OGH 8ObA69/04m

OGH8ObA69/04m26.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Sektionschef Dr. Manfred Matzka und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erwin E*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Lichtenwagner, Rechtsanwalt in Rohrbach, wider die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz und andere, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 11.991,02 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. April 2004, GZ 12 Ra 12/04b-36, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Juli 2003, GZ 6 Cga 19/01v-32, bestätigt wurde, zu Recht erkannt.

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 11.991,02 samt 4 % Zinsen seit 9. 9. 2000 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an Kosten

a. des erstgerichtlichen Verfahrens EUR 7013,77 (darin enthalten EUR 2334,62 an Barauslagen und EUR 779,86 an USt)

b. des Berufungsverfahrens EUR 1889,6 (darin EUR 848 an Barauslagen und EUR 173,6 an USt) sowie

c. des Revisionsverfahrens EUR 1.810,70 (darin EUR 1.061 an Barauslagen und EUR 1245,95 an USt)

binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der seit 1990 bei der Beklagten als Elektroinstallateur beschäftigte Kläger erlitt im September 1999 einen schweren Verkehrsunfall und war seitdem im Krankenstand. Im April 2000 brachte er der Beklagten den Bericht über die Rehabilitation zur Kenntnis, der eine Umschulung empfahl. Es wurde zwischen den Parteien vereinbart, den Chefarzttermin im Juni abzuwarten. Nach diesem Termin äußerte der Kläger in einem Gespräch mit der Beklagten, dass er nicht mehr als Elektriker arbeiten könne. Es wurde von der Beklagten die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens zur Feststellung der zumutbaren Tätigkeiten verlangt. Im August 2000 teilte der Kläger noch mit, dass er weiter krank geschrieben sei, weil er Lasten über 10 kg nicht heben und auch nicht in gebückter Haltung oder mit dem rechten Arm über Kopf arbeiten könne, auch leide er an Atemnot.

Dann wurde ihm von der Versicherung des Unfallgegners eine Umschulung angeboten. Der Kläger telefonierte mit einer Personalverantwortlichen der Beklagten. Es wurde die Unterfertigung eines Kündigungsschreibens für den 25. 8. 2000 vereinbart. Dieses wurde von dieser Personalverantwortlichen verfasst. Sie fasste das in Worte, was der Kläger sagte. In diesem Schreiben teil der Kläger mit, dass es ihm nicht mehr möglich ist, seine Tätigkeit als Elektriker auszuüben, weshalb er das Dienstverhältnis zum 8. 9. 2000 aufkündige. Über die Abfertigung wurde auch bei Unterfertigung dieses Schreibens im Betrieb der Beklagten nicht gesprochen. Die Beklagte bot dem Kläger mit Schreiben vom 24. 8. 2000 einen seinem Zustand entsprechenden Arbeitsplatz nach Ende des Krankenstandes an. Es konnte allerdings nicht festgestellt worden konnte, ob dem Kläger im Zeitpunkt der Unterfertigung seines Kündigungsschreibens vom 25. 8. 2000 dieses Schreiben bereits bekannt war.

Das Ende des Krankenstandes war zu diesem Zeitpunkt noch nicht fixiert. Für September 2000 waren ein Besuch beim Chefarzt und eine Operation geplant, um Schrauben aus der Wirbelsäule zu entfernen. Seine bisherige Tätigkeit bei der Beklagten als Elektroinstallateur kann der Kläger auf Grund seiner Einschränkungen nicht mehr ausüben, jedoch hätte er bei der Beklagten noch in der Überwachung und Kontrolle der elektrischen Arbeiten bei der Errichtung von Fertigteilhäusern arbeiten können, ebenso bei der Zusammenstellung von Elektroinstallationspaketen für Baumärkte, Reklamationsbehebungen bei den Kunden oder Rechnungsstellung.

Der Kläger begeht nunmehr die Abfertigung. Er sei aus gesundheitlichen Gründen zur Kündigung gezwungen gewesen. Die Beklagte habe niemals entsprechende Ersatzarbeitsplätze konkret angeboten, und zwar nicht einmal beim Gespräch über die Kündigung.

Die Beklagte stelle zwar den Abfertigungsanspruch der Höhe nach außer Streit, wendete aber dem Grunde nach ein, dass sie dem Kläger ohnehin seinem Gesundheitszustand entsprechende Arbeitsplätze angeboten habe.

Das Berufungsgericht hat - ebenso wie das Erstgericht - das Vorliegen des Austrittsgrundes des § 82a lit a GewO, also dass die Arbeit ohne Schaden für die Gesundheit vom Arbeitnehmer nicht mehr fortgesetzt werden kann, verneint. Der Kläger habe sich noch im Krankenstand befunden. Eine weitere Operation sei ausgestanden. Der Beklagten sei das genaue Ausmaß der gesundheitlichen Einschränkungen und damit der in Betracht kommenden Einsatzmöglichkeiten noch nicht erkennbar war. Die Beklagte habe aber ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einer weiteren Beschäftigung nach dem Krankenstand auf einem entsprechenden Arbeitsplatz bereits zum Ausdruck gebracht. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig. Nach der Rechtsprechung trifft den Arbeitgeber die Beweislast für das Anbot von entsprechenden Ersatzarbeitsplätzen.

Ist aus dem Inhalt der das Arbeitsverhältnis auflösenden Erklärung -wie hier - klar erkennbar, dass der Arbeitnehmer einen wichtigen Lösungsgrund für sich in Anspruch nimmt, so steht es seinem Begehren auf Abfertigung auch nicht entgegen, dass er nicht formell seinen Austritt erklärte, sondern kündigte (vgl in diesem Sinne die ständige Rechtsprechung RIS Justiz RS0060132 mwN zuletzt etwa OGH 9 ObA 85/03w).

Es entspricht nun der ständigen Rechtsprechung, dass ein Austritt gemäß § 82a lit a GewO voraussetzt, dass nicht nur eine vorübergehende Unfähigkeit zur Dienstleistung vorliegt, sondern die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, wobei als Grenze jene von 26 Wochen nach § 139 Abs 1 ASVG angenommen wurde. Danach muss der Arbeitgeber mit dem Austritt rechnen (vgl etwa OGH 8. 7. 1993 9 ObA 163/93 = ZAS 1994/13 [Gillinger]; Löschnig, Arbeitsrecht10, 555 mwN = ARD 4509/29/93). Ebenso entspricht es allerdings der ständigen Rechtsprechung, dass der Arbeitnehmer nur dann wegen der Gesundheitsgefährdung austreten kann, wenn der Arbeitgeber von der Gefahr der Gesundheitsbeeinträchtigung Kenntnis hat und damit der auf seiner Fürsorgepflicht beruhenden Verpflichtung, allenfalls einen anderen, geeigneten Arbeitsplatz zuzuweisen, nachkommen kann (vgl etwa Arb 11.095, OGH 17. 12. 1997 DRdA 1998, 359; Löschnig aaO). Soweit der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber diese Möglichkeit nicht gibt, ist der Austritt nur dann gerechtfertigt, wenn eine Verweisung auf einen anderen Arbeitsplatz ohnehin nicht in Betracht kommt (vgl Löschnig aaO mwN OGH 17. 12. 1997, ARD 4944/11/98).

Hier befand sich der Arbeitnehmer zwar noch in einer gewissen Rehabilitationsphase, seine Einschränkungen hat er aber der Beklagten bereits konkret bekanntgegeben. Der Krankenstand hat bereits mehr als 11 Monate gedauert. Der Beklagten war aufgrund der Vorsprache des Klägers auch dessen konkrete Absicht, das Arbeitsverhältnis wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufzulösen (Umschulungsmöglichkeit) bekannt. Die Beklagte hat zwar in einem Schreiben ganz allgemein ihre Bereitschaft, einen Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, erklärt (vgl allgemein OGH 8. 7. 1993 9 ObA 163/93 = ZAS 1994/13 [Gillinger], wonach gerade bei so langen Krankenständen "vage Versprechen" des Arbeitgebers über allfällige Beschäftigungsmöglichkeiten nicht ausreichen). Es konnte aber nicht festgestellt werden, dass dieses Schreiben vom 24. 8. 2000 dem Kläger vor Unterfertigung des von der Beklagten vorbereiteten Kündigungsschreibens vom 25. 8. 2000 bekannt war. Dafür trifft aber die Beklagte die Beweislast (OGH 8. 7. 1993, 9 ObA 163/93 = ZAS 1994/13 [Gillinger]). Ausgehend vom Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung war also der Austrittsgrund jedenfalls verwirklicht. Es kann nun dahingestellt bleiben, wann nach einer Arbeitnehmerkündigung unter berechtigter Berufung auf den Austrittsgrund der Gesundheitsbeeinträchtigung diese Berechtigung rückwirkend durch ein entsprechendes konkretes Anbot des Arbeitgebers über eine zumutbare Beschäftigung wieder erlöschen kann (vgl dazu OGH 9 ObA 85/03w, allg. RIS-Justiz RS0060127). Kann doch eine Kündigung grundsätzlich einseitig nicht mehr widerrufen werden (vgl RIS Justiz RS0028298). Das Anbot des Arbeitgebers für einen anderen Arbeitsplatz wurde aber hier noch vor der Arbeitnehmerkündigung gestellt, wenngleich ein Zugang davor nicht festgestellt werden konnte. Es kann nun auch dahingestellt bleiben, ob in einem Fall, in dem dem Arbeitnehmer dann erst nach Ausspruch der Arbeitnehmerkündigung ein solches, vor dem Ausspruch abgegebenes Anbot zugeht, es nicht am Arbeitnehmer gelegen wäre, aufzuklären, ob der Arbeitgeber auch seine Zustimmung zur Rücknahme der Kündigung zu geben bereit ist. Hatte der Kläger hier dazu doch schon deshalb keinen Anlass, weil die Beklagte ja nach Abfassung des - dem Kläger nachweislich noch nicht bekannten - Anbotes die Arbeitnehmerkündigung des Klägers selbst mitverfasste und nicht auf ihr Anbot hinwies.

Der Anspruch des Klägers auf die Abfertigung besteht also wegen der Kündigung unter berechtigter Berufung auf den Austrittsgrund des § 82a lit a GewO zu Recht.

Die Beklagte hat den Abfertigungsanspruch der Höhe nach außer Streit gestellt

Es konnte daher bereits in der Sache selbst entschieden werden.

Die Kostentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 50 und 41 ZPO. Dem Kläger waren allerdings für das Berufungsverfahren kein Einheitssatz von 200 % sondern bloß ein solcher von 150 % zuzusprechen (§ 23 Abs 9 RATG).

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