OGH 10ObS252/03m

OGH10ObS252/03m2.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Albert Ullmer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Klaus S*****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter Straße 65, 1200 Wien, wegen Integritätsabgeltung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. September 2003, GZ 7 Rs 88/03w-50, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Prozessrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung hängt von der Lösung der Rechtsfrage des materiellen Rechtes ab, ob der Arbeitsunfall durch die grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht wurde (§ 213a Abs 1 ASVG). Strittig ist, ob grobe Fahrlässigkeit vorlag. Das Berufungsgericht hat diese Frage verneint. Dabei hat es die ständige Rechtsprechung auch des erkennenden Senates zum Begriff der groben Fahrlässigkeit (SSV-NF 9/51; 12/30; 12/150 jeweils mwN) berücksichtigt. Bereits in der Grundsatzentscheidung SSV-NF 6/61 wurde darauf hingewiesen, dass bei Beurteilung des Verschuldensgrades jeweils die Umstände des Einzelfalles zu prüfen sind. Dieser Rechtsatz wurde in zahlreichen weiteren Entscheidungen wiederholt (vgl RIS-Justiz RS0089215, RS0105331 ua; zuletzt: 10 ObS 115/03i mwN und 7 Ob 136/03f mwN).

Auch in der Entscheidung (10 ObS 254/01b = ASoK 2002, 311) hat der erkennende Senat daran festgehalten, dass das Zuwiderhandeln gegen Unfallverhütungsvorschriften für sich allein zur Annahme grober Fahrlässigkeit nicht ausreicht. Entscheidende Kriterien für die Beurteilung des Fahrlässigkeitsgrades sind auch nicht die Zahl der übertretenen Vorschriften, sondern die Schwere der Sorgfaltsverstöße und die für den Arbeitgeber erkennbare Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes. Im Wesentlichen ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber als Adressat der Arbeitnehmerschutzvorschriften nach objektiver Betrachtungsweise ganz einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat (RIS-Justiz RS0030272, RS0030510, RS0030644, RS0031127, RS0052197, RS0085228, RS0085332 ua; zuletzt: 10 ObS 174/03s).

Eine außerhalb der Bandbreite gerichtlicher Entscheidungen liegende und daher vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende grobe Fehlbeurteilung wird zwar behauptet, ist jedoch nicht zu erkennen. Das Gericht zweiter Instanz hat im angefochtenen Urteil nachvollziehbar begründet, warum nach den dafür maßgebenden Kriterien beim Arbeitsunfall des Klägers vom 19. 5. 1998 eine grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht vorliegt. Es ist dabei, entgegen der Ansicht des Revisionswerbers, auch nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in vergleichbaren Fällen abgewichen:

Die in der außerordentlichen Revision zitierten Entscheidungen, wonach grobe Fahrlässigkeit immer anzunehmen sei, wenn ein Arbeitgeber jene Aufmerksamkeit vermissen lässt, die in einem Betrieb im Interesse der Unfallverhütung erwartet werden müsse, wobei (selbst) ein einmaliger Aufmerksamkeitsfehler im Zuge einer zur Routine gewordenen Tätigkeit bereits als grob fahrlässig bezeichnet werden kann (RIS-Justiz RS0085463 [T4]), vermögen den gegenteiligen Standpunkt des Klägers nicht zu stützen. In der Zulassungsbeschwerde wird nämlich lediglich auf diese allgemeinen Grundsätze verwiesen und damit offenbar ohnehin erkannt, dass sich der hier zu beurteilende Sachverhalt in wesentlichen Punkten von jenen in den zitierten Entscheidungen unterscheidet (10 ObS 115/03i).

Da das Berufungsgericht das Vorliegen grober Fahrlässigkeit verneinte, erübrigte sich auch die Prüfung der Frage, gegen welche konkrete Arbeitnehmerschutzvorschrift iSd § 213a ASVG verstoßen wurde.

Der hier zu lösenden Rechtsfrage kommt daher keine über diesen Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weshalb die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig ist.

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