OGH 5Ob274/02h

OGH5Ob274/02h3.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshof Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Hans-Peter N*****, und 2.) H-***** , beide vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, gegen die beklagte Partei Günter K*****, vertreten durch Dr. Richard Benda, Rechtsanwalt in Graz, wegen Räumung und Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 9. September 2002, GZ 1 R 289/02-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Bruck/Mur vom 14. Juni 2002, GZ 3 C 50/02v-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit Euro 610,80 (darin enthalten Euro 101,80 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens über den Unzuständigkeitsstreit zu ersetzen.

Die Entscheidung über das von den klagenden Parteien mit Schriftsatz vom 19. 7. 2002 (ON 7) gestellte Kostenersatzbegehren bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Begründung

Der Beklagte bewohnt die im Dachgeschoß des Hauses *****, links vom Aufgang gelegene, ca 93 m2 große Wohnung. Vor ihm hatte die Wohnung sein am 2. 1. 1999 verstorbener Vater benützt. Eigentümer des Hauses sind die Kläger, die es im Jahr 2001 von der Österreichischen Post AG gekauft haben.

Die Österreichische Post AG ist nach dem insoweit übereinstimmenden Parteivorbringen Dienstgeber des Beklagten und war auch Dienstgeber seines Vaters. Unstrittig ist auch, dass die Wohnung (die offenbar eine Dienst- bzw Naturalwohnung des Vaters des Beklagten war) dem Beklagten von seinem Dienstgeber nie durch Bescheid nach § 80 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG) zugewiesen wurde. Die Kläger begehren mit der am 25. 1. 2002 beim Erstgericht eingebrachten Klage die Räumung der Wohnung sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle Schäden aus der widerrechtlichen Benutzung. Sie behaupten, der Beklagte benütze die Wohnung titellos. Sollte von einem Bestandvertrag auszugehen sein (der Beklagte verweigere die Räumung mit der Begründung, dass durch sein Verbleiben in der Wohnung und die Zahlung bzw Entgegennahme des hiefür zu entrichtenden Entgeltes mit seinem Dienstgeber konkludent ein Bestandverhältnis zustandegekommen sei), sei dieser mit Schreiben des Klagevertreters vom 18. 12. 2001 außergerichtlich wirksam aufgekündigt worden, weil die Überlassung der Wohnung gemäß § 1 Abs 2 Z 2 MRG nicht den Bestimmungen des MRG unterläge. Im Falle der Weiterbenützung einer Wohnung gemäß § 80 Abs 9 BDG durch Verwandte entstehe nämlich kein (dem MRG unterliegender) Bestandvertrag; auch ein Eigentümerwechsel auf Vermieterseite könne dem Bestandobjekt nicht den Charakter einer Werkswohnung nehmen. Durch die Weigerung des Beklagten, die Wohnung zu verlassen, entstehe den Klägern wirtschaftlicher Schaden, der derzeit noch nicht absehbar sei. Der Beklagte erhob die Einrede der Unzuständigkeit, weil für die Erledigung der Sache das Arbeits- und Sozialgericht zuständig sei. Das Erstgericht beschloss darauf hin, über die Unzuständigkeitseinrede abgesondert zu verhandeln (ON 3, AS 10) und trug den Parteien hiezu einen Schriftsatzwechsel auf, aus dem sich Folgendes ergibt:

Der Beklagte brachte vor, er stehe seit 1. 1. 1990 als Beamter des Post- und Fernmeldewesens in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich und sei nach dem Poststrukturgesetz der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen worden. Er sei in der verfahrensgegenständlichen Wohnung im Familienverband aufgewachsen und habe darin mit seinem Vater bis zu dessen Tod im gemeinsamen Haushalt gelebt. Seither benütze er diese Wohnung im Einvernehmen mit seinem Dienstgeber im Rahmen und im Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis als Werkswohnung unter den Bedingungen einer Naturalwohnung. Dieser Nutzungsüberlassung entsprechend habe er für die Zeit von Februar bis Juli 1999 im Namen seines Vaters und von August 1999 bis Dezember 2001 im eigenen Namen von seinem Dienstgeber als "Miete" bezeichnete Zahlungen an die Post und Telekom Immobilien GmbH und ab Jänner 2002 an Werner Fluch von der zweitbeklagten Partei geleistet. Auf das Nutzungsverhältnis des Beklagten habe die Österreichische Post AG die Käufer im Kaufvertrag auch ausdrücklich hingewiesen. Also werde "die gegenständliche Wohnung auf Grund und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis des Beklagten von diesem einvernehmlich mit dem Dienstgeber benützt". Durch den Kaufvertrag seien die Kläger "bezüglich der bestehenden Nutzungsrechte an den im gekauften Objekt befindlichen Wohnungen und damit auch in das zwischen dem Verkäufer als Arbeitgeber und dem Beklagten als Wohnungsinhaber und Arbeitnehmer bestehende Rechtsverhältnis auf Seiten des Verkäufers mit dessen Verbindlichkeiten eingetreten".

Die Kläger replizierten, dass dem Vater des Beklagten die verfahrensgegenständliche Wohnung gemäß § 80 Abs 9 BDG überlassen, dem Beklagten aber im selben Haus eine (andere) Dienstwohnung im zweiten Obergeschoß zugewiesen worden sei. Der Beklagte habe sich die streitgegenständliche Wohnung nach dem Tod seines Vaters listig angeeignet. Seitens der Post und Telekom Betriebs GmbH sei ihm mitgeteilt worden, dass einer Nachnutzung nach seinem Vater nicht zugestimmt werde; der Beklagte sei aufgefordert worden, die Rückstellung zu veranlassen. Der Kaufvertrag beinhalte nur Vereinbarungen zwischen der Österreichischen Post AG und den Klägern, woraus der Beklagte keine Rechte ableiten könne. Sein Nutzungsverhältnis sei darin nur erwähnt worden, um die Österreichische Post AG vor einem allfälligem Regress zu schützen. Außerdem sei im Kaufvertrag klargestellt worden, dass die Käufer (nur insoweit) die Nutzungsverhältnisse zur Kenntnis nehmen und in sie eintreten, soferne sie auf privatrechtlicher Grundlage bestehen. Auf Grund dieses Schriftsatzwechsels wies das Erstgericht die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zurück, ohne hierüber nochmals mündlich zu verhandeln. Es zog aus dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt den Schluss, dass die Klage auf Räumung einer Naturalwohnung eines öffentlichrechtlichen Bediensteten nach ständiger Rechtsprechung nicht vor das Arbeitsgericht gehöre, sodass jenes Gericht örtlich zuständig sei, in dessen Sprengel der Beklagte seinen Wohnsitz habe. Da die Kläger ihr Begehren auf titellose Benützung der Wohnung durch den Beklagten gestützt hätten und der Beklagte seinen Wohnsitz im Sprengel des angerufenen Bezirksgerichtes Bruck/Mur habe, sei dieses zuständig.

Das Gericht zweiter Instanz gab einem dagegen vom Beklagten erhobenen Rekurs Folge, hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und erteilte dem Erstgericht den Auftrag, das gesetzmäßige Verfahren über die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund fortzusetzen. Es beschränkte seine Rechtsausführungen auf die im erstinstanzlichen Schriftsatzwechsel der Parteien enthaltenen Argumente (neues Vorbringen im Rekurs bzw der Rekursbeantwortung unterliege dem Neuerungsverbot) und begründete seine Entscheidung wie folgt:

Der Beklagte habe in erster Instanz das Zustandekommen einer privatrechtlichen Vereinbarung betreffend die Nutzung der Wohnung mit der Österreichischen Post AG im Rahmen, auf Grund und im Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis behauptet, in die die Kläger mit den Verbindlichkeiten des Arbeitgebers eingetreten seien. Das Erstgericht hätte sich dazu nicht mit der Aufnahme des Urkundenbeweises begnügen dürfen, sondern die vom Beklagten angebotenen Beweise (seine PV sowie die Einvernahme des Zeugen F*****) aufnehmen müssen. Das wäre erforderlich gewesen, um die Berechtigung der Unzuständigkeitseinrede des Beklagten beurteilen zu können. Bei der Zuständigkeitsprüfung auf Grund der Einrede des Beklagten seien nämlich alle Tatsachen mitzuberücksichtigen, die er in seiner Einrede vorbringt und unter Beweis stellt (Fasching, Lehrbuch2 Rz 227).

Gemäß § 50 Abs 1 Z 1 ASGG seien Arbeitsrechtssachen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder mit dessen Anbahnung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne des ASGG seien alle Personen, die zueinander in einem privat- oder öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen oder gestanden sind (§ 51 Abs 1 ASGG). Es sei unstrittig, dass die streitgegenständliche Rechtssache ungeachtet der vom Beklagten behaupteten Beamteneigenschaft auf den Zivilrechtsweg gehört, was schon deshalb zutreffend sei, weil übereinstimmendes Vorbringen dazu vorliege, dass dem Beklagten die streitgegenständliche Wohnung nicht bescheidmäßig zugewiesen wurde. Der vom Gesetz geforderte Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis sei unter anderem bei Klagen betreffend Dienstwohnungen angenommen worden (Kuderna, ASGG2 Anm 5 zu § 50 mwN). Streitigkeiten betreffend Wohnungen, die auf Grund eines Dienstverhältnisses oder im Zusammenhang mit einem solchen als Dienst-, Natural- oder Werkwohnungen überlassen wurden oder bei denen sonst ein Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Vermietung besteht, gehörten daher vor das Arbeits- und Sozialgericht (vgl EvBl 1993/42). Es entspreche auch herrschender Ansicht, dass derartige Verträge (wie hier vom Beklagten ausdrücklich im Rekurs behauptet) stillschweigend zustande kommen können, sodass Feststellungen zu den vom Beklagten im Rahmen der Unzuständigkeitseinrede erhobenen Behauptungen zur Beantwortung der Frage der Zuständigkeit wesentlich seien. Der Umstand, dass es sich bei den Klägern um die Einzelrechtsnachfolger der Österreichischen Post AG als Eigentümer des Bestandobjekts handelt, schade nicht, weil gemäß § 52 Z 1 ASGG der § 50 auch für Fälle gilt, in denen die Rechtsstreitigkeiten durch den Rechtsnachfolger geführt werden. Der Rechtsnachfolger könne sowohl Einzel- als auch Gesamtrechtsnachfolger sein, daher insbesondere auch derjenige, an den die Sache, die den Gegenstand des Rechtsstreites bildet, veräußert wurde (Arb 7989; Kuderna aaO, Anm 2 zu § 52). Soweit das Erstgericht seine Entscheidung auf die Behauptung der Kläger, der Beklagte benütze die Wohnung titellos, stützte, sei zunächst auf die vorstehenden Ausführungen zu den Beweisaufnahme- und Feststellungsmängeln verwiesen und dem hinzugefügt:

Die Zuweisung einer Dienst- oder Naturalwohnung an einen Beamten habe gemäß § 80 Abs 2 BDG durch Bescheid zu erfolgen und begründe kein Bestandverhältnis (§ 80 Abs 3 BDG). Nur wenn die Gestaltung der Benützung der Naturalwohnung durch die Dienstbehörde durch Bescheid ausgesprochen wurde, seien demnach Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis im Verwaltungsweg auszutragen. Wird die Wohnung aber auf Grund einer (allenfalls auch konkludent) abgeschlossenen privatrechtlichen Vereinbarung benützt, sei der Rechtsweg und damit die Zuständigkeit der Gerichte gegeben (vgl VwGH ZfVB 1997/117 = ÖJZ 1996, 222 A zu § 80 Abs 9 BDG). Hier sei unstrittig, dass eine bescheidmäßige Zuweisung der Wohnung an den Beklagten nicht erfolgt ist, sodass schon deshalb § 80 Abs 3 BDG nicht als Begründung dafür herangezogen werden könne, dass eine Benützung ohne Privatrechtstitel vorliege. Gleiches gelte für die Gestaltung der tatsächlichen Benützung der Naturalwohnung (hier: des Vaters des Beklagten) durch einen Hinterbliebenen des Beamten, der mit diesem bis zu dessen Tod im gemeinsamen Haushalt gelebt hat (hier: durch den Beklagten) gemäß § 80 Abs 9 BDG, weil auch dieses Gestattungsverhältnis durch Bescheid zu begründen sei (VwGH ZfVB 1997/117 = ÖJZ 1996, 222 A). Wie bereits dargestellt, behaupte der Beklagte eine derartige konkludente privatrechtliche Vereinbarung im Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis, zu der vom Erstgericht im weiteren Verfahren über die Unzuständigkeitseinrede nach Aufnahme der angebotenen Beweise die entsprechenden Feststellungen zu treffen sein werden.

Dazu werde Folgendes zu bedenken sein:

Dienstwohnungen iwS seien solche, die für die Dauer des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt werden, unabhängig davon, ob sie funktionsgebunden (Dienstwohnung ieS), als nicht besonders ausgewiesener Teil des Arbeitsentgelts (Naturalwohnung) oder gegen - meist unter dem ortsüblichen Zinsniveau liegende - Miete (Werkswohnung) überlassen werden. Entscheidend sei die Junktimierung von Arbeitsvertrags- und Wohnungsbenützungsende. Der Dienstwohnungscharakter könne sich auch schlüssig ergeben. Nur dann, wenn das Wohnrecht völlig unabhängig vom Dienstverhältnis eingeräumt wird, dieses höchstens das Motiv für die Zurverfügungstellung der Wohnung bildet, gehe das Wohnungsbenützungsverhältnis als rechtlich selbständiger Mietvertrag eigene Wege (Binder in Schwimann2, Rz 42 f zu § 1090). Die Vorschreibung bzw unbeanstandete Annahme eines regelmäßig auch bezahlten Entgeltes für die dem anderen eingeräumte Benützung von Räumen durch längere Zeit könne grundsätzlich zu einem konkludenten Abschluss eines Bestandverhältnisses - auch gegenüber juristischen Personen (Dittrich/Tades, ABGB35 E 23 ff zu § 863) - führen (RIS Justiz RS0082191), aber nur dann, wenn gemäß § 863 ABGB kein anderer Grund in Frage kommt; der Annahme des Mietzinses komme alleine keine hinreichende Aussagekraft zu (8 Ob 67/99g; RIS Justiz RS0014431). Der im § 50 ASGG geforderte Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis sei für Dienstwohnungen iwS jedenfalls gegeben. Für (echte) Mietverträge fehle er, wenn das Arbeitsverhältnis bloß ein zufälliger Anlass für den Rechtsstreit und dem ihm zugrunde liegenden Anspruch ist, also ein Anlass, der ohne Weiteres weggedacht werden kann, ohne dass der geltend gemachte Anspruch deshalb nicht entstanden wäre (Kuderna aaO, Anm 5 zu § 50).

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle nämlich Rechtsprechung des OGH zur Frage, ob bei der nicht durch einen Bescheid verfügten Belassung eines a) Beamten in einer Dienst- oder Naturalwohnung iS des § 80 Abs 2 BDG und b) Hinterbliebenen in einer Dienst- oder Naturalwohnung iS des § 80 Abs 9 BDG ein Bestandverhältnis (schlüssig) begründet werden kann.

Mit dem jetzt vorliegenden Revisionsrekurs streben die Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung an. Sie meinen, dass nach der Aktenlage der vom Beklagten behauptete Benützungstitel für die streitgegenständliche Wohnung schon jetzt ausgeschlossen werden könne. Für einen zwischen dem Beklagten und seinem Dienstgeber (dem ehemaligen Hauseigentümer) kokludent abgeschlossenen Bestandvertrag fehle nämlich jeglicher Anhaltspunkt. Die Weiterbenützung der Dienstwohnung eines Verstorbenen durch Angehörige reiche nämlich hiefür nicht aus (MietSlg 19.088); andererseits sei dem Beklagten die bescheidmäßige Zuweisung der Wohnung durch den Dienstgeber ausdrücklich versagt worden. Das Argument des Beklagten, darüber habe jedenfalls das Arbeitsgericht zu befinden, gehe ins Leere, weil die Streitteile in keiner arbeitsrechtlichen Beziehung zueinander stünden. Der Beklagte sei nur - wie sein Vater, dem die Wohnung zugewiesen war - zufällig bei der Post (der ehemaligen Hauseigentümerin) beschäftigt. Ihm sei vom Dienstgeber die Zuweisung der Wohnung als Dienstwohnung sogar ausdrücklich verwehrt worden, womit es an der Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes fehle. Ob das vom Beklagten behauptete, nur nach § 30 MRG zu lösende Mietverhältnis besteht, habe das Erstgericht zu entscheiden. Vom Beklagten liegt dazu eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, die rekursgerichtliche Entscheidung zu bestätigen. Er beharrt darin auf dem Standpunkt, die streitgegenständliche, ehemals im Eigentum der Österreichischen Post AG und nunmehr im Eigentum der Kläger stehende Wohnung auf Grund einer mit dem zuständigen Personalvertreter seines Dienstgebers konkludent zustande gekommenen Benützungsvereinbarung als Werkswohnung zu den in § 80 BDG geregelten Bedingungen einer Naturalwohnung benützen zu dürfen; ein Zuweisungsbescheid sei an ihn nie ergangen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergeben wird, zulässig und auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die Kläger ihr Räumungsbegehren nicht nur auf eine von Anfang an titellose Benützung der streitgegenständlichen Wohnung durch den Beklagten, sondern auch darauf gestützt haben, dass ein Bestandvertrag - sollte er jemals mit dem Beklagten zustandgekommen sein - bereits durch eine außergerichtliche Kündigung aufgelöst wäre. Es geht demnach um eine unter § 49 Abs 2 Z 5 JN bzw § 502 Abs 5 Z 2 ZPO fallende Streitigkeit, für die der streitwertabhängige Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 1 Einleitungssatz ZPO nicht gilt (vgl RIS-Justiz RS0046865, insbesondere 10 Ob 11/00s und 6 Ob 73/02g). Auch der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN greift nicht, weil die beiden Gerichte, um deren sachliche Zuständigkeit gestritten wird, ihren Sitz nicht in derselben Gemeinde haben (vgl 4 Ob 518/92 = EFSlg 69.725).

In der Sache selbst ist daran zu erinnern, dass es nur um die Lösung der Zuständigkeitsfrage geht. Argumente, wie sie von den Parteien, aber auch vom Rekursgericht ins Treffen geführt wurden, um einen Benützungstitel des Beklagten für die streitgegenständliche Wohnung zu be- oder widerlegen, helfen hier nicht weiter.

Zunächst einmal ist iSd § 41 Abs 2 JN von den Angaben der Kläger auszugehen. Aus ihnen ergibt sich, was offenbar auch das Rekursgericht nicht in Abrede stellt, die Zuständigkeit des Erstgerichtes nach § 49 Abs 2 Z 5 JN iVm § 83 Abs 1 JN. Die Kläger führen nämlich als Rechtsgrund ihres Räumungsbegehrens eine titellose Benützung der streitgegenständlichen Wohnung durch den Beklagten an und äußern sich zu dem vom Beklagten behaupteten "Bestandverhältnis" zusammengefasst so, dass es - sollte es jemals begründet worden sein - mit dem Dienstverhältnis des Beklagten zur ehemaligen Hauseigentümerin in keinerlei Zusammenhang stünde und durch eine vorsorgliche Aufkündigung bereits erloschen wäre. Anhaltspunkte für die sachliche Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes könnten sich daher nur aus den Behauptungen des Beklagten ergeben, die er zur Unterstützung seiner Unzuständigkeitseinrede vorgetragen hat. Nun trifft es zu, dass die Vorschrift des § 41 Abs 2 JN, wonach das Gericht in bürgerlichen Streitsachen seine Zuständigkeit (allein) auf Grund der Angaben des Klägers (in der Klage) zu prüfen hat, sofern diese nicht bereits als unrichtig bekannt sind, auf die erste amtswegige Prüfung der Prozessvoraussetzungen vor Einbeziehung des Beklagten in das Verfahren zugeschnitten ist, weshalb bei einer Entscheidung über eine Unzuständigkeitseinrede des Beklagten nicht über dessen Vorbringen hinweggegangen werden darf (RIS-Justiz RS0046200; vgl 5 Ob 41/73). Es hat jedoch bei der Maßgeblichkeit der vom Kläger zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts vorgetragenen Tatsachen zu bleiben, wenn der Beklagte seine Unzuständigkeitseinrede nur mit Behauptungen untermauert, die zugleich das Nichtbestehen des eingeklagten Anspruchs belegen sollen (vgl 7 Ob 286/99f = RZ 2000, 277/44 mwN; 5 Ob 112/01h). Ob diese "doppelrelevanten Tatsachen" zutreffen (und demnach eine Stattgebung des Klagebegehrens verhindern), ist nicht im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung des angerufenen Gerichts zu entscheiden, sondern der Sachentscheidung vorbehalten. Lassen sich die Behauptungen des Beklagten nicht verifizieren, erledigt sich die Unzuständigkeitseinrede von selbst; stimmen sie, hat dies zur Abweisung des Klagebegehrens zu führen. Im gegenständlichen Fall behauptet der Beklagte, die streitgegenständliche Wohnung sei ihm von seiner Dienstgeberin - der ehemaligen Hauseigentümerin - konkludent als Werkswohnung überlassen worden. Nur so ließe sich auch der nach § 50 Abs 1 Z 1, § 51 Abs 1 ASGG notwendige Zusammenhang der Wohnungsnutzung zu einem Arbeitsverhältnis herstellen, das zwischen dem Beklagten und der (ehemaligen) Hauseigentümerin besteht. Um die Rechtsnachfolge der Kläger in dieses "Bestandverhältnis" darzutun (die nach Lehre und Rechtsprechung nicht auf § 1120 ABGB gestützt werden könnte: 9 ObA 330/00w mwN) hat sich der Beklagte außerdem noch darauf berufen, dass sein Dienstgeber die mit der Wohnungsüberlassung eingegangenen Verpflichtungen beim Verkauf des Hauses vertraglich auf die Kläger überbunden habe. Es sind dies Behauptungen, die den von den Klägern geltend gemachten Rechtsgrund ihres Räumungsanspruchs, die titellose Benützung der streitgegenständlichen Wohnung durch den Beklagten, widerlegen sollen, also eine Sachentscheidung über die Berechtigung des Klagebegehrens erfordern. Im Ergebnis zu Recht hat sie daher das Erstgericht bei seiner Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede unbeachtet gelassen und die Einrede verworfen. Dass sonstige Umstände einer Aufklärung in mündlicher Verhandlung bedürften, haben weder die Parteien noch das Rekursgericht aufgezeigt.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Über das von den Klägern wegen Ausbleibens der in Aussicht genommenen weiteren mündlichen Verhandlung erst mit Schriftsatz vom 19. 7. 2002 geltend gemachte Kostenersatzbegehren wird zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (vgl EGMR 6. 2. 2001, ÖJZ 2001, 516) das Erstgericht zu entscheiden haben.

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