OGH 13Os107/02

OGH13Os107/0216.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Oktober 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Traar als Schriftführer, in der Strafsache gegen Frank S***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, zweiter und dritter Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 27. Juni 2002, GZ 7 Hv 62/02h-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Frank S***** wurde des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall und (richtig: des Vergehens) nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG schuldig erkannt, weil er am 20. Februar 2001 gemeinsam mit der abgesondert verfolgten Paulina Nana Se***** den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), nämlich 958,2 Gramm Canabiskraut (115 g Reinsubstanz THC, vgl US 6) von den Niederlanden über Deutschland nach Österreich aus- und eingeführt und mit dem Vorsatz besessen hat, dass es in Verkehr gesetzt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Zu Unrecht erblickt die Beschwerde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften (Z 3), nämlich eines Verstoßes gegen § 252 StPO, in der - infolge (behaupteten) Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 252 Abs 1 Z 1 StPO - (vermeintlich) unzulässigen Verlesung der Aussage der Zeugin Paulina Nana Se*****. Der Beschwerdeauffassung zuwider hat das Erstgericht jedoch die Grundlagen für ein Vorgehen nach der herangezogenen Gesetzesstelle unter Berücksichtigung des unbekannten Aufenthaltes der Zeugin zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung am 27. Juni 2002 in Verbindung mit deren Ausschreibung zur Verhaftung seit März 2002 zutreffend beurteilt (vgl 14 Os 128/99, 13 Os 108/00, 13 Os 50/01, 15 Os 153/92, 15 Os 45/94 uva), wohingegen die Beschwerde mit der bloßen - Anhaltspunkte in Richtung eines möglichen Ermittlungserfolges nicht einmal ansprechenden - Spekulation, ein "Zuwarten in der Dauer von zwei bis drei Monaten wäre erforderlich und möglich gewesen" nichts Substantielles vorzubringen vermag.

Die gegen die Abweisung des Antrages auf Vernehmung der Zeugin aus Z 4 erhobene Verfahrensrüge versagt gleichfalls. Auch hier argumentiert die Beschwerde mit den pauschal gehaltenen Einwänden, "dass nicht per se davon auszugehen ist, dass die Ausschreibung zur Verhaftung keinen Erfolg haben werde" und eine "zumindest einmalige Vertagung" erforderlich gewesen wäre, hat aber den Annahmen der Tatrichter zum Vorliegen der Voraussetzungen nach § 252 Abs 1 Z 1 StPO nichts Konkretes entgegenzusetzen. Im Übrigen verkennt die Beschwerde, dass das Recht eines Angeklagten, die Vernehmung von Zeugen zu erwirken, nach der Rechtsprechung der Straßburger Instanzen und des Obersten Gerichtshofes kein absolutes ist, sofern weitere, die - (auch) ohne Beisein des Angeklagten oder eines Verteidigers - in einem früheren Verfahrensstadium gemachten Angaben des Zeugen bestärkende Beweise vorliegen, was insbesondere dann gilt, wenn das Beweismittel (der Zeuge) nunmehr unerreichbar ist (vgl 15 Os 45/94, 15 Os 112/94, 15 Os 91/96, 15 Os 97/96, 11 Os 159/97, 15 Os 152/98, 15 Os 32/99 uva). Im gegenständlichen Verfahren hat das Tatgericht ohnedies die möglichen Kontrollbeweise aufgenommen und im Zusammenhalt mit den verlesenen Angaben der nicht erreichbaren Zeugin den Urteilskonstatierungen zugrundegelegt.

Soweit die Verlesung der Aussage der Zeugin Paulina Se***** gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO gegen den Widerspruch der Verteidigung kritisiert wird und dabei ein Nichterkennen über den Antrag des Angeklagten mangels Begründung anlässlich dessen Ablehnung moniert wird, verkennt die Beschwerde, dass das Erstgericht die Grundlage für die Verlesung ausdrücklich auf § 252 Abs 1 Z 1 StPO gestützt, somit dem Antrag begründet nicht Folge gegeben hat (S 173 verso).

Die Mängelrüge (Z 5) trachtet unter dem Aspekt der Unvollständigkeit die Glaubwürdigkeit der belastenden Depositionen der Zeugin Se***** in Frage zu stellen, indem sie auf deren vorerst anders lautenden Aussageteile verweist und aus teils selektiv hervorgehobenen Aussagepassagen, teils sinnentstellt betrachteten Teilen der Vernehmungen der Zeugen W***** und G***** selbst beweiswürdigend Schlüsse zieht, bekämpft damit jedoch lediglich (wie sich schon zwanglos aus der Formulierung "ist aber sehr lebensnah ableitbar" ergibt) unzulässig die - mit den Grundsätzen der Logik im Einklang stehende und dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragende - Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431).

Dass das tatgegenständliche, sodann sichergestellte Suchtgift in der Reisetasche der Zeugin Se***** aufgefunden wurde, hat das Erstgericht - der Beschwerdebehauptung zuwider - im Urteil ohnedies festgestellt (US 3). Ob die Reisetasche vor oder nach der Grenze an sie übergeben wurde, berührt im Hinblick auf den gemeinsamen Tatplan zum alternativen Mischdelikt der Aus- und Einfuhr des Suchtmittels keine entscheidende Tatsache (aaO Rz 443).

Soweit die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite als unzureichend begründet moniert werden, weil sich "nach allgemeiner Lebenserfahrung" aus der Aussage des Angeklagten nicht ableiten lasse, dass er Suchtgift in Verkehr setzen wollte und sich die Beschwerde dabei auf den Zweifelsgrundsatz beruft, bekämpft sie neuerlich in nicht prozessordnungskonformer Weise die diesbezüglichen Schlussfolgerungen der Tatrichter (US 5 und 6). Dass diese dem Beschwerdeführer nicht überzeugend genug erscheinen, vermag den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht darzustellen. Die Tatsachenrüge (Z 5a) begibt sich, teils unter Wiederholung der Argumentation der Mängelrüge, teils nicht urteilskonform (vgl die Würdigung der Angaben der Zeugin Se***** US 4) und unter Anstellen von Spekulationen, "dass sich lebensnah aus der widersprüchlichen Verantwortung der Zeugin Se***** ableiten ließe, dass sie durch Vorgabe der vermeintlichen Übergabe des Suchtmittels an den Angeklagten den Verdacht auf ihn lenken wollte", wiederum auf den - auch unter diesem Nichtigkeitsgrund nicht vorgesehenen - Boden der Schuldberufung. Dieses Vorbringen erweist sich jedoch nicht als geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung wird das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

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