Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.276,94 (darin enthalten S 811,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die klagende Partei wurde am 25. 8. 1995 von der Firma L***** AG mit dem Sitz in der Schweiz beauftragt, den Transport von Teilen einer Raiserboring-Anlage (Teile einer Tunnelbohrmaschine) vom Werkplatz der U***** in Strasshof an der Nordbahn nach Fribourg in der Schweiz durchzuführen. Die klagende Partei gab diesen Auftrag am selben Tag an die beklagte Partei weiter. Nach dem Transportauftrag sollte die Beladung am 28. 8. 1995 vormittag erfolgen. Der Entladetermin war mit "Fribourg, 30. 8. 1995 morgens" bezeichnet. Da die Einfuhrverzollung an der Grenze durch die Firma L***** AG erfolgen sollte und die Ladung wegen des in der Schweiz geltenden geringeren Gewichtslimits zum Teil auf an der Grenze bereitgestellte Fahrzeuge umgeladen werden sollte, war ein Eintreffen des Transportes an der schweizer Grenze am Nachmittag des 29. 8. 1995 rechtzeitig vor Verzollungsschluß (ca 17.00 Uhr) erforderlich. In einer Beilage zum Transportauftrag hielt die klagende Partei die Verpflichtung fest, daß die klagende Partei bei Schäden an der Ladung, bei Unfall und sonstigen Verzögerungen sofort zu verständigen sei. Die beklagte Partei setzte ihrerseits die Nebenintervenientin am selben Tag als Subfrächter ein, wobei im Transportauftrag als Ladetermin "28. 8. 1995 vormittags fix bei sonstigem Rücktritt" und als Entladetermin "30. 8. 1995 morgens fix" angeführt war.
Dem Fahrer der Nebenintervenientin, der die Ladung abholte, wurden anläßlich der Verzollung Ausfuhrpapiere mitgegeben, wobei er darauf hingewiesen wurde, daß es sich um Zollpapiere für zwei weitere Ladungen handle und daß er vor den beiden anderen LKW-Zügen am Vormittag des 29. 8. 1995 an der österreichisch-schweizerischen Grenze eintreffen müsse. Der LKW-Zug der Nebenintervenientin erreichte die Grenze jedoch erst am 31. 8. 1995 zwischen 15.00 Uhr und 16.00 Uhr. Die Ladung kam am Zielort Fribourg erst am Vormittag des 1. 9. 1995 an. Durch das verspätete Eintreffen eines Teiles der Tunnelbohrmaschine am Einsatzort war die gesamte Anlage erst verspätet einsatzbereit. Dadurch entstand ein Schaden, mit dem die Firma L***** AG belastet wurde, weshalb sie ihrerseits die klagende Partei durch Gegenverrechnung und Abverlangen eines Verrechnungsschecks mit S 107.800,-- belastete. Der klagenden Partei entstanden darüberhinaus eigene Telefonspesen von S 1.550,--.
Die klagende Partei begehrte S 119.300,-- sA, weil die beklagte Partei die Lieferverspätung grob fahrlässig verschuldet habe.
Die beklagte Partei bestritt dem Grunde und der Höhe nach und wendete ein, daß eine allfällige Verspätung infolge unabwendbarer Ereignisse bzw höherer Gewalt entstanden sei, sodaß eine Haftung gemäß Art 17 CMR ausgeschlossen sei. Überdies habe der Frachtführer gemäß Art 23 CMR nur eine Entschädigung bis zur Höhe des Frachtbetrages zu leisten. Die Nebenintervenientin erhob im wesentlichen die gleichen Einwände.
Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von S 80.000,-- sA und wies das Mehrbegehren von S 39.300,-- sA ab. Die klagende Partei habe gemäß Art 3 CMR für die Versäumnisse ihres Unterfrachtführers einzustehen, der die Lieferfristüberschreitung grob fahrlässig herbeigeführt und seine Pflicht zur sofortigen und lückenlosen Information des ohnehin drängenden Auftraggebers über eingetretene Verzögerungen beim Transport gröblichst vernachlässigt habe. Das Privileg des Art 23 Abs 5 CMR (Beschränkung auf die Höhe der Frachtrate) komme der beklagten Partei daher nicht zugute. Die Schadenshöhe sei gemäß § 273 ZPO mit S 80.000,-- auszumitteln.
Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil teilweise dahin ab, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, der klagenden Partei S 73.330,-- sA zu zahlen und das Mehrbegehren von S 45.970,-- sA abwies. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Nebenintervenientin grobe Fahrlässigkeit zu verantworten habe und die beklagte Partei daher für den gesamten Verzögerungsschaden hafte, wobei es auch die Anwendung des § 273 ZPO bei Ausmittlung des Schadensbetrages billigte. Die Abweisung des Differenzbetrages zum Ersturteil begründete es damit, daß die klagende Partei nur Telefonspesen von S 1.550,-- als eigene Kosten (und nicht, wie vom Erstgericht angenommen, eigene Spesen von S 11.500,--) nachgewiesen habe. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Reihe von Rechtsfragen mit der Qualifikation des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen seien.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagte Partei ist jedoch unzulässig, weil ein Abweichen der Entscheidungen der Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den entscheidenden Rechtsfragen im vorliegenden Fall nicht erkennbar ist und die Revision auch keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag.
Soweit darin ausgeführt wird, daß der klagenden Partei der Nachweis der Kausalität des Verhaltens der beklagten Partei für einen der klagenden Partei erwachsenen Schaden nicht gelungen sei, mißachtet sie die vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht ausdrücklich übernommenen Feststellungen, daß die verspätete Lieferung einen Schadenseintritt (zunächst im Vermögen der Bauherrin Firma U***** infolge von Stehzeiten) bewirkt und der Schaden im Regreßweg über die Firma L***** AG auf die klagende Partei überwälzt wurde. Die Unterstellung, die klagende Partei habe einen auf die verspätete Lieferung zurückzuführenden Schadenseintritt nicht einmal behauptet, ist aktenwidrig (vgl insbesondere die Ausführungen in der Klage AS 2 Punkt 2., 3. sowie im vorbereitenden Schriftsatz ON 5, AS 31 Punkt 6.).
Ebenso aktenwidrig sind die Ausführungen der Revision, die klagende Partei habe sich nicht einmal darauf berufen, daß die verspätete oder lückenhafte Information der klagenden Partei seitens der Nebenintervenientin von Einfluß gewesen sei (vgl hiezu die Ausführungen im Schriftsatz der klagenden Partei ON 10, AS 60, vorgetragen in der Tagsatzung vom 12. 11. 1996, worin ausführlich auch eine vorsätzliche falsche Information über die Transportverzögerungen als - unter anderem - schadenskausal geltend gemacht wurde).
Einen bloß "mittelbaren", als Folge eines Güterschadens eingetreten Schaden hat die klagende Partei nicht begehrt, sodaß der Hinweis auf die Entscheidung 7 Ob 545/79, die die Ersatzfähigkeit eines solchen Schadens im Rahmen des Art 23 Abs 5 CMR ablehnt, verfehlt ist.
Die Revision übergeht weiters die Feststellung der Vorinstanzen, "daß man bei einer sofortigen Verständigung des Auftraggebers von der ersten Verzögerung nicht einen Weg gefunden hätte, um die Verspätung geringer zu halten; außerdem wären bei Kenntnis der wahren Sachlage frustrierte Aufwendungen .............. vermeidbar gewesen".
Ob ein Schadenersatzanspruch für die Unterlassung der Verständigung von der Lieferverspätung auf die Bestimmungen der CMR gegründet werden kann, ist hier deshalb nicht entscheidend, weil eine solche Verständigungspflicht zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart und daher eine Vertragspflicht verletzt wurde, wie bereits das Berufungsgericht mit ausführlicher Begründung dargelegt hat.
Die beklagte Partei gesteht in ihrer Revision selbst zu, daß sie sich zur Haftungsbefreiung nicht auf die Mängel des für die Beförderung verwendeten Fahrzeuges berufen kann (Art 17 Abs 3 CMR). Im übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung zu Art 17 CMR, daß der Frachtführer das Vorliegen solcher Umstände dazulegen hat, bei denen es auch durch die Anwendung äußerster, nach den Umständen des Falles möglicher und vernünftiger Weise zumutbarer Sorgfalt nicht möglich war, den Schadenseintritt zu verhindern (SZ 50/40; JBl 1984, 152; JBl 1992, 124 ua). Das Berufungsgericht verweist hinsichtlich der Verzögerungen durch einen Murenabgang sowie durch Straßensperren nach Verkehrsunfällen ohne Rechtsirrtum darauf hin, daß die beklagte Partei nicht einmal behauptet hat, daß sich die Nebenintervenientin bzw deren Fahrer über die Verkehrs- und Witterungssituation hinreichend informiert hätte und nicht entsprechende Ausweichrouten wählen hätte können. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auch von Bedeutung, daß die Nebenintervenientin trotz der knappen Zeitspanne, die für den Transport zur Verfügung stand, nicht etwa die direkte, weitgehend über Autobahnen führende Route von Wien zur schweizer Grenze wählte, sondern den LKW zunächst zu ihrem Standort in der Nähe von Graz beorderte und dort einfach über Nacht stehen ließ. Der Murenabgang bei Taxenbach hätte eine Fahrt über die Westautobahn in keiner Weise tangiert, und es wäre generell bei Benützen der Autobahn die Gefahr der Verzögerungen eher hintanzuhalten gewesen. Im übrigen sind Verzögerungen durch Unfälle bei weiteren Strecken keineswegs ungewöhnlich und durchaus einzukalkulieren.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, trifft die Entlastungspflicht für mangelndes Verschulden gemäß § 429 Abs 1 HGB den Frachtführer. Der Vorsatz und die dem Vorsatz iSd § 29 Z 1 CMR gleichstehende grobe Fahrlässigkeit (1 Ob 66/98g ua) müssen zwar grundsätzlich vom Geschädigten behauptet und bewiesen werden. Die besondere frachtrechtliche Situation kann jedoch dazu führen, daß der Geschädigte mit dem Beweis von Umständen belastet wird, die in der Sphäre des Frachtführers liegen und die er ohne ausreichende Aufklärung nicht kennen kann. Den Frachtführer trifft in diesen Fällen nach Treu und Glauben eine Darlegungspflicht (SZ 66/89; 7 Ob 376/97p).
Die beklagte Partei hat nicht einmal dargelegt, weshalb die Nebenintervenientin daran gehindert gewesen sei, einen weiteren Fahrer nach Wien zu senden und den Transport auf direktem Weg und ohne nächtliche Unterbrechungen direkt von Wien in die Schweiz durchzuführen, anstatt ungeachtet des knappen Transportzeitraumes einen großen Umweg zu wählen. Es wurde auch nicht dargelegt, daß das Fahrzeug im Hinblick auf den derart termingebundenen Ferntransport vor Beladung entsprechend kontrolliert worden wäre, um die diversen, zum Teil gleich nach Fahrtantritt zum Vorschein gekommenen Defekte rechtzeitig bemerken und etwa von vorneherein einen anderen LKW einsetzen zu können. Unklar blieb auch, warum das Fahrzeug nicht gleich nach Ankunft des ersten Fahrers am Standort der Nebenintervenientin in deren Werkstätte gestellt und im Hinblick auf die Dringlichkeit des Transportes noch in der Nacht repariert hätte werden können. Zudem steht fest, daß der erste Kraftfahrer bloß einen Zettel mit der Mitteilung über den festgestellten Blinkerdeffekt irgendwo in der Fahrerkabine zurückließ und sich offenbar mit der Hoffnung begnügte, daß der nächste Fahrer diesen Zettel finden, lesen und beachten werde, worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat.
Die Wertung, ob ein Verhalten zum groben Verschulden - auch im Sinn des § 29 Abs 1 CMR - zu rechnen ist, erfolgt immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles (7 Ob 376/97p). In der Ansicht der Vorinstanzen, daß durch die gesamte Art und Weise der Transportabwicklung durch die Nebenintervenientin der Verzögerungsschaden grob fahrlässig bewirkt wurde, kann eine Überschreitung des bei der Beurteilung des Verschuldensgrades vorhandenen Spielraumes nicht erblickt werden.
Die Abfahrt wurde durch diverse, in der Sphäre der Nebenintervenientin liegende Umstände wesentlich verzögert. Die eigentliche Fahrtroute wurde überhaupt erst in Angriff genommen, als die Ladung bereits seit Stunden am Zielort eingetroffen hätte sein sollen. Wie schon das Berufungsgericht im Hinblick auf diese Tatsache zutreffend ausführte, sind die Verspätungen bei der Abfahrt daher auch kausal für die weiteren, verkehrs- und witterungsbedingten Verzögerungen, die den Transport bei zeitgerechtem Losfahren nicht tangiert hätten. Der Nebenintervenientin ist jedenfalls anzulasten, daß sie eine wesentlich weitere und unsicherer Route wählte. Sie hat auch nicht dargelegt, wie lange die Weiterfahrt durch den Murenabgang und die Staus durch Verkehrsunfälle jeweils blockiert war. Derartige Verzögerungen im Ausmaß von einigen Stunden sind auf einer weiten Strecke durchaus üblich und waren bei der Zeitvorgabe der Auftraggeberin einkalkuliert, wie die Tatsache zeigt, daß die Gesamtfahrzeit trotz dieser Behinderungen kürzer war als die Zeitspanne zwischen der Beladung und dem vereinbarten Abladetermin.
Zu einer näheren Befassung mit der der Rechtsprechung folgenden Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Nebenintervenientin komme für die gesamte Verzögerungszeit weder eine Haftungsbefreiung nach Art 17 CMR noch eine Haftungsbeschränkung nach § 23 Z 5 CMR zugute, besteht daher kein Anlaß.
Es ist zwar richtig, daß die Vorschrift des § 273 Abs 1 ZPO nur dann anwendbar ist, wenn der Betrag, nicht aber der Grund der Forderung strittig ist (SZ 66/122 uva). Im vorliegenden Fall wurde der Schadenseintritt infolge der verspäteten Ablieferung des Transportgutes aber - wie bereits ausgeführt wurde - bindend festgestellt.
Selbst wenn, wie nunmehr in der Revision behauptet wird, auch die anderen Teile der Bohrmaschine verspätet an der Baustelle eingelangt sein sollten, wäre die Haftung der beklagten Partei gemäß § 1302 ABGB (vgl Reischauer in Rummel**2 II, Rz 13 zu § 1302 ABGB) für den gesamten Schaden zu bejahen.
Ob das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO richtig ist, fällt zwar in den Bereich der rechtlichen Beurteilung (VersRdSch 1987, 248 ua). Diese hängt aber hier von den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalles ab, und es ist nicht zu erwarten, daß die Beurteilung dieser Umstände für weitere gleichartige Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung sein könnte. Ebensowenig gebietet die Einzelfallgerechtigkeit ein näheres Befassen mit der Ausmittlung der Schadenshöhe durch die Vorinstanzen.
Die Revision war daher iSd § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.
Da die klagende Partei in ihrer Revisionsbeantwortung auf diese Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, war ihr gemäß den §§ 41 und 50 ZPO Kostenersatz für diesen Schriftsatz zuzuerkennen.
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