OGH 10ObS336/02p

OGH10ObS336/02p12.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Thomas Keppert (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Taucher (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Zivanko G*****, vertreten durch Dr. Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Juni 2002, GZ 10 Rs 182/02m-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26. Februar 2002, GZ 30 Cgs 230/01k-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der - wenn auch unter dem Titel unrichtige rechtliche Beurteilung - neuerlich gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Obgleich diese Beurteilung keiner Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO), ist der Revision kurz zu erwidern:

Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Berufungsgericht verneint wurden (hier: unterlassene [weitere] Beiziehung eines Chirurgen [bzw Orthopäden] und unterbliebene Beiziehung eines berufskundlichen Sachverständigen), können nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates auch in einer Sozialrechtssache nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (Kodek aaO Rz 3 Abs 2 zu § 503 ZPO; MGA, ZPO15 E 38 zu § 503 mwN; SSV-NF 11/15; 7/74; 5/116 ua; RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061). Ein Mangel des Berufungsverfahrens könnte dann gegeben sein, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (MGA aaO E Nr 40 mwN; RIS-Justiz RS0043086 [T7]; 10 ObS 263/02b; 10 ObS 310/02i uva); beide Fälle sind hier jedoch nicht erfüllt, weil sich das Gericht zweiter Instanz mit der Mängelrüge auseinandergesetzt und diese mit einer ausführlichen, der Aktenlage nicht widersprechenden Begründung als nicht berechtigt erkannt hat (Seite 4 ff der Berufungsentscheidung [insb Seite 5 und 8]). Davon abgesehen gehört die Frage, ob weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären, zur - irrevisiblen - Beweiswürdigung der Vorinstanzen (vgl SSV-NF 7/12 mwN, RIS-Justiz RS0043320) und kann - wie auch die zum medizinischen Leistungskalkül, zu den Anforderungen in den Verweisungsberufen und zu den Tätigkeiten, welche der Versicherte aufgrund seines Leidenszustandes noch verrichten kann, getroffenen Feststellungen, die allesamt ausschließlich dem Tatsachenbereich angehören (RIS-Justiz RS0043118 [T2 und T4], RS0084399 [T5]) - im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden (RIS-Justiz RS0043061 [T11], RS0040046 [T10 bis T13]; zuletzt: 10 ObS 310/02i). Die Revisionsausführungen erschöpfen sich daher insgesamt in der Behauptung, die Ausbildung des Klägers dürfe, angesichts der durch erfolgreiche Kursteilnahme und zweijährige Praxis (wobei er neuerlich eine "diesbezügliche Ausbildung" und eine Abschlussprüfung habe ablegen müssen) erworbenen Berechtigung, alle Stapler (also auch solche über 2,5 t) zu lenken, keinesfalls mit der eines Hilfsarbeiters gleichgesetzt werden; deshalb hätte erst mit Hilfe eines berufskundlichen Sachverständigen, der das zu beurteilende Berufsbild zu umschreiben habe, endgültig darüber entschieden werden können, ob der vom Kläger ausgeübte Beruf als ungelernte oder als angelernte bzw erlernte Tätigkeit anzusehen sei.

Der damit geltend gemachte Vorwurf des rechtlichen Feststellungsmangels (dass das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen und notwendige Beweise nicht aufgenommen habe [Kodek aaO Rz 4 zu § 496 ZPO]) ist jedoch unbegründet, weil die getroffenen Feststellungen zur Beurteilung der von den Vorinstanzen zutreffend verneinten Rechtsfrage, ob dem Kläger aufgrund seiner Ausbildung zum Staplerfahrer Berufsschutz zukommt, ausreichen:

Demnach hat der Kläger keinen Beruf erlernt und war in den letzten 15 Jahren überwiegend als Lagerarbeiter beschäftigt, wobei er auch die Tätigkeit eines Staplerfahrers ausübte. Er absolvierte "insgesamt" einen Kurs, der vom 6. 11. 1989 bis zum 15. 11. 1989 dauerte, um den sog Staplerschein zu erhalten. Ab 16. 11. 1989 war er berechtigt Stapler bis 2,5 t zu bedienen, ab 5. 9. 1991 alle Stapler. Er hat die (dafür) notwendige Ausbildung im Ausmaß von 30 Stunden absolviert und die Abschlussprüfung mit Erfolg abgelegt (Hervorhebungen durch den erkennenden Senat), vgl auch die gesetzlichen Grundlagen in den §§ 62 f, 113 ASchG [BGBl 450/1994] bzw in §§ 4 und 7 Abs 2 BGBl 441/1975 sowie die Ermächtigungen der Ausbildungsstätten zur Erteilung eines Zeugnisses als Nachweis der Fachkenntnisse nach § 63 ASchG, wonach die theoretische Ausbildung zur Erlangung des Staplerführerscheines zumindest 20 Stunden zu umfassen hat).

Davon ausgehend ist die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die (vom Kläger ausgeübte) Tätigkeit als Staplerfahrer zu den "Hilfsberufen allgemeiner Art" (Hilfsarbeitertätigkeiten) zählt (SSV-NF 3/89; 10 ObS 262/00b = ARD 5236/22/2001) und weder einen erlernten noch einen angelernten Beruf darstellt (so bereits: SVSlg 27.633; 35.435), nicht zu beanstanden. Im Hinblick darauf, dass die Dauer der für die Erlernung eines Berufs notwendigen Lehrzeit im Durchschnitt etwa drei Jahre beträgt, spricht nämlich schon der Umstand, dass der Kenntnis- und Fähigkeitsstand des Klägers als Staplerfahrer mit einer nicht einmal 2-wöchigen bzw 30-stündigen Ausbildung erlangt werden konnte, eindeutig dagegen, dass hier Kenntnisse und Fähigkeiten erworben wurden, die den in einem Lehrberuf vermittelten gleichzuhalten sind (RIS-Justiz RS0084483 [T1]; zuletzt: 10 ObS 38/02i mwN; vgl auch SZ 61/159 = SSV-NF 2/71 [wo letzteres schon deshalb verneint wurde, weil (selbst) ein 130 bis 210 Stunden umfassender Kurs (noch) "weit" unter dem Maß liegt, das allgemein nach den Ausbildungsvorschriften für einen Lehrberuf gefordert wird]).

Auch an die Feststellung der Tatsacheninstanzen, dass der Kläger in seiner bisherigen Berufstätigkeit keine qualifizierten Kenntnisse eines bestimmten Lehrberufes erworben hat, ist der Oberste Gerichtshof aber grundsätzlich gebunden (RIS-Justiz RS0084563 [T6]; SSV-NF 13/48 mwN). Da somit jeglicher Anhaltspunkt dafür fehlt, dass der Kläger Berufsschutz genießt, bedarf es - entgegen der in der im Rechtsmittel vertretenen Ansicht - auch keiner weiteren Erhebungen und Feststellungen über die genaue Art der vom ihm ausgeübten Tätigkeit (RIS-Justiz RS0084563 [T10]; 10 ObS 220/02d; SSV-NF 14/36 mwN). Dass er nach den getroffenen Feststellungen im Rahmen des § 255 Abs 3 ASVG auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist, wird vom Rechtsmittelwerber ohnehin nicht bezweifelt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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