OGH 1Ob2083/96x

OGH1Ob2083/96x23.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maher K*****, vertreten durch Dr.Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 250.000,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsstreitwert S 70.000,- -) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20.November 1995, GZ 14 R 167/95-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30.März 1995, GZ 33 Cg 9/94-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Zuspruch von S 95.000,-- samt 4 % Zinsen seit 27.7.1993 und in der Abweisung eines Mehrbegehrens von S 85.000,-- samt 4 % Zinsen seit 27.7.1993 als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleiben, werden im übrigen (Abweisung eines Mehrbegehrens von S 70.000,- - samt 4 % Zinsen seit 27.7.1993) aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der PKW des Klägers, ein Mercedes 300 CE wurde im Zuge eines Strafverfahrens beschlagnahmt. Mit Beschluß vom 20.1.1992 ordnete das Strafgericht an, daß das Fahrzeug gemäß § 1425 ABGB beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu „hinterlegen“ sei. Als Erlagsgegner wurden der Kläger, eine weitere Person und eine Versicherungsgesellschaft benannt. Die Bundespolizeidirektion Wien wurde beauftragt, den PKW samt Schlüssel für das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu verwahren. Mit Beschluß dieses Gerichts vom 28.2.1992 wurde die Bundespolizeidirektion Wien (Bundespolizeikommissariat Simmering) zum Verwahrer bestellt. Das Fahrzeug wurde auf einem Abstellplatz in Wien, der den Wiener Polizeibehörden zum Abstellen von Autowracks zur Verfügung gestellt worden war, im Freien ohne Überdachung abgestellt. Zum Zeitpunkt der Beschlagnahme und der Verbringung auf den Abstellplatz wies es keine Beschädigungen auf. Sein Zeitwert belief sich am 28.2.1992 auf S 480.000,- -. Der Abstellplatz war während der Nacht nahezu unbewacht. Im Oktober 1992 wurde der PKW von unbekannten Tätern beschädigt. Kurz nach dem 27.7.1993 wurde das verwahrte Fahrzeug, das im beschädigten Zustand einen Zeitwert von S 315.000,-- aufwies, dem Kläger ausgefolgt.

Der Kläger begehrte Schadenersatz im Betrag von S 250.000,- -, weil die beklagte Partei seinen PKW nicht gehörig verwahrt habe und dadurch eine Wertminderung im Ausmaß des Klagsbetrags eingetreten sei.

Die beklagte Partei wendete ein, sie habe sie die ihr obliegende Obsorge über das Fahrzeug nicht vernachlässigt. Die auf das Abstellgelände eingedrungenen unbekannten Täter hätten den Schaden allein zu vertreten.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 95.000,-- zu und wies das Mehrbegehren von S 155.000,-- ab. Die beklagte Partei hafte dem Kläger als Verwahrer gemäß § 964 ABGB. Die Bewachung des Abstellplatzes sei unzureichend gewesen, die beklagte Partei habe die ihr anvertraute Sache nicht sorgfältig verwahrt und dadurch ihre Pflichten als Verwahrer verletzt. Daß der Motor und die Bremsen durch das Abstellen im Freien beschädigt worden seien, sei nicht feststellbar. Am 27.7.1993 hätte das Fahrzeug im Zustand zum 28.2.1992 einen Zeitwert von S 410.000,-- gehabt. Da es im beschädigten Zustand einen Wert von S 315.000,-- hatte, seien S 95.000,-- an Schadenersatz zuzuerkennen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der vom Kläger wegen Abweisung des Mehrbegehrens im Teilbetrag von S 70.000,-- sA erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der vom Kläger geforderte Schadenersatz wegen witterungsbedingter Schäden sei nicht zuzuerkennen. Der dem Verfahren beigezogene Sachverständige habe den im Laufe der Verwahrung entstandenen Wertverlust des Fahrzeugs nicht ausschließlich auf Witterungseinflüsse zurückgeführt. Er habe vielmehr den Zeitwert des PKWs zu Beginn der Verwahrung jenem am Ende derselben ohne die während der Aufbewahrung erfolgten Beschädigungen gegenübergestellt und dabei die Witterungseinflüsse mitberücksichtigt. Personenkraftwägen würden erfahrungsgemäß im Laufe von eineinhalb Jahren einen nicht unbeträchtlichen Wertverlust unabhängig davon erleiden, ob sie garagiert oder im Freien abgestellt seien. Das Abstellen von PKW im Freien sei nicht ungewöhnlich; moderne Fahrzeuge seien weitgehend gegen Witterungseinflüsse geschützt. Der Kläger, der von der Verwahrung verständigt worden sei, habe mit einer Verwahrung des Fahrzeugs im Freien rechnen müssen. Hätte er eine besonders sorgfältige Verwahrung unter Dach für erforderlich gehalten, wäre es seine Sache gewesen, diese Verwahrungsart zu fordern.

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger stützte sein Schadenersatzbegehren unter anderem auch darauf, daß die beklagte Partei das beschlagnahmte Fahrzeug nicht ordnungsgemäß in einer Halle verwahrt habe und dadurch ein Ein- bzw Verrosten herbeigeführt worden sei (S.13 des Protokolls vom 7.6.1994). Im Sinne dieses Vorbringens wurde dem Sachverständigen vom Erstgericht auch der Auftrag erteilt, anzugeben, welchen Wertverlust der PKW durch witterungsbedingte Schäden erlitten habe, weil es unbenützt im Freien seit Oktober 1991 abgestellt gewesen sei. Der Sachverständige kam zum Schluß, daß der Zeitwert zum 28.2.1992 S 480.000,-- betragen habe, zum 27.7.1993 erscheine im Zustand vom 28.2.1992 der in der Klage angegebene Zeitwert von S 410.000,-- angemessen. „Der Wertverlust des Fahrzeugs durch die witterungsbedingten Schäden“ ergebe „sich aus der Differenz zwischen den beiden genannten Werten“ (S.9 f des Sachverständigengutachtens). Das Erstgericht hat die jeweiligen Zeitwerte ausdrücklich unter Bezugnahme auf das von ihm als unbedenklich und schlüssig erachtete Sachverständigengutachten in dieser Höhe gestützt (S.10 f seines Urteils). Demnach ging schon das Erstgericht davon aus, daß „witterungsbedingte Schäden“ im Laufe der Verwahrung am Fahrzeug des Klägers aufgetreten seien. Auch das Gericht zweiter Instanz führt aus, der Sachverständige habe die Witterungseinflüsse bei der Ermittlung des Zeitwerts am Ende der Verwahrung mitberücksichtigt, der am PKW entstandene Wertverlust sei aber nicht ausschließlich auf Witterungseinflüsse zurückgeführt worden (S.3 seines Urteils). Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß sich im Sachverständigengutachten keine verläßlichen Anhaltspunkte für die Annahme eines witterungsbedingten Schadens im Ausmaß von S 70.000,-- finden, weil die Ausführungen des Sachverständigen in der Tat widersprüchlich sind. Einerseits legt er nämlich dar, daß zum 27.7.1993 der Zeitwert des Fahrzeugs von S 410.000,-- im Zustand vom 28.2.1992 - also unbeschädigt und dem Wortlaut nach wohl auch ohne die erst danach allenfalls aufgetretenen Witterungsschäden - angemessen erscheine, andererseits führt er die Differenz von S 70.000,-- auf „witterungsbedingte Schäden“ zurück. Wie hoch die allenfalls durch Witterungseinflüsse verursachten Schäden tatsächlich anzusetzen sind, kann demnach dem Gutachten nicht entnommen werden, weil - wie das Berufungsgericht richtig darlegte - auch durch die Alterung eines Fahrzeugs ein nicht unbeträchtlicher Wertverlust entsteht und der PKW immerhin etwa eineinhalb Jahre lang gerichtlich verwahrt war. Für den Fall der Bejahung einer Haftung der beklagten Partei für die auf Witterungseinflüsse zurückzuführenden Schäden wird deren Höhe vom Gericht erster Instanz demnach verläßlich festzustellen sein.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, der Kläger hätte eine besonders sorgfältige Verwahrung unter Dach gesondert fordern müssen, um allenfalls Anspruch auf Ersatz von Witterungsschäden erheben zu können. Diesen Ausführungen ist nicht beizupflichten. Wohl hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen, daß die Haftung für die Art der Verwahrung eines abgestellten Kraftfahrzeugs jedenfalls dann zu verneinen sei, wenn dem Auftraggeber die Abstellungsart bekannt ist und er dagegen nicht Einspruch erhebt (SZ 64/62; 3 Ob 221/75; SZ 5/94). Der diesen Entscheidungen zugrundeliegende Sachverhalt ist aber dem hier vorliegenden nicht vergleichbar: Der Kläger hat die beklagte Partei nicht mit der Verwahrung beauftragt; daß ihm die Art der Abstellung des Fahrzeugs bekannt gewesen wäre, wurde von der beklagten Partei gar nicht behauptet. Dem Erlagsakt ist vielmehr nur die Verständigung des Klägers davon zu entnehmen, daß die Bundespolizeidirektion Wien, Kommissariat Simmering, gemäß § 1425 ABGB zum gerichtlichen Verwahrer bestellt und auf die Verwahrerpflichten hingewiesen wurde (GZ 6 Nc 62/92-2, 4 des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien). Dem Kläger wurde somit durch einen öffentlich-rechtlichen Akt die Obhut über sein Fahrzeug entzogen; dieser hoheitliche Akt schloß ihn von der Sorge für seinen PKW aus (Hüffer in Münchener Kommentar zum BGB2, Rz 58 ff zu § 688; Reuter in Staudinger, BGB12, Vorbemerkungen zu § 688 Rz 44; Mühl in Soergel, BGB11, Rz 7 vor § 688). Von einer Billigung der Verwahrungsart durch den Kläger kann daher keine Rede sein. Es kann ihm aber auch nicht die Verpflichtung auferlegt werden, eine bestimmte Form der Verwahrung zu fordern, weil es schon dem Gesetz nach dem Verwahrer obliegt, pflichtgemäße Obsorge walten zu lassen (§ 964 ABGB), und der Verwahrer überdies ausdrücklich auf seine Pflichten hingewiesen wurde.

Welches Maß an Sorgfalt der Verwahrer anzuwenden hat, bestimmt sich nach den Umständen des jeweiligen Falls (Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 964). Unter Obsorge im Sinne des § 957 ABGB ist die Verpflichtung zu allen jenen positiven Handlungen zu verstehen, die zur Erhaltung der Sache bzw Verhinderung ihrer Verschlechterung erforderlich sind (Schubert aaO Rz 2 zu § 957). Wie weit die Sorgfaltspflicht des Verwahrers eines Personenkraftwagens im Falle einer öffentlich-rechtlichen Verwahrerbestellung reicht, wurde vom Obersten Gerichtshof bisher nicht entschieden; es existiert nur Rechtsprechung zu solchen Fällen, in denen der Geschädigte selbst die Verwahrung in Auftrag gegeben bzw die Verwahrungsart ausdrücklich oder schlüssig gebilligt hat (SZ 64/62; 2 Ob 540/84; SZ 56/143; 3 Ob 221/75). Der Sorgfaltsmaßstab kann aber jedenfalls nicht anders beurteilt werden als bei privatrechtlich übernommener Verwahrung. Der Verwahrer hat demnach auch bei öffentlich-rechtlicher Bestellung alles vorzukehren, was ihm, um eine Verschlechterung der ihm anvertrauten Sache hintanzuhalten, zugemutet werden kann. Nur unwirtschaftliche Maßnahmen muß er nicht ergreifen, um etwa das verwahrte Gut vor naturgegebenen Gefahren zu bewahren (MietSlg 32.122 ua; vgl auch Schubert aaO § 964 Rz 1 f). Deshalb ist ein zur Verwahrung übernommenes Kraftfahrzeug in zumutbarem Ausmaß auch gegen Witterungseinflüsse zu schützen.

Welche Maßnahmen der Verwahrer zu diesem Zweck vorzukehren hat, kann allerdings nur im Einzelfall entschieden werden. Die Eignung der Vorkehrungen wird jedenfalls auch davon abhängen, ob es sich beim verwahrten Gut um einen besonders wertvollen Gegenstand handelt, ob dieser neu oder doch noch neuwertig ist, ob er nicht ohnedies mit besonderen Einrichtungen zum Schutz gegen Witterungseinflüsse ausgestattet ist und wie lange die Verwahrung voraussichtlich dauern wird. Ist danach infolge von witterungsbedingten Einwirkungen eine über den bloßen Alterungsprozeß hinausgehende Wertminderung zu gewärtigen, dann ist jeder Verwahrer - gleichviel, wie er bestellt wurde - dazu verhalten, entsprechende Vorkehrungen (bei Fahrzeugen etwa durch Garagierung, Abdeckung mit Planen o.dgl.) zu treffen, um solche drohende Schäden möglichst zu verhindern. Ist er dazu angesichts seiner Möglichkeiten aber außerstande, so hat er den Hinterleger zu warnen, der dann - jedenfalls bei öffentlich-rechtlicher Verwahrung - für eine anderweitige Verwahrung Sorge zu tragen hat.

Nach Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens wird daher im fortgesetzten Verfahren festzustellen sein, ob der Verwahrer derartige witterungsbedingte Schäden bei der von ihm zu fordernden Sorgfalt voraussehen mußte, in welchem Ausmaß solche in der Tat eintraten und ob bzw. welche Maßnahmen dem Verwahrer zur Vermeidung solcher Schäden zumutbar waren. Erst danach wird die zum Gegenstand der Revision gemachte Frage, ob die beklagte Partei - gegebenenfalls - für am Fahrzeug des Klägers aufgetretene witterungsbedingte Schäden einzustehen hat, verläßlich beantwortet werden können.

Der Revision ist Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen sind im angefochtenen Umfang aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

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