OGH 7Ob117/02k

OGH7Ob117/02k12.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei (Antragstellerin) Veronika M*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei (Antragsgegner) Alfons M*****, vertreten durch Dr. Raimund Hora, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung und einstweiligem Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Klägerin, Widerbeklagten und Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 28. Februar 2002, GZ 20 R 56/01b-163, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 24. Jänner 2001, GZ 3 C 196/95m-141a, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Beklagte, Widerkläger und Antragsgegner hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Zwischen den Parteien ist neben den gegenständlichen, über Klage und Widerklage geführten, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbundenen Scheidungsverfahren zu 3 C 278/96x des Bezirksgerichtes Klosterneuburg auch ein von der hier klagenden und widerbeklagten Partei (im Folgenden nur mehr Klägerin genannt) gegen die hier Beklagte und widerklagende Partei (in der Folge kurz Beklagter) angestrengter Unterhaltsprozess anhängig. Im Rahmen dieses Prozesses wurde mit einstweiliger Verfügung vom 4. 9. 2000 der (auch dort) Beklagte schuldig erkannt, der Klägerin ab 8. 10. 1999 einen vorläufigen monatlichen Unterhalt von S 30.000,-- zu bezahlen. Das BG Klosterneuburg führte dazu dort aus, ausgehend davon, dass der Beklagte als Einzelunternehmer (Hausverwalter) und Geschäftsführer und Gesellschafter der M*****gesellschaft mbH sowie als gerichtlich beeideter Sachverständiger insgesamt monatlich netto ca S 140.000,-- beziehe, ergebe sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin von S 42.000,--. Da die Klägerin jedoch einen Provisorialunterhalt von lediglich monatlich S 30.000,-- gefordert habe, sei dem Gericht ein höherer Zuspruch verwehrt.

Gegen diese einstweilige Verfügung, die seitens der Klägerin unbekämpft blieb, hat der Beklagte Rekurs erhoben, über den noch nicht entschieden wurde.

Im Rahmen der vorliegenden Scheidungsverfahren stellte die Klägerin in der Verhandlung am 23. 10. 2000 den Antrag, dem Kläger mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, ihr - zusätzlich zur Verpflichtung einer vorläufigen Unterhaltsleistung von monatlich S 30.000,-- - bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens einen weiteren vorläufigen Unterhaltsbetrag von S 12.000,-- zu bezahlen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Beide Vorinstanzen interpretierten das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des Unterhaltsprozesses dahin, die Klägerin habe dort im Provisorialverfahren nicht bloß eine "Teileinklagung" beabsichtigt bzw vorgenommen. Der Zuspruch zusätzlichen einstweiligen Unterhalts habe daher eine Änderung der Verhältnisse vorausgesetzt. Dass sich die Verhältnisse geändert hätten, habe die Klägerin aber nicht vorgebracht. Ihr - nachträglich erstattetes - Vorbringen, dem Beklagten sei im Jahre 1997 ein zusätzliches Einkommen von S 30 Mio an Honorar für Gutachten erwachsen, welcher Betrag am 14. 10. 1997 der M***** gutgebucht worden sei, sei dahin zu verstehen gewesen, dass der genannte Betrag nicht dem Beklagten persönlich, sondern der M*****gesellschaft mbH) zugeflossen sei und daher eine Einnahme dieses Unternehmens dargestellt habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es liege zwar reichlich Judikatur zur Frage des Prozesshindernisses der Rechtskraft und zum Grundsatz ne bis in idem vor, zu der hier gegebenen speziellen Konstellation habe aber keine Entscheidung aufgefunden werden können.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 526 Abs 2 ZPO) ist der Revisionsrekurs der Klägerin mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO (§§ 78, 402 EO) unzulässig.

Die Revisionsrekurswerberin hält im Wesentlichen an ihrer bereits in zweiter Instanz vertretenen Auffassung fest, ihr Vorbringen, S 30 Mio seien der M***** zugekommen, sei nicht undeutlich; es wäre von den Vorinstanzen dahin zu interpretieren gewesen, dass der Beklagte unter dieser Bezeichnung ein Konto führe. Im Übrigen liege das Prozesshindernis der entschiedenen Streitsache deshalb nicht vor, weil entgegen der Ansicht der Vorinstanzen im ersten Provisorialverfahren nur eine Teileinklagung vorgenommen worden sei; dies könne schon daraus ersehen werden, dass das Klagebegehren im Unterhaltsverfahren (Hauptverfahren) wesentlich höher sei. Gegenstand des Revisionsrekurses ist demnach allein die Auslegung des Vorbringens der Klägerin betreffend die Einnahme von S 30 Mio im Jahr 1997 und die Interpretation des Vorbringens zum ersten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Rahmen des Unterhaltsprozesses. Nach ständiger oberstgerichtlicher Judikatur stellt allerdings die Frage, wie ein bestimmtes Parteivorbringen zu verstehen ist - ebenso wie etwa die Fragen, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist und ob das Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht oder die Frage der Auslegung einzelner Klagsbehauptungen auf ihre Behauptungstauglichkeit in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch - eine Frage des Einzelfalles dar, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen; vgl insb 7 Ob 360/98m; 7 Ob 254/00d; vgl auch RIS-Justiz RS0044273 [T 49, 50 und 52]). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar wäre (vgl 1 Ob 83/99h; 7 Ob 254/00d; 7 Ob 322/00d; 10 Ob 66/00d; 9 Ob 21/00d; 7 Ob 146/01y mwN) oder gegen die Denkgesetze verstieße (5 Ob 136/01p). Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Der Einwand, im ersten Provisorialverfahren im Rahmen des Unterhaltsprozesses müsse eine Teileinklagung vorgenommen worden sein, weil im Hauptverfahren sogar ein höherer Unterhalt gefordert worden sei, ist schon deshalb nicht stichhältig, weil dort bis zu einer Klagsausdehnung der vorläufig geforderte Unterhalt das Hauptbegehren sogar überstieg, was im Übrigen in zweiter Instanz Gegenstand eingehender Erörterungen war (s den Beschluss des Rekursgerichtes 20 R 226/00a-125).

Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes keineswegs, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhinge. Besonderheiten der speziellen Fallgestaltung schließen eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur des Obersten Gerichtshofes vielmehr eher aus (vgl RIS-Justiz RS0102181 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen).

Mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes war der Revisionsrekurs der Klägerin daher zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 und § 528a ZPO iVm § 78 und § 402 Abs 4 EO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf § 78 und § 402 Abs 4 EO iVm §§ 50 und 40 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung nur ausgeführt, dass das Rechtsmittel unberechtigt sei und (folgerichtig) allein beantragt, diesem keine Folge zu geben. Auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses aus dem Grunde des § 528 Abs 1 ZPO hat er nicht hingewiesen. Seine Revisionsrekursbeantwortung kann daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig angesehen werden und ist deshalb auch nicht honorieren (RIS-Justiz RS0035962; RS0035979).

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