OGH 6Ob12/01k

OGH6Ob12/01k22.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Michael Böhme, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Herbert Jürgens, Rechtsanwalt in Graz, und die Nebenintervenientin A***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in Wels, wegen 67.909 S, über den Rekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18. September 2000, GZ 1 R 256/00v-39, mit dem die Berufung der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 30. November 1999, GZ 12 C 3112/97b-34, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Errichtung einer Funkanlage. Die Beklagte betraute damit ihrerseits die Nebenintervenientin als Subunternehmerin.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Rückzahlung der von ihr geleisteten Anzahlung von 41.447,20 S, die Kosten der Entfernung der installierten Anlage von 12.544,80 S und Schadenersatz von 13.917 S für ein beschädigtes Funkgerät.

Die Beklagte wendete die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes ein und beantragte im Übrigen die Abweisung des Klagebegehrens.

Die Nebenintervenientin trat nach Streitverkündung auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit bei.

Das Erstgericht verwarf die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 53.992 S. Das Begehren von 13.917 S wies es rechtskräftig ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen den stattgebenden Teil Folge, hob das Ersturteil in seinem stattgebenden Teil (wegen Nichtigkeit) auf und überwies die Rechtssache an das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz, weil es die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten für berechtigt erachtete. Hingegen wies es die Berufung der Nebenintervenientin als verspätet zurück. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt festgestellt, dass das Ersturteil der Klägerin am 28. 2. 2000 zugestellt wurde. Da die Berufung der Nebenintervenientin erst am 28. 2. 2000 zur Post gegeben worden sei und die Rechtsmittelfrist auch für sie ab der Zustellung der Urteilsausfertigung an die Hauptpartei zu laufen beginne, sei diese Berufung verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der Nebenintervenientin ist zwar gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig: Nach dieser Bestimmung ist ein Beschluss des Berufungsgerichtes, mit dem es die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen (hier: wegen Verspätung) zurückgewiesen hat, ohne die Beschränkung des § 502 Abs 1 ZPO und ohne Rücksicht auf den Streitwert mit Rekurs (Vollrekurs) anfechtbar (2 Ob 61/00k mwN; RIS-Justiz RS0043893; RS0098745).

Der Rekurs ist jedoch mangels Beschwer unzulässig.

Die Rekurswerberin vertritt in ihrem Rekurs die Ansicht, dass sie nicht als einfache, sondern als streitgenössische Nebenintervenientin zu qualifizieren sei, wie sich aus ihrem Sachvorbringen ergebe. Der streitgenössische Nebenintervenient sei prozessual als Streitgenosse zu behandeln. Für ihn beginne der Fristenlauf erst mit der Zustellung der Urteilsausfertigung an ihn. Da das Ersturteil der Nebenintervenientin am 31. 1. 2000 zugestellt worden sei, sei ihre am 28. 2. 2000 zur Post gegebene Berufung rechtzeitig. Sie beantragte daher die Aufhebung des Punktes 2. des Beschlusses des Rekursgerichtes und dessen Abänderung dahin, dass der Berufung der Nebenintervenientin ebenfalls Folge gegeben werde.

Nach ständiger Rechtsprechung laufen die Rechtsmittelfristen auch für den Nebenintervenienten, dem nicht die Stellung eines Streitgenossen zukommt, vom Tag der Zustellung an die Partei, der er beigetreten ist (RIS-Justiz RS0035584). Diesem Nebenintervenienten ist keine eigene Urteilsausfertigung zuzustellen. Auch durch die versehentliche gesonderte Zustellung einer Urteilsausfertigung wird keine eigene Rechtsmittelfrist für ihn in Gang gesetzt (8 ObS 52/97y = RdW 1997, 615). Streitgenössischer Nebenintervenient ist derjenige Dritte, auf dessen Verhältnis zum Gegner der Hauptpartei sich die Wirkungen des in einem Prozess ergehenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift unmittelbar erstrecken. Die Voraussetzungen der streitgenössischen Nebenintervention sind nur gegeben, wenn das Rechtsverhältnis zwischen dem Nebenintervenienten und der Hauptpartei durch die erweiterte Rechtskraftwirkung des Urteils mitumfasst wird oder wenn das Urteil auch gegen den Nebenintervenienten vollstreckt werden kann (RIS-Justiz RS0035579).

Nach bisheriger Rechtsprechung verschafft dem Nebenintervenienten weder eine etwa drohende Regressklage noch seine allfällige Solidarhaftung die Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten (JBl 1957, 594; 10 Ob 509/93 = MietSlg 45.614). Ob diese Ansicht in dieser Allgemeinheit aufrechtzuerhalten ist, ist seit der Entscheidung des verstärkten Senates SZ 70/60 = JBl 1997, 368 = ecolex 1997, 422 fraglich. Mit dieser Entscheidung sprach sich der Oberste Gerichtshof für eine der Interventionswirkung des § 68 dZPO vergleichbare Bindungswirkung bei einfacher Nebenintervention und Streitverkündung aus, die dem einfachen Nebenintervenienten und demjenigen, der sich trotz Streitverkündung am Verfahren nicht beteiligte, in einem als Regressprozess geführten Folgeprozess rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendungen verwehrt, die mit den notwendigen Elementen der Feststellungen des Vorprozesses in Widerspruch stehen. Dazu gehören auch die die Rechtsposition dieser Person belastenden Tatsachenfeststellungen, soweit ihr diesbezüglich im Vorprozess unbeschränktes rechtliches Gehör zustand. Diese weitgehende Bindungswirkung eines Urteiles auch für den einfachen Nebenintervenienten legt es nahe, ihm im Falle eines seitens der Hauptpartei drohenden Regresses im Verfahren gegen die Hauptpartei gleiche Rechte wie dem streitgenössischen Nebenintervenienten einzuräumen und den Beginn der Rechtsmittelfrist gegen ein der Klage gegen die Hauptpartei stattgebendes Urteil erst mit der Zustellung dieses Urteiles an den Nebenintervenienten beginnen zu lassen.

Allerdings bedarf die aufgezeigte Rechtsfrage im vorliegenden Fall keiner abschließenden Klärung, weil über den Rekurs der Nebenintervenientin nicht inhaltlich zu entscheiden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse voraus, ist es doch nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Die Beschwer muss sowohl bei Einlangen des Rechtsmittels als auch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorliegen (Kodek in Rechberger, ZPO2, Rz 9 vor § 461 ZPO).

Die Nebenintervenientin ist zwar infolge Zurückweisung ihrer Berufung formell beschwert. Dadurch ist ihre Rechtsstellung aber noch nicht beeinträchtigt, weil sie selbst bei Stattgebung ihrer Berufung nichts anderes erreichen könnte als die Aufhebung des von ihr bekämpften Ersturteiles als nichtig und die Überweisung der Rechtssache an das nach Ansicht des Berufungsgerichtes zuständige Gericht. In diesem Sinn wurde aber ohnehin in Punkt 1. des Beschlusses des Berufungsgerichtes entschieden. Dieser Ausspruch erwuchs sofort in Rechtskraft, weil gegen einen solchen Beschluss des Berufungsgerichtes gemäß § 519 ZPO kein Rechtsmittel zulässig ist (2 Ob 565/92 = JUS Z 1156; 6 Ob 618/93; Kodek aaO, Rz 2 zu § 519 ZPO).

Da somit das Berufungsgericht inhaltlich ohnehin der Berufung der Nebenintervenientin, die ebenfalls auf die Unzuständigkeit des Erstgerichtes hinwies und aus diesem Grund Nichtigkeit des Ersturteiles im Umfang der Klagestattgebung geltend machte, entsprochen hat, fehlt es der Nebenintervenientin an der materiellen Beschwer zur Bekämpfung des ihre Berufung zurückweisenden Beschlusses.

Im Hinblick auf die Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidungen der Gerichte zweiter Instanz kann das Interesse an einem Kostenzuspruch für eine Berufung nicht die für ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof erforderliche Beschwer begründen (Kodek aaO, Rz 9 vor § 461 ZPO mwN).

Der Rekurs der Nebenintervenientin war daher mangels Beschwer zurückzuweisen.

Damit ist auch der Antrag der Nebenintervenientin auf Zuspruch für die Kosten des Rekurses zurückgewiesen. Es liegt hier kein Fall des § 50 Abs 2 ZPO vor, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei einem Rechtsmittel bei der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nicht zu berücksichtigen wäre. "Nachträglich" bedeutet Wegfall der Beschwer zwischen Einbringung des Rechtsmittels und der Entscheidung darüber (Fucik in Rechberger, ZPO2, Rz 2 zu § 50 ZPO). Im vorliegenden Fall ist aber die Beschwer bereits mit der unanfechtbaren Aufhebung des Ersturteils und Überweisung der Rechtssache an ein anderes Erstgericht und somit vor Erhebung des Rekurses der Nebenintervenientin weggefallen.

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