OGH 10ObS152/01b

OGH10ObS152/01b4.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Schenk und Dr. Elmar A. Peterlunger (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Harald K*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Richard Weber, Rechtsanwalt in Judenburg, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84 - 86, 1051 Wien, vertreten durch Dr. Paul Bachmann und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufrechnung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Jänner 2001, GZ 8 Rs 213/00f-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. August 2000, GZ 25 Cgs 112/00y-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt lauten:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die Erwerbsunfähigkeitspension ab 28. 4. 2000 ohne Kürzung um einen Betrag von S 1.347,90 monatlich zu leisten.

Das weitere Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Erwerbsunfähigkeitspension ab 28. 4. 2000 ohne Kürzung um einen weiteren Betrag von S 540,-- monatlich zu leisten, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, ab 28. 4. 2000 die Aufrechnung eines Betrags von monatlich S 540,-- (Euro 39,24) zur Deckung der offenen Forderung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse an Beiträgen zur Sozialversicherung in der Höhe von insgesamt S 182.903,34 (Euro 13.292,10) zuzüglich Verzugszinsen gemäß § 59 ASVG zu dulden.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 676,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bezieht von der beklagten Partei eine Erwerbsunfähigkeitspension in Höhe von monatlich S 8.418,20, 14x jährlich. Weiters bezieht er von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt eine Versehrtenrente in Höhe von monatlich S 1.241,70, ebenfalls 14x jährlich. Seine Frau verdient als Teilzeitbeschäftigte bei der V***** in J***** monatlich rund S 4.000,-- netto.

Mit Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 6. 7. 1999, 17 S 305/99t, wurde über das Vermögen des Klägers der Konkurs eröffnet. Die Summe der angemeldeten und anerkannten Forderungen betrug S 1,210.063,77. Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse meldete im Konkursverfahren Konkursforderungen von S 179.351,59 und S 2.336,95 an. Am 8. 2. 2000 bestätigte das Landesgericht Leoben den am 12. 1. 2000 angenommenen Zahlungsplan, in dem sich der Kläger zur Begleichung von 12 % der Forderungen der Konkursgläubiger in 12 aufeinanderfolgenden gleichbleibenden Halbjahresraten - die erste bis längstens 30. 6. 2000, die letzte bis längstens 31. 12. 2005) - und zur vollen Befriedigung der Masseforderungen binnen 14 Tagen nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses verpflichtete.

Mit weiterem Beschluss vom 25. 2. 2000 wurde der Konkurs gemäß § 196 Abs 1 KO aufgehoben, wobei sich die Masseforderungen bis dahin auf insgesamt S 163.662,44 beliefen. Da dem Kläger eine Befriedigung der Massegläubiger innerhalb der 14tägigen Frist nicht gänzlich möglich war, wurde ihm mit Beschluss vom 13. 4. 2000 die Begleichung der noch offenen Masseforderungen (S 68.258,44) in drei Jahresraten, beginnend ein Jahr nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses bewilligt.

Der Kläger leistete die erste Rate zur Erfüllung des Zahlungsplanes in Höhe von S 10.000,-- am 30. 6. 2000, wovon S 1.816,88 auf die offene Forderung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse entfielen.

Mit Bescheid vom 11. 4. 2000 rechnete die beklagte Partei gemäß § 71 GSVG auf die Pension des Klägers ab 28.4.2000 einen Betrag von monatlich S 1.887,90 (Euro 137,20) zur Deckung der offenen Forderung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse an Beiträgen zur Sozialversicherung in der Höhe von insgesamt S 182.903,34 (Euro 13.292,10) zuzüglich Verzugszinsen auf.

Dagegen erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, ihm ab 28. 4. 2000 die zustehende Pension ohne Abzug bzw Aufrechnung im vollen gesetzlichen Ausmaß zu leisten.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Gemäß § 71 Abs 1 Z 1 GSVG idF BGBl 1999/106 sei eine Aufrechnung auch zu Gunsten eines anderen Sozialversicherungsträgers zulässig, der Höhe nach bis zur Hälfte der Pensionsleistung. Um dem sozialen Aspekt Rechnung zu tragen, sei bei Festsetzung der Abzugsrate das Existenzminimum (S 8.312,--) nur um S 540,-- unterschritten worden.

Das Erstgericht sprach in Stattgebung des Klagebegehrens aus, dass die beklagte Partei schuldig sei, dem Kläger auch ab 28. 4. 2000 die Pension im vollen gesetzlichen Ausmaß zu leisten. Wenngleich § 71 Abs 2 GSVG, der eine Aufrechnung bis zu einem Betrag von S 4.829,95 monatlich zulasse, gegenüber dem eigentlichen Exekutionsrecht vorrangig sei, stelle die festgelegte Aufrechnung für den Kläger unter Bedachtnahme auf die Verpflichtung zur Erfüllung des Zahlungsplans und die Unterhaltspflicht gegenüber der Frau doch eine soziale Härte dar. Würde eine Unterschreitung des Existenzminimums zugelassen, werde der Zweck des Konkurses und des Zahlungsplans unterlaufen, dass sich der Schuldner von der Last seiner Schulden befreien könne.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Eine Aufrechnung sei im konkreten Fall nicht zulässig, da mit rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplans der Schuldner von der Verbindlichkeit befreit werde, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen. Die über die Quote hinausreichende Konkursforderung werde zwar nicht vernichtet, aber ihrer Klagbarkeit und Aufrechenbarkeit beraubt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, da über eine wiederkehrende Leistung abgesprochen wurde (10 ObS 37/93 = SSV-NF 7/27); sie ist teilweise auch berechtigt.

1. Gemäß § 71 Abs 1 Z 1 GSVG idF des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl I 1999/106, darf der Versicherungsträger auf die von ihm zu erbringenden Geldleistungen vom Anspruchsberechtigten einem Versicherungsträger nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz geschuldete fällige Beiträge (einschließlich Verzugszinsen, sonstiger Nebengebühren, Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren) aufrechnen, soweit das Recht auf Einforderung nicht verjährt ist. In dieser Fassung ist die Bestimmung mit 1. Oktober 1999 in Kraft getreten (§ 280 Abs 1 GSVG idF Art XIX Z 5 des Steuerreform- gesetzes 2000).

1.1. Bei Aufrechnung auf eine Geldleistung ist nach §§ 194 GSVG iVm 367 Abs 2 ASVG ein Bescheid zu erlassen, der nach ständiger Rechtsprechung durch Klage bei Gericht bekämpft werden kann (SSV-NF 3/66; 5/70 ua). Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 11. April 2000 rechnete die beklagte Partei auf die Pension des Klägers ab 28. April 2000 einen Betrag von S 1.887,90 monatlich zur Deckung der offenen Forderung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse an Beiträgen zur Sozialversicherung in der Höhe von S 182.903,34 zuzüglich Verzugszinsen auf. Da die Erlassung bzw Zustellung dieses Bescheides erst nach dem Inkrafttreten der Bestimmung des § 71 Abs 1 Z 1 GSVG idF des Steuerreformgesetzes 2000 erfolgte, ist damit bereits die durch diese Gesetzesänderung neu geschaffene Rechtslage auf den vorliegenden Fall anzuwenden (vgl SSV-NF 12/2).

Es trifft zwar zu, dass nach § 5 ABGB nur die nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes verwirklichten Sachverhalte nach dem neuen Gesetz zu beurteilen sind, die Wirkungen einer Gesetzesänderung daher nicht Tatbestände ergreifen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes abschließend und endgültig verwirklicht wurden (SZ 69/251; WoBl 1998/54 ua). Dieser zeitliche Geltungsbereich ist aber nur für einmalige oder jene mehrgliedrigen oder dauernden Sachverhalte abgrenzbar, die zur Gänze in die Geltungszeit des neuen (oder alten) Gesetzes fallen. Andernfalls gelten für den Dauersachverhalt die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes ab seinem Inkrafttreten (SZ 69/186; 69/241; 71/118 ua). Diese Grundsätze sind in Ermangelung einer anderen Anordnung des Gesetzgebers maßgeblich, welche hier jedoch nach den Übergangsbestimmungen nicht vorliegt. Auch wenn im vorliegenden Fall ein Sachverhaltselement (Entstehen der Beitragsschulden) bereits Jahre vor der Gesetzesänderung verwirklicht wurde, hat sich der für die gegenständliche Aufrechnung maßgebliche Gesamttatbestand erst mit dem Aufrechnungsbegehren der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vollständig verwirklicht, das durch die Gesetzesänderung ab 1. Oktober 1999 ermöglicht wurde.

1.2. Nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 2000 war eine Aufrechnung nur mit Beitragsforderungen des konkret leistungspflichtigen Versicherungsträgers zulässig (10 ObS 146/93 = SSV-NF 7/100 = SZ 66/134). Wie der erkennende Senat in der Entscheidung 10 ObS 392/98i näher dargelegt hat, bleibt unbeachtet des Umstands, dass der Krankenversicherungsträger die Einhebung der Beiträge zur Sozialversicherung ausschließlich betreibt und auch die entsprechenden Rückstandsausweise zu erlassen hat, der Versicherungsträger, für den die Einbringung erfolgt, weiterhin Gläubiger der Forderung, soweit die Einbringung für seine Rechnung erfolgt. Insoweit war daher nach der alten Rechtslage auch die für eine Aufrechnung grundsätzlich vorgesehene Gegenseitigkeit der Forderungen gegeben.

Seit dem Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes ist eine Aufrechnung aber auch "trägerübergreifend" (also nicht nur zB Pensionsversicherungs- und Krankenversicher- ungsträger, sondern auch Versicherungsträger nach dem ASVG und dem GSVG, BSVG usw) zulässig. Solche trägerübergreifenden Aufrechnungsbestimmungen enthalten nunmehr insbesondere die §§ 103 Abs 1 Z 1 ASVG, 71 Abs 1 Z 1 GSVG und 67 Abs 1 Z 1 BSVG. Auch in § 44 Abs 1 Z 1 B-KUVG wurde eine solche Bestimmung aufgenommen. Durch diese Maßnahme soll nach den Gesetzesmaterialien (vgl RV 1766 BlgNR XX. GP, 81) eine weitestgehende Kostenneutralität für die Sozialversicherungsträger erreicht werden. Andernfalls würde es zu einer finanziellen Mehrbelastung der Träger der Krankenversicherung kommen bzw zu einer Mehrbelastung der Pensionsversicherungsträger, die zu einer Erhöhung des Bundesbeitrages führen würde. Es trifft zwar zu, dass dadurch der Grundsatz der Gegenseitigkeit bei der Aufrechnung stark relativiert wurde. Angesichts der gleichen oder ähnlichen Zielsetzung der von den Versicherungsträgern zu erfüllenden Aufgaben würde es aber eine unnötige Verwaltungserschwerung bedeuten, die Versicherungsträger streng an das Erfordernis der Gegenseitigkeit der aufzurechnenden Forderung zu binden. So lässt es auch für den deutschen Rechtsbereich die insoweit vergleichbare Bestimmung des § 52 SGB I zu, dass der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnet (vgl Hauck, SGB I, 18. Lfg V/99 Rz 1 zu § 52). Im Übrigen wurde durch die nunmehr trägerübergreifende Aufrechnungsbestimmung für den Versicherten weder eine neue Verbindlichkeit geschaffen noch seine Rechtsposition für die Zeit vor dem Inkrafttreten der Neuregelung verschlechtert, sondern es wurde für die einzelnen Sozialversicherungsträger nur die Möglichkeit geschaffen, ihre Forderungen nicht mehr nur im Wege der Pensionspfändung, sondern direkt im Wege der Aufrechnung über den leistungspflichtigen Versicherungsträger auch ohne die Pfändungsbeschränkungen der Exekutionsordnung einbringlich zu machen.

2. Nach § 71 Abs 2 GSVG ist ua die Aufrechnung nach § 71 Abs 1 Z 1 GSVG "bis zur Hälfte der zu erbringenden Geldleistung zulässig". Diese Bestimmung entspricht § 103 Abs 2 ASVG. Mit der zu erbringenden Geldleistung ist der Nettoauszahlungsbetrag angesprochen (10 ObS 245/98x = SSV-NF 12/103; 10 ObS 392/98i = ARD 5051/11/99).

Im ASVG befindet sich diese Regelung bereits seit seiner Stammfassung BGBl 1955/189. Weder § 103 Abs 2 ASVG noch § 71 Abs 2 GSVG wurde vom Gesetzgeber abgeändert, insbesondere auch nicht im Zuge der mehrfachen umfangreichen Novellen der Exekutionsordnung in den

letzten Jahren. Bereits in der Grundsatzentscheidung 10 ObS 146/93 =

SSV-NF 7/100 = SZ 66/134 hat der Oberste Gerichtshof mit

ausführlicher Begründung dargelegt, dass die Pfändungsbeschränkungen der EO einer Aufrechnung bis zur Hälfte der vom Versicherungsträger zu erbringenden Geldleistungen im Sinne des § 103 Abs 2 ASVG nicht entgegen stehen, weil § 293 Abs 3 EO zwar die Aufrechnung gegen die der Exekution entzogenen Teile einer Forderung auf Ausnahmsfälle einschränke, nach seinem ausdrücklichen Wortlaut jedoch nicht in den Fällen gelte, in denen nach bereits bestehenden Vorschriften Abzüge ohne Beschränkung auf den der Exekution unterliegenden Teil gestattet sind. § 103 Abs 2 ASVG sei aber eine solche bestehende Ausnahmevorschrift, die dem eigentlichen Exekutionsrecht als speziellere Norm vorgehe und eine Aufrechnung in den nach der EO pfändungsfreien Teil zulasse. Es bleibe demnach dem alleinigen Ermessen des Sozialversicherungsträgers überlassen, die Höhe der Abzugsrate auf relativ niedrigem Niveau festzulegen. An dieser Ansicht hat der Oberste Gerichtshof auch in den Folgejahren mehrfach ausdrücklich festgehalten, etwa in 10 ObS 210/98z = SSV-NF 12/85 (zu § 71 Abs 2 GSVG), 10 ObS 245/98x = SSV-NF 12/103 und 10 ObS 392/98i = ARD 5051/11/99 (RIS-Justiz RS0110621). Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Fall davon abzugehen, zumal auch die EO-Novelle 2000 insoweit keine Änderung der Rechtslage gebracht hat (ebenso 10 ObS 119/01z).

3. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass über das Vermögen des Klägers am 6. 7. 1999 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Nachdem die Steiermärkische Gebietskrankenkasse ihre Forderung als Konkursforderung angemeldet hat und ein Zahlungsplan bestätigt worden war, wurde erst ein Bescheid über die Aufrechnung erlassen. Hiezu ist vorweg festzuhalten, dass durch die Anmeldung einer Konkursforderung die Aufrechnungsmöglichkeit nicht verloren geht (Konecny in Konecny/Schubert, KO [1. Lfg, 1997], § 102 Rz 21 mwN).

3.1. Im Konkursverfahren ist die Bestimmung des § 12a KO zu beachten. Nach dessen Abs 1 erlöschen Aus- und Absonderungsrechte, die vor Konkurseröffnung durch Abtretung bzw Verpfändung einer Forderung auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion erworben worden sind, zwei Jahre nach Ablauf des Kalendermonats, in den die Konkurseröffnung fällt. Nach Abs 2 kann der Drittschuldner gegen die Forderung auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion eine Forderung aufrechnen, die dem Drittschuldner gegen den Gemeinschuldner zusteht; die §§ 19 und 20 KO bleiben unberührt.

Nach den Gesetzesmaterialien (EB 1218 BlgNR XVIII.GP, 15 f) bezweckt die Bestimmung, dass Vorausabtretungen, Verpfändungen und Pfändungen der Bezüge zugunsten eines einzelnen Gläubigers, wie sie bei Insolvenz eines Arbeitnehmers regelmäßig vorliegen, in ihrer Wirksamkeit beschränkt werden, damit das Einkommen des Schuldners diesem auch zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung steht. Würde auf jede Einschränkung der Vorausverfügungen über Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder über andere Bezüge mit Einkommensersatzfunktion verzichtet werden, wäre es dem Schuldner in sehr vielen Fällen nicht möglich, eine Entschuldung zu erreichen, weil den pfändbaren Teil des Einkommens der gesicherte Gläubiger erhält, solange die Abtretung, Pfändung oder Verpfändung der Bezüge wirksam wäre. Um andererseits die vertraglichen Sicherheiten nicht zu entwerten, läßt § 12a Abs 1 KO Abtretungen und Verpfändungen noch rund zwei Jahre nach der Eröffnung des Konkurses wirksam sein; erst für die Folgezeit stehen die Bezüge des Schuldners für eine Verteilung an die Gesamtheit der Gläubiger zur Verfügung.

Soweit dem nicht die Beschränkungen der §§ 19, 20 KO entgegenstehen, wird eine Aufrechnungsbefugnis durch § 12a Abs 2 KO im gleichen Umfang respektiert wie eine Vorausabtretung; "dies betrifft nicht nur den pfändbaren Teil der Bezüge, es wird auch die Aufrechnungsbefugnis mit dem unpfändbaren Teil nach § 293 EO und die Geltendmachung von Beträgen zur Hereinbringung eines Vorschusses oder eines Arbeitgeberdarlehens erfasst" (EB aaO 16). Der in den Gesetzesmaterialien (EB aaO 16) angesprochene gänzliche Verlust der Aufrechnungsbefugnis - auch soweit der unpfändbare und damit nicht dem Konkurs unterliegende Teil der Bezüge tangiert ist - nach Ablauf des Zweijahrszeitraums ist dem Wortlaut des § 12a Abs 2 KO nicht zu entnehmen.

3.2. Die Konsequenzen aus dem Fall, dass eine Aufrechnung mit laufenden Pensionsleistungen bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens verfügt worden ist, haben Konecny/Weber (Aufrechnung durch Sozialversicherungsträger im Privatkonkurs, ZIK 1999, 191 ff) ausführlich dargestellt. Ihre Ansicht, dass § 12a KO dem - dem § 71 GSVG entsprechenden - § 67 BSVG vorgeht, trifft nicht nur für den Fall zu, dass der Aufrechnungsbescheid der Konkurseröffnung zeitlich vorangeht, sondern auch für den hier gegebenen Fall, dass der Konkurs bereits vor dem Aufrechnungsbescheid eröffnet wurde. Dem Sozialversicherungsträger steht eine Aufrechnungsbefugnis zugunsten seiner Konkursforderung zu, die ihm eine einem Absonderungsrecht vergleichbare Deckung verleiht (stJud, SZ 56/128; SZ 58/169; RIS-Justiz RS0064257; Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [5. Lfg], §§ 19, 20 KO Rz 3 mwN;

Roth, Die Aufrechnung im Konkurs, in BeitrZPR II 167 mwN;

Konecny/Weber, ZIK 1999, 194). Das Aufrechnungsrecht überdauert auch den Abschluss eines Zwangsausgleichs oder Zahlungsplanes, weil die Aufrechnungsmöglichkeit dem Konkursgläubiger eben eine besondere, dem Pfand vergleichbare Sicherheit schafft (vgl 6 Ob 2072/96s = ZIK 1998, 69 im Anschluss an SZ 65/56 = JBl 1993, 198). Der Konkursgläubiger ist daher nicht verpflichtet, bereits im Konkurs eine Aufrechnungsmöglichkeit wahrzunehmen, um einer Kürzung seiner Forderung durch den Abschluss eines Zwangsausgleichs oder eines Zahlungsplans zu entgehen (Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [5. Lfg], §§ 19, 20 KO Rz 13 mwN).

3.3. Während betreffend pfändbare Bezugsteile die Zweijahresfrist des § 12a Abs 2 KO zu beachten ist, gilt eine solche Beschränkung nicht für die unpfändbaren Bezugsteile (Existenzminimum; Konecny/Weber, ZIK 1999, 194; aA offenbar Mohr, Privatkonkurs [1994], 32), da diese gemäß § 1 Abs 1 KO nicht nur Konkursmasse zählen (SZ 70/105; RIS-Justiz RS0107924, RS0063790).

3.4. Der erkennende Senat vermag auch weiterhin keine Verfassungswidrigkeit im Sinne einer gleichheitswidrigen Bevorzugung der Gläubigergruppe der Sozialversicherungsträger zu erkennen (vgl 10 ObS 245/98x = SSV-NF 12/103; 10 ObS 392/98i = ARD 5051/11/99 ua).

4. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Klägers wurde am 6. Juli 1999 eröffnet, also bereits vor Inkrafttreten des § 71 Abs 1 Z 1 GSVG idF des Steuerreformgesetzes 2000 mit 1. Oktober 1999, womit erst die "trägerübergreifende" Aufrechnungsmöglichkeit geschaffen wurde.

4.1. Hinsichtlich des pfändbaren Teils des Einkommens des Schuldners ist zu bedenken, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (nur) eine bereits bestandene Möglichkeit der Aufrechnung unberührt lässt. Mit anderen Worten müssen sich die Forderungen schon bei Verfahrenseröffnung aufrechenbar gegenüber gestanden sein (§ 19 Abs 1 KO). Insoweit ist der in § 12a KO enthaltene Verweis, wonach die Aufrechungsbestimmungen der §§ 19 und 20 KO "unberührt" bleiben, so zu verstehen, dass die zeitliche Limitierung nach § 12a KO voraussetzt, dass überhaupt eine Aufrechnungsmöglichkeit im Konkurs nach §§ 19, 20 KO besteht.

Die hier beklagte Partei hat jedoch die Befugnis zur Aufrechnung erst durch das Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 2000 mit 1. Oktober 1999 erlangt, somit nach Konkurseröffnung. Daraus ergibt sich, dass der beklagten Partei die einem Absonderungsgläubiger vergleichbare Stellung nicht zukommt.

4.2. Anderes gilt wieder für die unpfändbaren Bezugsteile (Existenzminimum), die gemäß § 1 Abs 1 KO nicht nur Konkursmasse zählen, weshalb die Aufrechnungsbefugnis durch die Konkurseröffnung nicht tangiert ist.

5. Daraus folgt, dass hinsichtlich der Aufrechnungsmöglichkeit eine Differenzierung danach vorzunehmen ist, ob sich die Aufrechnung auf die pfändbaren oder die unpfändbaren Einkommensteile bezieht.

5.1. Die Festsetzung der Höhe der Raten bleibt dem Ermessen des Sozialversicherungsträgers überlassen (SSV-NF 7/100 = SZ 66/134). Insoweit ist dem Gericht, dem nur die Prüfung der grundsätzlichen Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung obliegt, die Möglichkeit der Überprüfung entzogen.

Von dem ihm eingeräumten Ermessen hat der Sozialversicherungsträger im konkreten Fall insoweit Gebrauch gemacht, als er eine monatliche Rate von S 1.887,90 festgelegt hat, wovon S 1.347,90 pfändbare Bezugsteile betreffen und S 540,-- unpfändbare. Während hinsichtlich der pfändbaren Bezugsteile eine Möglichkeit der Aufrechnung zu verneinen ist, besteht die Aufrechnungsbefugnis hinsichtlich der unpfändbaren Bezugsteile.

Aufgrund der dadurch bedingten Verschlechterung seiner Einkommenssituation steht dem Kläger die Möglichkeit offen, eine Änderung des Zahlungsplanes im Sinne des § 198 KO anzustreben.

6. Der Revision der beklagten Partei ist daher teilweise Folge zu geben; die Urteile der Vorinstanzen sind in Sinne einer teilweisen Klagsstattgebung und teilweisen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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