OGH 6Ob317/01p

OGH6Ob317/01p31.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner B*****, vertreten durch Aichinger, Bucher & Partner, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei Helmut B*****, vertreten durch Dr. Richard Kempf, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Herausgabe des Nachlasses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. August 2001, GZ 1 R 115/01y-59, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 27. Februar 2001, GZ 8 Cg 214/98t-55, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Wer das Fehlen der Testierfähigkeit behauptet, ist hiefür beweispflichtig. Die bloße Wahrscheinlichkeit der Testierunfähigkeit genügt nicht (RIS-Justiz RS0012415). Die Frage, inwieweit ein festgestellter Geisteszustand die Testierunfähigkeit begründet, ist zwar (auch) eine Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0012408), deren Lösung jedoch von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängt. Die Rechtsprechung legt für die Testierfähigkeit einen weniger strengen Maßstab an als für die Geschäftsfähigkeit bei Geschäften unter Lebenden (SZ 64/111). Nicht jede geistige Erkrankung schließt die Testierfähigkeit aus, ebensowenig eine bloße Abnahme der geistigen Kräfte. Der Vollbesitz der geistigen Kräfte und die volle Kenntnis der Tragweite der Anordnung sind nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0012428). Die Testierfähigkeit fehlt nur dann, wenn der Erblasser nicht einmal das Bewusstsein hatte, eine letztwillige Anordnung zu treffen und ihm das Verständnis ihres Inhaltes zur Gänze abgeht (RIS-Justiz RS0012402).

Der ärztliche Sachverständige hat nicht über die Testierfähigkeit abzusprechen (RS0012400). Auch wenn hier der Sachverständige in seinem Gutachten davon ausging, dass die Verstorbene im Zeitpunkt der Testamentserrichtung mit hoher Wahrscheinlichkeit testierunfähig gewesen sei, kann in der Ansicht der Vorinstanzen, dass auf Grund der in freier Würdigung der Beweise getroffenen Feststellungen über den Geisteszustand der Verstorbenen nach ihrem schweren Unfall ihre Testierunfähigkeit im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht erwiesen sei, eine zur Korrektur Anlass gebende Fehlbeurteilung nicht erblickt werden.

Der Anscheinsbeweis beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist (RIS-Justiz RS0040266). Die wichtigsten Anwendungsgebiete sind dort, wo formelhafte, typische Kausalabläufe bestehen oder wo typische Verhaltensweisen stets gleichartige und zuverlässige Schlüsse auf bestimmte innere Zustände eines Menschen zulassen, also beim Beweis des Kausalzusammenhanges oder des Verschuldens (SZ 65/132). Das Vorliegen eines für den Prozessstandpunkt der einen Partei sprechenden Beweisergebnisses erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Im Übrigen kommt der Lösung der Frage, ob unter den konkreten Umständen des Einzelfalles der Anscheinsbeweis geführt werden kann, keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (RIS-Justiz RS0022624).

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