OGH 5Ob121/05p

OGH5Ob121/05p12.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kurt W*****, vertreten durch Dr. Dietmar Kinzel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T*****-VertriebsgesmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Fried, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 94.373,10 s. A., über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2004, GZ 5 R 155/04g-15, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 2. Juli 2004, GZ 35 Cg 219/03z-11, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Auslegung von Willenserklärungen im Einzelfall ist ebenso wie die Beurteilung der Schlüssigkeit eines Erklärungsverhaltens - von groben Auslegungsfehlern abgesehen - vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen (vgl 4 Ob 147/03a, RS0042555 und RS0044298). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt in einem solchen Fall idR unabhängig davon nicht vor, ob (auch) eine andere (9 Ob 72/01f mwN), insbesondere die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Auslegung vertretbar ist (4 Ob 134/02p; 1 Ob 260/00t). Eine solche Auslegung könnte nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die zu einem unvertretbaren Ergebnis geführt hätte; dass dies hier der Fall wäre, ist aber nicht zu erkennen:

1. Die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war (RIS-Justiz RS0014205[T2]). Es kommt darauf an, welche Schlüsse der Adressat als redlicher Erklärungsempfänger (nach Treu und Glauben) unter Berücksichtigung aller Umstände abzuleiten berechtigt war (9 Ob 51/03w). Danach ist zu klären, ob bei Betrachtung des objektiven Werts der abgegebenen Erklärungen das konkrete Angebot und die abgegebene Annahmeerklärung taugliche Grundlage für den Vertragsabschluss sind (1 Ob 154/02g); dies trifft dann zu, wenn die Vertragspartner Willenserklärungen abgegeben haben, die zumindest äußerlich übereinstimmen sowie ausreichend bestimmt und verständlich sind, sodass die Annahme dem Antrag entspricht (5 Ob 790/81; 1 Ob 612/86). Kein Vertrag, sondern Dissens liegt dagegen bei einer Uneinigkeit der Parteien vor, wenn die Vereinbarung wegen des Offenbleibens von Hauptpunkten des Vertrags unvollständig ist, wegen der (äußerlichen) Unvereinbarkeit von Antrag und Annahme eine Diskrepanz besteht oder das Vereinbarte trotz (äußerlicher) Übereinstimmung zwischen Antrag und Annahme mehrdeutig oder unvollständig ist und von den Parteien jeweils anders ausgelegt wird (RIS-Justiz RS0014701[T3]).

2. Das Berufungsgericht hat die vom Konsulenten der Beklagten

vorgenommene Bestellung von (näher aufgegliederten) 120.000 „Stück"

post-its als Bestellung von 120.000 (einzelnen) Blatt post-its

gewertet und Dissens angenommen, weil der Kläger diese Bestellung mit

120.000 Blocks zu je 100 Haftnotizen (= 12,000.000 Blatt) bestätigt

hatte. Die Auslegung der Bestellung der Beklagten iS von Stück =

Blatt (und nicht - iS des Klägers - von Stück = Block) ist

vertretbar, hat doch der Konsulent der Beklagten schon bei der vorangegangenen Bestellung „500.000 post-its" (gemeint: 500.000 einzelne Blatt) bestellt und vom Kläger idS auch 5.000 Blocks zu je 100 Blatt geliefert erhalten. Die neuerliche Bestellung sollte eine „Neuauflage" für einige Kundenberater der Beklagten sein, weshalb deren Verständnis dahin, dass eine Nachlieferung für einzelne Mitarbeiter nur eine Teilmenge der vorherigen Bestellung und nicht eine enorme Steigerung von 500.000 auf 12,000.000 Blatt erwarten lässt, jedenfalls keine auffallende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts darstellt.

3. Soweit sich der Kläger auf die Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben beruft, ist ihm entgegen zu halten, dass das Schweigen eines Kaufmanns auf eine „modifizierte Auftragsbestätigung" nach neuerer Rsp idR nicht als Zustimmung gewertet wird (vgl RIS-Justiz RS0014307). Dass durch die Gegenzeichnung des Schreibens vom 18. 6. 2003 (Blg ./M) die Auftragsbestätigung vom 25. 3. 2003 als neues Angebot angenommen worden sei, hat der Klägerin in erster Instanz - zutreffend - gar nicht behauptet, geht es in diesem Schreiben doch nur um die Druckfreigabe (S. 2 in ON 1). Mangels Vorliegens der Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO ist daher die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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