OGH 6Ob129/05x

OGH6Ob129/05x14.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ. Prof. Dr. Manfred H*****, vertreten durch Dr. Hannes K. Müller, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. Helfried K*****, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wegen 28.269,93 EUR, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. März 2005, GZ 4 R 192/04v-24, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Juli 2004, GZ 22 Cg 207/03w-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.440,72 EUR (darin 240,12 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem vom beklagten Notar beurkundeten mündlichen notariellen Testament vom 18. 6. 1999 wurde der Kläger als Testamentserbe des am 30. 5. 2000 verstorbenen Dr. Walter R***** sen. eingesetzt. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war für den Erblasser ein einstweiliger Sachwalter bestellt gewesen. Der Kläger gab aufgrund des Testaments eine Erbserklärung ab, der Sohn des Erblassers eine solche aufgrund des Gesetzes. Dem Kläger wurde für den Erbrechtsstreit die Rolle des Beklagten zugewiesen. Im Vorprozess (14 Cg 7/01x des LGZ Graz) wurde rechtskräftig festgestellt, dass das Testament vom 18. 6. 1999 mangels Testierfähigkeit des Erblassers ungültig sei.

Der Kläger begehrt mit seiner am 8. 10. 2003 beim Erstgericht eingelangten Klage den Ersatz der Verfahrenskosten des Vorprozesses, in dem der hier beklagte Notar als Nebenintervenient auf Seiten des dort Beklagten (Kläger des vorliegenden Verfahrens) beigetreten war. Der Kläger macht dem Beklagten den Vorwurf, dass er entgegen § 569 ABGB eine Erforschung der Testierfähigkeit des Erblassers unterlassen habe. Trotz Kenntnis über die Sachwalterbestellung habe der Beklagte in den Sachwalterschaftsakt nicht Einsicht genommen und auch kein fachärztliches Gutachten eingeholt. Der Beklagte hätte die Testierunfähigkeit erkennen können.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung sei ein zuvor anhängiges Sachwalterschaftsverfahren bereits eingestellt gewesen. Es sei lediglich der Sohn des späteren Erblassers als einstweiliger Sachwalter für das Sachwalterschaftsverfahren und zur Besorgung dringender Angelegenheiten bestellt worden. Der spätere Erblasser habe nach einem im März 1999 geführten Gespräch im Juni 1999 erklärt, den Kläger und seine uneheliche Tochter je zur Hälfte als Erben einsetzen zu wollen. Der Beklagte habe ein Testament vorbereitet und nach Befragung des Hausarztes von diesem eine Bestätigung über das Vorliegen der Testierfähigkeit erhalten. Der Beklagte habe den Erblasser darüber befragt, ob ihm klar sei, dass ein Testament errichtet werde und mit ihm den Inhalt und die erbrechtliche Situation erörtert. Der Kläger selbst und die uneheliche Tochter hätten genauso wie der Beklagte an der Testierfähigkeit des Erblassers nicht gezweifelt. Die spätere Feststellung der Testierunfähigkeit sei dem Beklagten aufgrund des Krankheitsbildes nicht erkennbar gewesen. Die Tatsache der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters bedeute noch keine Vermutung für das Vorliegen einer Testierunfähigkeit. Dem Beklagten sei keine Fehlleistung vorzuwerfen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Von seinen Feststellungen ist noch hervorzuheben:

Im Vorprozess sei der neurologische Sachverständige zum Ergebnis gelangt, dass dem Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung die volle Besonnenheit gefehlt habe. Der Denkablauf sei durch inhaltliche Gedankenstörungen, die sich in paranoiden Gedankeninhalten geäußert hätten, krankhaft verändert gewesen. Der Erblasser habe an einem hirnorganischen Abbauprozess gelitten. Nach Meinung des Sachverständigen sei es aber möglich gewesen, dass die krankhaften, die freie Willensbildung aufhebenden Gedankeninhalte von Personen unbemerkt hätten bleiben können, wenn sie mit dem Krankheitsbild nicht vertraut gewesen wären.

Der Sohn des Verstorbenen habe zu Lebzeiten seines Vaters die Beigebung eines Sachwalters angeregt. Zunächst sei ein einstweiliger Sachwalter bestellt worden. Dagegen erhobene Rekurse seien erfolglos geblieben. Nach einer Befundaufnahme einer Fachärztin sei eine Hirnleistungstörung festgestellt worden. Wegen der Gefahr von Nachteilen sei ein Sachwalter bestellt worden. Dieser habe in einem Bericht vom 22. 1. 1999 darüber informiert, dass der Betroffene persönlich, zeitlich und örtlich orientiert sei und dass er seine Wohnung in ordentlichem Zustand erhalte. Nach Meinung des Sachwalters bedürfe es keiner weiteren Besachwalterung. Dieser Eindruck werde auch von der Tochter des Betroffenen bestätigt. Das Sachwalterschaftsverfahren sei mit Zustimmung des Sachwalters mit Beschluss vom 26. 1. 1999 eingestellt worden. Am 15. 3. 1999 habe der Sohn neuerlich die Beigebung eines Sachwalters für seinen Vater angeregt. Zunächst sei die Tochter des Betroffenen zum einstweiligen Sachwalter bestellt worden, danach aber sein Sohn.

Im Juni 1999 habe sich der Beklagte zum Erblasser in das Pflegeheim begeben. Dieser habe erklärt, seine uneheliche Tochter und den Kläger je zur Hälfte als Erben einsetzen zu wollen. Der Beklagte habe darüber ein Protokoll verfasst. Es sei die familiäre und vermögensrechtliche Situation und die Frage eines Erbverzichts besprochen worden. Die Angaben des Erblassers hätten den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen. Aufgrund eines Telefonats mit dem Pflegschaftsgericht habe der Beklagte gewusst, dass ein Sachwalterschaftsverfahren angeregt und eingestellt worden sei. Aufgrund eines weiteren Telefonats sei ihm bekannt gewesen, dass ein neuerliches Sachwalterschaftsverfahren angeregt worden sei. Auch die Bestellung des Sohns des Erblassers zum einstweiligen Sachwalter sei ihm bekannt gewesen. Über Anfrage des Beklagten habe der Hausarzt des Betroffenen fernmündlich erklärt, dass der Erblasser selbstverständlich testierfähig sei. Der Hausarzt habe dies auch schriftlich bestätigt. Bei Vorliegen von Zweifeln an der Testierfähigkeit gehöre es zu den Gepflogenheiten des Beklagten, Atteste zur Feststellung der Testierfähigkeit einzuholen. In den Sachwalterschaftsakt habe er nicht Einsicht genommen. Der Hausarzt habe in der vom Beklagten vorbereiteten schriftlichen Erklärung bestätigt, dass der Betroffene sich der Tragweite der Errichtung einer letztwilligen Anordnung bewusst und dass er in der Lage sei, die letztwillige Anordnung zu verstehen.

Im Vorprozess habe der Kläger dem obsiegenden Sohn des Erblassers Verfahrenskosten von 12.192,56 EUR zu bezahlen gehabt. Die eigenen Kosten des Klägers hätten 12.399,17 EUR betragen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass dem beklagten Notar keine Sorgfaltsverletzung anzulasten sei. Da das Berufungsgericht im Wesentlichen die Rechtsmeinung des Erstgerichts übernahm, kann auf die folgende Wiedergabe der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts verwiesen werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus: Ein Betroffener könne nach Bestellung eines einstweiligen Sachwalters ein Testament nur entsprechend der Formpflicht des § 568 ABGB errichten. Dabei seien die Erfordernisse des § 569 ABGB zu erfüllen. Gültigkeitserfordernis sei die ins Protokoll aufzunehmende Erklärung über die Prüfung der Testierfähigkeit und deren Ergebnis. Der Beklagte habe sich in mehreren Gesprächen und durch Nachfrage beim Bezirksgericht und beim Hausarzt von der Testierfähigkeit des Erblassers überzeugt. Die Tatsache der Bestellung eines Sachwalters allein bedeute noch keine Vermutung für die Testierunfähigkeit. Wenn für den Beklagten keine Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit gegeben gewesen seien, so sei er auch nicht zu weiteren Nachforschungen verpflichtet gewesen. Nach der oberstgerichtlichen Judikatur (4 Ob 631/88) sei die Einholung eines Gutachtens nicht zu fordern. Gerichte und Notare dürften die Aufnahme eines Testaments nicht verweigern. Sie hätten die persönlichen Fähigkeiten eines Testators zu erforschen. Gemäß § 52 Notariatsordnung (NO) sei der Notar nur dazu verpflichtet, bei Aufnahme eines Notariatsaktes die persönliche Fähigkeit nach Möglichkeit zu erforschen. Eingehendere Nachforschungen, wie die Einholung eines Gutachtens, seien nicht nötig. Dem Beklagten sei keine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen. Im Vorprozess habe sich nur das Prozessrisiko verwirklicht, dem sich der Kläger durch Abgabe einer Erbserklärung bei Vorliegen einer widersprechenden Erbserklärung ausgesetzt habe. Der Notar hafte zwar grundsätzlich Dritten gegenüber, wenn diese im Vertrauen auf die Gültigkeit des Notariatsakts Schäden erlitten hätten. Die Haftung des Notars umfasse aber nicht generell den Schutz vor der Unwirksamkeit eines Testaments, die sich nachträglich im Erbrechtsstreit herausstelle.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zum Ausmaß und zum Umfang der Prüfpflicht eines Notars bei Aufnahme eines mündlichen notariellen Testaments keine Judikatur vorhanden sei.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Der Beklagte beantragt, die Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht erkannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Auf die hier zu beurteilende Testamentserrichtung einer unter Sachwalterschaft stehenden Person im Jahr 1999 sind die Bestimmungen der §§ 568 f ABGB idF vor dem KindRÄG 2001 anzuwenden. Die nun im Gesetz für Betroffene ausdrücklich normierten Voraussetzungen entsprechen der zuvor ergangenen ständigen Judikatur über die analoge Anwendung der Bestimmungen für mündige Minderjährige. Ebenfalls noch nicht anzuwenden ist die neuerliche Novellierung des § 568 ABGB durch das FamErbRÄG 2004, BGBl I 58/2004. Danach gilt das Erfordernis der mündlichen Testamentserrichtung vor Gericht oder Notar für Betroffene nur, wenn dies gerichtlich (im SW-Verfahren) angeordnet ist. Zur anzuwendenden alten Rechtslage ist Folgendes auszuführen:

Personen, für die ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt ist, können nur mündlich vor Gericht oder mündlich notariell testieren (§ 568 ABGB). Das Gericht hat sich durch eine angemessene Erforschung zu überzeugen, dass die Erklärung des letzten Willens frei und mit Überlegung geschehe. Die Erklärung muss in ein Protokoll aufgenommen, und dasjenige, was sich aus der Erforschung ergeben hat, beigerückt werden (§ 569 Satz 2und 3 ABGB aF). Diese Erforschungspflicht trifft zufolge der Verweisung des § 70 NO auf § 569 ABGB aF auch die Notare. Nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung war die Vorschrift des § 569 ABGB analog auf die Testamentserrichtung von Betroffenen (§ 568 ABGB) anzuwenden (RIS-Justiz RS0021957). Dies galt auch für den Fall der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters (9 Ob 710/91 = SZ 64/111; 6 Ob 10/04w).

Dem Notar obliegt es gemäß § 52 NO, bei Aufnahme eines Notariatsaktes die persönliche Fähigkeit und Berechtigung jeder Partei zum Abschluss des Geschäftes nach Möglichkeit zu erforschen, die Parteien über den Sinn und die Folgen desselben zu belehren und sich von ihrem ernstlichen und wahren Willen zu überzeugen, ihre Erklärung mit voller Klarheit und Bestimmtheit schriftlich aufzunehmen und nach geschehener Vorlesung des Aktes durch persönliches Befragen der Parteien sich zu vergewissern, dass derselbe ihrem Willen entsprechend sei. Nach § 34 Abs 2 NO ist es dem Notar untersagt, mit solchen Personen eine Amtshandlung vorzunehmen, rücksichtlich deren er weiß oder mit Grund annehmen muss, dass sie wegen Minderjährigkeit oder aus einem anderen Grunde zu dem vorzunehmenden Rechtsgeschäfte unfähig seien.

Gegenstand der Prüfpflicht des Notars ist die Testierfähigkeit des Betroffenen. An die Testierfähigkeit legt die Rechtsprechung weniger strenge Maßstäbe an als an die Geschäftsfähigkeit (6 Ob 317/01p; Welser in Rummel ABGB³ Rz 4 zu §§ 566 - 569 mwN). Als Richtschnur für die Bejahung der Testierfähigkeit werden die kognitiven Fähigkeiten eines 14-Jährigen herangezogen (RIS-Justiz RS0012427; 1 Ob 28/03d). Es schließt also nicht jede geistige Erkrankung oder bloße Abnahme der geistigen Kräfte die Testierfähigkeit aus (RS0012428). Es darf nur nicht die Freiheit der Willensbildung aufgehoben sein, insbesondere etwa infolge von Wahnvorstellungen (RS0012424). Jedenfalls muss immer das Bewusstsein vorliegen, ein Testament zu errichten (RS0012402).

In der Entscheidung 4 Ob 631/88 = SZ 61/269 ging es um die Haftung eines Notars wegen Verletzung seiner Prüfpflicht (§ 52 NO) im Zusammenhang mit der Gründung einer Gesellschaft mbH. Der Oberste Gerichtshof vertrat die Auffassung, dass der Notar die mögliche und zumutbare Prüfung der Geschäftsfähigkeit der Vertragsparteien unterlassen habe, dass er aber „nicht zu einer eingehenden Untersuchung, womöglich unter Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fach der Psychologie oder Psychiatrie verpflichtet war". Dem gegenüber steht der Revisionswerber hier zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass der Beklagte Einsicht in den Sachwalterschaftsakt, insbesondere in das psychiatrische Gutachten vom 20. 10. 1998, nehmen hätte müssen und weiters, dass er zur Beurteilung der Testierfähigkeit einen Neurologen beiziehen hätte müssen. Dem ist zu erwidern:

Das vom Notar gemäß § 569 ABGB aF „beigerückte" Ergebnis hat keinen bindenden Charakter. Die endgültige Entscheidung über die Testiertfähigkeit ist dem Erbrechtsprozess vorbehalten. Wenn der Gesetzgeber daher den Urkundspersonen (Richtern; Notaren), die über keine medizinischen Fachkenntnisse verfügen, gewisse Nachforschungspflichten auferlegte und hiefür kein besonderes Verfahren normierte, wird klar, dass nur eine nicht kostenaufwändige Erhebung der Urkundspersonen angeordnet ist. Die Niederschrift der persönlichen Überzeugung („Beirückung") dient der Beweissicherung. Eine nähere Prüfung der Testierfähigkeit bleibt jedoch dem Rechtsweg vorbehalten. Für diese Ansicht spricht schon die Wortwahl („angemessene Erforschung" im § 569 ABGB aF; „nach Möglichkeit zu erforschen" im § 52 NO) des Gesetzgebers und der Umstand, dass die Urkundsperson die Testamentserrichtung nach herrschender Meinung nicht verweigern darf. Auftretende Zweifel an der Testierfähigkeit sind freilich anzumerken. Wenn daher in der Entscheidung SZ 61/269 sogar für die Prüfung der Geschäftsfähigkeit - für die strengere Maßstäbe gelten - die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch die Urkundsperson für entbehrlich erachtet wurde, muss dies für die von einem Laien ohne fachspezifische Kenntnisse auf dem Gebiet der Medizin zu prüfende Testierfähigkeit umso mehr gelten. Die Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung eines Testaments ist um einiges leichter zu beurteilen als die Geschäftsfähigkeit in Bezug auf mehr oder weniger komplizierte Rechtsgeschäfte. Dazu kommt, dass im konkreten Fall eine Einsicht in das psychiatrische Gutachten im Sachwalterschaftsakt nur Aufschluss über das Nichtvorliegen der Geschäftsfähigkeit bringen hätte können, nicht aber für die hier wesentliche Frage der Testierfähigkeit, an die - wie ausgeführt - wesentlich geringere Anforderungen gestellt werden. Im Übrigen wurde das ursprüngliche Sachwalterschaftsverfahren aber auch schon vor der Testamentserrichtung eingestellt, weil nach Meinung des Sachwalterschaftsgerichts die im Gutachten (in das der Notar nach Ansicht des Klägers Einsicht hätte nehmen müssen) genannten Voraussetzungen nicht mehr gegeben waren. Daraus folgt, dass die gerügte Unterlassung der Einsicht in das Gutachten nicht kausal für ein Nichterkennen der Testierunfähigkeit gewesen sein konnte und dass die Bejahung der Testierfähigkeit durch den beklagten Notar zulässigerweise auf seinen persönlichen Eindruck nach durchgeführter Befragung und Belehrung gestützt werden durfte, einen Eindruck, den die beiden anderen Testamentszeugen teilten. Nach dem festgestellten Sachverhalt bestanden für den Beklagten keine Anhaltspunkte für das Fehlen der Testierfähigkeit. In der Unterlassung weiterer Erhebungsschritte ist keine Verletzung der Sorgfaltspflicht zu erblicken.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die in der Entscheidung SZ 61/269 zur Verpflichtung des Notars bei der Prüfung der Geschäftsfähigkeit von Parteien vertretene Ansicht, dass keine aufwändigen Untersuchungen anzustellen und insbesondere kein Sachverständigengutachten einzuholen ist, auch für die Prüfpflicht der Testierfähigkeit (§ 569 ABGB aF iVm § 70 NO) Gültigkeit hat. Die Frage der Testierfähigkeit ist von der Urkundsperson anhand ihrer Lebenserfahrung und ihrer juristischen Fachkenntnisse zu beurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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