OGH 6Ob73/02g

OGH6Ob73/02g18.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Karl N*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der G*****gesellschaft mbH (17 S 4/00w des LG Ried im Innskreis), gegen die beklagte Partei Johann G*****, vertreten durch Dr. Robert Galler, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Anfechtung eines Mietvertrages und Räumung, über die "ordentliche Revision" (richtig: außerordentliche Revision) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2002, GZ 1 R 165/01t-51, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 6. Juli 2001, GZ 2 Cg 100/00m-40, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht erklärte den zwischen der nunmehrigen Gemeinschuldnerin und dem Beklagten (ihrem geschäftsführenden Gesellschafter) geschlossenen Mietvertrag über eine Wohnung im Anwesen der Gemeinschuldnerin gegenüber deren Gläubigern für unwirksam und verpflichtete den Beklagten zur Räumung. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil es der einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt sei und der vorliegenden Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der an das Berufungsgericht gerichtete Antrag des Beklagten auf Abänderung des Unzulässigkeitsausspruches dahin, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde, ist verfehlt, weil in unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, bei denen über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrages entschieden wird (§ 502 Abs 5 Z 2 ZPO), gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine außerordentliche Revision erhoben werden kann, wenn das Berufungsgericht im Berufungsurteil nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ausgesprochen hat, dass die ordentliche Revision nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist. Einer Abänderung des Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht bedarf es in diesem Fall nicht. Die Regelung des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO bezweckt, Entscheidungen über das Dauerschuldverhältnis selbst, unabhängig von jeder Bewertung, unter der weiteren Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO für revisibel zu erklären. Nach der Rechtsprechung zählen zwar Klagen auf Räumung von Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten, die auf eine - von Anfang an - behauptete titellose Benützung gestützt sind, nicht zu den Streitigkeiten, die ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstandes unter diese Vorschrift fallen. Im Regelfall wird jedoch auch beim Streit über eine "Räumung", wenn auch nur als Vorfrage, über das Dauerschuldverhältnis selbst und seine wirksame Beendigung zu entscheiden sein (10 Ob 11/00s mwN). Auch im vorliegenden Fall ist die Frage zu beurteilen, ob das Dauerschuldverhältnis noch aufrecht oder entsprechend dem Prozessvorbringen der klagenden Partei wirksam beendet ist. Es ist daher das Bestehen oder Nichtbestehens eines Bestandvertrages im Rahmen eines Räumungsstreites strittig, sodass entscheidend ist, ob die Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO vorliegen. Da im Fall des § 502 Abs 5 ZPO die Abs 2 und 3 des § 502 ZPO nicht gelten, ist dies vom Obersten Gerichtshof und nicht vom Berufungsgericht zu beurteilen. Die Begründung des Antrages auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision gemäß § 508 Abs 1 ZPO hat sich inhaltlich mit der Zulassungsbeschwerde gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO zu decken. Die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels ist unerheblich, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist (§ 84 Abs 2 Satz 2 ZPO). Daher kann die "ordentliche Revision" des Beklagten in eine außerordentliche Revision gemäß § 505 Abs 4 ZPO umgedeutet werden (9 Ob 107/98w; RIS-Justiz RS0110049). Sie ist jedoch mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Sowohl die Gläubigerbenachteiligung als auch die Befriedigungstauglichkeit gehören zum objektiven Tatbestand der Anfechtung nach § 28 KO. Schon der Beweis einer bloßen Wahrscheinlichkeit der Befriedigungsaussichten der Gläubiger im Sinn einer günstigen Prognose genügt (SZ 68/29 mwN; RIS-Justiz RS0050751). In diesem Sinn lässt die neueste Rechtsprechung einen prima-facie-Beweis zu Gunsten der Anfechtung zu: Der dem Anscheinsbeweis vorausgesetzte typische Geschehensablauf kann darin erblickt werden, dass die nach der erfolgreichen Anfechtung gebotene Rückabwicklung der angefochtenen Rechtshandlung in typischer Weise die Befriedigungsaussichten der Gläubiger erhöht (1 Ob 10/01d mwN). In der durch Judikaturzitate belegten Ansicht des Berufungsgerichtes, dass die Inbestandgabe einer Liegenschaft deren Verwertungsmöglichkeit und demnach deren Wert beeinträchtigt und insbesondere im konkreten Fall im Hinblick auf die Ausgestaltung des Mietverhältnisses eine geradezu typische Gläubigerbenachteiligung durch die Begründung der Mietrechte des Beklagten vorliegt, kann eine zur Korrektur anlassgebende Fehlbeurteilung dieses Einzelfalles nicht erblickt werden. Es wäre am Beklagten als Anfechtungsgegner gelegen gewesen, eine ernsthafte Möglichkeit einer atypischen Lage aufzuzeigen (1 Ob 10/01d). Derartige Behauptungen hat er im Verfahren erster Instanz aber gar nicht aufgestellt.

Die Überlassung der Mietrechte an der Wohnung an den Beklagten im Rahmen dessen Privatkonkurses nach § 5 Abs 4 KO vermag die exekutive Räumung der Wohnung nach erfolgreicher Unwirksamerklärung der dem Beklagten als Gemeinschuldner überlassenen Mietrechte nicht zu hindern, die damit ja nicht mehr aufrecht sind. Die insoweit klare Rechtslage vermag keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu begründen.

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