OGH 7Ob45/01w

OGH7Ob45/01w17.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde B*****, vertreten durch den Bürgermeister Klaus Z*****, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, ***** vertreten durch Oberhofer Fink & Lechner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 319.339,20 samt Anhang, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 30. November 2000, GZ 1 R 266/00b-18, womit über Rekurs der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. September 2000, GZ 15 Cg 106/00s-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.490,-- (darin enthalten S 2.415,-- an USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte war vom 20. 12. 1996 bis zu ihrer Enthebung mit Beschluß vom 15. 6. 1998 im Verfahren 2 E 3528/96 des Bezirksgerichtes Reutte zur Zwangsverwalterin über den Gasthof "H*****, der von der Beklagten weiterbetrieben wurde, bestellt. Die Zwangsverwaltung wurde gemäß § 129 Abs 2 EO am 9. 9. 1998 rechtskräftig eingestellt. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Rückstandsausweise über die Wasserbenützungsgebühren 1997, 1998, die Kanalgebühren 1997, 1998, die Frühstückabgaben 1997, die Kommunalsteuer 1997 und Getränkesteuer 1997 über insgesamt S 319.339,20 erlassen. Die Klägerin hat ebenso gegen die primär abgabenpflichtige Verlassenschaft nach Rudolf W***** gleichlautende Rückstandsausweise erlassen. Die Beklagte beeinspruchte die Rückstandsausweise.

Die Klägerin begehrt hier nun ausdrücklich auf den Titel des Schadenersatzes gestützt (ON 1 und präzisierend ON 4 S 3 und ON 9 S 2) von der Beklagten die Bezahlung der geltend gemachten Gebühren, Abgaben und Steuern mit der Begründung, dass die Beklagte zumindest fahrlässig als Zwangsverwalterin den Betrieb fortgeführt habe, ohne die notwendige kaufmännische Sorgfalt gemäß § 1299 ABGB walten zu lassen. Hätte sie dies getan, so hätte sie von Anfang an erkennen müssen, dass eine Betriebsfortführung ein negatives Ergebnis erzielen würde. Sie hätte entsprechend ihrer Warnpflicht auf diesen Umstand aufmerksam machen und von einer Betriebsfortführung absehen müssen. Die Abgabenforderung gegen die Verlassenschaft sei nicht einbringlich. Für den Anspruch sei der streitige Rechtsweg zulässig, da es sich einerseits um die Geltendmachung eines Privatrechtes und nicht um die Durchsetzung eines steuerrechtlichen Anspruchs handle und andererseits der Anspruch nicht von § 118 EO erfasst sei.

Die Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, da Steuerschulden im Verwaltungsweg eingetrieben werden müssten und die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs, weil gemäß § 118 Abs 1 EO Schadenersatzforderungen gegen den Zwangsverwalter im Rahmen des Exekutionsverfahrens geltend zu machen seien.

Das Erstgericht hob mit dem angefochtenen Beschluß das bisher durchgeführte Verfahren ab Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die Klärung der Frage, ob die Beklagte für die Abgaben der an sich abgabenpflichtigen Verlassenschaft nach Rudolf W***** einzustehen habe, begehre. Sie behaupte damit die Haftung der Beklagten für eine fremde Abgabenschuld. Ob dies, wie die Klägerin darstelle, einem zivilrechtlichen Tatbestand unterstellt werde, sei für die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht entscheidend. Entscheidend sei, welche Handlungsmodalität der Gesetzgeber im konkreten Fall der Steuerbehörde vorschreibe. Die Einhebung der Abgaben habe nach den Vorschriften der Tiroler Landesabgabenordnung (in der Folge: TLAO) zu erfolgen. Durch die Bestimmungen der TLAO sei geregelt, wie die persönliche Haftung des Zwangsverwalters geltend zu machen sei. Es liege ein abgeschlossenes Haftungssystem vor. Selbst bei Zulässigkeit des Rechtswegs stünde aber der klagsweisen Geltendmachung § 118 EO entgegen. Im Zwangsverwaltungsverfahren sei darüber zu entscheiden, ob und in welchem Maße der Verwalter zum Ersatz zu verhalten sei, wenn durch Mängel seiner Geschäftsführung Ausfälle an den Erträgnissen der verwalteten Liegenschaft entstanden seien.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahingehend ab, indem es die Einrede der Unzulässigkeit des (streitigen) Rechtswegs verwarf und dem Erstgericht unter Abstandnahme vom angenommenen Zurückweisungsgrund die Fortsetzung des Verfahrens auftrug. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Abgabenbehörde zivilrechtliche Haftungen im Zivilrechtsweg geltend machen könne. Für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges sei nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt maßgebend. Sei der geltend gemachte Anspruch privatrechtlicher Art, hätten darüber die Zivilgerichte zu entscheiden. Was die (im vorliegenden Verfahrensstadium) Beklagte einwende, sei (derzeit) ohne Einfluss. Die Klägerin habe ihren Anspruch klar auf den Titel des Schadenersatzes gestützt. Welchen Schaden die Klägerin durch den weiteren Betrieb in Bezug auf die Steuerforderungen erlitten haben könnte, sei zwar nach dem derzeitigen Vorbringen nicht zu ersehen, die Frage aber, ob der behauptete Anspruch auch berechtigt sei, sei für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht von Belang. Es sei aber auch der streitige Rechtsweg zulässig, da die Klägerin nach § 116 EO nicht dem Kreis der an der Rechnungslegung Beteiligten, nämlich der Verwalter, der Verpflichtete und dessen betreibende Gläubiger angehöre. Wenngleich die Berücksichtigung der Schadenersatzansprüche im Sinne des § 118 EO dabei dann von Amts wegen vorzunehmen sei, erscheine es doch klar, dass die zu berücksichtigenden Schadenersatzansprüche nur von den im § 116 EO genannten Beteiligten erhoben werden können.

Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, da eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob der Rechtsweg für Schadenersatzforderungen gegen Zwangsverwalter offen stehe, die nicht zu dem im § 116 Abs 1 EO umschriebenen Personenkreis gehören, nicht vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung ist - wie auch das Rekursgericht richtig erkannt hat - bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus das Klagsvorbringen von Bedeutung. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RS0045584, RS0045718, RS0005896). Im vorliegenden Verfahrenssadium ist nicht von Bedeutung, ob der geltend gemachte Anspruch auch berechtigt erscheint, weil darüber erst in der Sachentscheidung abzusprechen ist (RS0045718).

Wie sich aus dem oben dargelegten Vorbringen der Klägerin ergibt, stützt diese ihr Begehren nicht auf die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, sondern ausdrücklich auf die Verletzung kaufmännischer Sorgfaltspflichten im Sinne des § 1299 ABGB und macht sohin einen privatrechtlichen Anspruch geltend. Der Verdacht des Erstgerichtes, es werde in Wahrheit ein abgabenrechtlicher Anspruch geltend gemacht, hat sich im vorliegenden Verfahrensstadium noch nicht manifestiert. Im Übrigen ist zu bedenken, dass sich die in den Abgabenordnungen normierte Haftung von Vertretern des Abgabenpflichtigen nur auf solche Abgaben bezieht, die infolge schuldhafter Verletzung ihnen auferlegter Pflichten nicht eingebracht werden können (§ 7 iVm §§ 60 ff TLAO, wortgleich § 9 iVm §§ 80 ff BAO). Diese abgabenrechtliche Haftung besteht unbeschadet neben der Möglichkeit, auf dem Zivilrechtsweg zivilrechtliche Haftungen zu verfolgen (Stoll, Kommentar zur BAO I, S 115). Die Versäumnisse oder Fehldispositionen im allgemeinen Wirtschaftsbetrieb, ja sogar ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Abgabenpflichtigen sind unbeachtlich. Die Pflicht, das Entstehen von Verpflichtungen (Überschuldungen) durch Betriebseinstellung zu vermeiden, gehört nicht zu den abgabenrechtlichen Pflichten (Stoll aaO S 120, Ritz, BAO2, § 9 Rz 9f, je mwN).

Das Rekursgericht hat aber auch zutreffend erkannt, dass § 118 EO der Klagsführung der Klägerin nicht entgegensteht.

Zur Erreichung des Zieles der Zwangsverwaltung, nämlich der Befriedigung der betreibenden Gläubiger, dient die Feststellung und Verteilung der Ertragsüberschüsse, wobei beide Schritte in getrennten Verfahrensabschnitten vor sich gehen. Der Feststellung der Ertragsüberschüsse dient die Rechnungslegung durch den Verwalter, die nach der Genehmigung die Grundlage für die Verteilung der Ertragsüberschüsse bildet (Angst, EO-Kommentar, § 115, Rz 1 ff, Heller/Berger/Stix II4, 1015f). Im Verfahren über die Rechnungslegung sind nur die Parteien des Exekutionsverfahrens, nämlich der Verpflichtete und die betreibenden Gläubiger, sowie der Zwangsverwalter zu beteiligen (§ 116 EO; Angst aaO, Heller/Berger/Stix aaO). Erst dem Verteilungsverfahren sind neben den Parteien des Exekutionsverfahrens, also dem Verpflichteten und den betreibenden Gläubigern, auch die im § 99 Abs 2 EO genannten öffentlichen Organe (Abgabenbehörden) und alle Personen beizuziehen, die auf Geldleistungen aus den Erträgnissen Anspruch zu erheben berechtigt sind, falls ihre Ansprüche nicht unmittelbar befriedigt wurden (§ 123 EO; Angst aaO, Heller/Berger/Stix aaO). Der Rechtsweg ist nur für solche gegen den Zwangsverwalter erhobenen Schadenersatzansprüche ausgeschlossen, die die Erledigung der von ihm gelegten Rechnung betreffen. Das Exekutionsgericht hat in diesem Fall abschließend nicht nur darüber zu entscheiden, welche Aufträge zur Beseitigung von Mängeln der Rechnung zu erteilen sind, sondern auch ob und in welchem Umfang der Zwangsverwalter deshalb zum Ersatz zu verhalten ist (SZ 20/197, SZ 44/154, RZ 1970, 62, 10 Ob 517, 518/87, 1 Ob 577/92). Dem Verpflichteten ist es etwa verwehrt, Schadenersatzansprüche gegen den Verwalter mittels Klage aus demselben Sachverhalt zu erheben, den er schon bei der Erledigung der Verwalterrechnung dargelegt hat. Die rechtskräftige Entscheidung des Exekutionsgerichtes über die Rechnungslegung ist somit für alle Beteiligten bindend (1 Ob 577/92, RZ 1994/6, Heller/Berger/Stix aaO, 1019).

Ins Exekutionsverfahren sind daher unter Ausschluss des streitigen Rechtsweges nur solche Schadenersatzansprüche iSd § 118 EO verwiesen, die im Rechnungslegungsverfahren geltend gemacht werden können. Am Rechnungslegungsverfahren sind - wie bereits ausgeführt - iSd § 116 EO nur der Verpflichtete, die betreibenden Gläubiger und der Zwangsverwalter beteiligt. Andere Personen sind nicht legitimiert, Erinnerungen oder einen Rekurs zu erheben (Angst aaO § 117 Rz 5). Da die Klägerin nicht betreibende Gläubigerin im Exekutionsverfahren war, hatte sie im Rechnungslegungsverfahren keine Parteistellung und war daher auch nicht berechtigt, Schadenersatzansprüche gegen den Zwangsverwalter geltend zu machen. In diesem Fall steht ihr daher der streitige Rechtsweg zur Durchsetzung der behaupteten Schadenersatzansprüche - deren Berechtigung hier noch nicht zu prüfen ist - offen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 52, 50, 41 ZPO. Es handelt sich um Kosten eines Zwischenstreites.

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