OGH 7Ob244/03p

OGH7Ob244/03p5.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herta S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1.) Peter H*****, und 2.) Daniela F*****, beide vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl und Dr. Robert Kugler, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Räumung, über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 26. Juni 2003, GZ 4 R 177/03a-12, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Ferlach vom 11. April 2003, GZ 1 C 16/03h-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Beklagten auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin hat den beiden Beklagten ein im Erdgeschoss ihres Hauses in F***** situiertes, aus zwei Zimmern bestehendes Geschäftslokal auf unbestimmte Zeit vermietet. Der schriftliche Mietvertrag vom 23. 8. 2002 sieht vor, dass das Mietverhältnis mit einer 3-monatigen Frist jeweils zum Quartalsende aufkündbar sei. Die Klägerin hat den Beklagten das Mietverhältnis unter Einhaltung dieser Vertragsbedingungen zum 31. 12. 2002 außergerichtlich aufgekündigt und begehrt nun die Räumung des Geschäftslokals, das von den Beklagten seither titellos benützt werde.

Keinen Streitpunkt bildet, dass nach der Übergangsregelung des § 49d Abs 2 MRG auf den gegenständlichen, nach dem 31. 12. 2001 geschlossenen Mietvertrag (ua) § 1 Abs 2 Z 5 nF MRG Anwendung findet. Danach fallen Mietgegenstände in einem Gebäude mit - abgesehen von einem allfälligen späteren Dachbodenausbau - nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten nicht in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes. Diese Bestimmung unterscheidet sich in den Voraussetzungen von denen des § 1 Abs 4 Z 2 aF MRG, abgesehen von einer - hier nicht weiter relevanten - Verschiebung des Wirkungsumfangs vom Teilanwendungs- in den Vollausnahmebereich (vgl Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Komm Österreichisches Wohnrecht Rz 77 zu § 1 MRG) - nur in der Gleichstellung von Geschäftsräumen mit bisher allein zulässigen Wohnräumen, sodass es nur mehr auf die Zahl der Objekte ankommt. Im Übrigen - insbesondere also auch zur Frage ob das betreffende Gebäude nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten hat - ist die Rechtsprechung zu § 1 Abs 4 Z 2 aF MRG weiterhin anzuwenden (Würth/Zingher WohnR 2002 I § 1 MRG Anm 2; Hausmann aaO; Dirnbacher, Renaissance des ABGB: Vollausnahmen gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG, wobl 2003, 65 [69]).

Im vorliegenden Räumungsrechtsstreit geht es nur mehr um eben diese Frage: Strittig ist also allein noch, ob das gegenständliche Mietobjekt mehr als zwei selbständige Wohnungen bzw Geschäftsräumlichkeiten hat und daher (ua) die Kündigungsschutzbestimmungen des MRG gelten (in welchem Fall die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung nicht rechtswirksam erfolgt wäre), oder nicht.

Das gegenständliche Haus der Klägerin besteht neben dem von den Beklagten gemieteten, ebenerdigen Geschäftslokal aus einer (ua mit Küche, Bad und WC ausgestatteten) Wohnung im ersten Stock, die über eine vom Flur im Erdgeschoss in den ersten Stock führende Stiege erreichbar ist. Weiters befinden sich im Erdgeschoss neben den beiden Geschäftsräumen, diesen gegenüberliegend und nur über den erwähnten Flur erreichbar (das Geschäftslokal hat hingegen auch noch einen separaten Eingang), ein Bad samt WC sowie zwei Zimmer. Diese Räume waren zu Lebzeiten der Voreigentümerin der Klägerin, die mit ihrem Ehemann die Wohnung im ersten Stock bewohnte, an Schüler vermietet. Mit Mietvertrag vom 2. 11. 1999 vermietete die Klägerin sämtliche Räumlichkeiten des Hauses an Joachim K*****. Dieses Mietverhältnis wurde beendet, als die Klägerin mit dem Beklagten den gegenständlichen Mietvertrag abschloss. Ab 1. 1. 2003 vermietete die Klägerin die Wohnung im ersten Stock sowie die verbleibenden Räume im Parterre an die Familie O*****, die die beiden Zimmer im Erdgeschoss als Kinderzimmer benützt.

Während das Erstgericht aus diesem Sachverhalt rechtlich folgerte, das betreffende Gebäude habe nicht mehr als zwei selbständige Wohn- bzw Geschäftsräumlichkeiten, sodass die Kündigungsbestimmungen des MRG nicht anzuwenden seien, weshalb die Kündigung rechtswirksam und dem Klagebegehren daher stattzugeben sei, kam das Berufungsgericht zum gegenteiligen Ergebnis: Die beiden derzeit als Kinderzimmer benützten Wohnräume im Erdgeschoss, die zuvor bereits einmal separat vermietet gewesen seien, wären auf dem Wohnungsmarkt, aber auch geschäftlich - etwa zu Lagerzwecken - auch selbständig vermietbar. Typischerweise handle es sich, da sich der eine Raum zufolge der dort vorhandenen Installation mit nur geringen Kosten als Küche adaptieren ließe, bei dem restlichen (von der Geschäftsraummiete der Beklagten ausgenommenen) Teil des Erdgeschosses um eine vermietbare (Substandard-)Kleinwohnung. Um den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 nF (§ 1 Abs 4 Z 2 aF) MRG zu überschreiten, müssten aber (ohnehin) nicht drei Wohn- oder Geschäftseinheiten gegeben sein, sondern es genüge, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses über zwei als selbständig zu beurteilende Einheiten hinaus zumindest noch ein einzelner weiterer Raum vorhanden war, der objektiv für eine selbständige Vermietung geeignet gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des gegenständlichen Mietvertrages hätten sich die gegenständlichen Geschäftsräume daher nicht in einem Gebäude befunden, das nicht mehr als zwei selbständige Wohn- oder Geschäftsräumlichkeiten umfasst habe. Dass die daher anwendbaren Kündigungsschutzbestimmungen des MRG nicht beachtet worden seien, führe zur Klagsabweisung.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer Anwendung des neuen Vollausnahmetatbestandes des § 1 Abs 2 Z 5 MRG derzeit noch fehle und der vorliegende Fall daher eine richtungsweisende Bedeutung in der Mietrechtsjudikatur haben könne.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Wie bereits betont, ist hinsichtlich der im Revisionsverfahren allein noch strittigen Frage, ob das Gebäude, in dem sich das gegenständliche Geschäftslokal befindet, mehr als zwei selbständige Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten umfasst (und damit der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 nF MRG vorliegt) die ständige, gesicherte oberstgerichtliche Judikatur zu § 1 Abs 4 Z 2 aF MRG weiterhin anwendbar. Da dies schon nach dem Wortlaut der Bestimmungen und auch im Lichte der Gesetzesmaterialien (AB 854 BlgNR 21. GP 83, teilw. wiedergegeben in Würth/Zingher, WohnR 2002 I 6) ganz unzweifelhaft ist und auch von den Streitteilen in keiner Weise in Frage gestellt wurde, kann darin kein tauglicher Grund für die Zulassung der Revision erblickt werden.

Nach der stRsp zu § 1 Abs 4 Z 2 aF MRG kommt es bei der Frage, ob zusätzliche Räume der Qualifikation eines Hauses als ein nach dieser Gesetzesstelle (nunmehr § 1 Abs 2 Z 5 MRG) privilegiertes Zweifamilienhaus entgegenstehen, auf deren selbständige Vermietbarkeit an (5 Ob 259/99w, wobl 2000/71; 6 Ob 327/00g, wobl 2002/112 uva; RIS-Justiz RS0112564). Eine Ausnahme von dieser Regel ist nur für Räume zu machen, die - obwohl sie abgesondert vermietbar wären - üblicherweise zu einem Ein- oder Zweifamilienhaus gehören, wie etwa Abstellräume, Garagen etc (5 Ob 76/03t ua). Dass "nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen" (worunter auch Substandardwohnungen fallen: immolex 2001/23 = MietSlg 52.244) vorhanden sein dürfen, bedeutet nicht etwa (nur), dass drei Wohnungen schädlich sind. Vielmehr dürfen neben den zwei selbständigen Wohnungen (oder nunmehr auch Geschäftsräumlichkeiten) - von den privilegierten Dachbodenausbauten abgesehen - keinerlei einer Vermietung zugängliche Räume im Haus vorhanden sein (7 Ob 519/96, wobl 1998, 46 = MietSlg 48.196; 2 Ob 104/99d, immolex 1999/146 mwN; Würth in Rummel3, § 1 MRG Rz 16 b mwN). Sind selbständig zugängliche Räume nur Bestandteile eines der im Haus vorhandenen zwei selbständigen Wohnungen, dann kann aus der selbständigen Zugänglichkeit dieser Räume und ihrer damit an sich gegebenen selbständigen Vermietbarkeit noch nicht geschlossen werden, dass sie nicht zu einer Wohnung im Haus gehörten. Dass sich eine Wohnung auf mehrere Etagen erstreckt, schadet dabei nicht (7 Ob 519/96).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung (insbesondere für die eben erläuterte Zugehörigkeit zu einer Wohnung) ist nicht etwa die Errichtung des Hauses, sondern das Inkrafttreten des MRG am 1. 1. 1982 (Würth aaO Rz 16 mwN), für - wie hier - später abgeschlossene Mietverträge der Zeitpunkt der Vermietung (wobl 1991/162 = MietSlg 42.343; 5 Ob 134/92, wobl 1993, 115 [Call]; RIS-Justiz RS0079363, zuletzt etwa 5 Ob 68/00m). Nachträgliche Veränderungen können weder eine Verschlechterung noch eine Verbesserung der Rechtsstellung des Mieters herbeiführen (MietSlg 37.234/33; 5 Ob 87/98z, wobl 1998/168 = MietSlg 50.252).

Ob ein "Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen" vorliegt, entscheidet letztlich die Verkehrsauffassung, wobei nach der Verschiedenartigkeit der Problemlagen zu differenzieren ist (5 Ob 141/95, MietSlg 47.173/36). Die Beurteilung hängt daher wesentliche von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab (6 Ob 327/00g ua).

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, da die beiden betreffenden Räume sowie das Bad im Erdgeschoss zum Zeitpunkt des Abschlusses des gegenständlichen Mietvertrages vermietbar gewesen wären, sei die nunmehr in § 1 Abs 2 Z 5 MRG nF normierte Voraussetzung nicht erfüllt, steht mit diesen eben dargelegten Grundsätzen im Einklang. Da es darauf, ob die restlichen Räume im Erdgeschoss eine (Substandard-)Wohnung bildeten, gar nicht ankommt, ist eine Diskussion darüber, ob im Hinblick auf vorhandene Installationen der einen Raum ohne großen Aufwand als Küche adaptiert werden könnte, müßig. Schon mangels Relevanz dieses Umstandes liegt der von der Revisionswerberin diesbezüglich behauptete Verfahrensfehler durch Verstoß des Berufungsgerichtes gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht vor, weshalb auch aus verfahrensrechtlicher Sicht ein tauglicher Grund, die Revision zuzulassen, nicht vorhanden ist.

Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen. Dabei konnten sich die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 40 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung lediglich ausgeführt, dass die Revision unberechtigt sei; auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin haben sie nicht hingewiesen. Ihre Revisionsbeantwortung kann daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw -verteidigung notwendig angesehen werden und ist deshalb nicht zu honorieren (RIS-Justiz RS0035962; RS0035979).

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