OGH 4Ob575/95

OGH4Ob575/9510.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Winfried Sattlegger und andere Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Herber Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 149.124,54 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 28.August 1995, GZ 3 R 167/95-10, womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Steyr vom 28.Juni 1995, GZ 3 Cg 89/95d-5, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin hatte die Zuständigkeit des Erstgerichtes damit begründet, daß Steyr als Erfüllungs- und Gerichtsort vereinbart worden sei.

In der ersten Tagsatzung vom 10.5.1995 erhob die - in Wien ansässige - Beklagte die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Der Beklagten wurde sodann die Erstattung der Klagebeantwortung aufgetragen.

In der Klagebeantwortung führte die Beklagte ihre Unzuständigkeitseinrede dahin aus, daß sie mit der Klägerin keinerlei Vereinbarung, sohin auch nicht die Vereinbarung eines Erfüllungs- oder Gerichtsortes getroffen habe.

Das Erstgericht beschloß, die Verhandlung zunächst auf die Erörterung der Frage der Zuständigkeit zu beschränken und beraumte dafür eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den 6.9.1995 an.

Mit Schriftsatz vom 28.6.1995 unterwarf sich die Klägerin der Unzuständigkeitseinrede und beantragte die Überweisung der Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige "Landesgericht für Handelssachen Wien".

Das Erstgericht sprach hierauf seine örtliche Unzuständigkeit aus, überwies die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das nicht offenbar unzuständige "Landesgericht für Handelssachen Wien" (gemeint: Handelsgericht Wien) und beraumte die Tagsatzung vom 6.9.1995 ab.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht den gegen den Überweisungsbeschluß erhobenen Rekurs der Beklagten als unzulässig zurück und sprach aus, daß der ordentliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig sei. Daß ein Überweisungantrag unverzüglich nach der Einrede der Unzuständigkeit, gegebenenfalls daher spätestens in der ersten Tagsatzung erhoben werden müsse, treffe nicht zu; vielmehr könne der Antrag bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede gestellt werden. Daß das Erstgericht den Überweisungsbeschluß ohne mündliche Verhandlung gefaßt habe, bedeute keinen derart groben Verstoß, daß dagegen der vom Gesetz verfügte Rechtsmittelausschluß zurücktreten müßte.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil eine Klärung der von der Beklagten aufgeworfenen Frage im Interesse der Rechtssicherheit liegt; er ist aber nicht berechtigt.

Erhebt der Beklagte - wie hier - die Einrede der Unzuständigkeit, dann kann der Kläger gemäß § 261 Abs 6 ZPO den Antrag stellen, daß das Gericht für den Fall, daß es seine Unzuständigkeit ausspricht, die Klage an das vom Kläger namhaft gemachte Gericht überweisen. Gegen den Beschluß, mit dem über die Unzuständigkeit und die Überweisung entschieden wird, ist mit Ausnahme der Entscheidung über die Kosten des Zuständigkeitsstreites ein Rechtsmittel nicht zulässig (§ 261 Abs 6, Satz 5, ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung gilt dieser Rechtsmittelausschluß (nur) dann nicht, wenn die Überweisung keine gesetzliche Grundlage hat, so etwa, weil der Kläger keinen Überweisungsantrag gestellt hat (EvBl 1981/220), weil an ein Gericht überwiesen wurde, das der Kläger gar nicht bezeichnet hatte (RZ 1969,190; EvBl 1974/289) sowie in vergleichbaren Fällen (Rechberger in Rechberger ZPO Rz 11 zu § 261).

Die Beklagte hält auch in dritter Instanz an ihrer Auffassung fest, daß im vorliegenden Fall der Rechtsmittelausschluß deshalb nicht gelte, weil der Überweisungsbeschluß ohne gesetzliche Grundlage - nämlich, weil kein rechtzeitig gestellter Überweisungantrag vorliege - ergangen sei. Dem kann nicht gefolgt werden:

Wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält § 261 Abs 6 ZPO keinen Hinweis darauf, daß der Kläger gehalten wäre, sofort nach der Erhebung der Unzuständigkeitseinrede durch den Beklagten die Überweisung zu beantragen. Soweit Fasching (LB2 Rz 225) ausführt, auf Antrag des Klägers werde gemäß § 261 Abs 6 ZPO die Sache vom unzuständigen Gericht an das vom Kläger zu nennende, nicht offenbar unzuständige Gericht überwiesen, wenn der Beklagte die Einrede der Unzuständigkeit (rechtzeitig) erhoben hat oder das Gericht seine Zuständigkeit von Amts wegen prüft, das Erstgericht sich für unzuständig erachtet und der Kläger den Überweisungsantrag bereits vor der Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede (spätestens) in der ersten Tagsatzung oder, falls keine solche stattfindet, in der ersten mündlichen Streitverhandlung vor Eingehen in die Verhandlung zur Hauptsache ... gestellt hat, ist ihm nur eine mißverständliche Formulierung unterlaufen. Daß er damit von der ganz herrschenden und - soweit überblickbar - bisher noch nie bezweifelten, auch von ihm im Kommentar (III 214 Anm 11 zu § 261) vertretenen Auffassung abrücken wollte, daß der Überweisungsantrag mündlich und schriftlich (nur) bis zum Schluß der abgesonderten Verhandlung über die Frage der Unzuständigkeit gestellt werden könne, kann ausgeschlossen werden. Eine solche - durch das Gesetz in keiner Weise gedeckte - Auffassung verstieße ja völlig gegen die vom Gesetzgeber des öfteren, vor allem in der ZVN 1983, zum Ausdruck gebrachte Absicht, (Streitigkeiten über) Unzuständigkeiten möglichst zu vermeiden und Überweisungen zu erleichtern (vgl § 230 a ZPO).

Die Auffassung der Beklagten, daß die Klägerin nur in der ersten Tagsatzung das Recht gehabt hätte, die Überweisung zu beantragen, ist völlig unvertretbar. Die erste Tagsatzung ist (ua) vorgesehen "zur Anmeldung der Einreden ... der Unzuständigkeit des Gerichtes" (§ 239 Abs 2 ZPO). Die Beklagte mußte daher in der ersten Tagsatzung gar nicht ausführen, mit welcher Begründung sie die Unzuständigkeitseinrede bekämpft; nach der Aktenlage hat sie das auch erst in der Klagebeantwortung getan. Aus welchem Grund es der Klägerin nicht mehr gestattet sein sollte, einen Überweisungsantrag zu stellen, ist nicht zu sehen. Es ist daher weiterhin daran festzuhalten, daß der Überweisungsantrag bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede gestellt werden kann (JBl 1958, 20; vgl SZ 44/36; Rechberger aaO Rz 9).

Da somit ein rechtzeitiger (und trotz des Vergreifens in der Bezeichnung des Handelsgerichtes Wien auch inhaltlich eindeutig bestimmter) Überweisungsantrag vorlag, kommt der Rechtsmittelausschluß des § 261 Abs 6 ZPO zum Tragen. Der Verfahrensfehler des Erstgerichtes, den Beschluß ohne vorherige mündliche Verhandlung zu fassen, ändert am Rechtsmittelausschluß nichts (SZ 43/18; SZ 44/36; Rechberger aaO Rz 11).

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

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