OGH 10ObS123/05v

OGH10ObS123/05v22.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Mag. Dr. Günther Schön (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helmut *****, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Mai 2005, GZ 10 Rs 33/05d-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6. Dezember 2004, GZ 19 Cgs 120/04g-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt lauten:

„Der Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension besteht dem Grunde nach ab 1. 12. 2003 zu Recht. Die Pension fällt aber erst an, wenn der Kläger seine Tätigkeit als Geldtransporteur und Bediener von Geldzählmaschinen aufgibt. Der beklagten Partei wird aufgetragen, dem Kläger ab Aufgabe seiner Tätigkeit als Geldtransporteur und Bediener von Geldzählmaschinen bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheids eine vorläufige Zahlung von 400 EUR monatlich jeweils am Monatsersten im Nachhinein zu erbringen. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 444,67 (darin enthalten EUR 74,11 USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 818,98 (darin EUR 136,50 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Bei dem am 6. 10. 1946 geborenen Kläger besteht seit der Antragstellung (25. 11. 2003) unter Berücksichtigung all seiner Leidenszustände (das sind: rezidivierende Cervicalsyndrome und Lumboischialgien mit jeweils schmerzhaften Bewegungseinschränkungen bei hoch- bzw mittelgradigen degenerativen Veränderungen der Hals- bzw Lendenwirbelsäule, Fersenspornsymptomatik, Beinverkürzung von 2 cm rechts nach Oberschenkelfraktur, beginnende Gonarthrose und Coxarthrose sowie Osteoporose) insgesamt folgendes Leistungskalkül:

Dem Kläger ist im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung eine leichte Tätigkeit mit einem seiner bisherigen Berufslaufbahn entsprechenden geistigen Anforderungsprofil möglich; dies unter Einhaltung der üblichen Arbeitspausen. Einschränkungen bei Aufsichtstätigkeiten bestehen nicht.

Folgende Verrichtungen müssen vermieden werden:

- vollschichtige Bildschirmarbeit

- ganzzeitiges Stehen

- knieende Tätigkeiten

- hockende Tätigkeiten

- übermäßige Kälte- und Nässeexposition

- länger dauerndes Sitzen mit vorgeneigter Zwangshaltung

- häufiges oder länger dauerndes ununterbrochenes Bücken oder Vornüberneigen des Rumpfes

- häufige und rasche Kopfwendungen

- häufiges oder länger dauerndes ununterbrochenes Vornüberneigen des Kopfes.

Der Anmarschweg zur Arbeitsstätte ist unter städtischen Bedingungen nicht eingeschränkt. Ein öffentliches Verkehrsmittel kann benützt werden. Der gegenwärtige Gesundheitszustand besteht zumindest seit Antragstellung. Eine wesentliche Besserung ist nicht zu erwarten. Ständig besonderer Zeitdruck ist ausgeschlossen, ebenso wie Nacht- und Schichtarbeit. Die zu erwartenden leidensbedingten Krankenstände sind nicht abschätzbar.

Zum Berufsverlauf des Klägers insbesondere in den letzten fünfzehn Jahren vor dem Stichtag steht fest, dass er eine Lenkerberechtigung der Klasse B und eine Taxilenkerberechtigung besitzt, aber keine darüber hinausgehende Kraftfahrerausbildung.

Der Kläger war ab 28. 1. 1987 bei der P***** Werttransporte GmbH beschäftigt und durchgehend bis 30. 9. 1998 pflichtversichert (ohne Zeiten des Bezuges von Krankengeld). Anschließend war er noch vom 1. 10. bis 2. 10. 1998 wegen des Bezuges einer Urlaubsabfindung aus diesem Dienstverhältnis pflichtversichert. Seit 1. 10. 1998 ist er durchgehend bei der ***** N*****bank beschäftigt und (ohne Bezug von Krankengeld) bis 6. 3. 2004 pflichtversichert. Seit 7. 3. 2004 bezieht er Krankengeld.

Aufgabenbereich des Klägers im Rahmen seiner Beschäftigung bei der N*****bank ist das Bedienen von Geldzähl- und Schlichtmaschinen. Er hat dabei Geldpakete zur Maschine zu bringen, wobei die Maschine diese Pakete dann selbständig schlichtet. Gegebenenfalls hat er Fehlersuche und Fehlerkontrolle beim Lauf der Maschine durchzuführen. Dabei hat er Hebe- und Trageleistungen bis zu 30 kg zu erbringen.

Auch bei der Firma P***** hatte der Kläger Geldzählmaschinen zu bedienen, andererseits aber auch Fahrtätigkeit und Ausliefertätigkeit durchzuführen. Die Zählmaschinen, die der Kläger bei der Firma P***** zu bedienen hatte, zählten nur kleinere Geldbündel als diejenigen bei der N*****bank. Bei der Firma P***** hatte der Kläger bei seiner Fahrer- oder Beifahrertätigkeit ebenfalls Hebe- und Trageleistungen zu erbringen, nämlich beim Transportieren der Säcke in die Bankinstitute. Bei der Firma P***** überwog aber die Tätigkeit des Fahrens und Auslieferns diejenige des Bedienens der Geldzählmaschinen.

Nach den festgestellten beruflichen Belastungen des Klägers in beiden Dienstverhältnissen und seinem Leistungskalkül werden ihm beide Berufstätigkeiten [in Zukunft] nicht mehr möglich sein.

Mit Bescheid vom 23. 6. 2004 hat die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 25. 11. 2003 auf Gewährung der Invaliditätspension abgelehnt.

Dagegen richtet sich die Klage auf Zuspruch der beantragten Pensionsleitung ab 1. 12. 2003.

Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung. Einerseits setzten die erhobenen Leiden den Kläger nicht außer Stande, eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet werde und unter billiger Berücksichtigung der ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden könne, auszuüben; andererseits habe er in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag keine den Tätigkeitsschutz des § 255 Abs 4 ASVG begründende Tätigkeit durch mindestens 120 Kalendermonate verrichtet. Er sei in der Lage die Lohnhälfte iSd § 255 Abs 3 ASVG zu erwerben. Außerdem habe er nach der derzeitigen Aktenlage die Beschäftigung am Stichtag noch nicht aufgegeben. Für den Fall der Stattgebung könne die Leistung somit erst nach Aufgabe der Beschäftigung anfallen und daher auch eine vorläufige Zahlung erst ab diesem Zeitpunkt zugesprochen werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, dass die beiden Berufstätigkeiten nicht gleichartig iSd § 255 Abs 4 ASVG seien. Das Schwergewicht der Tätigkeit des Klägers bei der Firma P***** sei im Fahrdienst gelegen (Fahrer und Beifahrer mit Ausliefertätigkeit), während das alleinige Aufgabengebiet bei der N*****bank das Bedienen der Geldzählmaschine „mitsamt Zu- und Abtransport der Geldscheine" gewesen sei. Der Kläger habe seine Tätigkeit bei der Firma P***** zwar mehr als 10 Jahre hindurch ausgeübt, davon fielen aber weniger als 120 Kalendermonate in den Beobachtungszeitraum der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag. Dass insoweit nur drei Monate fehlten könne auch im Rahmen von Billigkeitserwägungen bei der Entscheidung über den Invaliditätspensionsantrag nicht berücksichtigt werden. Es sei vielmehr ausschließlich der durch die Antragstellung im November ausgelöste Stichtag 1. 12. 2003 für den Beobachtungszeitraum maßgebend. Ungeachtet dessen, dass nach den beruflichen Belastungen des Klägers in beiden Dienstverhältnissen einerseits und dem Leistungskalkül andererseits dem Kläger beide Berufstätigkeiten „wohl nicht mehr möglich sein werden", lägen somit die Voraussetzungen des § 255 Abs 4 ASVG nicht vor. Da der Kläger auch keinen Berufsschutz als allenfalls angelernter Kraftfahrer genieße sei er auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und könne noch die - bekanntermaßen das Kalkül leichter Tätigkeiten nicht überschreitende - Berufstätigkeit eines Portiers ausüben. Auch die sich aus dem Leistungskalkül ergebenden Körperhaltungseinschränkungen bewirkten keinen Ausschluss von dieser Berufstätigkeit, zumal für den Portier ein Körperhaltungswechsel so gut wie nach Bedarf möglich sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Tätigkeit des Klägers bei der Firma P*****, die das Fahren und Ausliefern beinhalte, habe diejenige des Bedienens der Geldzählmaschinen überwogen. Diese von ihm überwiegend ausgeübte Tätigkeit sei daher bei der Beurteilung des Vorliegens einer einheitlichen Tätigkeit heranzuziehen. Die wesentliche Tätigkeit bei der Firma P***** (das Fahren und Ausliefern) stimme jedoch mit der Tätigkeit bei der N*****bank nicht überein, sodass von einer einheitlichen Tätigkeit nicht gesprochen werden könne.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof - soweit überblickbar - noch nicht entschieden habe, wie eine nicht überwiegend ausgeübte Tätigkeit bei einem Dienstgeber mit einer identen Tätigkeit bei einem anderen Dienstgeber im Rahmen des § 255 Abs 4 ASVG zu beurteilen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im klagestattgebenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und, weil das Berufungsgericht von der Rsp des Obersten Gerichtshofes abwich, auch berechtigt.

Der Revisionswerber macht geltend, die Vorinstanzen hätten das Vorliegen des Kriteriums „eine Tätigkeit" iSd § 255 Abs 4 ASVG (trotz zutreffender Wiedergabe der einschlägigen Judikatur) zu Unrecht verneint. Selbst wenn der Kläger - wie nach der Beurteilung des Berufungsgerichts - eine nicht überwiegend ausgeübte Tätigkeit bei einem Dienstgeber verrichtet habe und sodann eine teilweise idente Tätigkeit bei einem anderen (nachfolgenden) Dienstgeber, würde der gegenständliche Sachverhalt in den Anwendungsbereich des § 255 Abs 4 ASVG fallen. Gerade dies sei nämlich vom Gesetzgeber zur Vermeidung von Härtefällen durch die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit intendiert gewesen. Andernfalls hätte er sich - wie der Oberste Gerichtshof bereits festgestellt habe - einer anderen Formulierung wie etwa „dieselbe Tätigkeit" etc bedient.

Außerdem hätten die beiden nach den Feststellungen ausgeübten Tätigkeiten des Klägers - unter Bedachtnahme auf wesentliche Tätigkeitselemente (10 ObS 280/03d) - zu einer Tätigkeit zusammengefasst werden müssen, weil der Kläger jeweils Geldzählmaschinen zu bedienen sowie Hebe- und Tragearbeiten zu erbringen hatte. Im Lichte der bisherigen höchstgerichtlichen Rsp wäre daher jedenfalls auch eine „nicht überwiegend ausgeübte Tätigkeit" bei einem Dienstgeber mit einer identen Tätigkeit bei einem anderen Dienstgeber „nicht allzu streng" und somit im Rahmen des § 255 Abs 4 ASVG zu beurteilen gewesen.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu:

Nach § 255 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000, BGBl I 2000/43, gilt als invalid der (die) Versicherte, der (die) das 57. Lebensjahr vollendet hat, wenn er (sie) infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, einer Tätigkeit, die er (sie) in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat, nachzugehen. Dabei sind zumutbare Änderungen dieser Tätigkeit zu berücksichtigen. Voraussetzung für den Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension nach § 255 Abs 4 ASVG ist somit das - hier allein strittige - Vorliegen einer Tätigkeit, die der Kläger in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat. Bei der Auslegung der Wortfolge „einer Tätigkeit" ist die ausdrücklich erklärte Absicht des Gesetzgebers, mit dieser neuen Bestimmung Härtefälle durch die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu vermeiden, zu berücksichtigen (10 Ob 352/02s mwN), was eine nicht zu strikte Auslegung der Formel „eine Tätigkeit" verlangt (Hinterobermaier, Die Invaliditätspension nach § 255 Abs 4 ASVG; Voraussetzungen und Verweisbarkeit, RdW 2004/134, 164 ff [166] Punkt 2.2 aE).

Mit der neuen Regelung des § 255 Abs 4 ASVG soll bei der Anspruchsprüfung auch die berufliche Entwicklung des Anspruchswerbers berücksichtigt werden (vgl dazu die in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 31. 5. 2000 mit Stimmenmehrheit angenommene Ausschussfeststellung - AB 187 BlgNR 21. GP 3). Das Abstellen auf konkrete Verrichtungen birgt nämlich die Gefahr, dass Veränderungen in der beruflichen Tätigkeit dazu führen, die „Gleichheit" der Tätigkeit zu verneinen. Die Berücksichtigung der beruflichen Entwicklung des Versicherten kann daher dazu führen, dass die „Einheitlichkeit" einer Tätigkeit auch dann bejaht wird, wenn die vom Versicherten verrichtete Arbeit durch technische Hilfsmittel leichter und damit die körperliche Beanspruchung reduziert wird. Diese „eine" Tätigkeit kann aber auch dann noch vorliegen, wenn beispielsweise eine Neuverteilung der Arbeitsaufgaben infolge Rationalisierungsmaßnahmen zu einer erhöhten Belastung des Versicherten führt. Da sich nunmehr die Beurteilung der Einheitlichkeit der Tätigkeit auf einen Zeitraum von 10 Jahren erstreckt, dürfen zwangsläufig oder typischerweise eintretende Veränderungen der Arbeitsaufgaben nicht zum Verlust der Begünstigung führen (Schrammel, Der Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsbegriff nach dem SVÄG 2000, ecolex 2000, 886 ff [888]; 10 Ob 280/03d = SSV-NF 18/8).

Der erkennende Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass beim Kriterium „eine Tätigkeit" im Sinne des § 255 Abs 4 ASVG nicht allzu strenge Maßstäbe anzulegen sind, um nicht von vornherein die Neuregelung nur in Ausnahmsfällen anwendbar werden zu lassen. Der Gesetzgeber spricht zwar nicht mehr von „gleichen oder gleichartigen" Tätigkeiten, sondern ersetzt diese Formel durch die eher neutralen Worte „eine Tätigkeit", weshalb die zu § 253d ASVG hinsichtlich der Anforderungen für das Vorliegen einer „gleichen oder gleichartigen Tätigkeit" herausgebildete Judikatur jedenfalls nicht ohne Einschränkungen übernommen werden kann (RIS-Justiz RS0117063; zuletzt: 10 ObS 280/03d mwN). Wie der Revisionswerber zutreffend aufzeigt, wurde aber auch schon festgehalten, dass unter dem Begriff der „einen" Tätigkeit nicht eine einzige (einheitliche) Tätigkeit zu verstehen ist, sondern auch bei mehreren ausgeübten Tätigkeiten - unter Bedachtnahme auf die wesentlichen Tätigkeitselemente (den Kernbereich) - sehr ähnliche Tätigkeiten zu einer Tätigkeit zusammengefasst werden können (10 ObS 280/03d mwN).

So hat der erkennende Senat beispielsweise in der Entscheidung 10 ObS 352/02s (SSV-NF 16/136) eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter in der Baubranche und eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter in der Metallwarenerzeugung im Hinblick auf die im konkreten Fall sehr ähnlichen Tätigkeitsmerkmale als „eine" Tätigkeit iSd § 255 Abs 4 ASVG beurteilt. Nicht entscheidend sei hingegen, dass der damalige Kläger diese Tätigkeiten bei verschiedenen Dienstgebern und in unterschiedlichen Branchen (Baubranche - Metallwarenerzeugung) verrichtet habe (vgl auch 10 ObS 185/02g = SSV-NF 16/100). Wurden von einem Versicherten mehrere verschiedene Tätigkeiten ausgeführt, kann nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bei Übereinstimmung der wesentlichen Tätigkeitselemente (des Kernbereichs) der verrichteten Tätigkeiten von „einer Tätigkeit" gesprochen werden (10 ObS 280/03d = infas 2004, S 34 = SSV-NF 18/8; RIS-Justiz RS0117063 [T2]; zuletzt: 10 ObS 16/05h).

Von einer solchen Übereinstimmung ist im vorliegenden Fall - angesichts der bereits in der Revision hervorgehobenen Feststellungen - auszugehen; spricht doch auch das Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung von einer „identen Tätigkeit" beim anderen Dienstgeber. Die gegenteilige Beurteilung der Vorinstanzen, die sich darauf stützt, dass diese Tätigkeit beim früheren Dienstgeber nicht „überwiegend" ausgeübt worden sei, kann schon deshalb nicht überzeugen, weil es hier nicht (alleine) darauf ankommt, ob der Kläger bei der Firma P***** „eher mehr gefahren ist und ausgeliefert hat", oder ob er überwiegend bzw „zeitmäßig im Durchschnitt eher gleich" Zähl- und Schlichtmaschinen bedient hat (vgl die vom Berufungsgericht zitierten unterschiedlichen Angaben des Klägers zu diesem Thema [Seite 8 der Berufungsentscheidung]). Entscheidend ist vielmehr, die Übereinstimmung der wesentlichen Tätigkeitselemente (des Kernbereichs) der verrichteten Tätigkeiten, die hier in der Bedienung von Geldzählmaschinen und im Transport von Geld zu erblicken ist. Ob letzterer mit oder ohne technische Hilfsmittel, also nur im Rahmen von Hebe- und Tragearbeiten, oder (neben solchen Tätigkeiten) auch mit Hilfe von Kraftfahrzeugen, die der Kläger lenkte, durchgeführt wurde, kann daran nichts ändern.

Da der Kläger aber nicht mehr in der Lage ist, die beiden bisher ausgeübten (sehr ähnlichen) Tätigkeiten weiter zu verrichten, folgt daraus, dass ihm ein Anspruch auf Invaliditätspension nach § 255 Abs 4 ASVG am Stichtag zusteht; dass die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dieser Bestimmung vorliegen, ist nämlich nicht bestritten. Unstrittig ist aber auch der von der beklagten Partei eingewendete Umstand, dass der Kläger seine Erwerbstätigkeit am Stichtag noch nicht aufgegeben hat (ON 2, 9 und 16). Die Pension fällt daher gemäß § 86 Abs 3 Z 2 Satz 3 ASVG erst nach Aufgabe der Beschäftigung an, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen wie im Spruch ersichtlich abzuändern waren (RIS-Justiz RS0116851; 10 ObS 30/02p = SZ 2002/84 = SSV-NF 16/68; zuletzt: 10 ObS 173/03v mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG, wobei dem verzeichneten Einheitssatz von 180 % der Revisionskosten die Grundlage fehlt, und die Gebührenfreiheit in § 80 ASGG begründet ist (10 ObS 129/99i).

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