OGH 2Ob331/99m

OGH2Ob331/99m11.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Karl S*****, Pensionist, ***** 2. Gertraud U*****, Angestellte, ***** vertreten durch Mag. Günther Reiffenstuhl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Christian B*****, Installateur, ***** vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Wiederherstellung (Streitwert S 80.000), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 22. April 1999, GZ 36 R 118/99t-25, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Tulln vom 1. Oktober 1998, GZ 2 C 1337/97t-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.716,32 (darin S 1.952,72 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Vorauszuschicken ist, dass das Berufungsgericht entgegen § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO nicht ausgesprochen hat, ob der (hier nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestehende) Entscheidungsgegenstand bei Übersteigen von S 52.000 auch S 260.000 übersteigt oder nicht. Da jedoch (gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) weiters ausgesprochen wurde, dass die ordentliche Revision zulässig sei, ist die Entscheidungsbefugnis des Obersten Gerichtshofes ungeachtet des unvollständig gebliebenen Bewertungsausspruches jedenfalls gegeben, weil auch im Falle einer Unterschreitung des Schwellenwertes von S 260.000 ein Verfahren auf Abänderung eines Zulässigkeitsausspruches nach § 508 ZPO nicht mehr in Frage käme. Damit bedurfte es insoweit auch keines Verbesserungsauftrages (2 Ob 280/00s).

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision mit der Begründung zugelassen, dass es zu der Frage, ob dann, wenn sich der durch eine Dienstbarkeit verpflichtete Teil der Ausübung der Servitut durch Errichtung eines Hindernisses widersetzt, gleichzeitig aber dem berechtigten Teil für den Fall des Bedarfseintrittes die Entfernung des Hindernisses zusagt, die dreijährige Frist des § 1488 ABGB ausgelöst wird, - soweit überblickbar - keine höchstgerichtliche Judikatur gebe und dieser Rechtsfrage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Die Revisionswerber vertreten dazu den Standpunkt, die Zusage, den Servitutsweg im Bedarfsfalle wieder freizumachen, könne nichts daran ändern, dass seine Benützung im Jahr 1983 unmöglich gemacht worden sei. Die Ausübung des ungestörten Servitutsrechts hätte daher innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1488 ABGB geltend gemacht werden müssen. Als der Beklagte 1997 begonnen habe, den Servitutsweg eigenmächtig wieder freizulegen, sei die Dienstbarkeit bereits erloschen gewesen.

Das Recht der Dienstbarkeit verjährt in drei Jahren bei Widersetzlichkeit des Verpflichteten durch die sogenannte "Freiheitsersitzung" (usucapio libertatis): Wenn sich der verpflichtete Teil der Ausübung der Servitut widersetzt, und der Berechtigte durch drei aufeinanderfolgende Jahre sein Recht nicht geltend macht, geht die Servitut unter (§ 1488 ABGB). Es muss einerseits eine Widersetzlichkeit gegenüber dem Servitutsberechtigten vorliegen, was nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist (Schubert in Rummel II2 Rz 2 zu § 1488 ABGB mwN); andererseits ist Voraussetzung, dass sich der Verpflichtete fortwährend (durch die gesamte Dreijahresfrist) der Ausübung der Servitut widersetzt (Schubert aaO; Mader in Schwimann VII2 Rz 6 zu § 1488 ABGB), und dass es der Servitutsberechtigte dabei bewenden lässt (RIS-Justiz RS0034241, RS0034388 und RS0034309), also wegen der Widersetzlichkeit von der Ausübung absteht (NZ 1995, 105; Mader aaO Rz 4 zu § 1488 ABGB mwN).

Dazu hat das Erstgericht folgende, vom Berufungsgericht gebilligte Feststellungen getroffen:

Eine Woche nach Fertigstellung des im Jahr 1983 begonnenen serpentinenförmigen Weges als (neue aber nicht gleichwertige) Zufahrt zum herrschenden Grundstück des Beklagten, veranlasste der Erstkläger als Miteigentümer des dienenden Grundstückes Baggerarbeiten, die dazu führten, dass der alte, geradeaus führende Servitutsweg nicht mehr benützbar war. Der Beklagte hatte damals die Absicht, mittels Besitzstörungsklage gegen "die Kläger" vorzugehen, seine Mutter war allerdings dagegen. Sie führte bezüglich des Unbrauchbarmachens des (Servituts-)Weges durch den Erstkläger ein Gespräch, in welchem er ihr sagte, dass sie das aufgeschüttete Erdreich wegnehmen würden, wenn der Beklagte und seine damals noch als Miteigentümerin "aufscheinende" Mutter wieder fahren würden. Tatsächlich wurde das aber nie gemacht, (sondern der "Serpentinenweg" als Zufahrt zum herrschenden Grundstück benützt).

Durch eine Schenkung im Jahr 1993 wurde der Beklagte Alleineigentümer des herrschenden Grundstücks. Im Juni 1997 entschloss er sich wegen der immer wieder auftretenden Schwierigkeiten bei der Benützung des Serpentinenweges, insbesondere der über den Serpentinenweg nicht mehr möglichen Zufahrt von Rettung und Feuerwehrfahrzeugen, den alten Servitutsweg wieder frei und befahrbar zu machen, was er auch durchführte.

Die Vorinstanzen sind nach den Umständen des Einzelfalls in ihrer rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen, dass der Tatbestand der Freiheitsersitzung gemäß § 1488 ABGB nicht erfüllt sei. Durch die Entfernungszusage des Erstklägers habe er zu erkennen gegeben, dass er sich der Ausübung der Servitut im Bedarfsfalle nicht widersetze (S 5 der Berufungsentscheidung).

Rechtliche Beurteilung

Mit dieser Beurteilung ist das Berufungsgericht von den Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung jedenfalls nicht eklatant abgewichen:

Dass die angefochtene Entscheidung mit der älteren Rechtsprechung in Einklang steht, wonach eine Widersetzlichkeit iSd § 1488 ABGB nur dann vorliege, wenn sich der Verpflichtete der tatsächlichen Ausübung widersetze, sodass man sich einer nicht in Anspruch genommenen Dienstbarkeit nicht widersetzen könne und die dreijährige Frist erst zu laufen beginne, wenn der Berechtigte die Beseitigung des Hindernisses fordere und der Belastete sie verweigere (Mader aaO Rz 5 zu § 1488 ABGB mwN; R.Welser, Vertragsauslegung, Gutglaubenserwerb und Freiheitsersitzung, JBl 1983, 4 [14]; Koziol/Welser I11, 386; jeweils mit Hinweis auf SZ 37/107 = RIS-Justiz RS0034271 und RS0034394), bedarf keiner weiteren Begründung; wurde die Beseitigung des vom Erstkläger errichteten Hindernisses doch keineswegs verweigert, sondern für den Fall, dass die Eigentümer des herrschenden Grundstückes "wieder fahren würden" sogar ausdrücklich zugesagt.

Entgegen dem in der Revision vertretenen Standpunkt steht die berufungsgerichtliche Entscheidung aber auch mit der neueren Rechtsprechung nicht in Widerspruch, wonach für die Widersetzlichkeit iSd § 1488 ABGB eine manifeste Beeinträchtigung des Servitutsrechts genügt (RIS-Justiz RS00371419), es also ausreicht, wenn der Belastete ein Hindernis errichtet, das die Ausübung des Rechtes für den Berechtigten unmöglich macht und der Berechtigte davon bei gewöhnlicher Sorgfalt zumindest Kenntnis erlangen konnte (zuletzt: 6 Ob 85/00v mit Hinweis auf SZ 58/98). Auch in den jüngsten Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof nämlich (iSd eingangs wiedergegebenen stRsp [RIS-Justiz RS0034241, RS0034309 und RS0034388]) festgehalten, dass der Verlust des Rechtes durch die Widersetzlichkeit des zur Duldung Verpflichteten (nur) dann eintritt, wenn es der Besitzer bis zum Ablauf der Verjährungsfrist bei der Widersetzlichkeit bewenden lässt bzw sich dem ausgesprochenen Verbot fügt (6 Ob 85/00v; 1 Ob 2188/96p mwN; so auch Welser, Freiheitsersitzung, JBl 1983, 19); wovon hier schon im Hinblick auf die festgestellte Reaktion der Servitutsberechtigten auf das Hindernis und die daraufhin (wenn auch nur als "Absichtserklärung" [S 5 der Revision]) abgegebene Entfernungszusage des Erstklägers keine Rede sein konnte.

Wenn das Berufungsgericht den Eintritt der Freiheitsersitzung gemäß § 1488 ABGB im Ergebnis deshalb verneint hat, weil sich der Verpflichtete nicht (fortwährend durch die Dreijahresfrist) der Ausübung der Servitut widersetzte (Mader aaO Rz 6 zu § 1488 ABGB), hält es sich an diese Grundsätze. Derartige Einzelfallenscheidungen (vgl RIS-Justiz RS0044201 [T10]) sind durch den Obersten Gerichtshof aber nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0044088). Eine offenkundige Fehlbeurteilung ist hier jedoch nicht zu erkennen.

In der Revision wird daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt, weshalb das Rechtsmittel - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen war (6 Ob 85/00v; 2 Ob 280/00s).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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