OGH 9ObA308/98d

OGH9ObA308/98d17.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Krajcsir und Anton Degen als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Draginja B*****, Büglerin, ***** vertreten durch Dr. Georg Freimüller und andere, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich L***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 30.259 sA, infolge Revision (Revisionsinteresse S 28.941,90) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. August 1998, GZ 8 Ra 211/98b-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 2. Februar 1998, GZ 14 Cga 80/97d-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teiles zu lauten haben:

"1. Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin S 1.317,10 brutto samt 4,5 % Zinsen seit 3. 9. 1996 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

2. Hingegen wird das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin einen weiteren Betrag von S 28.941,90 brutto samt 4,5 % Zinsen seit 3. 9. 1996 zu zahlen, abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.700,- bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit S 5.120,- (darin S 1.320,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.038,88 (darin S 676,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 3. 10. 1993 bis 2. 9. 1996 bei der beklagten Partei als Büglerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung seitens des Dienstgebers. Die Klägerin verdiente zuletzt einen Bruttostundenlohn von S 59,95. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Kollektivvertrag für Chemischreiniger, Wäscher und Färber anzuwenden.

Mit ihrer Klage vom 2. 5. 1997 begehrte die Klägerin den Zuspruch von S 30.259 brutto sA, darin enthalten S 14.388 brutto an Kündigungsentschädigung vom 3. 9. bis 12. 10. 1996, Sonderzahlungen zur Kündigungsentschädigung von brutto S 1.383 sowie Urlaubsentschädigung für 33 Werktage (davon für drei Werktage aus der Zeit vor Antritt des Karenzurlaubes) von brutto S 14.488.

Sie habe sich vom 2. 9. 1994 bis 2. 9. 1996 nach der Geburt eines Kindes im Karenzurlaub befunden und am 30. 8. 1996, somit vor Ende des Karenzurlaubes, beim Geschäftsführer der beklagten Partei vorgesprochen, um ihren Dienstantritt per 2. 9. 1996 zu regeln. Bei dieser Gelegenheit sei ihr vom Geschäftsführer mitgeteilt worden, daß sie gar nicht mehr kommen brauche, da sie nicht wieder übernommen würde und sich einen neuen Arbeitsplatz suchen solle, weil die beklagte Partei "bereits genug Frauen habe". Weiters sei sie aufgefordert worden, ihre Papiere und ihre Abrechnung abzuholen. Die Klägerin habe dies als Kündigung aufgefaßt und daher am 4. 9. 1996 erneut vorgesprochen, um die Ausfolgung ihrer Arbeitspapiere sowie einer Abrechnung zu erhalten. Dies sei ihr vom Geschäftsführer der beklagten Partei verweigert worden. Am 5. 9. 1997 habe die Kammer für Arbeiter und Angestellte namens der Klägerin bei der Beklagten interveniert und um Stellungnahme bis 19. 9. 1996 ersucht. An diesem Tage habe die beklagte Partei schriftlich die "Anspruchsentgelte" der Klägerin mittels Telefax anerkannt und eine nicht ganz richtige Abrechnung übermittelt, in welcher zwar die vierwöchige Schutzfrist, nicht jedoch die daran anschließende Kündigungsfrist berücksichtigt worden sei. Weiters seien darin drei alte Urlaubstage nicht erwähnt und der kollektivvertragliche Mindestlohn nicht eingehalten worden. Mangels Zahlung habe die Kammer für Arbeiter und Angestellte mit Schreiben vom 10. 1. 1997 die Verhandlungen mit der Beklagten fortgesetzt, am 23. 1. 1997 seien die Verhandlungen abgebrochen und trotz Anerkenntnis des Anspruches Zahlungen an die Klägerin abgelehnt worden. Ergänzend brachte die Klägerin vor (AS 19), daß der von der beklagten Partei erhobene Präklusionseinwand unerheblich sei, weil ein Anerkenntnis erfolgt bzw die Präklusionsfrist durch Vergleichsgespräche gehemmt worden sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei vor Beendigung ihres zweijährigen Karenzurlaubes in der letzten August-Woche 1996 beim Geschäftsführer der Beklagten erschienen und habe erklärt, wieder ihre Arbeit aufnehmen zu wollen. Sie sei daraufhin aufgefordert worden, am darauffolgenden Montag, dem 2. 9. 1996, um 8,00 Uhr den Dienst anzutreten. Tatsächlich sei sie aber nicht zur Arbeit erschienen und habe auch keinen Dienstverhinderungsgrund bekanntgegeben. Auch am 3. 9. habe sie ihre Arbeit nicht angetreten, sondern erst am 4. 9. 1996 abends vorgesprochen und erklärt, Geld zu wollen. Auf die Frage des Geschäftsführers der Beklagten, warum sie nicht zur Arbeit erschienen sei, habe sie bekanntgegeben, seit Montag bereits eine andere Arbeitsstelle zu haben. Daraufhin sei erklärt worden, daß ihr keine Ansprüche mehr zustünden und ihr Verhalten als ungerechtfertigter vorzeitiger Austritt angesehen werde. Dem Anspruch auf Kündigungsentschädigung samt Sonderzahlungen werde überdies der Einwand der Präklusion gemäß § 1162d ABGB entgegengehalten. Dies gelte auch für den während der fiktiven Kündigungsfrist entstandenen Urlaubsanspruch, sodaß die Forderung auf Urlaubsentschädigung ebenfalls verfristet sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und traf folgende wesentlichen Feststellungen:

Die Klägerin war seit 3. 10. 1993 mit einem Bruttomonatslohn von S

8.500 monatlich bei der Beklagten beschäftigt und trat am 2. 9. 1994 eine zweijährige Karenz an. Noch vor Ende ihres Karenzurlaubes sprach sie beim Geschäftsführer der Beklagten vor. Dieser teilte ihr mit, daß sie nicht mehr zu kommen brauche, er hätte genug Leute zum Arbeiten, die Klägerin solle später wegen der Kündigung und Abrechnung wieder kommen. Die Klägerin trat daraufhin am 2. 9. 1996 eine Teilzeitbeschäftigung bei einem anderen Dienstgeber an; nach drei Monaten wechselte sie auch diesen Arbeitsplatz, weil sie eine Vollzeitbeschäftigung erlangte. Am 4. 9. 1996 suchte die Klägerin gemeinsam mit ihrem Schwiegervater den Geschäftsführer der beklagten Partei auf, welcher erklärte, daß die Klägerin kein Geld mehr bekomme. Auf ein von der Kammer für Arbeiter und Angestellte abgesandtes Forderungsschreiben antwortete der Geschäftsführer der Beklagten mit Schreiben vom 19. 9. 1996 wie folgt: "Hiemit sende ich die Anspruchsentgelte der Frau B*****. Den Arbeitsbeginn am 2. 9. 1996 hat Frau B***** nicht eingehalten und erklärte mir, sie hat am Montag eine neue Beschäftigung begonnen. Um die Angelegenheit zu relativieren, muß ich mitteilen, daß Frau B***** mehrere Gelddiebstähle begangen hatte. Außerdem versucht die Familie B***** mehrmals auf Mafiaart, mich unter Druck zu setzen. Mit freundlichen Grüßen". Diesem Schreiben war eine Aufstellung des Steuerberaters der beklagten Partei angeschlossen, welche als "Anspruch von Frau B*****" 4 Wochen Kündigungsentschädigung mit S 7.614 und Urlaubsentschädigung mit S 9.942,50 ausweist. Am 23. 1. 1997 richtete der Geschäftsführer der beklagten Partei erneut ein Schreiben an die Kammer für Arbeiter und Angestellte, in welchem es heißt: "Zum Abschluß möchte ich als 40-jähriges Mitglied der Kammer meine Zweifel anmerken, wenn sich diese Einrichtung für Personen engagiert, die sich im Dunstkreis der Kriminalität bewegen." Weitere Verhandlungen wurden nicht festgestellt.

Bei Beendigung des Dienstverhältnisses hatte die Klägerin einen restlichen Urlaubsanspruch aus Vorperioden im Ausmaß von drei Werktagen. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß die Klägerin aufgefordert worden sei, am Montag, dem 2. 9. um 8,00 Uhr früh den Dienst wieder anzutreten.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten, daß die Klägerin ihren Dienst nicht wieder anzutreten brauche, als fristwidrige Kündigung zu werten sei. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung bis einschließlich 12. 10. 1996, weil die Auflösungserklärung des Dienstgebers erst nach Ablauf der vierwöchigen Schutzfrist des § 15 Abs 4 Mutterschutzgesetz wirksam werden konnte. Gemäß § 17 Abs 2 des Kollektivvertrages für Chemischreiniger könnten Dienstverhältnisse unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist zum Ende der Arbeitswoche gelöst werden. Ein fingierter Kündigungsausspruch vom 3. 9. 1996 führe somit zur Beendigung per 12. 10. 1996. Daraus folge die Berechtigung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche. Auf den Präklusionseinwand ging das Erstgericht nicht ein.

Das Ersturteil erwuchs hinsichtlich der Zuerkennung von S 1.317,10 brutto sA (= Urlaubsentschädigung für drei Werktage) in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und vertrat folgende Rechtsauffassung:

Gemäß § 19 des Kollektivvertrags der Chemischreiniger seien alle Ansprüche eines Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, mit Ausnahme des Anspruches auf den Lohn verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Abrechnung des Lohnzahlungszeitraumes, in dem sie entstanden sind, gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich oder mündlich geltend gemacht worden seien. Die Bestimmung des § 1162d ABGB sei relativ zwingendes Recht; die dort genannte Frist dürfe zum Nachteil des Dienstnehmers nicht verkürzt werden. § 19 des genannten Kollektivvertrages unterschreite offensichtlich diese Frist. Dafür lasse der Kollektivvertrag aber die außergerichtliche Geltendmachung genügen. Zum Verhältnis der Präklusivfrist des § 1162d ABGB und eine kürzere Präklusionsfrist vorsehenden Kollektivverträgen habe die Rechtsprechung in zwei einander entgegenstehenden Entscheidungen Stellung genommen. In der Entscheidung vom 22. 3. 1955, 4 Ob 141/54 (zu Punkt IX des Kollektivvertrages für die Glasindustrie) habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen: "Da der Kollektivvertrag den Verfall der Aussprüche aus dem Dienstverhältnis für den Fall vorsieht, als sie nicht innerhalb von vier Monaten nach dem Auszahlungstag jener Lohnwoche geltend gemacht werden, in der sie entstanden sind, ohne ausdrücklich zu sagen, daß damit nur die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche gemeint ist, genügt zur Wahrnehmung der Ansprüche bereits die Geltendmachung innerhalb der vorgesehenen Frist gegenüber dem Dienstgeber." In einer weiteren Entscheidung vom 20. 10. 1972, 4 Ob 75/72 (Arb 9039) heiße es: "Die in § 23 des Kollektivvertrages für Musiker enthaltene Bestimmung, wonach Ansprüche innerhalb von zwei Monaten nach dem Tag der Beendigung des Dienstverhältnisses mit eingeschriebenem Brief geltend zu machen sind, steht mit der zugunsten des Dienstnehmers zwingenden Vorschrift des § 34 AngG in Widerspruch und ist daher unbeachtlich."

In der Literatur (Pfeil, Zur Zulässigkeit von Verfalls- und Verjährungsklauseln im Arbeitsrecht, RdW 1986, 343 f) werde die Meinung vertreten, daß kürzere Fristen, die lediglich eine außergerichtliche Geltendmachung vorsehen, zulässig sein können, wenn nur die 6-Monatsfrist für die gerichtliche Geltendmachung von zwingenden Ansprüchen gewahrt bleibe. Ausgehend vom Günstigkeitsprinzip sei § 19 des Kollektivvertrages dahin zu interpretieren, daß die außergerichtliche Geltendmachung innerhalb der 3-Monatsfrist alternativ zu § 1162d hinzutrete. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin ihre Ansprüche jedenfalls innerhalb der 3-Monatsfrist und somit rechtzeitig geltend gemacht. Dem Präklusionseinwand der beklagten Partei komme daher keine Berechtigung zu. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Dies wurde damit begründet, daß zur Frage des Verhältnisses von kürzeren kollektivvertraglichen Verfallsfristen bei außergerichtlicher Geltendmachung zu längeren gesetzlichen Fristen bei gerichtlicher Geltendmachung keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren hinsichtlich eines Teilbetrages von S 28.941,90 brutto samt 4,5 % Zinsen seit 3. 9. 1996 abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß das Dienstverhältnis durch eine fristwidrige, dem besonderen Kündigungsschutz der Klägerin widersprechende Arbeitgeberkündigung aufgelöst wurde. Für den Lauf der Frist des § 1162d ABGB ist nicht wesentlich, wann das Dienstverhältnis bei ordnungsgemäßer Aufkündigung geendet hätte; maßgebend ist vielmehr der Tag der tatsächlichen Beendigung (RIS-Justiz RS0031348, WBl 1987, 130). Dies war im vorliegenden Fall der 2. 9. 1996. Kündigungsentschädigungen (einschließlich Sonderzahlungen) unterliegen hinsichtlich ihrer Geltendmachung grundsätzlich der sechsmonatigen Präklusivfrist des § 1162d ABGB. Gleiches gilt für die Urlaubsentschädigung dann, wenn der neue Urlaubsanspruch innerhalb der fingierten Kündigungsfrist entstanden wäre, was im vorliegenden Fall für 30 Urlaubstage zutrifft (WBl 1995, 377 = RdW 1995, 484 = Arb 11.365).

Es ist daher zunächst zu prüfen, in welchem Verhältnis § 19 des anzuwendenden Kollektivvertrages zur relativ zwingenden Bestimmung des § 1162d ABGB steht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist es ständige und einhellige Rechtsprechung, daß die 6-monatige Frist des § 1162d ABGB zugunsten des Dienstnehmers wohl verlängert werden kann (Arb 7048 uva), eine Verkürzung dieser gesetzlichen Frist durch Einzelvertrag oder Kollektivvertrag zum Nachteil des Dienstnehmers aber unzulässig ist (RIS-Justiz RS0021731, insbesondere

SZ 59/180 = Arb 10.578 = DRdA 1981, 196 [Pfeil], RIS-Justiz

RS0029720, insbesondere SZ 44/151, Arb 10.097, DRdA 1992, 52 = ARD

4308/24/91 uva). Auch die vom Berufungsgericht zitierte (soweit ersichtlich, nicht veröffentlichte) Entscheidung vom 22. 3. 1955, 4 Ob 141/54, vermag seine Rechtsauffassung nicht zu stützen: Dort ging es nämlich nicht um beendigungsabhängige Ansprüche im Sinne des § 1162d ABGB, sondern um andere Ansprüche (Sonderzahlungen), für deren Geltendmachung der Kollektivvertrag eine viermonatige Verfallsfrist vorsah. Der Oberste Gerichtshof sprach in dieser Entscheidung daher ohne jedwede Bezugnahme auf § 1162d ABGB aus, daß, wenn ein Kollektivvertrag die gerichtliche Geltendmachung nicht vorsieht, auch die außergerichtliche fristwahrend sei. Lediglich am Rande sei erwähnt, daß die Entscheidung 4 Ob 141/54 ausdrücklich auf die Vorentscheidung SZ 24/250 verweist, in welcher bereits der Grundsatz enthalten ist, daß dort, wo das Gesetz die gerichtliche Geltendmachung des Anspruches innerhalb einer bestimmten Frist zwingend vorschreibe (§ 1162d ABGB, § 34 Abs 1 AngG), "es dabei verbleiben müsse und auch der Kollektivvertrag daran nichts ändern könne". Die der Argumentation der Klägerin folgende Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, wonach das Günstigkeitsprinzip (§ 1164 ABGB) und somit die Anwendbarkeit des § 19 des Kollektivvertrages gewahrt bleibe, weil damit die Notwendigkeit einer gerichtlichen Geltendmachung zur Fristenwahrung entfalle, überzeugt nicht.

Die normativen Bestimmungen eines Kollektivvertrages sind grundsätzlich nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Grundsätze (§§ 6 f ABGB) zu interpretieren. Auch hier gilt, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann, nicht aber, was der Normengeber wirklich gewollt oder unverbindlich geäußert hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes läßt sich dem hier zu beurteilenden Kollektivvertragstext nicht entnehmen, daß hiemit beabsichtigt war, alternativ, das heißt neben das Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung binnen sechs Monaten, eine dem Dienstnehmer weniger beschwerliche außergerichtliche Geltendmachung mit der Wirkung der Wahrung der kurzen (= dreijährigen) Verjährungszeit treten zu lassen. Daraus folgt für die hier zu beurteilenden, von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängigen Ansprüche, daß die sechsmonatige Frist des § 1162d ABGB beachtlich und auf den von der beklagten Partei erhobenen Präklusionseinwand einzugehen ist.

§ 1497 ABGB und somit die Bestimmungen über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung sind nach herrschender Lehre und Rechtsprechung auch auf einzelne Ausschlußfristen des Arbeitsrechtes, insbesondere diejenigen nach § 1162d ABGB, anzuwenden (SZ 49/106 = Arb 9514; Arb 9834, WBl 1987, 130 uva). Soweit sich die Klägerin auf ein Anerkenntnis ihrer Ansprüche durch den Geschäftsführer der Beklagten beruft, sei es als neuer Verpflichtungsgrund oder aber als Grund für die Unterbrechung des Laufs der Präklusivfrist des § 1162d ABGB, ist ihr folgendes entgegenzuhalten:

Dem Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten vom 19. 9. 1996 (Beilage ./2) ist objektiv kein Wille entnehmbar, damit eine neue, selbständige Verpflichtung begründen zu wollen. Ein konstitutives Anerkenntnis als neuer Schuldgrund scheidet demnach aus (SZ 51/176 uva). Soweit in diesem Schreiben ein deklaratives Anerkenntnis gelegen sein könnte ( - einer näheren Prüfung bedarf es nicht - ), würde ein solches Anerkenntnis des Schuldners wohl auch eine kollektivvertragliche Fallfrist unterbrechen (RIS-Justiz RS0029716), doch würde sich durch ein solches Anerkenntnis, weil ihm novierende Wirkung nicht zukommt, die Dauer der Frist nicht ändern, vielmehr würde diese nur neu zu laufen beginnen (EvBl 1961/362; SZ 36/55 = EvBl 1963/403; Arb 9196; Klang in Klang VI 654, Schubert in Rummel ABGB2 Rz 5 zu § 1497). Hätte demnach am 19. 9. 1996 (= unstrittiger Tag des Zuganges des vom Geschäftsführer der Beklagten abgesandten Telefaxes) die Präklusivfrist neu zu laufen begonnen, wäre diese am 19. März 1997 und somit vor Einbringung der Klage am 2. 5. 1997 abgelaufen gewesen.

Im Falle von Vergleichsverhandlungen über die Abwicklung von Schadenersatzansprüchen handelt es sich um einen von der Rechtsprechung herausgebildeten besonderen Fall einer Ablaufshemmung (RIS-Justiz RS0034518). Entsprechend dem Vorbringen der Klägerin, wonach das Dienstverhältnis per 2. 9. 1996 beendet worden war, wäre die sechsmonatige Frist des § 1162d ABGB mit 2. 3. 1997 abgelaufen. Die Klägerin hat wohl behauptet, daß Vergleichsgespräche stattgefunden hätten, geht jedoch selbst davon aus (AS 15 oben), daß diese Vergleichsgespräche bereits am 23. 1. 1997 erfolglos abgebrochen wurden. Eine Ablaufshemmung konnte demnach überhaupt nicht stattfinden, sodaß diese Vergleichsverhandlungen ohne Einfluß auf den Fristenlauf bleiben mußten.

Zusammenfassend ergibt sich, daß der auf § 1162d ABGB gestützte Präklusionseinwand der beklagten Partei berechtigt ist und einer Stattgebung des noch strittigen Klagebegehrens entgegensteht.

Für das Verfahren erster Instanz können der beklagten Partei gemäß § 43 Abs 2 ZPO die verzeichneten Kosten in voller Höhe zugesprochen werden, weil sie überwiegend obsiegt hat und demgegenüber die Klägerin nur mit einem unbedeutenden Teil ihres Anspruches (ca 4 %) durchgedrungen ist. Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren ist in den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO begründet.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte