OGH 10ObS258/00i

OGH10ObS258/00i16.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Franz Ovesny (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und DDr. Wolfgang Massl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Lilly T*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm ua, Rechtsanwältinnen in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Mai 2000, GZ 7 Rs 100/00b-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15. Dezember 1999, GZ 31 Cgs 85/97k-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld gemäß § 5a Abs 2 Opferfürsorgegesetz (OFG) ausgehend von einem monatlich erforderlichen Betreuungsaufwand von höchstens 30 Stunden mit zutreffender Begründung verneint, sodass auf dessen Ausführungen verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin Folgendes entgegenzuhalten:

Personen im Sinne der Z 1 bis 6 des § 3 Abs 1 BPGG, die in der im § 500 ASVG, BGBl Nr 1955/189, angeführten Zeit und aus den dort angeführten Gründen auswanderten und hilflos im Sinne des § 105a ASVG in der bis 30. Juni 1993 geltenden Fassung sind, haben auf Antrag und unter den sonstigen Voraussetzungen des BPGG Anspruch auf eine monatliche Leistung in der jeweiligen Höhe eines Pflegegeldes der Stufe 2, wenn sich ihr gewöhnlicher Aufenthalt auf Grund dieser Auswanderung im Ausland befindet (§ 5a Abs 2 OFG). Es handelt sich dabei um eine Sonderform des Pflegegeldes (RIS-Justiz RS0102046). Der erkennende Senat hat hiezu in der Grundsatzentscheidung 10 ObS 204/95 (= SSV-NF 9/97 = SZ 68/215) ausgesprochen, dass sich bei Zutreffen der sonstigen - hier nicht strittigen - Leistungsvoraussetzungen nach § 5a Abs 2 OFG iVm § 500 ASVG die materiellen Leistungsvoraussetzungen für das Pflegegeld nicht nach dem BPGG, sondern nach dem den früheren Hilflosenzuschuss regelnden § 105a ASVG richten (siehe auch ARD 4967/50/98 [richtige AZ jedoch 10 ObS 150/97z]; RIS-Justiz RS0089222).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates gebührte der Hilflosenzuschuss gemäß § 105a ASVG dann, wenn die Kosten fremder Hilfe für notwendige Verrichtungen, die ein Pensionist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr allein ausführen kann, mindestens so hoch waren wie der begehrte Hilflosenzuschuss (SSV-NF 1/46; RIS-Justiz RS0083867, RS0084283 ua). Der Oberste Gerichtshof hat auch wiederholt ausgesprochen, dass dabei die üblicherweise aufzuwendenden Kosten nicht bis ins einzelne, sondern nur überschlagsmäßig (vgl § 273 ZPO) festzustellen sind (SSV-NF 5/47 mwN ua).

Gegen den von den Vorinstanzen gemäß § 273 ZPO mit 30 Stunden pro Monat ermittelten zeitlichen Betreuungsaufwand für jene lebenswichtigen Verrichtungen, die die Klägerin nicht mehr selbst verrichten kann, bestehen keine Bedenken, zumal er sich mit der Lebenserfahrung in Einklang bringen lässt (vgl SSV-NF 10/8). Auch die Klägerin argumentiert nur, dass zu jenen 30 Stunden, die schon die Vorinstanzen zugrundegelegt haben, noch ein zusätzlicher Zeitaufwand für die Möglichkeit, gesellschaftliche Kontakte zu pflegen, kulturelle Bedürfnisse außer Haus zu befriedigen oder Spaziergänge zu absolvieren, zu berücksichtigen sei. Auf diesen, über Arzt- und Behördenwege hinausgehenden, nicht medizinisch indizierten Zeitaufwand kann im Rahmen der hier begehrten Leistung jedoch nicht Bedacht genommen werden. Ohne dass damit das Recht auf derartige Aktivitäten in irgendeiner Weise in Frage gestellt werden soll, können diese Verrichtungen jedenfalls bei der Entscheidung über den Anspruch auf Pflegegeld nach § 5a Abs 2 OFG nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht in dem Sinn lebensnotwendig sind, dass die Klägerin bei deren Ausfall in absehbarer Zeit verkommen müsste oder gesundheitliche Schäden erleiden würde (vgl SSV-NF 2/12, 3/114).

Die betraglichen Voraussetzungen, also die Kosten der notwendigen Betreuungsmaßnahmen sind auf der Grundlage des Betrages des Pflegegeldes der Stufe 2, und nicht der Höhe des früheren Hilflosenzuschusses zu prüfen. Diese Frage kann nämlich nur anhand der aktuell in Frage kommenden Leistung beurteilt werden (SSV-NF 9/97; RIS-Justiz RS0089225). Das Pflegegeld der Stufe 2 betrug im Jahre 1997 - ab welchem Jahr der Antrag gerichtet ist - monatlich S

3.688 und gebührt zwölfmal jährlich (§ 5 Abs 1 BPGG). Die Kosten fremder Hilfe für lebensnotwendige Verrichtungen, die die Klägerin nicht mehr allein ausführen kann, sind damit auch nicht mindestens so hoch wie das von der Klägerin begehrte Pflegegeld der Stufe 2.

Selbst wenn man in Betracht zieht, dass die Kosten für eine Hilfsperson vierzehnmal jährlich anfallen, stünden der Klägerin nämlich im Fall des Pflegegeldes der Stufe 2 für jede monatliche Zahlung S 3.161 zur Verfügung (SSV-NF 9/97). Selbst wenn man nun den von der Klägerin in der Revision geforderten Stundensatz einer Hilfskraft von S 100 zu Grunde legt, ergibt sich bei einem monatlichen Zeitaufwand von 30 Stunden ein monatlicher Gesamtaufwand von S 3.000, der noch unter dem auf Grund des begehrten Pflegegeldes der Stufe 2 monatlich zur Verfügung stehenden Betrag liegt (vgl SSV-NF 5/41, 9/97 ua). Jene Überlegungen der Klägerin in der Revision, die von einem monatlichen Zeitaufwand von 35 Stunden ausgehen, missverstehen die Ausführungen des Berufungsgerichtes, bei denen es sich lediglich um ein Rechenbeispiel auf der Grundlage eines Stundensatzes von S 90 gehandelt hat (arg. sogar bis 35 Stunden); da ein Zeitaufwand von 35 Stunden nicht zu berücksichtigen ist, kommt diesen Ausführungen keine Bedeutung zu.

Da somit Hilflosigkeit der Klägerin im Sinn des § 105a ASVG iVm § 5a Abs 2 OFG nicht vorliegt, haben die Vorinstanzen das Klagebegehren zutreffend abgewiesen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Der Umstand, dass die im Ausland lebende Klägerin nicht in der Lage ist, ihre Revision selbst auszuführen, rechtfertigt noch keinen Kostenzuspruch nach Billigkeit. Dies trifft nämlich auf Grund der für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof geltenden absoluten Anwaltspflicht alle Parteien (Kuderna, ASGG2 240).

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