OGH 8ObA38/03a

OGH8ObA38/03a22.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Peter Ammer und Gerhard Loibl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. Walter B*****, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*****, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 96.996,93 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2002, GZ 7 Ra 331/02a-16, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8. Mai 2002, GZ 24 Cga 246/01y-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.918,62,-- (darin enthalten EUR 319,77 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Anfechtung der Abfindungsvereinbarung sowie auf Vertragsanpassung zutreffend verneint. Es reicht daher insoweit auf die Begründung der Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 Z 2 ZPO). Den Ausführungen der Revision ist weiters entgegenzuhalten:

Die geltend gemachte Nichtigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Die Aussage, auf die die Revision nunmehr zur Darstellung der Aktenwidrigkeit der Ausführungen des Berufungsgerichtes zurückgreift, war bereits vollinhaltlich Gegenstand der Beweisrüge in der Berufung. Wenn das Berufungsgericht in ausführlicher Auseinandersetzung mit der Beweiswürdigung des Erstgerichtes einleitend davon ausgegangen ist, dass das Beweisverfahren keine Anhaltspunkte für einen "Konnex" zwischen der ausdrücklichen Vereinbarung über das Ende der Administrativpension und dem gesetzlich vorgesehenen Antrittsalter ergeben habe, so ist dies eine Frage der Würdigung der Beweisergebnisse und nicht der Aktenwidrigkeit. Könnte diese doch nur dann vorliegen, wenn die konkrete Darstellung von Beweisergebnissen im Widerspruch mit dem Akt stehen würde (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 471 Rz 7). Davon kann aber hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanzen haben ausführlich begründet, warum sie gerade nicht von einem feststellbaren Zusammenhang zwischen dem vereinbarten Ende der Administrativpension und der gesetzlichen Alterspension ausgegangen sind.

Soweit der Kläger erneut die Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens geltend macht, ist er auf die ständige Judikatur zu verweisen, wonach eine vom Berufungsgericht verneinte Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 503 Rz 3 mzwN).

Auch die von der Revision im Zusammenhang mit der Abfindungsvereinbarung relevierte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Die dazu vom Kläger herangezogenen Ausführungen des Berufungsgerichtes auf der Seite 29 des Berufungsurteiles über die allfälligen Möglichkeiten des Klägers, im Rahmen der neuen Vereinbarungen auf die Änderung des Anfallsalters bei der vorzeitigen Alterspension Bedacht zu nehmen, stellen keine Feststellungen dar, sondern sind im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu sehen. Auch in diesem Zusammenhang vermag die Revision eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre, nicht darzustellen. Die Ausführungen der Revision stellen sich weitgehend als Fragen der rechtlichen Beurteilung dar.

Soweit der Kläger in seiner Rechtsrüge zugrundelegt, dass wegen der Zusagen doch die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsratsmitgliedes, mit dem der Kläger ebenfalls Gespräche geführt hatte, zu klären wäre, entfernt er sich von den Ausführungen des Erstgerichtes, das ausdrücklich festgehalten hat, dass es auch zwischen diesem Aufsichtsratsmitglied und dem Kläger zu keiner Übereinkunft dahin gekommen ist, dass der Kläger bis zur Erlangung der ASVG-Pension die Administrativpension erhalten sollte (vgl S 22 oben des erstgerichtlichen Urteiles). Dass ausgehend von der schriftlichen Vereinbarung aus dem Jahr 1998 ein Anspruch auf einen weiteren Bezug der Administrativpension für den Kläger, der ja bereits die Berufsunfähigkeitspension bezog, nicht besteht, gesteht der Kläger ausdrücklich zu. Im Übrigen spricht dafür auch, dass ja nach Punkt III 4 der Vereinbarungen die Zahlungen der Beklagten völlig unabhängig davon bestehen sollten, welche Einkünfte von dritter Seite gezahlt werden, wobei ausdrücklich auch auf gesetzliche oder freiwillige Ruhebezüge abgestellt wurde.

Was nun die Anfechtung der Abfindungsvereinbarung anlangt, so ist voranzustellen, dass es sich im Hinblick auf die Streitigkeiten der Parteien über die Höhe der bei der Berechnung heranzuziehenden Zinssätze und im Übrigen auch die Dauer der zu leistenden Administrativpension um eine als Vergleich zu beurteilende Vereinbarung handelt (vgl zuletzt etwa OGH 18. 12. 2002, 9 ObA 138/02p). Es ist daher auch nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger davon ausgehen konnte, dass es sich um einen völlig unbestritten zustehenden Anspruch gehandelt habe. Soweit der Kläger vermeint, dass er jedenfalls Anspruch darauf gehabt hätte, dass dieser Betrag bereits im Jahr 2000 ausbezahlt werde, ist ihm entgegenzuhalten, dass gerade durch sein Anliegen, die Administrativpension länger zu erhalten, auch die Frage, ab welchem Zeitpunkt weg die Pension nach dem "Personalvorsorge-Reglement" zustehen sollte, zu klären war, da diese ja offensichtlich an die Administrativpension anschließen sollte. Die letztlich getroffene Vereinbarung brachte für den Kläger nicht nur den Vorteil einer klaren Regelung der Abfindungssumme, sondern klammerte auch die zwischen den Parteien strittige Frage seines allfälligen Anspruches auf Weiterbezahlung der Administrativpension aus.

Soweit der Kläger nunmehr releviert, dass ihm die Beklagte ja auch bloß die nach ihrer Berechnung zustehende Abfindung hätte überweisen können und ihn unberechtigt unter Druck gesetzt habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Kläger ja zuerst eine konkrete Abfindungssumme begehrte (vgl Blg D). Es war also vorweg gar nicht ersichtlich, ob der Kläger jedenfalls - also auch bei einer geringeren Abfindungssumme - statt der laufenden Betriebspension die Pensionsabfindung wählen wollte.

Schon im Hinblick auf den Umstand, dass für die Beklagte ja gar nicht ersichtlich war, ob der Kläger auch bei Zahlung einer niedrigen Abfindungssumme die Abfindung statt der laufenden Betriebspension wählen wollte, kann in dem Verhalten der Beklagten, vorweg eine Vereinbarung über die Höhe der Abfindungssumme erzielen zu wollen, nicht die Ausübung eines sittenwidrigen Druckes gesehen werden. Hat doch nach den den Feststellungen zugrundegelegten Urkunden der Kläger erstmals in seinem Schreiben vom 22. 11. 2000 eine konkrete Summe von S 5 Mio zur Abfindung seiner Ansprüche "angeboten". Auf dieses reagierte die Beklagte bereits mit Schreiben vom 6. 12. 2000. Erneut mit Schreiben vom 14. 12. 2000 bot der Kläger wieder einen Abfindungsbetrag an, wobei die Beklagte in ihrem Schreiben vom 18. 12. 2000 dann an ihrem Anbot festhielt. Mit dem Schreiben vom 19. 12. 2000 hat der Kläger dann erklärt, dass er einen Rechtsanspruch auf Abfindung noch im Jahr 2000 geltend mache. Die dazu mit Schreiben vom gleichen Tag geäußerte Rechtsansicht der Beklagten, dass ein Rechtsanspruch auf Auszahlung bis 31. 12. 2000 nicht bestehe, da auch die Firmenpension, die abgefunden werden sollte, erst ab 1. 7. 2001 zu laufen beginne, kann jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden.

Daraufhin hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 20. 12. 2000 die Beklagte erstmals gefordert, den bereits früher von der Beklagten angebotenen Betrag von S 4,029.624,-- noch am gleichen Tag zur Überweisung zu bringen, wozu es auch keiner Abfindungserklärung bedürfe. Schließlich hat die Beklagte mit Schreiben vom gleichen Tag auf einer Abfindungsvereinbarung bestanden, aber auch die Möglichkeit offengelassen, die Pension entsprechend der getroffenen Vereinbarung zu bezahlen.

Nach § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ist ein Vertrag ua dann als sittenwidrig und nichtig anzusehen, wenn jemand die Zwangslage eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren lässt, deren Vermögenswert zu dem Wert der Leistungen im auffallenden Missverhältnis steht. Als "Zwangslage" in diesem Zusammenhang wird es schon verstanden, wenn dem "Bewucherten" nur die Wahl offensteht, entweder auf die ihm vorgeschlagene "drückende" Vereinbarung einzugehen oder einen noch größeren Nachteil zu erleiden (vgl Krejci in Rummel ABGB3 § 879 Rz 218, Apathy in Schwimann ABGB2 § 879 Rz 26; RIS-Justiz RS0104125 mwN).

Die Vereinbarung einer Vergütung für Hilfestellungen in einer Notlage ist grundsätzlich nicht sittenwidrig, soweit das geforderte Entgelt nicht wucherisch hoch ist (vgl Krejci aaO). Auch wurde generell der Entgang einer der Chance auf gewinnbringender Geschäfte nicht als Zwangslage bewertet (vgl RIS-Justiz RS0104125 = 4 Ob 543/67).

Betrachtet man die konkrete Vereinbarung, so wurde damit sowohl der Streit der Parteien über die Höhe der Abfindung unter Ausklammerung der geltend gemachten Ansprüche aus der Administrativpension als auch über den Zeitpunkt der Fälligkeit der Pensionsabfindung bereinigt. Es wäre grundsätzlich nun auch die Annahme des Vorliegens eines Wuchers im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vergleiches nicht ausgeschlossen (vgl RIS-Justiz RS0016543). Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, inwieweit nicht die Einbußen durch Vorteile an anderer Stelle, vor allem auch durch die Klärung der bisher ungeklärten Sach- und Rechtslage, wieder aufgewogen werden (vgl zuletzt OGH 18. 12. 2002, 9 ObA 138/02p mwN vgl etwa RIS-Justiz RS0028337). Soweit der Kläger nun im Ergebnis geltend macht, dass er durch diese Vorgangsweise der Beklagten im Hinblick auf die mit 1. 1. 2001 in Kraft tretenden steuerlichen Nachteile bei Pensionsabfindungen unter sittenwidrigen Druck gesetzt wurde, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Vorgangsweise der Beklagten, insbesondere was ihre Rechtsansicht anlangt, dass die Pensionsabfindung erst mit dem Anfall der Pension mit 1. 7. 2001 fällig werde, nicht unvertretbar erscheint. Einen konkreten nachvollziehbaren Nachweis des Nachteiles, den der Kläger bei Abschluss dieser Vereinbarung erlitten hat, insbesondere warum der vom Kläger begehrte Betrag und nicht der von der Beklagten angebotene Pensionsabfindungsbetrag der vertraglichen Vereinbarung entsprochen hätte, hat der Kläger nicht angetreten. Insofern kann auch die Gegenleistung dafür, dass die Beklagte in der Vereinbarung den Zeitpunkt der Auszahlung der Abfindung zugestanden hat, nicht als wucherisch; also einem auffallenden Missverhältnis stehend (vgl dazu Krejci aaO Rz 224 ff), angesehen werden.

Insgesamt war daher der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

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