OGH 7Ob184/01m

OGH7Ob184/01m31.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei nichtprot. Firma Christine T*****, vertreten durch Doralt - Seist - Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen (eingeschränkt) S 1,922.666 sA (Revisionsinteresse S 1,912.405,72), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 29. März 2001, GZ 2 R 277/00b-81, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21. Juli 2000, GZ 15 Cg 262/97z-64, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit S 25.188,49 (hierin enthalten S 4.198,08 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die beklagte Partei betreibt eine Frächterei in Tirol und verfügte 1996 über fünf bis sechs Fernverkehrs-LKW; in diesem Jahr war bei ihr der geschiedene Gatte der Beklagten, Josef F*****, als Fahrer beschäftigt. Die Klägerin ist der Transportversicherer der Firma Sch***** Österreich (im Folgenden kurz: Firma Sch*****) sowie der Firma Sch***** Italia. Am 6. 12. 1996 erteilte die Firma Sch***** der Beklagten einen Ladeauftrag von Glas-Kristallwaren der Firma S***** von Wattens bzw Innsbruck nach Mailand in Italien mit (ua) vereinbarter Frachtpauschale von S 7.500. Die Beklagte erteilte ihrerseits ihrem Angestellten F***** den Auftrag, diese Fahrt durchzuführen. Der Gesamtwert der überwiegend vor Fahrtantritt von der Firma Sch***** aus Liechtenstein in ihr Lager nach Innsbruck gebrachten Waren (insgesamt 30 Paletten) betrug ca S 4,3 Mio. Weder der Beklagten noch F***** gegenüber wurden Mitteilungen über den Wert und die Art der zu transportierenden Waren gemacht.

Josef F***** fuhr am 9. 12. 1996 zunächst mit dem LKW-Zug der Beklagten ins Lager der Firma Sch***** nach Innsbruck. Es handelte sich hiebei um ein Zugfahrzeug der Marke Volvo samt Sattelanhänger mit festem Aufbau, der über die an der Rückseite des Sattelaufbaus befindlichen Türen zu be- und entladen war, und im Firmengelände der Firma Sch***** in Innsbruck mit den 33 Paletten beladen wurde, wobei sich auf diesen Paletten einzelne verschweißte Kartons ("Colli") befanden. Nach der Beladung war der Sattelaufleger so voll, dass keine einzige Palette mehr in den LKW hineingegangen wäre. F***** sicherte die Ladung, indem er die rückseitigen Türen mit einem normalen, ca 5 cm großen und 3 Zahlen aufweisenden Nummernschloss versperrte; eine weitergehende Sicherung der Ladung nahm er nicht vor. Besondere Anweisungen wurden ihm in Innsbruck nicht gegeben, sondern lediglich gesagt, er müsse am (nächsten) Vormittag (10. 12. 1996) zum Abladen in Mailand sein. Die normale Fahrzeit von Innsbruck nach Mailand beträgt ohne Ruhepause ca sechs Stunden.

Nach der Beladung fuhr F***** los. Am Abend des 9. 12. 1996 nahm er mit seinem Fernfahrerkollegen Simon F***** Funkkontakt auf und vereinbarte mit diesem, sich bei der Raststätte San Giacomo Nord, ca 100 km vor Mailand, zu treffen, um dort gemeinsam Kaffee zu trinken. F***** erreichte das Raststättengelände vor F***** und stellte dort den LKW auf einem großen asphaltierten Platz, der an sich zum Einfahren in die Tankstelle gedacht war, ab. Es herrschte reger Betrieb, das Tankstellengelände war gut beleuchtet. Unmittelbar hinter dem LKW-Zug befand sich ein Grünstreifen, man konnte sohin ungehindert von hinten zum Sattelaufleger zugehen und allenfalls die Türen öffnen. Die Hinterseite des Sattelauflegers mit der Beladetür befand sich zudem auf der der Bar und der dort befindlichen Tankstelle abgewandten Seite des LKW-Zuges. Simon F***** stellte in der Folge seinen LKW links parallel zu jenem des Josef F***** ab; beide wollten ihre LKWs deshalb nicht auf dem an sich vorhandenen LKW-Abstellplatz abstellen, da dort die Gefahr bestand, dass sie eingeparkt werden würden.

Wann genau die beiden Männer ihre LKWs abstellten, kann nicht festgestellt werden, es erfolgte jedenfalls in einem Zeitraum zwischen kurz vor und kurz nach Mitternacht. Beide hielten sich länger als eine Stunde (wie lange, kann ebenfalls nicht mehr festgestellt werden) in der Bar auf. Sie hatten von dort keinen Sichtkontakt auf ihre Fahrzeuge, die in der Zwischenzeit nicht bewacht wurden, und sahen auch zwischenzeitlich nicht nach ihren Fahrzeugen. Während dieses Aufenthaltes in der Bar der Raststätte haben unbekannte Täter das Nummernschloss am Sattelanhänger entweder aufgebrochen oder geöffnet und 179 Kartons mit Glas- und Kristallwaren mit einem Gewicht von ca 2000 kg entwendet. Den Umstand, dass dieser Teil der Ladung entwendet worden war, stellte Josef F***** allerdings erst beim Abladen in Mailand fest. Vor der Abfahrt von der Raststätte hatte er nämlich auch keinen Kontrollgang rund um den LKW gemacht.

1990 wurden in Italien 7546 Straßentransportfahrzeuge zusammen mit der Ladung gestohlen. Es war in der Transportbranche, sohin auch der beklagten Partei und Josef F*****, allgemein bekannt, dass in Italien immer wieder Diebstähle von LKWs samt Ladung stattfinden. Der Großraum Mailand war ihnen als gefährlich bekannt, wobei die Raststätte San Giacomo Nord allerdings außerhalb dieses Großraumes lag. 1996 war es nicht allgemein üblich, im Straßengüterverkehr von und nach Italien LKWs mit zwei Fahrern zu besetzen; verlangt ein Auftraggeber die Besetzung eines LKWs mit zwei Fahrern, so wird hiefür üblicherweise ein Zusatzentgelt verlangt. Entlang der Route von Innsbruck nach Mailand gibt es bewachte Parkplätze für LKWs, die zum Zwecke der Verhinderung von Diebstählen geschaffen wurden; um einen solchen Parkplatz zu erreichen, muss allerdings von der Autobahn abgefahren werden. Aufgrund dieses verfahrensgegenständlichen Diebstahls wurde für die seither weiterhin wöchentlichen Routinetransporte die Firma S***** von Triesen (Liechtenstein) nach Mailand über die Firma Sch***** die Weisung erlassen, dass der Fahrer des LKWs nicht mehr in Italien übernachten darf, außer er fährt einen bewachten Parkplatz an; auch mit der Beklagten werden nach wie vor derartige Transporte durchgeführt. Die (fallweise) Bewachung eines Transportes Innsbruck - Mailand kostet zwischen S 20.000 und S 30.000.

Mit Schreiben vom 10. 12. 1996 machte die Firma Sch***** die beklagte Partei für den durch den Diebstahl entstandenen Schaden haftbar; mit Schreiben vom 20. 2. 1997 erweiterte die Firma Sch***** die Haftbarhaltung auf grobe Fahrlässigkeit und behielt sich in diesem Schreiben vor, über das gewichtsmäßige Limit hinaus Ersatzansprüche in voller Höhe zu stellen. Am 25. 3. 1997 leistete die Klägerin aus dem gegenständlichen Schadensfall an die Firma S***** s.p.a. Internazionale d'Italia eine Zahlung von Lire 272,313.054; die Firma S***** trat mit Schreiben vom 24. 3. 1997 sämtliche Ansprüche an die Klägerin ab. Auch die Firma Sch***** trat sämtliche Ansprüche aus dem gegenständlichen Vorfall am 19. 3. 1997 an die Klägerin ab; ebenso die Firma S***** AG Triesen und die Firma Sch***** Italia. Die gestohlenen Waren waren für eine selbständige italienische Tochtergesellschaft der Firma S***** bestimmt, von dieser bereits vor der Auslieferung verkauft worden und mussten deshalb den Händlern Gutschriften erteilt werden, welche einen Betrag von Lire 270,859.860 ergaben. Bei diesem Betrag handelt es sich um den Schaden, der der Firma S***** Italia entstanden ist.

Mit der am 5. 12. 1997 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Bezahlung von S 1,947.040 samt 5 % Zinsen seit 10. 12. 1996, welches Begehren später auf S 1,922.666 sA eingeschränkt wurde. Die beklagte Partei habe ihr den vollen Schaden in jener Höhe zu ersetzen, in der die Klägerin aufgrund des bestandenen Versicherungsvertrages ihrer Versicherungsnehmerin habe Leistungen erbringen müssen. Das Verhalten des Lenkers, der den LKW mehrere Stunden ungesichert und unbeaufsichtigt bei einer Raststätte in Italien abgestellt habe, sei als grob fahrlässig zu qualifizieren; dass er gegen fundamentalste Sorgfaltspflichten gröblichst verstößen habe, ergebe sich schon aus der Tatsache, dass er erst nach Stunden, nämlich nach der Ankunft bei der ersten Entladestelle, den Diebstahl entdeckt habe. Dass die Strecke Innsbruck-Verona-Mailand besonders gefährlich sei, hätte der Beklagten und ihrem Fahrer bekannt sein müssen.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und wendete - soweit für das Revisionsverfahren noch von Wesentlichkeit - ein, dass auszuschließen sei, dass es während des Transportvorganges zum Diebstahl gekommen sei. Selbst wenn zwischen der Beklagten und der Firma Sch***** ein Frachtvertrag abgeschlossen worden oder wegen Fixkostenspedition Frachtrecht anwendbar sein sollte, wäre die Beklagte wegen Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses nach Art 17 CMR nicht haftbar. Selbst wenn ein unabwendbares Ereignis vorliegen sollte, wäre die Haftung nach Art 23 CMR auf 8,33 Sonderziehungsrechte pro Kilogramm beschränkt, das seien im konkreten Fall 16.451 Sonderziehungsrechte, was einem Betrag von ca S 270.000 entspreche. Der Fahrer habe nach vier Stunden eine gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit einhalten müssen, wobei ein Transport von Innsbruck nach Mailand in vier Stunden nicht möglich sei. Die Beklagte sei auch nicht auf den hohen Wert und die damit verbundene Gefahr eines hohen Schadens hingewiesen worden; aufgrund der Verletzung dieser Warnpflicht sei ihr ein nicht übersehbares Risiko auferlegt und die Möglichkeit genommen worden, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wie etwa das Verlangen nach Begleitung des Fahrzeuges und eine ausreichende Versicherung über ihre Haftung. Die bestehende Versicherung der Beklagten decke nur die Haftung bis zur Höhe nach Art 23 Z 3 CMR. Aufgrund dieser Verletzung der Warnpflicht sei ein allfälliger Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte aufgrund des überwiegenden Mitverschuldens des Auftraggebers der Beklagten zu mindern.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S 1,912.405,72 samt 5 % Zinsen seit 10. 12. 1996 und wies das Mehrbegehren von S 10.260,28 sA (unbekämpft und damit rechtskräftig) ab. Es beurteilte den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass das festgestellte Verhalten des Fahrers Josef F***** in Anwendung des Art 29 Abs 1 CMR als grob fahrlässig zu beurteilen sei; der Entlastungsbeweis nach Art 17 CMR sei der beklagten Partei nicht gelungen. Aufgrund der anzunehmenden groben Fahrlässigkeit könne sich die Beklagte auch nicht auf die haftungsbegrenzenden Bestimmungen des Art 23 Z 1 und 3 CMR berufen. Dem Einwand des Mitverschuldens stehe ebenfalls entgegen, dass auf Seiten der beklagten Partei grobe Fahrlässigkeit vorliege.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und schloss sich auch dessen rechtlicher Beurteilung an. Entgegen der von der beklagten Partei - welche in der Berufungsverhandlung hiezu ein "Konvolut von Materialien, sprachwissenschaftlichen Untersuchungen, Literatur und Rechtsprechung" (im Umfang eines Ordners) vorgelegt hatte (ON 80) - stehe sowohl die österreichische als auch die deutsche höchstgerichtliche Judikatur auf dem jahrzehntelangen einhelligen und ständigen Standpunkt, dass das in Art 29 Abs 1 CMR normierte, dem Vorsatz gleichstehende Verschulden, mit grober Fahrlässigkeit gleichzusetzen sei. Diese Auffassung werde schon aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung, welche dem Art 25 Warschauer Abkommen (WA) 1929 nachgebildet worden sei, bestätigt. Angesichts der in den einzelnen Vertragsstaaten unterschiedlich bestehenden Schuldbegriffe habe sich die CMR bewusst einer eigenständigen Definition des "gleichstehenden Verschuldens" enthalten und diese Frage dem Recht des jeweiligen angerufenen Gerichtes überlassen. Eine solche Gleichstellung von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit finde sich darüber hinaus auch in weiteren transportspezifischen Bestimmungen des geltenden Rechtes (§ 430 Abs 3 HGB für den Frachtführer; § 104 EVO [richtig: § 102 EGB BGBl 1988/180, durch dessen § 116 Abs 2 die EVO außer Kraft gesetzt wurde] für die Eisenbahn; § 29e LuftVG für den Luftfahrzeughalter). Angesichts dieser Argumente und der einhelligen oberstgerichtlichen österreichischen und deutschen Judikatur bestehe daher für das Berufungsgericht keine Veranlassung, von der auf Art 29 Abs 1 CMR beruhenden Auffassung einer Gleichstellung von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit abzugehen. Tatsächlich sei auch das Verhalten des Fahrers F*****, das sich die beklagte Partei zurechnen lassen müsse, als grob fahrlässig zu qualifizieren. Der an ihn zu richtende Vorwurf bestehe dabei nicht darin, dass er eine Kaffeepause eingelegt, sondern vielmehr, wie er diese gestaltet und dabei seinen LKW völlig unbeaufsichtigt (ohne Sichtkontakt vor einem Grünstreifen, von dem man sich uneingesehen und ungehindert von rückwärts zu den Ladetüren nähern konnte, obwohl F***** bekannt war, dass in Italien immer wieder Diebstähle von LKWs mit Ladung stattfinden und der Großraum Mailand als diesbezüglich gefährlich gilt) stehen gelassen habe. Mit geringfügigen organisatorischen Maßnahmen (zB sich mit seinem Fahrerkollegen bei der Einnahme des Kaffees zwecks Kontrolle des Fahrzeuges während des Aufenthaltes in der Raststätte abzuwechseln und/oder die Konversation mit ihm in oder bei den LKW-Zügen zu führen), wäre es F***** möglich gewesen, während seines über einstündigen Aufenthaltes nach Mitternacht für eine Bewachung des Fahrzeuges zu sorgen. Damit könne sich aber die beklagte Partei weder mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkungen und Beweiserleichterungen des Kapitels IV der CMR noch auf den auf Art 17 Abs 5 CMR gestützten Mitverschuldenseinwand berufen.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil "die Auslegung des Art 29 Abs 1 CMR (Gleichstellung von grober Fahrlässigkeit mit Vorsatz) eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt, zu der zwar eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes existiert, welche aber in jüngster Zeit auf beachtliche Kritik in der Lehre gestoßen ist."

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer vollständigen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise werden auch Aufhebungsanträge gestellt.

Die klagende Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär zufolge Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels beantragt wird, in eventu, diesem keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision erweist sich als unzulässig. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO); gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich das Revisionsgericht auf die Zurückweisungsgründe beschränken.

Dass zur Qualifikation des dem Begriff des Vorsatzes in Art 29 gleichstehenden Verschuldens als grobe Fahrlässigkeit eine einheitliche und jahrzehntelange Judikatur des Höchstgerichtes besteht, hat auch das Berufungsgericht in seinem Zulassungsausspruch ausdrücklich zugestanden; es hat sich auch an diese gehalten und ist hievon nicht abgewichen. Die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO sind daher schon deshalb nicht gegeben. Darüber hinaus ist den Ausführungen der Rechtsmittelwerberin, die sich im Wesentlichen auf eine bloße Wiederholung ihrer bereits im Berufungsschriftsatz zur Darstellung gebrachten Argumente beschränken, ohne der Entscheidung des Berufungsgerichtes, das diesen Ausführungen nicht gefolgt ist, grundsätzlich substanziell neue Argumente entgegenzuhalten, seitens des Obersten Gerichtshofes noch Folgendes zu erwidern:

Unstrittig ist, dass auf den vorliegenden Fall die Vorschriften des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) BGBl 1961/138 idF des Protokolls zum Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr, BGBl 1981/192, Anwendung zu finden haben. Nach Art 29 Abs 1 CMR (in der zwar gemäß Art 51 nicht authentischen, jedoch für Österreich, Deutschland und die Schweiz einheitlichen amtlichen Übersetzung: Nitsche/Nowotny/Zetter, HGB13 833, Anm 3) kann sich "der Frachtführer auf die Bestimmungen dieses Kapitels, die seine Haftung ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast umkehren, nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht hat, das nach dem Recht des angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleichsteht." Art 29 selbst regelt somit nicht, welches Verschulden des Frachtführers (oder seiner Leute) dem Vorsatz gleichsteht; die Vorschrift verweist insoweit vielmehr auf das jeweils ergänzend anzuwendende nationale Recht, die lex fori, wodurch es naturgemäß zu unterschiedlichen Beurteilungslösungen in den verschiedenen Vertragsstaaten kommen kann (Herber/Piper, CMR [1996], Rn 3 zu Art 29). Bei der getroffenen Regelung handelte es sich nämlich - im historischen Rückblick (Jesser, Der Begriff des dem Vorsatz gleichstehenden Verschuldens im international vereinheitlichten Transportrecht. Art 29 CMR - ein Interpretationsversuch, in FS Posch [1996], 63 [67 f]) - um eine Kompromisslösung mit einem bewussten Verzicht auf Rechtsvereinheitlichung wegen der in einzelnen Vertragsstaaten unterschiedlichen Verschuldensgradunterteilungen, sodass deren Auslegung (und damit nähere Bestimmung dieses Schuldgrades) allein den Gerichten derselben überlassen bleiben sollte; im deutschsprachigen Raum wurde anlässlich der Übernahme der CMR ins nationale Recht auch keine gesetzliche Anordnung getroffen, welcher Verschuldensgrad dieses (dem Vorsatz) gleichstehende Verschulden sein solle. Dass es sich nach Ansicht des österreichischen Gesetzgebers hiebei jedenfalls um grobe Fahrlässigkeit handeln sollte, wurde bereits in den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung (RV 166 BlgNR 9. GP, 40 f; wörtlich wiedergegeben auch in 2 Ob 156, 157/74 = SZ 47/106) ausdrücklich ausgeführt. Dies entspricht - beginnend mit der zitierten Entscheidung SZ 47/106 - der seither ständigen und einhelligen Rechtsprechung sämtlicher damit befassten Senate des Obersten Gerichtshofes (chronologisch zusammengefasst in RIS-Justiz RS0073961, 0062591 und 0031861; zuletzt 1 Ob 204/00g und 7 Ob 160/00f; des Weiteren auch 1 Ob 621/90, 5 Ob 74/99i und SZ 66/89), wobei neben der Berufung auf die wiedergegebenen Materialien auch stets darauf verwiesen wurde, dass speziell die §§ 1324 und 1331 ABGB beweisen, dass grobes Verschulden dem Vorsatz hinsichtlich des Ersatzes von Vermögensschäden nach österreichischem Recht grundsätzlich (wie es Art 29 Abs 1 CMR formuliert) "gleichsteht", weil an diese Verschuldensstufe nach den zitierten Gesetzesstellen die grundsätzlich gleichen Rechtsfolgen geknüpft werden wie an Vorsatz (1 Ob 621/90 mwN).

Dieser Auffassung hat sich überdies auch der spätere Gesetzgeber - welcher Gesichtspunkt im Rahmen der Überprüfung der auszulegenden Norm ebenfalls Beachtung verdient - ausdrücklich angeschlossen, weil er im Binnen-Güterbeförderungsgesetz BGBl 1990/459, durch dessen neu eingefügten § 439a HGB nunmehr auch für den rein nationalen (innerösterreichischen) Straßengüterverkehr die Anwendung der CMR speziell für die Haftung des Frachtführers (Abs 1 leg cit) angeordnete, zwar ebenfalls eine gesetzliche Definition des "gleichstehenden Verschuldens" unterließ, jedoch in den Materialien hiezu näher ausführte, dass die unbeschränkte Haftung des Frachtführers oder seiner Leute und Subunternehmer "bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (Art 29)" - also ganz im Sinne der herrschenden Auffassung zur CMR - Platz zu greifen habe (darauf weist ua auch schon Jesser, Frachtführerhaftung nach der CMR [1992], 154 hin). Auch wenn es sich hiebei nicht um eine authentische Interpretation im Sinne des § 8 ABGB handelte (F. Bydlinski in Rummel, ABGB I3 Rz 1 zu § 8; Jesser in FS Posch, 68 zu den bereits wiedergegebenen Materialien der CMR), so deutet dies doch unzweifelhaft darauf hin, dass der Gesetzgeber selbst diese Gleichstellung nicht anders sah und damit die (als zutreffend erachtete) Lösung des Höchstgerichtes fortschreiben wollte. Jesser (FS Posch, 81) weist in diesem Zusammenhang ebenfalls zutreffend darauf hin, dass den an der Ausarbeitung dieses Gesetzesvorhabens (zum § 439a HGB) Beteiligten diese gefestigte Judikatur "zweifellos bekannt" sein musste und im Übrigen auch im Begutachtungsverfahren "seitens des güterbefördernden Gewerbes keine Forderungen oder Bedenken hinsichtlich des Art 29 CMR" (also im Sinne einer Aufweichung oder eines anderen, für die Durchbrechung der Haftungsbeschränkungen haftungsmäßig strengeren Verständnisses) "vorgebracht wurden."

Diese Auffassung - nämlich eine Gleichschaltung von Vorsatz einerseits und grober Fahrlässigkeit als "gleichstehend" andererseits - wird aber auch von der Rechtsprechung der übrigen deutschsprachigen Mitgliedsstaaten der CMR - denen ja, wie bereits ausgeführt, die gleichen (amtlichen) Textfassungen zugrunde liegen -, geteilt (für Deutschland BGH in BGHZ 88, 157/20 = VersR 1984, 134 ((dort auch unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der CMR)) - von Jesser in FS Posch, 65 FN 3 als "Leitentscheidung", von Thume, Kommentar zur CMR [1995], Rn 11 zu Art 29 als "Grundsatzurteil" bezeichnet; weitere Nachweise siehe etwa in Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht [2000], Rn 4a zu Art 29 CMR; Herber/Piper, aaO Rn 4 zu Art 29;

zuletzt BGH in TranspR 1999, 19; für die Schweiz jüngst Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt in TranspR 2000, 372 mwN;

weitere Nachweise auch in Herber/Piper, aaO Rn 6); sie entspricht auch sonst der Judikaturpraxis jedenfalls der überwiegenden Zahl europäischer Staaten (Fremuth/Thume, aaO mit Hinweisen auf Dänemark, Frankreich, Niederlande, Belgien, Italien und Großbritannien; Csoklich, Einführung in das Transportrecht [1990], 206; Thume, aaO Rn 16 zu Art 29). Soweit in diesem Zusammenhang in der Revision auf "neue Tendenzen" (Entfall der Haftungsbeschränkung nur ((mehr)) bei Vorsatz und "bewusster Fahrlässigkeit": vgl § 435 dHGB nF) aufmerksam gemacht wird, kann es genügen, darauf hinzuweisen, dass zwar in Deutschland am 1. 7. 1998 ein weitgehend neues Transportrecht durch das Transportrechtsreformgesetz (TRG) dBGBl I 1998, 1588 in Kraft getreten ist, dessen Auswirkungen jedoch schon deshalb nicht für Österreich maßgeblich und damit übertragbar sein können, weil der österreichische Gesetzgeber einen derartigen Reformweg (aus dem sich allenfalls ein anderes Verständnis zu dem Vorsatz gleichgestellten Verschuldensbegriff des Frachtführers in Art 29 CMR ableiten ließe) - jedenfalls bisher - nicht beschritten hat und auch die für die Gleichstellung grober Fahrlässigkeit mit Vorsatz maßgeblichen privatrechtlichen Schadenersatznormen der §§ 1324, 1331 ABGB trotz kürzlicher Einsetzung einer ministeriellen Projektgruppe zur Reform des österreichischen Schadenersatzrechtes immer noch unverändert zum geltenden (und daher maßgeblichen) Rechtsbestand gehören. Im Übrigen hat der deutsche Bundesgerichtshof aber gerade in der bereits zitierten Entscheidung TranspR 1999, 19 unmissverständlich klargestellt, dass sich für ihn trotz dieser Reform in Deutschland (und ungeachtet der gerade in Deutschland auch durchaus kritischen Meinungen im Schrifttum) an der Beurteilung des Art 29 Abs 1 CMR im Sinne grober Fahrlässigkeit für Schadensfälle aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des TRG im Falle der Anrufung eines deutschen Gerichtes weiterhin nichts ändere, maW es also hiefür weiterhin an der auch in Deutschland jahrzehntelang gefestigten Judikatur zu verbleiben habe. Daraus kann somit für den österreichischen Rechtsbereich nichts Zielführendes abgeleitet werden.

Die Wertung, ob ein Verhalten zum groben Verschulden - im Sinne des Art 29 CMR - zu rechnen ist, erfolgt immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles (7 Ob 376/97p; 7 Ob 145/98v). Eine erhebliche Rechtsfrage könnte daher nur dann vorliegen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

Das ist hier aber nicht der Fall: Es war sowohl der Beklagten als auch ihrem Fahrer "allgemein bekannt", dass in Italien immer wieder Diebstähle von LKWs samt Ladung stattfinden, und speziell der "Großraum Mailand" als dafür gefährlich galt. Trotzdem stellte der Fahrer F***** seinen LKW (aus rein privat motivierten Gründen, nämlich, um mit einem Berufskollegen Kaffee zu trinken und zu plaudern) nach Mitternacht mehr als eine Stunde an einer Stelle des unbewachten Parkplatzes (obwohl es solche mit Bewachung auf der Route Innsbruck - Mailand mehrfach gab) und auch außerhalb des am Rastplatz vorhandenen eigenen LKW-Abstellplatzes gerade dort ab, wo kein Sichtkontakt zum Fahrzeug bestand, man sich von hinten unbemerkt dem Sattelaufleger nähern konnte, sich überdies die Hinterseite des Auflegers auf der der Bar bzw Tankstelle abgewandten Seite befand, wobei die Türen auch nur mit einem einfachen Nummernschloss versperrt waren und sich F***** schließlich auch nicht während seiner über einstündigen Abwesenheit zwecks Kontrolle zu seinem Fahrzeug hinbegab. Die Wertung des Berufungsgerichtes, dass der beklagten Partei damit (in Gesamtbeurteilung und Würdigung aller dieser Umstände insgesamt) grobes Verschulden im Sinne grober Fahrlässigkeit

Damit wird - zusammenfassend - eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht aufgezeigt. Der von der Revisionswerberin gewünschten (und als fehlend monierten) zusätzlichen Feststellungen bedarf es nicht. Einer weitergehenden Begründung bedarf der Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO); dies betrifft insbesondere auch die - fast wörtlich aus der Berufung textbausteinmäßig übernommenen (vgl 712 ff gegenüber 605 ff) - Ausführungen zum "überwiegenden Mitverschulden des Auftraggebers", beruhen doch diese auf der (vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten) Prämisse der Rechtsmittelwerberin, dass sie am Diebstahl des verfahrensgegenständlichen Teils der Ladung in Italien kein als grobe Fahrlässigkeit im Sinne des Art 29 Abs 1 CMR zu qualifizierendes Verschulden treffe. Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision zutreffend hingewiesen, weshalb ihr auch die Kosten ihrer damit zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Revisionsbeantwortung zustehen (RIS-Justiz RS0035979, 0035962). Ausgehend vom Revisionsinteresse von (bloß) S 1,912.405,72 gebühren nach TP 3 C des RATG an Verdienstsumme jedoch nur S 13.993,61 (statt wie verzeichnet S 15.529,60), sodass sich auch die anteiligen Kosten für Einheitssatz und Umsatzsteuer sowie die Gesamtsumme entsprechend reduzierten.

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