OGH 8ObS257/01d

OGH8ObS257/01d15.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Georg Genser und Ernst Boran als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1.) Georg H*****, und 2.) Karin P*****, beide vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, wider die beklagte Partei I***** Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Ausfallgeld (Revisionsinteresse zu 1.) S 79.111,50 sA und 2.) S 32.299,02 sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Juli 2001, GZ 11 Rs 218/01k-11, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. September 2000, GZ 19 Cgs 78/00i-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im klagsabweisenden Teil in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Übrigen, sohin im Zuspruch von S 79.111,55 netto sA an den Erstkläger und S 32.299,02 netto sA an die Zweitklägerin aufgehoben und insoweit die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens.

Text

Begründung

Der Erstkläger war vom 1. 4. 1979 bis 27. 5. 1999 und die Zweitklägerin vom 1. 3. 1977 bis 27. 5. 1999 bei der späteren Gemeinschuldnerin, über deren Vermögen mit Beschluss vom 3. 5. 1999 das Konkursverfahren eröffnet wurde, als Angestellte beschäftigt. Dabei war das Dienstverhältnis des Erstklägers in den Zeiträumen vom 23. 12. 1986 bis 1. 2. 1987, 23. 12. 1987 bis 31. 1. 1988, 23. 12. 1988 bis 22. 1. 1989, 22. 12. 1989, bis 21. 1. 1990, 21. 12. 1990 bis 20. 1. 1991, 20. 12. 1991 bis 2. 2. 1992, 23. 12. 1992 bis 14. 2. 1993 und vom 14. 12. 1998 bis 14. 2. 1999 "ausgesetzt". Das Dienstverhältnis der Zweitklägerin war in den Jahren 1986, 1987 und 1988 in den gleichen Zeiträumen "ausgesetzt", ferner vom 26. 12. 1990 bis 27. 1. 1991, vom 20. 12. 1991 bis 26. 1. 1992, vom 23. 12. 1992 bis 31. 1. 1993 und vom 21. 12. 1998 bis 31. 1. 1999. Sie befand sich auch noch in Elternkarenzurlaub, und zwar vom 14. 10. 1989 bis 7. 8. 1990 und vom 5. 10. 1993 bis 15. 5. 1995. Mit beiden Dienstnehmern war vereinbart, dass die Zeiten der "Aussetzungen" bei der Berechnung der Abfertigung als Dienstzeiten zugrundegelegt werden. Ihre Arbeitsverhältnisse endeten durch berechtigten vorzeitigen Austritt.

Der Erstkläger begehrt noch restliches Insolvenz-Ausfallgeld für den Abfertigungssprung von drei Monatsentgelten. Er stützt sich dabei darauf, dass unter Zugrundelegung der Aussetzungszeiten er bereits das 20. Dienstjahr erreicht habe und damit einen Anspruch auf neun Monatsentgelte Abfertigung habe, während ihm die Beklagte nur Insolvenz-Ausfallgeld für 6 Monatsentgelte zuerkannte.

Die Zweitklägerin begehrt Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von S 44.349,20 netto sA und stützt sich ebenfalls auf den Abfertigungssprung von drei Monatsentgelten bei Erreichung des 20. Dienstjahres und dass die Aussetzungszeiten nach der Vereinbarung dafür miteinzuberechnen seien.

Die Beklagte bestritt die Klagebegehren und wendete im Wesentlichen ein, dass nach § 3 Abs 3 IESG bei der Berechnung der Abfertigung nur tatsächlich geleistete Beschäftigungszeiten zugrundezulegen seien. Eine freiwillige Abfertigung sei nicht durch das IESG gesichert.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es stützte sich darauf, dass eine einzelvertragliche Anrechnung von Vordienstzeiten der Berechnung des Insolvenz-Ausfallgeldes nur insofern zugrundezulegen sei, als es sich um die Anrechnung von tatsächlich geleisteten Beschäftigungszeiten handle und solche Zeiten nicht bereits bei früheren Beendigungsansprüchen berücksichtigt wurden. Eine freiwillige Abfertigung sei nicht gesichert.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil teilweise dahin ab, dass es dem Erstkläger S 79.911,55 netto sA und der Zweitklägerin S 32.299,02 netto, jeweils samt 4 % Zinsen vom 28. 5. 1999 bis 3. 11. 1999 zusprach und das Mehrbegehren abwies. Das Berufungsgericht ging dabei davon aus, dass der Abfertigungsanspruch nach § 23 Abs 1 AngG von der ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses abhänge. Dabei seien Zeiten der Karenzierung - ausgenommen solche nach § 15 Abs 2 letzter Satz MSchG - einzuberechnen. Die Einschränkung der Anrechnungsmöglichkeit nach § 3 Abs 3 IESG beziehe sich nicht auf saisonalbedingte Aussetzungsvereinbarungen, bei denen von einem durchgehenden einheitlichen Bestand des Dienstverhältnisses auszugehen sei, sondern nur auf vorangegangene Dienstverhältnisse. Unter Berücksichtigung der Aussetzungszeiten, hätten jedoch beide klagenden Parteien das 20. Dienstjahr erreicht und sohin den erhöhten Abfertigungsanspruch.

Die Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob die Anrechnungsbeschränkung von Vordienstzeiten nach § 3 Abs 3 IESG auch auf witterungsbedingte Karenzierungszeiten aus dem laufenden Dienstverhältnis anzuwenden sei, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

Die gesetzliche Abfertigung bestimmt sich gemäß § 23 Abs 1 AngG nach der Dauer des Dienstverhältnisses.

Nach ständiger Rechtsprechung wird durch das IESG nur der Anspruch auf die gesetzliche Abfertigung, nicht aber auf allfällige darüber hinaus gewährte freiwillige Abfertigungen geschützt (vgl zuletzt OGH 25. 1. 2001, 8 ObS 13/01x mwN; etwa Liebeg, Insolvenz-EntgeltsicherungsG2 § 1 Rz 178; Holzer/Reissner/Schwarz,

Die Rechte der Arbeitnehmer bei Insolvenz4, 194 jeweils mwN, RIS-Justiz RS0101975, RS0076822 ua). Allerdings ist eine sich durch eine Anrechnung von Vordienstzeiten ergebende Erhöhung des Abfertigungsanspruches nach § 3 Abs 3 zweiter Satz IESG, dann gesichert, wenn es sich um die Anrechnung von tatsächlich geleisteten Beschäftigungszeiten handelt und diese Zeiten nicht bereits bei früheren Beendigungsansprüchen berücksichtigt wurden.

Zu beurteilen ist nun einerseits die Frage, ob die Kläger schon allein auf Grund der gesetzlichen Regelung des § 23 AngG den höheren Abfertigungsanspruch hatten und andererseits, ob dieser durch eine einzelvertragliche Anrechnungsvereinbarung für die Aussetzungszeiten entstanden ist. Der Berücksichtigung letzterer steht aber schon die eindeutige Regelung des § 3 Abs 3 IESG entgegen, die darauf abstellt, dass es sich um tatsächlich geleistete Beschäftigungszeiten handelt (vgl in diesem Sinne auch Holzer/Reissner/Schwarz aaO, 231, Liebeg aaO, 185; Zum Aspekt der Symmetrie von Beitragsleistungen und Sozialversicherungsleistung, zuletzt etwa 8 ObS 13/01x mwN, 8 ObS 204/00h, 8 ObS 52/97y ua).

Es verbleibt also bei der Frage, ob allein schon auf Grund der gesetzlichen Regelung des § 23 Abs 1 AngG die Zeiten der "Aussetzung" zu berücksichtigen sind. Dazu ist nun zu unterscheiden, ob eine Auflösung-Unterbrechnungs-Vereinbarung oder eine "echte" Karenzierungsvereinbarung vorliegt. Bei der "echten" Karenzierungsvereinbarung liegt auch für die Dauer der Aussetzung eine Dienstzeit vor, weil das Arbeitsverhältnis rechtlich aufrecht besteht, weshalb diese Zeiten grundsätzlich auch für die Berechnung des Anspruches auf Abfertigung heranzuziehen sind (vgl RIS-Justiz RS0028423 mzwN, 9 ObA 51/94, 9 ObA 138/94, 9 ObA 182/94, 8 ObA 242/94). Davon zu unterscheiden, ist die Frage, inwieweit die Zeiten der Aussetzung der Arbeitspflicht und Entgeltpflicht während der Wintersaison nach dem Bauarbeiterurlaub- und Abfertigungsgesetz als Abfertigungszeiten heranzuziehen sind (vgl dazu RIS-Justiz RS0029058 mwN, etwa 9 ObA 182/94, 8 ObA 242/94, 9 ObA 209/94 und 8 ObA 336/94). Dort muss ja gar kein durchgehendes Dienstverhältnis vorliegen.

Der vorliegende Fall bietet nun vorweg keinen Anlass auf die teilweise kritischen Stellungnahmen in der Literatur einzugehen, die die Ansicht vertritt, dass die Zeiten der "echten" Karenzierung nicht in die Abfertigungsberechnung einzubeziehen wären (vgl in diesem Sinne Leitner, RdW 1997, 138 Dienstzeitabhängige Ansprüche bei Entgeltfreiheit mwN; gegenteilig etwa Hainz, Doppelabfertigung bei Karenzierung im Konzern? ZAS 1990, 19; Mosler, Aussetzungsverträge und Anrechnung der Aussetzungszeiten, RdW 1986, 309 ua). Steht doch noch nicht einmal fest, ob überhaupt eine "echte" Karenzierungsvereinbarung oder eine Auflösungs-Unterbrechnungsvereinbarung mit einer Wiedereinstellungszusage vorliegt. Dies lässt sich regelmäßig nur aus den Umständen des Einzelfalles beurteilen (vgl zuletzt OGH 25. 5. 2001, 8 ObS 106/01y mwN etwa Arb 11.746 = WBl 1998/351, 499 = RdW 1999, 96 = infas 1998 A 136, 180; DRdA 2000, 532 = infas 2000 A 100;

RIS-Justiz RS0017802). Es fehlt nun an jeglicher Feststellung zu den

näheren Umständen der "Aussetzung" und den konkret getroffenen

Vereinbarungen. Insbesondere dann, wenn die Absicht bestand, den

Klägern den Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu

ermöglichen, ist von einer echten Unterbrechung auszugehen und nicht

einer bloßen Karenzierung (vgl 8 ObS 106/01y mwN, etwa DRdA 2000/57 =

RdW 2001/56 = WBl 2000/110, Arb 11.746 = WBl 1998/351, 499 = RdW

1999, 96 = infas 1998 A 136, 180 ua). Dabei wird auch hier - so wie

etwa im Zusammenhang mit der Frage der Ermittlung des "bedingten Vorsatzes" der Überwälzung des Finanzierungsrisikos - auf die objektiv ersichtlichen Umstände abzustellen seien (vgl OGH 23. 10. 2000, 8 ObS 206/00b = ASoK 2001, 197 = DRdA 2001/37 = RdW 2001/451, 462 = WBl 2000/91 = ZIK 2001/117, RIS-Justiz RS0114470), insbesondere, ob die Kläger also tatsächlich Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen haben. Diese Zeiten sind dann als Unterbrechungszeiten zu werten und nicht in die Berechnungsgrundlage für die Abfertigung miteinzubeziehen.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher zur erörtern und festzustellen haben, welche konkreten Vereinbarungen getroffen wurden und ob die klagenden Parteien in den Zeiten der "Aussetzung" Arbeitslosengeld bezogen haben.

Insgesamt war daher der Revision der Beklagten Folge zu geben, die Entscheidung der Vorinstanzen im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die § 2 ASGG iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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