Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung
Für den Betroffenen wurde im Jahr 1984 ein Rechtsanwalt zum Sachwalter bestellt. Dessen Aufgabenkreis umfasst die Vermögensverwaltung sowie die "Einleitung und Durchführung von Verfahren jeder Art vor Gerichts- oder Verwaltungsbehörden". Die 1983 mit A***** vor dem Standesamt Wels geschlossene Ehe wurde über Nichtigkeitsklage des durch seinen Sachwalter vertretenen Betroffenen für nichtig erklärt. Das Urteil erwuchs am 12. 3. 1993 in Rechtskraft. Schon zuvor, am 10. 2. 1989, hatte der Betroffene seine Frau in Costa Rica neuerlich geheiratet.
Gegenstand des Verfahrens ist die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der am 11. 9. 1997 eingebrachten Klage auf Nichtigerklärung, hilfsweise Aufhebung bzw Scheidung der in Costa Rica geschlossenen Ehe, die vom österreichischen Standesamt nachbeurkundet worden war.
Das Erstgericht genehmigte die Klageführung des Sachwalters am 3. 9. 1997. Dieser Beschluss wurde dem Betroffenen nicht zugestellt. Seine Eingabe vom 16. 12. 1999 (ON 27) war nach der im anhängigen Eheverfahren ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7. 12. 2001, 7 Ob 230/01a, als Rekurs aufzufassen.
Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss über die Klagegenehmigung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Betroffenen durch einen gewählten Rechtsvertreter erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig:
Wenn nach der rechtskräftigen Bestellung eines Sachwalters im Pflegschaftsverfahren zwischen dem Sachwalter und dem Betroffenen Uneinigkeit über die Berechtigung oder Zweckmäßigkeit einer vom Sachwalter beabsichtigten, der Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes bedürfenden Maßnahme besteht, hat der Betroffene ein eigenes Rekursrecht, weil nur dadurch eine erhebliche Verletzung seiner Interessen durch die Handlungen seines gesetzlichen Vertreters und die diese Handlungen genehmigende Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes hintangehalten werden kann und der Sachwalter in diesem Bereich den Betroffenen nicht vertreten kann. Wenn dem Betroffenen zur Formulierung seines Standpunktes die geistige Reife fehlt, müsste gegebenenfalls ein Kollisionskurator bestellt werden (1 Ob 513/96 mwN; 7 Ob 230/01a mwN). Wenn der Betroffene nicht offenkundig unfähig ist, den Vollmachtszweck zu erfassen, kann er in Angelegenheiten, in denen er selbst einschreiten kann, auch einen Vertreter selbst wählen (1 Ob 513/96).
Vor der Anordnung wichtiger Maßnahmen muss der Betroffene gemäß § 273a Abs 3 ABGB verständigt werden. Seine Äußerung ist zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl der behinderten Person nicht weniger entspricht. Obgleich der Betroffene hier im Verfahren erster Instanz von der beabsichtigten Klageführung nicht verständigt wurde, konnte er seinen Standpunkt im Rekursverfahren und nunmehr im Revisionsrekurs darlegen. Eine Verletzung des Gehörs oder ein vom Obersten Gerichtshof wahrnehmbarer Verfahrensfehler liegt damit nicht vor. Im Übrigen bindet die Entscheidung des Rekursgerichtes, die eine Mangelhaftigkeit oder Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz verneinte, den Obersten Gerichtshof (RIS-Justiz RS0007232).
Das Pflegschaftsgericht hat vor der Genehmigung der Klage deren Erfolgsaussichten zu prüfen (RS0108029) und weiters, ob die Prozessführung im wohlverstandenen Interesse des Pflegebefohlenen liegt (6 Ob 319/99a):
Das Rekursgericht hat im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur (insbesondere mit der im anhängigen Eheverfahren ergangenen Entscheidung 7 Ob 230/01a) die Erfolgsaussichten der Klageführung positiv beurteilt. Eine Nichtigerklärung der Ehe könnte höchstens daran scheitern, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der zweiten Eheschließung ehegeschäftsfähig gewesen sein sollte. Dann wäre aber mangels Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (des Sachwalters) zu einer die Ehe bestätigenden Erklärung des Betroffenen der Eheaufhebungsgrund des § 35 Abs 1 EheG gegeben.
Die Ansicht des Rekursgerichtes, dass die Prozessführung auch gegen den Wunsch des Betroffenen dessen Wohl entspricht, ist nach den vorliegenden besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Im Gesetz wird nicht ausdrücklich die Frage geregelt, wann die Erhebung der Klage zu genehmigen oder die Genehmigung zu versagen ist. Es ist auf den Einzelfall abzustellen (RS0048142). Der Revisionsrekurswerber vermag keine erheblichen Rechtsfragen aufzuzeigen. Er lässt insbesondere die vom Rekursgericht kursorisch wiedergegebenen Feststellungen über die Vorgeschichte der Beziehung der Eheleute, insbesondere also das festgestellte Motiv der Frau für die Eheschließung und den Umstand einer ca 10 Jahre währenden Trennung der Eheleute außer Acht. Die Revisionsrekursausführungen begnügen sich im Wesentlichen mit der Behauptung, dass schon wegen der gesetzlichen Gütertrennung im österreichischen Eherecht durch die Aufrechterhaltung der Ehe keine Vermögensnachteile drohten. Selbst eine Genehmigung der "Nichtigkeitsklage" könnte den Betroffenen nicht vor Vermögenszuwendungen an die Frau oder Dritte schützen. Dem ist bloß entgegenzuhalten, dass in der Aufrechterhaltung einer Ehe schon wegen der Unterhalts- und Beistandspflicht von Ehegatten auch vermögensrechtliche Nachteile verbunden sein können und dass es bei der Genehmigung von Statusklagen eines gesetzlichen Vertreters auch - vielleicht sogar primär - auf die persönliche Beziehung der Eheleute und die besonderen Lebensumstände ankommt, die für oder gegen die Aufrechterhaltung der Ehe sprechen. Zu diesem Thema führt der Revisionsrekurs nichts aus. Ob eine Klageführung zur Auflösung des Ehebandes im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen liegt, ist grundsätzlich eine Ermessensentscheidung ohne erhebliche Rechtsfragen in der vom § 14 Abs 1 AußStrG angesprochenen Qualität.
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