OGH 6Ob202/01a

OGH6Ob202/01a8.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Wiener Neustadt zu FN 92481b eingetragenen B***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wiener Neudorf, wegen Verhängung von Zwangsstrafen nach § 283 HGB, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter Franz N*****, DI Anton Z***** und Hugo S*****, alle vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 26. März 2001, GZ 28 R 199/00s-14, womit dem Rekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 21. Juni 2000, GZ 1 Fr 4424/99s-10, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Anträge der Revisionsrekurswerber auf

a) Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art 234 EG durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und

b) Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Eines Ausspruchs des Rekursgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstandes bedurfte es nicht. Firmenbuchsachen sind im Regelfall keine rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten, die das Rekursgericht gemäß § 13 Abs 2 AußStrG (§ 15 FBG) zu bewerten hat. Das Rechtsmittel ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (6 Ob 214/98h; 6 Ob 188/99m; RIS-Justiz RS0110629).

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 - Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (vor allem der Entscheidung vom 4. 12. 1997, Slg 1997 I-6843 - Daihatsu) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (RS0113282). Die Rekurswerber bekämpfen diese Auffassung überwiegend mit Argumenten, die der Oberste Gerichtshof schon behandelt und abgelehnt hat. Die gesetzlichen Offenlegungspflichten nach dem Bezügebegrenzungsgesetz BGBl 1997/64 und die zu diesem Gesetz vom Verfassungsgerichtshof gestellten Fragen in dem anhängig gemachten Vorabentscheidungsverfahren zur Klärung der Vereinbarkeit der Offenlegung von Gehältern mit dem Datenschutz wurden als nicht vergleichbar beurteilt. Entscheidend sind die Verschiedenheit der Materien und der Umstand, dass im Falle der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien eine die Umsetzung der Richtlinien einfordernde Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits vorliegt (6 Ob 54/01m; zuletzt 6 Ob 101/01y, 6 Ob 172/01i). Gleiches gilt für den von den Rekurswerbern für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Schlussantrag des Generalanwalts in einem beim EuGH anhängigen Verfahren, in dem die Einschränkung von Wirtschaftsgrundrechten durch eine Werberichtlinie (Tabakwerberichtlinie) insbesondere im Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäußerung zu prüfen ist (6 Ob 215/00m).

Dem vom Landesgericht Wels an den EuGH im Sinne der Rekurswerber gestellten Vorabentscheidungsersuchen kommt für andere Verfahren keine Bindungswirkung zu (6 Ob 305/00x und 6 Ob 306/00v = RdW 2001/372 ua; RIS-Justiz RS0114648).

Der Hinweis der Revisionswerber auf die EU-Grundrechtscharta zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die noch rechtlich unverbindliche Charta der Grundrechte (Schubarth, Die EU-Grundrechtscharta - Ein Paradigmawechsel? JBl 2001, 205), die noch keine europäische Verfassung (Hirsch, Grundrechtscharta für Europa - Anspruch - Wirklichkeit, European Law Reporter 2001, 2), sondern eine Deklaration der Staaten der Gemeinschaft darstellt (vgl die Präambel und den Text der Charta abgedruckt in Hummer/Obwexer, Der Vertrag von Nizza 305 ff) bringt im hier interessierenden Zusammenhang keine neuen Gesichtspunkte. Es ist nicht zweifelhaft, dass sowohl der nationale Gesetzgeber als auch der Gemeinschaftsrechtsgesetzgeber Eingriffe in Grundrechte nach den auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klargestellten Kriterien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des gesetzlichen Eingriffs zu rechtfertigen haben und dass dem EuGH die Prüfungskompetenz zukommt. Im Gegensatz zur Auffassung der Rekurswerber ist von einer schon erfolgten Prüfung des EuGH auszugehen.

Der Revisionsrekurs vermag keine Umstände darzutun, die eine Änderung der oberstgerichtlichen Rechtsprechung rechtfertigen könnten. Die neben dem Rekursantrag wiederholt gestellten Anregungen werden nicht aufgegriffen, die formellen Anträge sind zurückzuweisen (6 Ob 54/01m).

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