OGH 3Ob41/06k

OGH3Ob41/06k29.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg E*****, vertreten durch Dr. Heinrich Nagl, Rechtsanwalt in Horn, wider die beklagte Partei Dr. Johann S*****, vertreten durch Dr. Engelbert Reis, Rechtsanwalt in Horn, wegen Räumung eines Grundstücks und Unterlassung, aus Anlass der „außerordentlichen Revision" der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 13. Dezember 2005, GZ 1 R 153/05p-17, womit der Beschluss und das Urteil des Bezirksgerichts Horn vom 11. April 2005, GZ 2 C 69/04p-13, bestätigt wurden, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der an den Obersten Gerichtshof gerichtete Antrag auf Berichtigung des Ausspruchs des Berufungsgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstands wird zurückgewiesen.

2. Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Parteien waren als Geschwister je Hälfteeigentümer des Grundstücks (GSt) Nr 141/2 der EZ 43 .... Der Beklagte ist aufgrund eines rechtskräftigen Urteils (hg. 2 Ob 540/93) verpflichtet, in die Realteilung dieser Liegenschaft einzuwilligen. Die Klägerin führte zur Durchsetzung des Teilungsanspruchs Exekution. Noch vor der rechtskräftigen Verbücherung ihres Alleineigentums an dem vom GSt Nr 141/2 abzutrennenden Grundstück (Nr 141/3 neu) begehrte sie mit der am 14. Jänner 2004 eingebrachten Klage die Räumung dieses Grundstücks von den Fahrnissen des Beklagten, insbesondere Schi, einer vom Beklagten errichteten Holzhütte, von ihm gepflanzten Bäumen sowie einem Zaun. Der Beklagte benütze die Liegenschaft entgegen der getroffenen Teilungsvereinbarung und entgegen einer zwischen den Parteien vereinbarten Benützungsregelung. Mit der von den Vorinstanzen zugelassenen Klageänderung begehrte die Klägerin ferner die Unterlassung der Benützung des Grundstücks. Der Unterlassungsanspruch wurde mit 100 EUR bewertet.

Die Erstrichterin gab den Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte die Zulassung der Klageänderung sowie das Ersturteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision - vorbehaltlich des § 508 ZPO - nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich die „außerordentliche Revision" des Beklagten mit dem Abänderungsantrag, dass die Klagebegehren abgewiesen werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit dem an den Obersten Gerichtshof gerichteten Antrag begehrt der Revisionswerber die Berichtigung des Ausspruchs des Berufungsgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstands und die Zulassung der ordentlichen Revision. Der Wert des Entscheidungsgegenstands möge mit 20.000 EUR übersteigend festgestellt und die Revision für zulässig erklärt werden. Dazu führt der Revisionswerber im Wesentlichen aus, dass das Berufungsgericht (in seiner Rekursentscheidung vom 9. Februar 2005, AZ 1 R 211/04s, den Wert des Entscheidungsgegenstands in einem Grundbuchsverfahren betreffend das GSt Nr 141/3 - aufgrund der nach § 60 Abs 2 JN genannten zwingend anzuwendenden Bewertungsvorschriften zufolge einer Auskunft des zuständigen Finanzamts - mit über 20.000 EUR übersteigend festgesetzt habe. Es bestehe kein sachlicher Grund, hier eine andere Bewertung vorzunehmen, wenn es um dasselbe Grundstück gehe. Hier sei gemäß § 60 Abs 2 JN auf den Einheitswert abzustellen, der nach der Teilung des GSt Nr 142/2 (alt) in Nr 141/2 (neu) und Nr 141/3 (neu) „vom Finanzamt Waldviertel neu bestimmt werden muss und auf die Umwidmung des Grundstücks auch hinsichtlich der durch Abteilung neu entstandenen Grundstücksfläche Nr 141/3 Rücksicht nehmen muss".

Rechtliche Beurteilung

Zu der für die Rechtsmittelzulässigkeit wesentlichen Frage der Bewertung des Entscheidungsgegenstands ist Folgendes auszuführen:

1. Die auf titellose Benützung eines Grundstücks gestützte Räumungsklage ist kein Fall des § 49 Abs 2 Z 5 JN, bei dem die Anrufung des Obersten Gerichtshofs unabhängig vom Streitwert zulässig wäre (RIS-Justiz RS0046865). Den Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO kann der Oberste Gerichtshof nur dahin überprüfen, ob zwingende Bewertungsvorschriften verletzt wurden (RIS-Justiz RS0042450; RS0042437). Grundsätzlich wäre für die auf die Eigentumsfreiheit gestützte Klage der dreifache Einheitswert der Liegenschaft maßgeblich (§ 60 Abs 2 JN; 3 Ob 320/02h = SZ 2003/134). Wenn ein Einheitswert existierte, wäre eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht gesetzwidrig. Nach dem Rechtsmittelvorbringen selbst existiert aber für das GSt Nr 141/3 (neu) nach der Abtrennung vom alten Gutsbestand noch kein neuer Einheitswertbescheid. Dies wird auch durch die Gründe der vom Revisionswerber zitierten Entscheidung 1 R 211/04s des Landesgerichts Krems an der Donau bestätigt. Auch dort wurde ausgesprochen, dass ein Einheitswert noch nicht festgesetzt wurde. Die im Grundbuchsverfahren (das mit der oberstgerichtlichen Entscheidung 5 Ob 78/05i beendet wurde) vom Rekursgericht vorgenommene Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit mehr als 20.000 EUR ist jedoch für ein anderes Verfahren keineswegs bindend. Mangels Vorliegens eines zwingend heranzuziehenden Einheitswerts für das streitgegenständliche Grundstück hatte das Berufungsgericht nach richterlichem Ermessen eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands vorzunehmen, die sich am gemeinen Wert des Grundstücks zu orientieren hat (RIS-Justiz RS0109331). Eine wahrnehmbare Überschreitung des richterlichen Ermessens bei dieser Bewertung ist nicht zu erkennen. Da keine zwingende Bewertungsvorschriften verletzt wurden, ist die Bewertung des Berufungsgerichts unanfechtbar und bindend (§ 500 Abs 4 ZPO; 7 Ob 111/02b, 1 Ob 50/04s, 3 Ob 206/05y u.v.a.). Der an den Obersten Gerichtshof gerichtete Abänderungsantrag ist daher zurückzuweisen.

2. Trotz der fehlerhaften Bezeichnung des Rechtsmittels als „außerordentliche Revision" und des irrig an den Obersten Gerichtshof gerichteten Antrags, den Bewertungsausspruch abzuändern, ist das Rechtsmittel noch nicht als unzulässig zurückzuweisen. Im Zwischenbereich zwischen 4.000 EUR und 20.000 EUR kann die Partei an das Berufungsgericht den Antrag auf Abänderung des Rechtsmittelzulässigkeitsausspruchs stellen und diesen mit der ordentlichen Revision verbinden (§ 508 Abs 1 ZPO). Im Hinblick auf diese Rechtslage war das Rechtsmittel jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen (§ 507b Abs 2 ZPO). Sollte das Erstgericht der Meinung sein, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen eines ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, wird es allenfalls einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben (§ 84 Abs 3 ZPO iVm § 474 Abs 2 zweiter Satz ZPO; RIS-Justiz RS0109623; RS0109501). Der Oberste Gerichtshof darf über das als „außerordentliche Revision" bezeichnete Rechtsmittel erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz nach § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass eine ordentliche Revision doch zulässig sei (4 Ob 71/04a mwN). Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.

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