OGH 15Os45/94

OGH15Os45/9426.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas K* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahles durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 2. Dezember 1993, GZ 24 Vr 861/92‑99, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00045.9400000.0526.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die (angemeldete) "Berufung wegen Schuld" werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil (das auch einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch enthält) in Verbindung mit dem Berichtigungs‑(Angleichungs‑)beschluß vom 26.April 1994, GZ 24 Vr 861/92‑106, wurde Andreas K* des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 19.Juni 1992 in Feldkirch gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten (und inzwischen rechtskräftig verurteilten) Helmut B* als Mittäter gewerbsmäßig (§ 70 StGB) einem anderen fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S übersteigenden Wert durch Einbruch in Transportmittel, nämlich dem Thomas D* den PKW der Marke Honda Accord, amtliches Kennzeichen FK 4 AOP, mit einem Zeitwert von ca 260.000 S durch Aufsperren mit einem nachgemachten Schlüssel mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich [überflüssig: oder einen Dritten] durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Nach Verkündung des Urteils meldete der (anwaltlich vertretene) Angeklagte sogleich "Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wegen Schuld und Strafe" an (S 62/II) und führte in der Folge eine auf die Gründe des § 281 Abs 1 Z 4 und 5 a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde sowie eine Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) aus, ohne die "Berufung wegen Schuld" zurückzuziehen.

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft der Beschwerdeführer das schöffengerichtliche Zwischenerkenntnis (S 61/II), mit dem die von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 2.Dezember 1993 gestellten Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung der Ilse P* und des Andreas P* abgewiesen wurden (S 61/II), und wendet sich überdies gegen die entgegen seinem ausdrücklichen Widerspruch in der Hauptverhandlung vorgenommene Verlesung der Aussagen des Andreas P* vor der Sicherheitsbehörde (S 62/II).

Ilse P* wurde zum Beweis dafür beantragt (Punkt 1.), "daß sich [ihr Sohn] Andreas P* regelmäßig in Dornbirn, Schwalbenweg 9, aufhält und dort auch seinen Wohnsitz hat". Andreas P* hinwieder sollte bestätigen (Punkt 2.), "daß B* am 8.7.1992 aufgrund der Fertigteilhäuser nach Vorarlberg gekommen war, daß er noch am Abend des 8.7.1992 sagte, daß sein Chef zur Besprechung über die Fertigteilhäuser kommen werde, sowie zum Beweis dafür, daß zwischen B* und K* keine Rede von PKWs, geschweige denn von gestohlenen PKWs war" (S 61/II).

Das Schöffengericht begründete die Abweisung dieser Anträge ‑ der insoweit nicht aktengetreu argumentierenden Beschwerde zuwider ‑ damit, "daß die Erhebungsaufträge der (gemeint: an die) Gendarmerie klar und deutlich erfolgt sind; die Gendarmerie informiert war, um welche Strafsache es sich handelt und das entsprechende Erhebungsergebnis der Entscheidung zugrunde zu legen war. Im übrigen Ilse P* zur Sache selbst überhaupt nichts aussagen kann und Andreas P* seine Angaben mehrmals wiederholt gemacht hat" (S 61/II).

Die Rüge versagt.

Zum einen hätte der Nichtigkeitswerber bei der Stellung seines Antrages (Punkt 1.) anführen müssen, aus welchen Gründen erwartet werden konnte, daß die Ladung und Einvernahme der Zeugin Ilse P* ungeachtet der Postfehlberichte samt Kanzleivermerken, wonach Andreas P* Aufenthalt in der Türkei genommen hatte (ON 53, 68 und 72 iVm ON 86), und trotz der in der Hauptverhandlung vom 2.Dezember 1993 verlesenen Erhebungsberichte der Gendarmerieposten Dornbirn und Feldkirch vom 30.Juli und 13.August 1993 (ON 86 und 87), denenzufolge Andreas P* am 19.Juni 1992 von Dornbirn, Schwalbenweg 8, in die Türkei "(Adresse unbekannt)" verzogen ist, auch tatsächlich das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erbringen werde (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 19 und 90, § 252 E 27 ff). Zum anderen (Punkt 2.) wäre der Beschwerdeführer angesichts der wiederholten und eindeutigen Bekundungen des Andreas P* vor der Sicherheitsbehörde (S 109 ff und S 117 ff/I) umsomehr verpflichtet gewesen, im Antragszeitpunkt jene Gründe darzulegen, die nach seiner Ansicht erwarten ließen, P* werde bei einer gerichtlichen Befragung die seinerzeitigen Aussagen über seine Eindrücke vom teilweise mitgehörten Gespräch zwischen K* und B* im Cafe "W*" im Sinne des Antragstellers ändern (Mayerhofer‑Rieder aaO § 281 Z 4 E 73).

Da der Beschwerdeführer die (nach Lage des Falles gebotene) nähere Begründung seiner Beweisanträge unterlassen hat, wurden sie durch das Schöffengericht (im Ergebnis) zu Recht abgewiesen, ohne daß dadurch Verfahrensgrundsätze zum Nachteil des Angeklagten hintangesetzt oder unrichtig angewendet bzw. "die Verteidigungsrechte des Angeklagten unzulässigerweise beschnitten" wurden.

Der Bezugnahme des Beschwerdeführers auf Art 6 Abs 3 lit d EMRK genügt es zu entgegnen, daß das Recht eines Angeklagten, die Vernehmung von Zeugen zu erwirken, nach der Rechtsprechung der Straßburger Instanzen und des Obersten Gerichtshofes kein absolutes ist (EuGHMR ÖJZ 1992, 846, ÖJZ 1991, 517 ua; EuKommMR ÖJZ 1992, 807 ua; OGH JBl 1988, 255 und 596, JBl 1991, 464, EvBl 1993/48 ua), sofern weitere, die ‑ (auch) ohne Beisein des Angeklagten oder eines Verteidigers ‑ in einem früheren Verfahrensstadium gemachten Angaben des Zeugen bestärkende Beweise vorliegen, was insbesondere dann gilt, wenn das Beweismittel (der Zeuge) ‑ wie hier ‑ nunmehr unerreichbar ist (Golsong ua Internationaler Komm zur EMRK Art 6 Rz 570 Anm 4).

Vorliegend hat das Schöffengericht iS dieser Judikatur den Schuldspruch ohnehin auf eine Reihe von gewichtigen Indizien, vor allem auf die für glaubwürdig beurteilten Aussagen der in der Hauptverhandlung vom 27.Mai 1993 als Zeugen vernommenen (damaligen Helfershelfer) Andreas B* (S 516 ff/I) und Helmut B* (S 525 ff/I) gestützt (vgl US 11 ff); demgegenüber wurden die in Rede stehenden Depositionen des Andreas P* im Rahmen der Beweiswürdigung ohnedies nur am Rande erwähnt und mehr oder weniger bloß als Illustration herangezogen (vgl US 14 unten bis 15 mitte).

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) ist nicht begründet. Soweit der Beschwerdeführer unter Punkt 2.a der Beschwerdeschrift die "bereits vorgerügte Nichteinvernahme des Zeugen Andreas P* als mangelhafte Sachverhaltsermittlung" auch unter diesem Anfechtungspunkt releviert, genügt der Hinweis auf die bezüglichen Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO.

Der Erledigung der weiteren Beschwerdeausführungen (Punkt 2.b‑e), die eingangs ‑ unnötig, weil dem Rechtsmittelgericht ohnedies der Akt und damit das angefochtene Urteil zur Verfügung stehen ‑ beinahe die gesamten erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen wiedergeben, ist voranzustellen, daß eine für die Anfechtung erforderliche, an die Aktenlage gebundene Geltendmachung von Bedenken gegen die Annahme entscheidender Tatsachen keineswegs in dem Vorbringen bestehen kann, daß das Erstgericht Beweisergebnisse ‑ nach Meinung des Beschwerdeführers ‑ bedenklich gewürdigt habe. Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 a StPO gestattet nämlich nicht die Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung (Mayerhofer‑Rieder aaO § 281 Z 5 a E 4).

Unter diesem Blickwinkel versagen demnach all die weitwendigen Beschwerdeeinwände, mit denen bloß versucht wird, unter "Beleuchtung des Tatsachenumfeldes" einzelne aus dem Zusammenhang gelöste und isoliert betrachtete Passagen der sicherheitsbehördlichen und gerichtlichen Aussagen der Zeugen B* und B* einander gegenüberzustellen, mit anderen Zeugenaussagen oder sonstigen Verfahrensergebnissen zu vergleichen, mit eigenen Mutmaßungen zu verweben und solcherart daraus den Schluß zu ziehen, daß (nach Ansicht des Beschwerdeführers) "die vorgenannten Feststellungen keine tragfähige, einwandfreie Grundlage haben; die Tatsachengrundlage objektiv nicht tragfähig ist; die Darstellungen von B* und B* teils in sich widersprüchlich, teils vollkommen abwegig und andernteils eben durch andere Aussagen klar widerlegt sind und deshalb an dieser unvertretbaren Würdigung der Beweise erhebliche Bedenken bestehen".

Die Prüfung der gesamten Aktenlage durch den Obersten Gerichtshof ergibt indes, daß das Schöffengericht auf der Basis der gesamten wesentlichen Beweisergebnisse nach eingehender Erörterung nicht nur der leugnenden Verantwortung des Angeklagten, sondern auch der (ihn belastenden) Aussagen der Zeugen B* und B*, aber auch der anderen Zeugen (zB B*, R*, P*, H*, Renate und Wolfgang K*) und bedeutsamer Erhebungsberichte sowie unter Verwertung des gewonnenen persönlichen Eindrucks lebensnah, plausibel und überzeugend begründet hat, aus welchen Erwägungen es die Schuld des Angeklagten für erwiesen hielt (US 11 ff).

Soweit sich die Beschwerdeausführungen darüber hinaus auf das rechtskräftig freigesprochene Anklagefaktum (Diebstahl des PKW der Marke Peugeot 205 zum Nachteil der Firma Opel G*) beziehen, wird der relevierte Nichtigkeitsgrund nicht zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers dargestellt, weshalb sie auf sich beruhen können.

Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß die in der Beweisrüge nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung vorgebrachten Argumente weder sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken noch schwerwiegende, unter Außerachtlassen der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen vermögen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Ebenso war mit der (angemeldeten) "Berufung wegen Schuld" zu verfahren, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen schöffengerichtliche Urteile in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehen ist (§§ 283 Abs 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).

Die Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) fällt demnach in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck (§ 285 i StPO).

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