beklagten Partei in ihrem Rekurs an das Gericht zweiter Instanz verstieß dabei schon deshalb nicht (entgegen der Rüge im Revisionsrekurs) gegen das „Neuerungsverbot", weil es sich hier um einen Akt der der rechtlichen Beurteilung zuzuordnenden Urkundenauslegung handelte (RIS-Justiz RS0043422; RS0043369; RS0017911; RS0017849).

Soweit sich die Rechtsmittelwerberin weiters dagegen beschwert, dass seitens des Rekursgerichtes unbeachtet geblieben sei, dass ihr (ebenfalls zurückgewiesener, da nicht vor Schluss der mündlichen Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede gestellter) „Eventualantrag gemäß § 230a ZPO" bloß deshalb unterblieben sei, „weil die Erstrichterin bereits in der Verhandlung ihre Rechtsansicht klar äußerte, dass sie ihre Zuständigkeit bejahe", und eine Anleitung, „dennoch aus prozessualer Vorsicht einen derartigen Antrag zu stellen, unterblieben war", ist zu erwidern, dass angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens in dritter Instanz grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden könne. Abgesehen davon war die Klägerin von Anfang an rechtsanwaltlich vertreten; wenn - wie hier - die Verhandlung auf die Frage der Zuständigkeit eingeschränkt wurde, muss ein anwaltlich vertretener Kläger jedoch nicht zu einem Überweisungsantrag angehalten werden, muss doch die Kenntnis der grundlegenden Norm des § 261 Abs 6 ZPO (§ 230a ZPO betrifft nur die Fälle der a-limine-Zurückweisung) unterstellt werden (Kodek in Fasching/Konecny, aaO Rz 131 zu § 261 unter Hinweis auf 9 Ob 64/01d, RdW 2001/745: „käme es einer Bevormundung der rechtskundigen Rechtsanwaltschaft gleich, würde man auch für derart grundlegende Vorgänge eine Anleitungspflicht fordern"). Dass aber ein Überweisungsantrag nach § 261 Abs 6 ZPO nur bis Schluss der mündlichen Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede gestellt werden kann, entspricht schon längst der ständigen und einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (RIS-Justiz RS0036937 [T1]; RS0036926; SZ 44/36; 4 Ob 575/95). Das Unterbleiben einer fristgerechten Antragstellung hat sich die klagende Partei daher selbst zuzuschreiben und kann daraus auch keine Mangelhaftigkeit im Sinne einer erheblichen Rechtsfrage nach § 528 Abs 1 ZPO abgeleitet werden.

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