OGH 9ObA141/05h

OGH9ObA141/05h4.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Thomas G*****, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 1.335,11 brutto zuzüglich EUR 5,09 netto sA (Revisionsinteresse EUR 568,02), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Juni 2005, GZ 10 Ra 43/05z-12, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. November 2004, GZ 8 Cga 171/04f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 30. 7. 2003 bis zu seiner am 27. 1. 2004 erfolgten Entlassung bei der Beklagten beschäftigt. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass die Entlassung unberechtigt erfolgte. Nach § 20 des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Kollektivvertrages für das Bewachungsgewerbes verfallen sämtliche Ansprüche, sofern sie nicht innerhalb einer Frist von vier Monaten nach Fälligkeit schriftlich beim Arbeitgeber geltend gemacht werden; bei rechtzeitiger Geltendmachung bleibt die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist gewahrt.

Unter Hinweis auf seine unberechtigte Entlassung begehrte der Kläger mit seiner am 3. 8. 2004 beim Erstgericht eingelangten Klage von der Beklagten zunächst EUR 1.901,37 brutto zuzüglich EUR 5,09 netto sA an Urlaubszuschuss, Weihnachtsremuneration, Kündigungsentschädigung, Sonderzahlungen zur Kündigungsentschädigung, Urlaubsersatzleistung und Sonderzahlung zur Urlaubsersatzleistung sowie an „ungerechtfertigten Abzügen". In der Tagsatzung vom 18. 11. 2004 schränkte er sein Begehren im Hinblick auf eine vor Klageeinbringung erfolgte Zahlung von Urlaubsersatzleistung in der Höhe von EUR 562,99 auf EUR 1335,11 brutto zuzüglich EUR 5,09 netto sA ein, wobei er zuletzt im Hinblick auf eine anhängige Drittschuldnerexekution nur die Zahlung des der Exekution unterworfenen Einkommens begehrte, während der Rest an den Drittschuldner abzuführen sei. Soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, wendete die Beklagte ein, dass der (der Höhe nach nicht mehr strittige) Anspruch auf Kündigungsentschädigung verfristet sei, weil der Kläger die sechsmonatige Frist des § 1162d ABGB nicht eingehalten habe. Das Erstgericht, das zum Einwand des Verfalls nicht Stellung nahm, gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Die relativ zwingende Bestimmung des § 1162d ABGB normiere, dass Ansprüche wegen vorzeitigen Austritts oder vorzeitiger Entlassung bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden können, gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Diese Frist könne durch den Kollektivvertrag nicht verkürzt, wohl aber verlängert werden. Dies sei hier durch § 20 des Kollektivvertrages geschehen, sodass dann, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Frist von vier Monaten seine Ansprüche - wenn auch nur außergerichtlich - geltend gemacht habe - für die gerichtliche Geltendmachung die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist gewahrt bleibe. Hier habe der Kläger - wie auf Grund einer ergänzenden Beweisaufnahme festgestellt werde - seine Ansprüche nach weniger als einem Monat schriftlich geltend gemacht. Für die gerichtliche Geltendmachung sei ihm daher die dreijährige Verjährungsfrist offen gestanden, die er mit der am 3. 8. 2004 erfolgten Klageerhebung auch gewahrt habe.

Gegen dieses Urteil, und zwar nur gegen den Zuspruch von EUR 568,02 (= Kündigungsentschädigung inklusive „Sonderzahlungen zur Kündigungsentschädigung") richtet sich die Revision der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsauffassung der zweiten Instanz mit der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht in Einklang steht. Sie ist aber nicht berechtigt. Nach § 1162d ABGB müssen Ansprüche wegen vorzeitigen Austritts oder vorzeitiger Entlassung iSd §§ 1162a und 1162d bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden konnten, gerichtlich geltend gemacht werden. Diese Frist hat der Kläger mit seiner Klage nicht eingehalten. § 1162d ABGB umfasst aber nur Ansprüche nach den §§ 1162a und 1162b. Dass für die anderen Ansprüche des Klägers die Verfallsbestimmung des Kollektivvertrages wirksam ist und diese Ansprüche daher nicht verfristet sind, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur mehr die dem § 1162d ABGB unterliegenden Ansprüche des Klägers.

Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass nach herrschender Auffassung die Frist des § 1162d ABGB nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers verkürzt, wohl aber verlängert werden kann (RIS-Justiz RS0021731; SZ 59/180); seine Rechtsauffassung, der Kollektivvertrag nehme hier eine (wirksame) Verlängerung der gesetzlichen Frist vor, steht aber - wie die Revisionswerberin zutreffend geltend macht - mit der in der Revision zitierten Vorjudikatur des Obersten Gerichtshofs in Widerspruch. In der in der Revision zitierten Entscheidung 8 ObA 279/95 (RdW 1997,33) hatte der Oberste Gerichtshof eine vergleichbare Klausel zu beurteilen. Er ging dabei davon aus, dass die Grenze ihrer Anwendbarkeit in der relativ zwingenden Bestimmung des § 1162d ABGB liege, deren für die Geltendmachung von Kündigungsentschädigung normierte Sechsmonatsfrist nicht zum Nachteil des Dienstnehmers verkürzt werden dürfe. Mit der Frage, ob ein Günstigkeitsvergleich nicht allenfalls zu Gunsten der kollektivvertraglichen Regelung ausfalle, hat sich der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung nicht auseinandergesetzt.

Die von der Revisionswerberin ebenfalls ins Treffen geführte Entscheidung 9 ObA 308/98d (DRdA 2000/8 [zust. Holzner]) hatte eine nicht vergleichbare Klausel zum Gegenstand. Nach der damals zu beurteilende Norm verfallen alle Ansprüche des Arbeitnehmers (mit Ausnahme von Lohnansprüchen), wenn sie nicht innerhalb dreier Monate schriftlich geltend gemacht werden. Diese Norm sieht daher eine Verkürzung der sechsmonatigen Frist vor, ohne in irgend einer Weise mit der Einhaltung dieser Frist eine Verlängerung der Frist für die gerichtliche Geltendmachung zu verbinden. Sie ist daher mit der hier zu beurteilenden Regelung in keiner Weise vergleichbar (vgl dazu ausführlich die Ausführungen Holzners [DRdA 2000, 58f], der allerdings - wie noch zu zeigen sein wird - schon damals für Klauseln der nunmehr zu beurteilenden Art einen Günstigkeitsvergleich für erwägenswert erachtete).

Gegenstand der Entscheidung 9 ObA 98/02f war hingegen eine der hier zu beurteilenden Klausel vergleichbare Norm. Der Oberste Gerichtshof hielt in dieser Entscheidung an seiner in 8 ObA 279/95 vertretenen Rechtsauffassung fest und trat dem dagegen vorgebrachten Einwand, die kollektivvertragliche Regelung sei insgesamt günstiger als die gesetzliche, mit der Begründung entgegen, dass sich aus dem Text der Bestimmung eine günstigere Regelung gar nicht ableiten lasse. Es könne ausgeschlossen werden, dass die Kollektivvertragsparteien beabsichtigt haben, neben der Möglichkeit einer gerichtlichen Geltendmachung binnen sechs Monaten alternativ die weniger beschwerliche außergerichtliche Geltendmachung mit der Wirkung der Wahrung der kurzen (= dreijährigen) Verjährungszeit treten zu lassen. Schon aus der Formulierung "... bleibt die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist gewahrt ..." müsse für den normunterworfenen Leser ein anderer Eindruck entstehen: Die in Rede stehende Bestimmung verkürze die sonst dreijährige (kurze) Verjährungsfrist - soweit rechtlich zulässig - derart, dass an die Stelle dieser Verjährungsfrist eine viermonatige Präklusivfrist tritt, um dem Arbeitgeber rasch darüber Klarheit zu verschaffen, welche Ansprüche noch erhoben werden. Wenn daher innerhalb der viermonatigen Frist eine formgerechte Geltendmachung erfolge, solle damit wieder die ursprüngliche dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist Geltung haben. Bei der Frist des § 1162d ABGB handle es sich hingegen nach einhelliger Judikatur um eine Präklusiv- und keine Verjährungsfrist. Durch Geltendmachung der davon umfassten Ansprüche binnen vier Monaten würde daher keine Frist "gewahrt", sondern an die Stelle einer kürzeren Präklusivfrist eine längere Verjährungsfrist treten. Eine solche Absicht könne aber den Kollektivvertragsparteien nicht unterstellt werden. Die dem § 1162d ABGB unterliegenden Ansprüche müsse daher der Arbeitnehmer ungeachtet ihrer schriftlichen Geltendmachung in der kollektivvertraglichen Frist - innerhalb der in der zitierten Bestimmung normierten sechsmonatigen Frist gerichtlich geltend machen, da sich die kollektivvertragliche Norm gar nicht auf diese Ansprüche beziehe.

Das Berufungsgericht ist dieser Auffassung nicht gefolgt und beruft sich dabei auf die Entscheidung 9 ObA 99/04f (ZAS 2001,42 [Rossmann]). Diese ist allerdings mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil die damals zu beurteilende Kollektivvertragsbestimmung für die außergerichtliche Geltendmachung eine Frist von sechs Monaten eröffnete. Die kollektivvertragliche Frist war daher ebenso lang wie die Frist des § 1162d ABGB, sodass sich die eben erörterten Fragen im Zusammenhang mit einer Verkürzung der gesetzlichen Frist gar nicht gestellt haben. Vielmehr konnte nicht zweifelhaft sein, dass die kollektivvertragliche Regelung, die - bei gleicher Frist - nur auf die außergerichtliche Geltendmachung abstellt und keine gerichtliche Geltendmachung verlangt, günstiger ist, als die gesetzliche.

Der hier zu beurteilende Fall, in dem die kollektivvertragliche Regelung auf die außergerichtliche Geltendmachung innerhalb einer Frist von vier Monaten abstellt, gibt Anlass zu einer neuerlichen Prüfung des Problemkreises.

Dabei sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht in der Lage, die in der Entscheidung 9 ObA 98/02f vertretene Auslegung der zu beurteilenden Norm aufrecht zu erhalten. Angesichts der Formulierung ... „sämtliche Ansprüche verfallen" ... ist es nicht möglich, die in Rede stehende Klausel dahin zu interpretieren, dass sie sich nur auf einen (im Übrigen in keiner Weise näher definierten) Teil der Ansprüche des Arbeitnehmers bezieht. Bei der Auslegung eines Kollektivvertrags ist in erster Linie der Wortsinn der auszulegenden Regelung zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrages ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0010089). Der Wortlaut stellt aber - wie ausgeführt - unmissverständlich auf alle Ansprüche ab und liefert dem (im Regelfall juristisch nicht gebildeten) Normadressaten auch keinerlei Anhaltspunkte, dass dessen ungeachtet nur ein Teil (welcher?) erfasst werden solle.

Nach wie vor ist der Oberste Gerichtshof aber der Auffassung, dass den Kollektivvertragsparteien nicht unterstellt werden kann, sie hätten die Absicht gehabt, neben der Möglichkeit einer gerichtlichen Geltendmachung binnen sechs Monaten alternativ die weniger beschwerliche außergerichtliche Geltendmachung mit der Wirkung der Wahrung der kurzen (= dreijährigen) Verjährungszeit treten zu lassen. Dazu ist auf die Ausführungen der zitierten Vorentscheidung und überdies auf den Umstand zu verweisen, dass eine derartige Interpretation die Regelung ihres offenkundigen Kompromisscharakters völlig berauben würde.

Vielmehr ist die Kollektivvertragsbestimmung als abschließende Regelung für alle in Betracht kommenden Ansprüche zu interpretieren, neben der für die Anwendung des § 1162d ABGB kein Raum mehr sein soll. Damit stellt sich aber die Frage, ob die kollektivvertragliche Regelung - soweit sie dem § 1162d ABGB unterliegende Ansprüche erfasst - wegen der von ihr normierten Verkürzung der Frist des § 1162d ABGB - wirksam ist.

Die kollektivvertragliche Regelung ist daher einem Günstigkeitsvergleich zu unterziehen: Ausgehend vom Grundsatz, dass die jeweils nachrangigen Rechtsquellen die Stellung des Arbeitnehmers nicht verschlechtern, sondern nur verbessern können (Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 101 ff; Cerny, Arbeitsverfassungsrecht II3, 70 ff) ist - unter sinngemäßer Anwendung der Kriterien des § 3 Abs 2 ArbVG - auch im Verhältnis einer einseitig zwingenden gesetzlichen Regelung zu einer abweichenden Bestimmung in einem Kollektivvertrag (oder einer Betriebsvereinbarung bzw einem Arbeitsvertrag) ein Günstigkeitsvergleich anzustellen (8 ObA 50/05v; 9 ObA 224/00g; 9 ObA 224/97z).

Kollektivvertragliche Regelungen können dann vom Gesetz abweichen, wenn sie insgesamt günstiger sind, als die gesetzliche Regelung. Bei der Beurteilung, ob dies der Fall ist, sind nicht einzelne isolierte Bestimmungen sondern der Gesamtkomplex der sachlich und rechtlich zusammenhängenden Bestimmungen zu vergleichen. Die Wertung richtet sich aber nicht nach der subjektiven Einschätzung des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers, sondern nach objektiven Kriterien. Es ist ein (abstrakter) ex ante-Vergleich der Regelungen vorzunehmen. Es kommt also nicht darauf an, welche Regelung sich im Nachhinein für den Arbeitnehmer als günstiger erweist, sondern es ist nach objektiven Kriterien - unabhängig vom Einzelfall - zu entscheiden, welche Regelung für den Arbeitnehmer insgesamt günstiger ist (8 ObA 50/05v; 8 ObA 256/98z; 9 ObA 285/01d; JBl 1987, 538; ZAS 1972, 65). Die für die Beurteilung maßgebenden Überlegungen hat schon Holzner in seiner Besprechung der Entscheidung 9 ObA 308/98d - dort ausgehend von einer nur dreimonatigen Verfallsfrist - treffend umschrieben:

„Fällt es dem Großteil der Arbeitnehmer nicht leichter, binnen drei Monaten außergerichtlich Ansprüche anzumelden, als binnen sechs Monaten zu klagen? .... Wie wäre bei einer kollektivvertraglichen Vier- oder Fünfmonatsfrist zu entscheiden? Fest steht, dass die Begünstigung, die in der fristwahrenden Wirkung der außergerichtlichen Geltendmachung unzweifelhaft liegt, irgendwann doch stärker ins Gewicht fallen muss als der Nachteil der schieren Fristverkürzung. Beim Günstigkeitsprinzip geht es ja gerade um den "Vergleich zusammengehöriger Vertragsbedingungen", ..., nicht um einen nur auf die Fristlänge abstellenden Einzelvergleich. Eine solche Abwägung müsste freilich berücksichtigen, dass das Gesetz durch die §§ 1162d und 1164 ABGB dem Arbeitnehmer zwingend eine Art "Mindestüberlegungsfrist" für die Geltendmachung von Ansprüchen sichern könnte. Da diese gesetzliche Sechsmonatsfrist aber mit Blick auf die Erfordernisse einer gerichtlichen Geltendmachung bemessen ist, könnte sie für die vereinbarte außergerichtliche auch unterschritten werden, ohne dass darunter der Arbeitnehmerschutz litte: Nicht nur, dass die Hemmschwelle der Geltendmachung bei außergerichtlicher Geltendmachung von vornherein geringer wäre, es entfiele obendrein vorerst die Notwendigkeit einer Abschätzung des Prozesskostenrisikos und damit auch des Risikos eines Mehrbegehrens mit nachteiligen Kostenfolgen."

Diesen Ausführungen schließt sich der Oberste Gerichtshof an: Sie entsprechen offenbar auch der Einschätzung der Kollektivvertragsparteien, die an vorderster Stelle berufen sind, die Günstigkeit von Regeln unter Berücksichtigung der in ihrer Branche gegebenen speziellen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Eine viermonatige Frist - eine solche ist hier zu beurteilen - wird dem durchschnittlichen Arbeitnehmer ausreichend Zeit zur Überlegung geben, ob er Ansprüche geltend machen will, zumal zur Erhebung dieser Ansprüche von ihm nichts anderes verlangt wird, als ein formloses und in jeder Hinsicht risikoloses Schreiben. Er kann damit die weitere Vorgangsweise von eingehenden Überlegungen, rechtskundiger Beratung und auch von der Reaktion des Arbeitgebers abhängig machen. Der damit verbundene Vorteil, der sich daraus ergibt, dass er nicht sofort zur gerichtlichen Geltendmachung seiner (exakt bezifferten) Forderung verhalten ist, wird - geht man vom Durchschnittsfall aus - vom Nachteil der Fristverkürzung nicht aufgewogen, die noch dazu - wie gezeigt - dadurch relativiert wird, dass vom Arbeitnehmer - anders als nach § 1162d ABGB - nur die Verfassung eines formlosen Schreibens verlangt wird. Dies gilt umso mehr, als der Arbeitnehmer ohnedies verhalten ist, alle nicht dem § 1162d ABGB unterliegenden Ansprüche innerhalb der kollektivvertralgichen Frist (außergerichtlich) geltend zu machen.

Die somit gebotene Einschätzung der kollektivvertraglichen Regelung als günstiger hat ihre uneingeschränkte Wirksamkeit zur Folge und verhindert damit völlig unbefriedigende Ergebnisse: Arbeitnehmer, die im Vertrauen auf die für sie nach ihrem Wortlaut ja völlig eindeutige Regelung des Kollektivvertrags ihre Ansprüche zwar innerhalb von vier Monaten schriftlich geltend machen, die Klage aber nicht binnen sechs Monaten einbringen, müssten andernfalls den Verlust eines Teile ihrer Ansprüche hinnehmen und überdies zur Kenntnis nehmen, dass dies deshalb so sei, weil § 1162d ABGB zu ihren Gunsten zwingend sei. Dem steht allerdings die Tatsache gegenüber, dass bei diesem Ergebnis ein Arbeitnehmer, der Kündigungsentschädigung nicht innerhalb der kollektivvertraglichen, wohl aber gerichtlich innerhalb der gesetzlichen Frist geltend macht, seine Ansprüche verloren hat. Dies ändert aber nichts am Ergebnis des Günstigkeitsvergleichs, für den es eben nicht darauf ankommt, welche Regelung sich im Nachhinein für den Arbeitnehmer als günstiger erweist, sondern für den nach objektiven Kriterien - unabhängig vom Einzelfall - eine ex-ante-Betrachtung anzustellen ist, die hier aus den oben angeführten Gründen zu Gunsten der kollektivvertraglichen Regelung ausschlägt.

Der Obersten Gerichtshof erachtet daher die hier zu beurteilende Norm des Kollektivvertrags als uneingeschränkt wirksam. Sie geht der gesetzlichen Regelung vor, was zur Folge hat, dass auch die noch verfahrensgegenständlichen Ansprüche des Klägers nicht verfristet sind.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

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